Loe raamatut: «Narrenschwämme», lehekülg 3

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Mögliche psychotherapeutische Ausnutzung der psychotropen Wirkung des Psilocybins

Im obigen Bericht des schon 67jährigen Mykologen klingt die mögliche psychotherapeutische Ausnutzung der psychotropen Wirkung des Psilocybins schon an (Kapitel 8).

Im Einklang mit der starken Psychoaktivität konnte bei den chemischen Analysen der Pilze ein hoher Gehalt an Psilocybin nachgewiesen werden. Man kann heute davon ausgehen, dass die Psilocybe-Art bisher besser untersucht worden ist als jede andere Spezies, sogar gründlicher als die mexikanischen Arten. Letztere enthielten 0,2 bis 0,6% Psilocybin in den Exsikkaten.

Tabelle 1

Psilocybin-Anteil in getrockneten Pilzen der Psilocybe semilanceata (durchschn. Werte).


Herkunft Psilocybin (%)
1. Dübener Heide, Ostdeutschland 0,96
2. Prag, Mittelböhmen 1,05
3. Krasna Lipa, Nordböhmen 0,91
4. Norwegen 0,95
5. Pazifischer Nordwesten, USA 0,93
6. Niederlande 0,97

Aufsammlungen von Psilocybe semilanceata aus England, Schottland, Norwegen, aus Finnland, aus Belgien und Holland, Deutschland, Frankreich, den USA sowie aus der Schweiz und der Tschechoslowakei wurden meist umfassend analysiert. Dabei fand man, dass der Alkaloidgehalt bei der gemeinsamen Analyse mehrerer Pilze zur Ermittlung eines Durchschnittswertes unabhängig vom Herkunftsland um 1% in den Trockenpilzen liegt. Es wurde schon oft über chemische Rassen bei Pilzen diskutiert, z. B. beim Fliegenpilz, aber nachgewiesen wurde eine solche bei den höheren Pilzen – im Gegensatz zu den Pflanzen – noch nicht. Die vorgestellten Resultate sprechen alle gegen eine Variabilität in den grundlegenden chemischen Substanzen im Pilz. Unter den hier abgehandelten Arten scheinen Psilocybe semilanceata und Inocybe aeruginascens (Kapitel 2.5) die Pilze zu sein, deren Gehalt an Psilocybin in den einzelnen Fruchtkörpern am wenigsten variiert. Von den in Tabelle 1 dargestellten Analyseergebnissen stammen die ersten drei von eigenen Untersuchungen, die zusammen mit einer Arbeitsgruppe aus Prag durchgeführt wurden. Frische Pilze enthalten etwa 90% Wasser, d. h. in einem Gramm ist durchschnittlich 1 mg Psilocybin enthalten.


Strukturformel von Psilocybin (1) und Psilocin (2).

Das instabilere Psilocin, das als psilocybinanaloges Phenol viel oxydabler als letzteres ist, kommt in Psilocybe semilanceata höchstens in Spuren vor, meistens jedoch überhaupt nicht.

Tabelle 2

Alkaloidgehalt von trockenen Pilzen eines Standortes aus der Dübener Heide (eigene Befunde).


Trockenmassen Psilocybin Baeocystin
18 (mg) 1,25% 0,34%
30 0,96 0,21
70 0,72 0,19
85 0,90 0,10

Dagegen lässt sich das Baeocystin als biochemische Vorstufe des Psilocybins, bei dem die eine CH3-Gruppe der letzteren Substanz durch ein H-Atom ersetzt ist, in jedem Fruchtkörper der Psilocybe-Art nachweisen, durchschnittlich in Mengen um 0,2% in den Trockenpilzen. 1967 berichteten Leung und Paul über die Isolation des Baeocystins aus den Fruchtkörpern der nordamerikanischen Psilocybe baeocystis SINGER & SMITH. 1977 wiesen dann Repke und Leslie die Substanz auch in Psilocybe semilanceata der gleichen Herkunft nach.

In einigen Untersuchungen ließ sich auch eine Variation in einzelnen Fruchtkörpern von einem Standort zeigen (Tabelle 2).

