Loe raamatut: «Die Reise in die Rocky Mountains»
John Charles Frémont
(1813–1890), war General, Politiker und Forschungsreisender. Zu seinen großen Verdiensten gehört die Erkundung des Missouri und Mississippi, Oregons, der Rocky Mountains und Nordkaliforniens. Er war der erste Senator Kaliforniens, Gouverneur des Arizona-Territoriums und Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei.
John Charles Frémonts Expedition durch die Rocky Mountains, Oregon und Nordkalifornien (1842–1844) war eine der bedeutendsten Landreisen der amerikanischen Geschichte und machte den Forscher Frémont, den »Pfadfinder«, wie er genannt wurde, fast über Nacht zu einem Nationalhelden. Seine Vermessungsexpeditionen legten einen wichtigen Grundstein für die spätere infrastrukturelle Erschließung der USA. Eine seiner bedeutendsten geographischen Entdeckungen war, dass der Green River nicht, wie zuvor angenommen, seinen Ursprung im großen Salzsee von Utah hat.
Doch die wissenschaftlichen Entdeckungen können vom politischen Geschehen über deckt werden; der romantisch-begeisterte und bisweilen naive Frémont verliert sich in den Wirren des Mexikanisch-Amerikanischen Krieges und fällt in Ungnade.
Zum Buch
Die bedeutendste amerikanische Landreise seit der Lewis-und-Clark-Expedition!
In staatlichem Auftrag begibt sich John Charles Frémont 1842 auf Expedition nach Oregon, Nord-Kalifornien und in die unwirtlichen Rocky Mountains, um den noch wenig erschlossenen Westen der USA zu kartographieren. Innerhalb von zwei Jahren gelingt es ihm, viele weiße Flecken auf der Landkarte mit Farbe und Form zu versehen. Darüber hinaus kann Frémont, der mit seiner Forschungsgruppe bis in die nördlichen Ausläufer der Rocky Mountains gelangt, bisherige kartographische Annahmen über die Beschaffenheit der von ihm durchreisten Gegenden korrigieren. Mit seinen sorgsam vorbereiteten Reisen und akribisch verfassten Expeditionsberichten hat John Charles Frémont die Grundlage für die weitere Erschließung der westlichen USA gelegt.
DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER
John Charles Frémont
John Charles Frémont
Die Reise in die
Rocky Mountains
Nach Oregon und
Nordkalifornien
1842–1844
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Der Text wurde behutsam revidiert
nach der Ausgabe Leipzig, 1848
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
nach der Gestaltung von Nele Schütz Design, München
Bildnachweis: Gemälde von Thomas Moran, Golden Gate,
Yellowstone National Park
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0418-9
INHALT
ERSTES KAPITEL
Durch die Prärie zum Nebraska River
ZWEITES KAPITEL
Reiseabenteuer auf dem Marsch zum South Pass
DRITTES KAPITEL
In den Rocky Mountains
VIERTES KAPITEL
Frémonts zweite Reise in den Westen
FÜNFTES KAPITEL
Von den Wasserfällen Oregons bis Vancouver
SECHSTES KAPITEL
Die Erkundung des Großen Beckens
SIEBTES KAPITEL
Über die Sierra Nevada zur Bucht von San Francisco
ACHTES KAPITEL
Durch das Joaquin-Tal und die Wüste zurück zur Wasatch-Kette
NEUNTES KAPITEL
Abstecher zu den Quellen von Platte, Arkansas und Grand River und Heimreise
ERSTES KAPITEL
Durch die Prärie zum Nebraska River
Es war mir von der Regierung der Vereinigten Staaten die Aufgabe gestellt worden, das Land zwischen der Westgrenze des Staates Missouri und dem Südpass des Felsengebirges, der Rocky Mountains, in der Richtung des Kansas- und großen Platte-Flusses zu untersuchen. Ich reiste am 2. Mai 1842 von Washington ab, erreichte am 22. St. Louis am Mississippi im Staat Missouri und gelangte, nachdem ich gegen 400 Meilen den Missouri auf einem Dampfboot aufwärtsgefahren war, nahe dem Einfluss des Kansas zu Chouteaus Handelsniederlassung, wo die letzten Vorbereitungen für die Reise getroffen wurden. Meine Mannschaft bestand aus 21 Kreolen und Kanadiern, die früher im Dienst der Pelzkompanien gestanden hatten und daher mit dem Leben in den Prärien wohlvertraut waren. Außerdem begleitete mich Herr Karl Preuß, ein Deutscher von Geburt, als mein Gehilfe bei den Ortsbestimmungen, L. Maxwell als Jäger und Christoph Carson, bekannt durch seine Gebirgsreisen unter dem Namen Kit Carson, als unser Führer. Endlich schloss sich uns auch Heinrich Brant, ein Jüngling von 19 Jahren, und ein 12-jähriger Knabe namens Randolph Benton, die Söhne angesehener Eltern, als Begleiter an. Wir waren alle gut bewaffnet und beritten, mit Ausnahme von acht Mann, die ebenso viele mit je zwei Maultieren bespannte Karren führten, in denen sich unsere Mundvorräte und Reisebedürfnisse befanden.