Kleinere Pilze enthielten fast immer mehr Alkaloid als größere, wie an einem weitaus größeren Untersuchungsmaterial (40 Pilze) nachgewiesen werden konnte. Das Baeocystin wird besonders in den Pilzhüten akkumuliert. In den finnischen Pilzproben enthielt ein Pilz sogar 2,37% Psilocybin!

Schon in den früheren kontrollierten Studien zur Psychoaktivität verschiedener Arten in der früheren Tschechoslowakei konnte nachgewiesen werden, dass bei gleichem Gehalt an Psilocybin die Psilocybe semilanceata stärker wirkte als die Psilocybe bohemica (Kapitel 2.3.). Die dabei aufgestellte Hypothese, dass noch weitere Substanzen in den Pilzen zur psychotropen Wirkung zusätzlich beitragen müssten, wird durch den regelmäßigen Nachweis des Baeocystins in beachtlichen Mengen in Psilocybe semilanceata bestätigt. Mir ist ein Versuch bekannt, bei dem 4 mg Baeocystin eine milde Halluzinose von dreistündiger Dauer erzeugten und 10 mg waren etwa identisch mit der Wirkung der gleichen Menge Psilocybin.

Hohe Lagerungsbeständigkeit des Psilocybins

Die Lagerungsbeständigkeit des Psilocybins im Pilzmaterial ist erstaunlich. Es konnte in einem Pilzexsikkat von anno 1869 aus einem finnischen Herbar noch 0,014% Psilocybin nachgewiesen werden. Eine Probe von 1843 enthielt allerdings kein Alkaloid mehr. Jedoch lässt sich die Art der Trocknung zu dieser Zeit natürlich nicht mehr feststellen. Temperaturen über 50 °C bewirken Zersetzungen des Psilocybins und seiner Derivate. In den Laborversuchen wurden bei Zimmertemperatur getrocknete Pilze oder auch gefriergetrocknete Fruchtkörper untersucht. Hier muss aber darauf hingewiesen werden, dass durch die poröse Struktur der gefriergetrockneten Pilze bei einer längeren Lagerung über Wochen und Monate bei 20 °C eine relativ schnelle Zersetzung der Alkaloide eintritt. Deshalb werden so hergestellte Exsikkate für Naturstoffanalysen bis zur Extraktion und Chromatographie bei −10 °C trocken aufbewahrt. In der nordamerikanischen Literatur wird unabhängig von den finnischen Ergebnissen erwähnt, dass die Zersetzung des Psilocybins in Psilocybe semilanceata im Vergleich zu den andern Arten am langsamsten erfolgte.

In letzter Zeit werden vereinzelt Mythen kreiert, die angeblich neuentdeckte toxische Wirkungen der Psilocybe semilanceata jenseits der bekannten psychischen Symptomatik suggerieren. So sollen Milligrammspuren von Phenylethylamin im Pilz vermehrt „bad trips“ im Vergleich zu reinem Psilocybin induzieren. Diese Annahme, die aus sehr limitierten und unvergleichbaren Literaturdaten abgeleitet wurde, wird schon daher entkräftet, dass selbst 1,6 g (!) Phenylethylamin im klinischen Versuch völlig ohne Wirkung blieben (Shulgin). Außerdem zeigten Auert und Mitarbeiter in einem detaillierten Artikel aus der Tschechoslowakei von 1980, dass beim kontrollierten klinischen Vergleich von Psilocybin mit Pilzmaterial gleichen Alkaloidgehaltes die Arten Psilocybe semilanceata und Psilocybe bohemica generell einen mehr meditativen Bewusstseinszustand erzeugten als die Reinsubstanz! (vgl. auch Kapitel 9). Wir haben außerdem nachgewiesen, dass eine angeblich tödliche Wirkung der Psilocybe semilanceata, mit vorher total konfuser Symptomatik in Frankreich, mit Sicherheit nicht von der Einnahme der Pilzart herrührte. Eine weitere, kurze Mitteilung aus Polen beschrieb neuerdings eine völlig atypische Wirkung der Pilzart, die hier sogar einen durch Psilocybin bedingten Herzinfarkt bei einem Achtzehnjährigen induziert haben soll. Abgesehen davon, dass hunderttausende Versuche in allen Altersgruppen bis hin zu neunzigjährigen mexikanischen Heilern mit 80-jähriger Pilzerfahrung mit verschiedensten Arten und Dosierungen nie solche Komplikationen erzeugt haben, wurde von den polnischen Forschern nicht einmal der Versuch unternommen, toxikologisch verschiedene mögliche Gifte wie z. B. Abkömmlinge des Amphetamins, Atropin oder analoge Arzneimittel im Sinne einer Mischvergiftung zu finden. Sofort wurden die Pilze als ursächliches Agens postuliert und man wird den dringenden Verdacht nicht los, dass jenseits der Wissenschaft unbedingt bedrohliche toxische Nebenwirkungen gefunden werden sollen, unter Vernachlässigung der ethnopharmakologischen und klinischen Forschung mehrerer Jahrzehnte (vgl. auch Absatz 7 u. 8).