Wir brachen am Morgen des 10. Juni von der 700 Fuß über dem Meer gelegenen Niederlassung auf. Unser freundlicher Wirt begleitete uns einige Meilen bis zu einem Indianer, der uns die ersten 30 bis 40 Meilen geleiten sollte, um uns dann der Prärie zu überlassen, die unabsehbar wie der Ozean sich, wie man uns sagte, ohne Unterbrechung bis zum Fuß des Felsengebirges ausdehnt. Von den dicht bewaldeten Ufern des Kansas traten wir plötzlich in die Prärie. Hier und da zeigte sich ein Indianer zu Pferd, und in einiger Entfernung wälzten sich schwere Rauchwolken von den Feuern der Wilden langsam die weite Ebene entlang. Bald nachdem wir die nach Santa Fé in Mexiko führende Straße erreicht hatten, schlugen wir unser Lager auf. Dies geschah während der ganzen Reise meist ein oder zwei Stunden vor Sonnenuntergang in folgender Weise: Nachdem die Karren in einem Kreis von einigen 80 Ellen1 aufgestellt worden waren, wurden innerhalb dieser Schutzwehr die Zelte aufgeschlagen, und schon nach wenigen Minuten waren die Köche mit der Abendmahlzeit beschäftigt. Bis zum Eintritt der Nacht grasten die Pferde und Maultiere und wurden dann in dem inneren Lagerraum an eingeschlagene Pfähle gebunden. Wo sich besondere Vorsicht nötig machte, zog um acht Uhr eine Wache von drei Mann auf, die alle zwei Stunden abgelöst wurde. Mit Tagesanbruch wurde das Lager abgebrochen, die Tiere grasten wieder, und nachdem das Frühstück eingenommen war, setzten wir zwischen sechs und sieben Uhr unseren Marsch fort. Wir folgten noch bis gegen Abend der Santa-Fé-Straße. Nachts fiel ein heftiger Regen, gegen den unsere leichten Zelte uns nicht genügend Schutz gewährten. Unser Lagerplatz am 12. beherrschte das hier 3 bis 4 Meilen breite Flusstal, zu dessen dichtem Gehölz sich die Prärie im reichsten Grün herabzog.
Am 14. erreichten wir nachmittags die Furt des Kansas, 100 Meilen oberhalb seiner Mündung. Angeschwollen vom Regen eilte er, gelb und trübe wie der Missouri, in einer Breite von 230 Ellen raschen Laufes dahin. Die Tiere wurden in den Strom getrieben und erreichten, einigen meiner Leute folgend, die zu Pferde übersetzten, glücklich das andere Ufer. Die Karren wurden abgeladen, auseinandergenommen und dann auf einem Boot, das wir mit uns führten, einzeln hinübergefahren. Als über dieser Arbeit die Dämmerung schon hereinbrach, ließ ich die letzten zwei Karren zusammen in das Boot laden, doch es schlug um, und sein ganzer Inhalt trieb die Strömung hinab. Unverweilt stürzte sich unsere ganze Mannschaft ins Wasser und rettete fast alles, selbst Flinten und Blei. Da einige infolge dieses kalten Bades sich unwohl fühlten, blieben wir am folgenden Tag im Lager. Eine Anzahl Kansas-Indianer besuchte uns. Einer derselben sprach zu unserer Überraschung so fließend Französisch wie einer der Unsrigen, und es ergab sich, dass er als Knabe in St. Louis gelebt hatte. Von ihnen konnten wir mancherlei Lebensmittel eintauschen, unter anderem auch 30 Pfund Kaffee, nachdem der unsrige ein Raub der Fluten geworden war. – Am anderen Morgen verlegten wir unser Lager 7 Meilen weiter stromaufwärts auf eine anmutige Prärie, die den Pferden eine reichliche Weide darbot, und verweilten da auch den folgenden Tag. Unsere Leute waren mit dem Trocknen der wieder aufgefischten Gegenstände beschäftigt und stellten dann Schießübungen an, die hier mitten in dem Indianerland wohl an der Zeit waren. An dem steilen Flussufer befanden sich unzählige Schwalbennester. In eins derselben war eine ansehnliche Prärieschlange mit halbem Leibe gekrochen und eben beschäftigt, die jungen Vögel zu verschlingen, während die Alten sie ängstlich umflatterten, vergeblich bemüht, sie zu vertreiben. Wir töteten das Tier durch einen Schuss und fanden in seinem Leib 18 junge Schwalben. – Von einem Jäger, der uns besuchte, erfuhren wir, dass eine Schar von 64 Auswanderern drei Wochen vor uns auf dem Weg nach dem Columbia-Fluss begriffen war, unter ihnen aber viele erkrankt und einige Kinder gestorben seien.
Am 18. traf ich nahe der Mündung des Vermilion einen der vielen kleinen Nebenflüsse des Kansas, die größtenteils schön bewaldet wie Gräben durch die Prärie laufen, auf ein großes, aber verlassenes Dorf der Kansas. Es lag zerstreut in einem offenen Gehölz längs dem Ufer des Flusses, an einer Stelle, die mit der den Indianern eigenen Vorliebe für landschaftliche Schönheit ausgewählt war. Die Pawnees, ein anderer indianischer Stamm, hatten es im letzten Frühling überfallen. Einige Häuser waren verbrannt, andere vom Rauch geschwärzt, und von den gelichteten Stellen nahm schon wildes Gestrüpp wieder Besitz. Unser Weg führte uns am anderen Tag über Hügelland in einer Entfernung von 8 bis 12 Meilen vom Kansas. Hier und da lagen große Sandsteinblöcke zerstreut, und die Blüte mancher schönen Pflanze, unter welchen eine Art purpurrot blühender Blumenginster (Amorpha canescens) am häufigsten in diesem ganzen Landstrich vorkam, belebten das Grün der Prärie. Wir befanden uns etwa 1400 Fuß über dem Meer. Am Abend des 20. lagerten wir an der Westseite des Big Blue, eines klaren und anmutigen Flusses, der in schnellem Lauf durch ein schön bewaldetes Tal eilt. Carson erlegte eine Antilope, von denen wir mehrere zu Gesicht bekamen. Am folgenden Nachmittag führte unser Weg über einen dürren, wasserlosen Höhenzug, und wir hatten viel unter der Hitze zu leiden. Dunkle Linien von Waldungen zeigten den Lauf der Ströme unter uns in den Ebenen an. Außer der Amorpha findet sich häufig auch die Rose, die schönste Blume in den Prärien, und gibt ihnen ein gartenähnliches Aussehen, daneben der Wermut (Artemisia), dessen vom Wind bewegte Blätter in der Sonne wie Silber glänzen. Alle diese Pflanzen haben ihre eigentümlichen Insekten, die gewöhnlich dieselbe Farbe wie die Blumen haben, auf welchen sie leben. Je weiter wir nach Westen vordrangen, desto sandiger wurde der stets aufwärtssteigende Boden. Wir folgten immer den frischen Spuren der Oregon-Auswanderer und wählten öfter dieselbe Stelle zum Lagerplatz, wo sie die Nacht verweilt hatten. Wo wir auf dem sandigen Boden zuerst Kaktusarten gefunden hatten, erreichten wir am 23. abends halb verschmachtet den Little Blue, den Kleinen Blauen Fluss, in den Mann und Ross alsbald fröhlich sprangen, um sich zu baden und den Durst zu löschen. Wir waren jetzt in dem Gebiet der Pawnees, welche in dieser Gegend den Reisenden Pferde zu stehlen pflegen oder, wenn sie sich stark genug fühlen, dieselben offen angreifen und plündern. Wir stellten deshalb zum ersten Mal nachts eine Wache auf. – Am anderen Morgen gingen wir das von anmutigen grünen Hügeln begrenzte Tal aufwärts. Der gegen 50 Fuß breite Fluss war von kanadischen Pappeln und Weiden eingefasst und zuweilen von einem kleinen Eichengehölz umgeben, in denen sich Scharen von Truthühnern aufhielten. Auch zeigte sich zahlreicheres Wild; Elche sahen wir häufig