Es ist sicher nur noch eine Frage der Zeit, bis die angeblichen Fenstersprünge nach LSD-Einnahme aus den sechziger Jahren journalistisch erneut reaktiviert und nun „modern“ auf die Pilze projiziert werden. Dies entgegen den pharmakologischen Eigenschaften, die eben kein Delirium à la Nachtschattengewächse beinhalten.

2.2. Psilocybe germanica
Der „neue“ Psilocybinpilz aus Deutschland

Der „Deutsche Kahlkopf“ ist eine Neuentdeckung aus dem Jahr 2014. Psilocybe germanica GARTZ & WIEDEMANN wurde von Jochen Gartz und Georg Wiedemann in Dippoldiswalde (Sachsen) entdeckt, im größten deutschen Herbarium in Berlin-Dahlem hinterlegt und wissenschaftlich beschrieben. Die neue Art wurde von den Erstbeschreibern nach den Elbgermanen benannt, die vor 2000 Jahren an dem Fundort gesiedelt hatten. Psilocybe germanica war bisher vollkommen unbekannt, sie ist bislang nur in Deutschland gefunden worden.

Die Art wächst häufig in Gruppen und tritt zuweilen in Büscheln auf. Der Deutsche Kahlkopf ist ein Holzzersetzer, gedeiht also auf Rinden und Mulch, auf Holzschnitzeln und -resten und auch auf einer Mischung aus Holz, Laub und Erde. Psilocybe germanica fruktifiziert von September bis in den Dezember und kann z. B. in Parks gefunden werden, jedoch erscheint eine Ausbreitung in Wäldern auch in höheren Lagen möglich. Die Pilze wuchsen am größten Standort in Massen bis hin zu büscheligen Aggregaten. Die Art erscheint im Wachstum ähnlich aggressiv wie die Myzelien von Psilocybe cyanescens und Psilocybe azurescens, eine zukünftige Ausbreitung wie bei diesen Arten kann daher künftig auch von Psilocybe germanica erwartet werden.

Die Pilze erscheinen von September bis November, vielleicht auch im Dezember. Kurze Schneefälle und mehrere Nächte mit kurz unter null Grad brachten das Pilzwachstum nicht zum Erliegen. Als neue Art zeigt Psilocybe germanica eine einzigartige Kombination aus Makro- und Mikromerkmalen sowie der Biochemie (GARTZ 2018).

Der Hut der Spezies ist 1 bis 4 cm breit und weist ähnlich dem Psilocybe semilanceata eine Mammille im Zentrum auf. Im feuchten Zustand ist er dunkelbraun und verfärbt sich beim Austrocknen zu weißlich hin. Die Lamellen sind zunächst bräunlich und verfärben sich bei zunehmender Reife der Sporen zu purpur-braun hin. Der weißliche und gebogen wachsende, nach oben hin dicker werdende Stengel wird 5 bis 9 cm lang und 0,3 bis 0,7 cm dick. Anfänglich ist er mit Myzelium gefüllt, später hohl. Außerdem weist der Stiel eine äußerliche Eigenart auf. Jochen Gartz beschreibt es im Magazin Lucys Rausch als „eindrucksvolle Verdickungen der neuen Art bei den Frischpilzen nach Art eines Gelenks, wobei bei älteren Pilzen tatsächlich der Hut ab dieser Stelle nach vorn knickte“ (GARTZ 2015). Hut und Stiel blauen bei Berührung, Frost und Regen können ebenso eine starke Blauung der Fruchtkörper bewirken. Die Mammille auf dem Hut verfärbt sich mit der Zeit meist von selbst in Richtung grau-bläulich. Die blaue Verfärbung ist weit größer als bei Psilocybe semilanceata und ähnlich der Psilocybe azurescens und Psilocybe bohemica. Die frischen Pilze haben einen angenehmen, aromatischen Geruch.