an den Hügeln. Und hier und da kreuzte eine Antilope unseren Weg. Abends lagerten wir an einem Nebenflüsschen, wo der mit Schachtelhalm (Equisetum) bedeckte Boden unseren ermatteten Pferden eine gute Weide darbot. Nachts erhob sich ein heftiger Sturm, der Regen fiel in Strömen, ununterbrochen rollte der Donner, der ganze Himmel zitterte vom Wetterleuchten, und blendenden Blitzen folgte wieder tiefe Finsternis. Carson hatte mit unseren zwei jungen Begleitern bis Mitternacht die Wache. Diese hatten die erste Probe ihres Mutes abzulegen. Erzählungen von den blutigen Gefechten mit den Indianern waren in unserem Lager im Schwang, waldige Schluchten umgaben uns von allen Seiten, und zuweilen hörte ich Randolphs Stimme, wie er Carson auf ein vermeintliches Geräusch in der Finsternis aufmerksam machte.
Auch wir erfuhren am folgenden Morgen eine der Täuschungen, welchen alle Reisenden in diesen Wildnissen unterworfen sind. Nachdem wir talaufwärts aufgebrochen waren, kam einer der Unsrigen eilig uns nachgesprengt mit dem Ruf: »Indianer, Indianer!« Er war ihnen nahe genug gewesen, um sie zu zählen. Es waren ihrer, wie er sagte, 27. Ich ließ sogleich haltmachen und alle Vorbereitungen zu ihrem Empfang treffen. Kit Carson schwang sich auf ein ungesatteltes Jagdpferd, setzte über den Fluss und galoppierte die gegenüberliegende Höhe hinauf in die Prärie, um die Bewegungen des Feindes zu beobachten. Doch schnell ward er gewahr, dass die vermeinten 27 indianischen Krieger nichts anderes als sechs Elche waren, die jetzt in schneller Flucht davoneilten. – Diesen und den folgenden Tag blieben wir noch in demselben Flusstal. Eine Distelart (Carduus leucographus) trat hier zuerst auf und nahe dem Fluss die Seiden- oder Milchpflanze (Asclepias syriaca). Dieselbe hat eine blasspurpurrote Doldenblüte, aus welcher die Eingeborenen einen Zucker bereiten, auch sammeln sie die silberfarbige Samenwolle, um ihre Betten damit zu stopfen. Durch einen geringen Zusatz von Seide lässt sie sich zu Tuch verarbeiten. In Kanada werden ihre zarten Triebe im Frühjahr wie bei uns der Spargel gegessen. Auch in Syrien und Arabien kommt sie vor und ist jetzt auch in unseren Gärten heimisch. – Am dritten Tag verließen wir den Blauen Fluss und zogen über eine hohe Prärieebene, welche die Wasserscheide zwischen diesem und dem Nebraska oder Platte-Fluss bildet. Wir erreichten diesen ansehnlichen, ebenfalls in den Missouri mündenden Fluss nach einem Marsch von 21 Meilen. »Er würde als die geradeste und vorteilhafteste Verbindungslinie zwischen Missouri und Oregon von unschätzbarem Wert sein, wenn er nicht der seichteste unter allen großen Strömen wäre, sodass er für die Schifffahrt ganz ungeeignet ist.«
Von der Mündung des Kansas waren wir nun 328 Meilen (71 deutsche) vorgedrungen, und befanden uns etwa 2000 Fuß hoch. Auf unserem ganzen Weg hatten Kalk und Sandstein, welche eine Lage von Sand und Kies bedeckte, das vorherrschende Gestein gebildet. Der Fluss war weit über 1 Meile und sein Tal gegen 4 Meilen breit, und dieses sowie die Inseln, die er bildet, waren meist bewaldet. Als wir denselben aufwärtsgehend am 28. Juni an einer offenen Stelle unsere Mittagsrast hielten, schallte plötzlich aus dem Gehölz der Ruf: »Leute!« Alsbald war in unserem Lager alles für einen Überfall gerüstet, und mehrere unserer Reiter galoppierten mit lautem Geschrei den Ankommenden entgegen. Doch es zeigte sich, dass es eine kleine Schar von 14 Voyageurs unter der Leitung eines gewissen John Lee war, die mit Fellen und ihren Lebensmitteln beladen zu Fuß diese Einöden durchzogen. Sie hatten vor 60 Tagen etwa 300 Meilen weiter stromaufwärts sich auf Barken mit Pelzwerk für die amerikanische Pelzkompanie eingeschifft und auf diesem Wege schnell nach St. Louis zu kommen gehofft. Aber Sandbänke, Untiefen und Hindernisse aller Art hatten sie endlich genötigt, fast ihre ganze Ladung in einem Versteck zu verbergen und ihre Reise zu Fuß fortzusetzen. Dieser abgehärtete und kühne Menschenschlag größtenteils französischer Abkunft durchzieht im Dienst der Pelzkompanien außer den Indianern fast allein die ungeheuren Strecken zwischen dem Missouri und dem Stillen Ozean. Wir versahen sie wieder mit etwas Tabak, ohne den, wie sie sagen, »das Nachtfeuer düster brennt«, und erhielten dagegen einige ausgewählte Stücke Büffelfleisch. Neuigkeiten wurden ausgetauscht, alte Bekanntschaften erneuert; nach einer Stunde bestiegen wir unsere Pferde, sie nahmen ihre Bündel wieder auf die Schultern und wir schüttelten uns zum Abschied die Hand. Unter ihnen fand ich einen alten Gefährten der nördlichen Prärien wieder, einen abgehärteten Veteranen der Gebirge, der zerhackt und vernarbt war, wie ein Schnauzbart von Napoleons alter Garde. Er führte den Spitznamen »La Tulipe«, die Tulpe; seinen eigentlichen Namen habe ich nie gehört. Ihn nahm ich wieder in meinen Dienst.
Bei Sonnenuntergang näherten sich uns drei Gestalten. Es waren Indianer vom Stamm der Cheyennes, zwei Männer und ein Knabe von 13 Jahren. Seit einem Monat hatten sie ihr Volk an dem Südarm des Flusses über 300 Meilen weiter westlich verlassen und waren, nur vier Mann stark, zu den Pawnee-Dörfern gegangen, um Pferde zu stehlen, ohne jedoch ihre Absicht erreicht zu haben. Sie ritten wilde Pferde aus den Arkansas-Ebenen und hatten keine anderen Waffen als Bogen und lange Spieße. Hätten die Pawnees sie entdeckt, so wären sie rettungslos verloren gewesen. Ich lud sie zur Abendmahlzeit ein, und Randolph und der junge Indianer, die einander misstrauisch und neugierig angeschaut hatten, wurden bald die besten Freunde. Nach dem Essen setzten wir uns ins Gras, und sie zeichneten mir in roher, aber doch anschaulicher Weise den Lauf der Gewässer zwischen uns und ihren Dörfern auf.