Die Sporenbildung ist im Vergleich zu Psilocybe cyanescens und Psilocybe azurescens eher weniger üppig. Die Sporen der Lamellen keimen gut auf 4 % Malzagar und die resultierenden weißen Myzelien wachsen außerordentlich schnell. Auch sie blauen bei Druck regelmäßig und verfärben im Alter etwa nach sechs Wochen Kultivierung spontan großflächig. Die Menge an Psilocybin reichte von 0,21 bis 0,28 % in den Trockenmassen bei fünf Myzelien nach vier Wochen Kultivierung. Es ist zu erwarten, dass durch die moderne Anwendung von Mulch in Parks und Gärten, vor allem in Städten, auch die Psilocybe germanica neben den anderen Arten eine große Zukunft hat und ihren Seltenheitsstatus bald ablegen wird.

Die Dosierung der Psilocybe germanica liegt, je nach gewünschter Intensität, zwischen 0,5 und 2 Gramm der Trockenmasse. Der deutsche Kahlkopf kann wie Psilocybe semilanceata dosiert werden. Proben getrockneter Psilocybe germanica enthielten zwischen 0,66 und 1,12 Prozent Psilocybin, 0,11 bis 0,30 Prozent Baeocystin und kein Psilocin. Die Art gehört damit zu den potenteren Spezies. „Psilocybe germanica ist auch biochemisch sehr interessant. Ihr Alkaloidmuster mit Psilocybin und Baeocystin erscheint völlig identisch zu Psilocybe semilanceata und daher von den anderen Holzbewohnern völlig abgetrennt! Auch hier fungierten als Standorte künstlich geschaffene Mulchflächen, im Gegensatz zu Psilocybe bohemica auf Holz- und anderen Pflanzenresten im Wald“ (GARTZ 2015). Aufgrund der relativen Neuheit dieser Art liegen noch keine Erfahrungsberichte von Nutzern vor, der Pilz weist jedoch das typische pharmakologische Profil eines Psilocybinbildners auf.

„Interessant sind im Zusammenhang mit der Psilocybe germanica Grabfunde zum möglichen Gebrauch der Art im Landkreis Wittenberg an der Elbe als Standort eines ‚deutschen Pilzkultes‘. Diese legen die Vermutung nahe, dass der Pilz Psilocybe germanica bei Schamaninnen der Elbgermanen in Gebrauch gewesen sein könnte. In diesem Grab befanden sich die Nachbildungen von neun Pilzen mit denen für die Psilocybe germanica charakteristischen Verdickungen/Knoten im oberen Stildrittel. Nur dieser Psilocybinpilz weist diese taxonomische Besonderheit auf und die ‚9‘ galt in damaliger Zeit mythologisch als ‚göttliche Zahl‘. Das Vorkommen der Psilocybe germanica ist im Übrigen nicht auf den Raum Wittenberg und Dippoldiswalde beschränkt“ (WIEDEMANN 2021).


Psilocybe germanica mit typischer Stielverdickung.


Psilocybe germanica (Foto: J. Gartz).


Psilocybe germanica (Foto: J. Gartz).


Psilocybe germanica (Foto: Georg Wiedemann).

2.3. Psilocybe cyanescens und Psilocybe bohemica
Potente Streubewohner

Außer Psilocybe semilanceata existieren in Europa mindestens noch zwei weitere psychotrope Psilocybe-Arten. Hier muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Differenzierung einzelner Arten in der Gattung Psilocybe zwischen namhaften Taxonomen umstritten ist. So wird zum Beispiel die Abgrenzung gegen die Gattung Hypholoma (Schwefelköpfe) und Stropharia (Träuschlinge) verschieden gehandhabt.

Große Variationsbreite der Psilocybe cyanescens

Während Psilocybe semilanceata eine eindeutig differenzierte und schon lange gleichlautend beschriebene Art darstellt, lassen sich nach Krieglsteiner weitere stark blauende Pilze als „Psilocybe-cyanescens-Komplex“ kennzeichnen, allesamt Pilze, die auf Rohhumus bzw. pflanzlichen Resten wachsen.