Am Morgen des 30. stießen wir auf eine zahllose Herde Büffel, die auf der weiten Ebene kaum einen Grashalm übrig gelassen hatten. Sie glichen in der Ferne ausgedehnten Waldstrecken. Das Großartige einer solchen lebendigen Masse ergreift seltsam den Reisenden. Schon von fern hörten wir ein dumpfes und verworrenes Geräusch, und als wir dieser schwarzen Massen ansichtig wurden, war nicht einer unter uns, der sein Herz nicht schneller schlagen hörte. Es war die Morgenzeit, wo die Herden zu weiden pflegen, und überall waren sie in Bewegung. Hier und da wälzte sich ein gewaltiger, alter Bulle im Gras, und Staubwolken stiegen von verschiedenen Punkten auf, deren jede ein hartnäckiges Gefecht dieser Tiere andeutete. Indianer und Büffel bilden die Poesie und das Leben der Prärie. Geschrei und Gesang schallte durch unseren ganzen Zug, und unser Abendlager war der Beginn eines Festes, das erst am anderen Morgen mit unserem Aufbruch endigte. Drei Kühe waren geschossen worden, und die ganze Nacht hindurch brieten die leckersten und ausgewähltesten Fleischschnitten am Feuer. Kit Carson stürzte auf der Jagd mit dem Pferd, und dieses lief mit der fliehenden Herde davon, doch Maxwell fing auf einem flüchtigen Renner nach einem anstrengenden Ritt den Flüchtling wieder ein. Häufig laufen die Pferde oder Maultiere mitten unter den Büffeln in die Ebenen davon und werden dann selten wieder gefangen. – »Der Büffel gehört zum Ochsengeschlecht. Seine scharfrandigen Hörner sind an der Wurzel seitwärts und abwärts gekrümmt, seine Stirn gewölbt, sein Fell schwarz und kurz behaart. Obwohl zähmbar, bleibt er doch stets unbändig und gerät leicht in Wut. Er liebt sumpfige Orte und verbirgt sich vor der Hitze fast ganz im Wasser. Seine Milch ist gut, sein Fleisch essbar; die Häute und die Hörner kommen in großer Menge in den Handel.«
Als wir am 1. Juli längs der Uferhöhe ritten, kam eine große Herde von mehr als 700 Büffeln wimmelnd vom Fluss herauf und zog ruhig grasend über die Ebene. Die Jagd war zu einladend. Kit Carson, Maxwell und ich bestiegen die Jagdpferde und ritten langsam auf sie zu. Wir hatten uns auf etwa 300 Ellen genähert, als eine plötzliche Bewegung und Unruhe in der Herde anzeigte, dass wir bemerkt worden waren. Wir ritten dicht nebeneinander in einem kurzen Galopp auf sie zu. Als wir uns nahten, eilten die Vordersten schon in schnellem Lauf den Hügeln zu, und in wenigen Augenblicken hatte sich diese Bewegung der ganzen Herde mitgeteilt. Ein Trupp Bullen bildete, wie gewöhnlich, die Nachhut. Sie drehten sich zuweilen um und blickten uns an, als ob sie Lust hätten, uns zu einem Gefecht standzuhalten. Doch in wenigen Augenblicken war die Flucht allgemein, und wir jagten wie ein Sturmwind ihnen nach über die Ebene. In einer Nähe von 30 Ellen feuerten wir zum ersten Mal unsere Gewehre ab und brachen darauf in die Herde ein. Die Tiere stoben erschrocken auseinander, und mancher schwerfällige Bulle stürzte auf dem unebenen Boden und überschlug sich in seinem gewaltigen Fall, eingehüllt in dichten Staub. Wir trennten uns, und jeder suchte sich seine Beute aus. Ich ritt ein gut geschultes Ross, berühmt im Westen unter dem Namen Proveau. In die Zügel schäumend und Feuer im Blick, jagte es wie ein Tiger der von mir ausersehenen Kuh nach. Wenige Minuten brachten mich ihr zur Seite, ich feuerte, im Bügel mich erhebend, und die Kugel drang dicht neben dem langen Haar bis nahe zum Herzen. Als sie stürzte, wandte ich mein Pferd und schaute mich nach meinen Gefährten um. In geringer Entfernung zog Kit eben sein Pferd von den Hörnern einer Kuh zurück, die sich zum Stoß anschickte; und weiter unten mitten unter den zerstreuten Haufen wurde auf einen Augenblick Maxwell sichtbar, als eben ein weißer Rauch aus seinem Gewehr drang. Näher zwischen mir und den Hügeln waren die dichtesten Massen; ich ließ meinem Pferd die Zügel und sprengte auf sie zu. Eine dicke Staubwolke, die mir Mund und Augen füllte und mich fast erstickte, verhüllte ihren Nachtrupp. Sie drängten sich so dicht in eine feste Masse zusammen, dass ich nicht einzudringen vermochte. Bald aber teilten sie sich zur Rechten und Linken, das Getöse der aneinanderschlagenden Hörner übertönte jedes andere, und mein Pferd setzte in die Öffnung. Fünf oder sechs Bullen stürzten auf uns, als wir in die Reihen eindrangen, aber sie blieben weit zurück. Ich nahm eine Kuh aufs Korn, schoss aber zu hoch. Sie tat einen furchtbaren Satz und jagte mit verdoppelter Eile davon. Darauf zog ich den Zügel an, und wie ein Strom schoss die Herde an mir vorüber. – Unsere Jagd hatte uns auf einen gefährlichen Grund geführt. Ein Präriehundedorf, welches so stark bevölkert war, dass sich in einem Raum von etwa 20 Quadratellen durchschnittlich drei bis vier Höhlen befanden, bedeckte den ganzen Grund von etwa 2 Meilen Länge. Als ich mich umschaute, gewahrte ich nur einen der Jäger und unsere Karawane in einer Entfernung von 4 Meilen wie eine lange schwarze Linie sich fortbewegen.