In der Literatur sind nach Krieglsteiner folgende Arten lediglich Synonyme der Psilocybe cyanescens WAKEFIELD emend. KRIEGLSTEINER: Hypholoma cyanescens R. MAIRE, Hypholoma coprinifacies (ROLLAND ss. HERINK) Pouzar, Geophila cyanescens (R. MAIRE) KÜHNER & ROMAGNESI, Psilocybe serbica MOSER & HORAK, Psilocybe mairei SINGER, Psilocybe bohemica SEBEK.

Eine große Schwierigkeit bei der Beurteilung der Einordnung dieser Synonyme liegt darin, dass die betreffenden Mykologen jeweils nur einzelne Aufsammlungen frischer Fruchtkörper näher beschreiben konnten und danach ein Vergleich mit Literaturdaten von Pilzen der andern Fundorte erfolgte. Im besten Fall lagen Exsikkate aus verschiedenen Herbarien zur Analyse vor. Jedoch sind die mikroskopischen Daten bei Psilocybe-Arten wenig different und überschneiden sich oft. Es ist dringend nötig, dass eine weitere mykologische Forschung über Psilocybe cyanescens anhand von Frischpilzen verschiedenster Standorte in Europa und Nordamerika unter Einschluss biochemischer Methoden erfolgt. Eindeutig widerlegt ist jedenfalls die arealgeographische Aufspaltung von Psilocybe cyanescens durch Guzman, der Psilocybe mairei Nordafrika, Psilocybe cyanescens England und Holland und Psilocybe serbica Serbien und Böhmen als Verbreitungsgebiete jeweils zuordnete. Innerhalb der Art scheint eine gewisse Variationsbreite je nach Aufsammlung und Klima zu existieren. Solche unterschiedlichen Morphologien sind bei „jungen“ Arten zu erwarten, die noch relativ wenig festgelegt sind und sich neue Standorte erst erschließen.

In Abbildung 8 auf S. 18 sind die Fundregionen der Psilocybe cyanescens in Europa und Nordafrika dargestellt.

Ich habe innerhalb von 15 Jahren in den USA, Kanada, in Deutschland, Österreich und der früheren Tschechoslowakei frische Aufsammlungen von Psilocybe cyanescens und Psilocybe bohemica (nur in Europa) studiert. Beide sind eindeutig verschiedene Arten (Hut, Stiel) mit Sporen, die jedoch nicht zu unterscheiden sind.

Hier sollen jetzt einige Aspekte solcher blauender Psilocyben erörtert werden. Detaillierte Beschreibungen einzelner Aufsammlungen finden sich in den sehr ausführlichen Darstellungen von Krieglsteiner.

Eine gültige Beschreibung einer Pilzart ist erst dann erfolgt, wenn eine lateinische Diagnose der Aufsammlungen in Abgrenzung zu andern Arten in einem mykologischen Journal publiziert wird.

1946 beschrieb Wakefield Aufsammlungen von blauenden, dunkelblättrigen Pilzen aus den botanischen Gärten in Kew, England als Psilocybe cyanescens WAKEFIELD. Es wurde schon der Verdacht geäußert, dass die Pilze adventiv dort vorkamen, das heißt durch Einschleppung der Sporen mit Pflanzenmaterial aus Übersee. Solche Vorkommen von Pilzen in botanischen Gärten wurden schon oft beobachtet und sind immer dann wahrscheinlich, wenn die Pilze im Umland vorher nie gefunden werden konnten. An anderer Stelle wird die spektakuläre Einbürgerung von Gymnopilus purpuratus beschrieben (Kapitel 2.6).

Die Pilze zeigten eine viel stärkere Blaufleckung als Psilocybe semilanceata und wuchsen auf Holzstückchen im Herbst in den mehr waldigen Teilen der Gärten von Kew schon seit mehreren Jahren. Besonders fallen bei diesen Aufsammlungen die wellig verbogenen Pilzhüte auf. Guzman ist der Meinung, dass Aufsammlungen aus dem Nordwesten der USA (Nordkalifornien, Oregon, Washington) und aus British Columbia mit dieser Art identisch sind. Tatsächlich entsprechen alle Beschreibungen und Fotos der Pilze den englischen Funden, und meine eigene Feldforschung ergab, dass die Pilze identisch aussehen (vgl. Farbbilder 3.1 bis 3.4). Einen endgültigen Beweis könnten aber erst DNA-Analysen bzw. Kreuzungsexperimente von Einspormyzelien liefern. Auf diese Methode wird noch eingegangen. Auch in Holland wurden Fruchtkörper dieser Art im Jahre 1975 entdeckt. Weitere blauende Pilze, die auf faulendem Schilf und Gras wuchsen, fand man 1972 in der Schweiz im Jura-Gebirge (MTB 8511), wo sie gesellig vorkamen. Aus Österreich wurden Funde von der Steiermark im Herbst 1976 und 1992 nahe der tschechischen Grenze bekannt, von Korsika aus den Jahren 1972 und 1984. Fruchtkörper, die ebenfalls Psilocybe cyanescens zugeordnet werden konnten, fand man auch mehrfach in Deutschland (Abb. 18).

Abb. 18 Psilocybe cyanescens in Deutschland und angrenzenden Gebieten (nach Krieglsteiner).

Hier sollen nur einige Funde näher vorgestellt werden:

Am 31.10.1983 konnten größere Mengen von Fruchtkörpern aller Entwicklungsstadien in Niederbayern (MTB 7542) aufgesammelt werden, die auf etwa 100 m Länge entlang eines früheren Müllplatzes zwischen Gras in größeren und kleineren Gruppen, teils büschelig verwachsen, inmitten verwesenden pflanzlichen Materials (Blätter, Ästchen, Humus) wuchsen. Die älteren Pilze zeigten an den Hüten, besonders aber beim Übergang zu den Myzelzusammenballungen, grünliche und deutliche blaue Flecke, die anderen Fruchtkörper fleckten auch bei der sehr kühlen Temperatur nach Berührung sehr schnell blau. Der deutsche Name „Blauverfärbender Kahlkopf“ ist also sehr typisch.

Die hier gekürzte Beschreibung der Psilocybe cyanescens trifft im Kern auf alle andern Aufsammlungen zu, die Größenverhältnisse können dagegen variieren.

Hüte: 2–6 cm breit, jung kegelig und mit steil zum Stiel führenden straffen, bald flüchtig werdenden Cortinafäden, schließlich verflachend, unregelmäßig aufgebogen und ohne Schleierreste, auch alt noch leicht stumpf gebuckelt. Frisch und feucht, kräftig haselbraun bis strohfarben, dann austrocknend, mit blauen bis blaugrünen Flecken.

Lamellen: teils flach ausgebuchtet, einige auch breit angewachsen, jung hell bis schmutzig beige, später durch Sporenreifung zimtbis purpurbraun, bei Druck nur schwach blau fleckend.

Stiel: 2–14 cm lang, weißlich, gleichmäßig dick, 1,5–3 mm, Stiele und Myzelfasern bei Berührung blau verfärbend, teils bereits blau gefleckt.

Geruch: leicht mehlig bis fast kartoffelähnlich.

Sporen: elliptisch, 9–13,5 × 5–8 μm

Blauende Pilze auf Pflanzenresten wurden auch 1976 aus dem Saarland beschrieben, weitere Funde stammen aus dem Südschwarzwald (MTB 7515, 1959, 1963) und dem Vogtland (1979) sowie dem Rheinland (MTB 4706, 1982). Auch bei Hamburg (MTB 2428, 1961) und in Bremen (1982, 1983) konnten ähnliche Pilze gefunden werden. Die letzten Aufsammlungen sind besonders interessant, da die Fruktifikation in den Gewächshäusern des Rhododendron- und Bürgerparkes (MTB 2919, 2918) auf Holzstückchen im Herbst noch bedeutend stärker war (Tausende von Pilzen!) als im Freiland, wo die Art auch mehrfach fruktifizierte. Aus dem Nordwesten der USA sind weitere Holzbewohner von gleichen Substraten bekannt, so Psilocybe stunzii (Farbbild 10.2), Psilocybe baeocystis (Farbbild 10.3), Psilocybe pelliculosa u.a. Auch die mexikanische Psilocybe caerulescens MURR. ist mit diesen Arten verwandt. Der Pilz war die erste Psilocybe-Art, welche Wasson am 29. Juni 1955 im Selbstversuch als psychoaktiv erkannte (Farbbild 14.1).

Über die chemische Zusammensetzung der genannten Aufsammlungen ist fast nichts bekannt.

Eigene Analysen von Pilzen aus Deutschland ergaben:


Psilocybin: 0,85% in den Trockenpilzen
Psilocin: 0,07% in den Trockenpilzen
Baeocystin: 0,03% in den Trockenpilzen

Die Werte lagen in der gleichen Größenordnung wie die Alkaloidkonzentrationen in den mexikanischen Arten.

Die umfangreichsten Studien über Vorkommen, psychotrope Aktivität und Inhaltsstoffe von stark blauenden, europäischen Arten vom Holzsubstrat stammen aus der früheren Tschechoslowakei.

Am 6. und 13.12.1942 entdeckte Kubicka erstmals solche Pilze im Tal des Kresicky-Baches am Dorf Poricko v Posazavi bei Sazava. Der Mykologe Herink beschrieb die Pilze dann 1950 ausführlich und glaubt, dass Fries im vorigen Jahrhundert mit Psilocybe callosa diese Psilocybe bohemica SEBEK gemeint hat. Ich hatte die Möglichkeit, mit ihm und weiteren tschechischen Mykologen diesen Fundort am 15.11.1986 feldmykologisch zu erforschen, wobei wir 440 Fruchtkörper (550 g) fanden. Im Gegensatz zu Psilocybe cyanescens waren die Hüte nie hochgeschlagen (Farbbilder 4.1 und 4.3).

Auf beiden Seiten des Baches fruktifizierte die Art auf einer Länge von ca. 3 km, zum Teil inmitten von Brennesseln auf Ästchen von Carpinus, Alnus, Salix, auf Rohhumus von Picea-, Pinus- und Larix-Nadeln sowie an vermorschten Fichtenzapfen. Mehrere Fruchtkörper mit Höhen bis 15 cm und Hutbreiten bis 5 cm wuchsen auf einem total vermorschten Holzstamm, dessen Unterseite direkt vom Bach umspült wurde. Als sehr feuchtigkeitsliebende Art fruktifiziert sie bevorzugt im Spätherbst (Abb. 19), wobei vorherige kurze Nachtfröste die Fruktifikation maximal gestalten. Hier trocknen die sehr hygrophanen, braunen Hüte nach Milchkaffeeweiß aus, der Geruch bewegt sich zwischen den Stellungnahmen rettichartig bis mohnähnlich und ist nach meinen Erfahrungen variabel und schlecht zu definieren. Bei Berührung blauen besonders junge, trockene Pilze stark. Ältere Fruchtkörper sind meist schon am Standort fleckig tiefblau. Es ist erstaunlich, über wieviele Jahre die Pilze bei Poricko standorttreu in großer Zahl fruktifizieren. Leider erfolgte eine teilweise Vernichtung dieses Standortes in den letzten Jahren durch den Bau einer Straße.

Bis Ende 1982 konnte die Pilzart an 51 Orten in der CSFR gefunden werden, wovon nur 7 in Böhmen liegen, 40 in Mähren und vier in der Slowakei. Die Meereshöhen streuen von 200 m NN bis zu 700 m, darüber gibt es nur zwei Lokalitäten. Insgesamt wurde bis zu diesem Zeitpunkt über 112 Funde berichtet, davon allein 44 von der klassischen Lokalität bei Sazava.

Die Myzelien utilisieren die verschiedensten Pflanzenreste, sie wachsen sogar auf feuchter Pappe und bilden dabei wie in der Natur starke Rhizomorphen aus, die als dicke Myzelstränge zum Transport von Nährstoffen und Wasser dienen und ebenfalls stark blauen. (Farbbild 4.4). Dieses Verhalten ist ebenfalls analog zu Psilocybe cyanescens, die allerdings bevorzugt in Parks vorkommt. Beide Arten enthalten in Europa als Hauptalkaloid Psilocybin, während Psilocin und Baeocystin nur in Spuren vorkommen.

Psilocybe bohemica wirkt stark psychotrop. Der Erlebnisbericht eines Naturwissenschaftlers während kontrollierter klinischer Experimente in Prag dokumentiert die Wirkung eindrücklich:

Abb. 19 Fruktifikationskurve von Aufsammlungen aus der CSFR (nach Kubicka und Krieglsteiner).

Die Wirkung der heißen Zubereitung der Pilze in Wasser (ca. 30 mg Psilocybin) setzte schon nach 10 Minuten ein. Ich wurde immer stiller. Zuerst begannen die Beine zu kribbeln, danach auch die Unterarme. Es konnten neben der etwas tieferen Atmung kaum weitere spürbare somatische Wirkungen beobachtet werden. Ungewohnte gedankliche Assoziationen lösten anfänglich Lachstürme aus, die auch auf die beiden „nüchternen“ Aufsichtspersonen ansteckend wirkten. Die auftretende Hyperakusie wirkte zuerst beim Anhören von Musik sehr störend, so stach Vivaldis „Frühling“ recht schmerzhaft im Hirn, – „wie ein Sägemesser“ sagte ich. Die Versuchsleiter sahen gedunsen und gelb aus… Vorhandene Körpermerkmale, wie wenig Haarwuchs, bewirkten die illusionäre Verwandlung der Gestalt in einen Mönch mit Tonsur. Die Stimmen wirkten dazu noch sehr weihevoll, wobei unter leicht wahnhaften Bezügen die Herren teilweise wie in einer Schaltzentrale wirkten, die irgendwie gegen mich war. Gleichzeitig fand ich beide aber sehr sympathisch. Die andere weibliche Versuchsperson sah während dieser Zeit grandiose Farbenspiele, ihr ganzes Leben rollte visionär vor geschlossenen Augen ab. Während dieser Zeit hatte ich das starke Gefühl der Durchflutung des Körpers mit elektrischem Strom, welches nicht unangenehm war. Als nach ca. drei Stunden sich die Versuchsleiter in die Küche zurückzogen, veränderte sich das Erleben schlagartig.

Zuerst hatte ich das Gefühl, dass meine Beine zunehmend mit der Wand verwuchsen, was sehr angenehm war. Bei dem Gefühl der völligen Bewusstseinsklarheit fühlte ich dann keinen Körper mehr. Ich sagte: „Der beste Ausdruck ist das Gefühl der reinen Seele.“ Wir konnten uns gegenseitig durch Worte gemeinsame Farbvorstellungen induzieren und reisten in der Welt, im mentalen Raum herum. Eine eindeutig telepathische Aussage ihrerseits über meine Heimat konnte ich einfach nicht fassen und deuten, konnte es auch später nicht. Das untrügliche Gefühl, dass der Tod dann auch nur so ein Seelenschweben mit oder ohne Herabsehen auf die „gewöhnliche“ Welt ist, erfüllte mich mit Zuversicht, wobei mir das Denken gleichzeitig supernormal vorkam. Dagegen lehnte ich ihr Angebot, in meine Zukunft zu sehen und mir davon zu berichten, sehr ängstlich ab, obwohl ich gleichzeitig fühlte, dass sie entsprechende Sachen schon sah, wie künftige Krankheiten.

Im Erlebnisbericht kommen die kosmisch-mystischen Aspekte der Pilzwirkung deutlich zum Ausdruck, die überaus eindrücklich sind. Bei Halluzinogenen in höherer Dosierung, unter korrekter Einhaltung eines Schutz gewährenden „Settings“ bei entsprechender positiver Gestimmtheit und innerer Vorbereitung („Set“) sind sie oft beschrieben worden – natürlich bei jedem Individuum anders nuanciert. Ein berühmtes Beispiel zur Untersuchung dieser Bewusstseinszustände ist die mustergültige Studie der Psilocybinwirkung während eines Karfreitags-Gottesdienstes im Jahre 1962 durch Pahnke, die sogar als Doppelblindstudie angelegt war.

Ein ganz besonderes Wirkungsspektrum zeigte sich bei der gleichen Person während eines Versuches in Prag mit dem Myzel von Psilocybe bohemica drei Jahre später, wobei durch einen Analysenfehler anstelle der angestrebten Dosis von 30 mg jeweils 72 mg Psilocybin neben etwas Psilocin durch die vier am Versuch beteiligten Personen aufgenommen wurden (Farbbild 16.3):

Tasuta katkend on lõppenud.

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