Nach einem Marsch von 24 Meilen schlugen wir unser Lager in der Nähe von Brady Island auf, benannt nach einem Mann, der hier vor einigen Jahren von seinem Kameraden ermordet wurde und dessen von den Wölfen ausgescharrten Gebeine wir noch fanden. Die ganze Nacht erhoben Scharen von Wölfen, die gewöhnlich die Nachzügler der Büffel sind, ein ununterbrochenes Geheul. Am Morgen saßen sie in geringer Entfernung und lauerten mit Ungeduld auf unseren Abzug, um über die zurückbleibenden Knochen herzufallen.
Unser Weg ging im Flusstal aufwärts, an das sich die Hügel näher andrängten und Kegel von 300 bis 500 Fuß Höhe bildeten. Wir kamen an einem Lagerplatz der Oregon-Auswanderer vorüber, an dem sie mehrere Tage verweilt zu haben schienen. Gegen Abend gelangten wir zu dem Zusammenfluss des Südarms des Nebraska mit dem Nordarm, die vereint eine Breite von 5350 Fuß haben. Wir setzten über den Südarm an einer Stelle, wo der Fluss durch eine Insel in zwei ungleiche Teile geteilt wird, um an dessen linkem Ufer weiterzureisen. Zwischen beiden Armen dehnt sich eine reiche Prärieebene in einer Länge von 18 Meilen aus. An einigen Stellen bemerkte ich am Boden einen schwachen Salzüberzug und in der Nähe das vom Vieh verschmähte sogenannte Salzgras. Unser Lager befand sich etwa 2700 Fuß über dem Meer.
Wir machten am anderen Morgen eine Cache (Kasch) – ein in dieser ganzen Gegend gebräuchlicher Ausdruck für alles, was man in der Erde verbirgt – von einem Fässchen mit Schweinefleisch für den Rückweg. Wir ließen dabei die uns begleitenden Cheyenne-Indianer zusehen, da diese das Schweinefleisch verschmähen und ihren scharfen Augen, doch nicht verborgen geblieben wäre, was vorging. Abends mussten wir das Feuer in Ermangelung von Holz zum Teil mit »Kuhholz« unterhalten, wie man hier den trocknen Büffelmist nennt, der, wie in der Arabischen Wüste der des Kamels und der des Rentiers im Norden Sibiriens, dem Reisenden ein gutes Ersatzmittel für das Holz gewährt.
Am 4. Juli schien die Sonne matt und rot durch dichten Nebel. Es wurde etwas von unserem kleinen Vorrat an »rotem Feuerwasser«, wie unsere indianischen Freunde den Branntwein nannten, unter die Mannschaft verteilt. Als wir frühstückten, brach ein Büffelkalb, von zwei Wölfen verfolgt, durch unser Lager. Es gewann dadurch einen kleinen Vorsprung und strengte alle Kräfte an, um eine große Herde, die etwa 2 Meilen von uns am Fuß der Hügel weidete, zu erreichen. Doch ein und noch ein Wolf gesellten sich hinzu und so fort, bis deren gegen 30 es verfolgten. Einige alte Bullen in der Nähe wollten es schützen, aber vergeblich. Das schwache Tier unterlag, schon halb aufgefressen, noch ehe es tot war, der Übermacht seiner Feinde. Wir näherten uns bald den Hügeln, die aus Mergelschichten bestanden, und setzten über zahlreiche von ihnen herabkommende Bäche, deren durch Sand und Kies 4 bis 10 Fuß über die Prärie erhobenen Betten sich durch dieselbe wie aufgeworfene Wege schlängelten. – Nachmittags erblickten wir plötzlich Staubwolken in den Hügelschluchten, und in wenigen Minuten bewegten sich von ihnen Büffelherden, wie große Heeressäulen, zum Fluss hernieder. Bald füllten sie den ganzen wenigstens 2 Meilen breiten Präriegrund, und immer neue Massen kamen von der Höhe herab, während die Ersten schon wieder jenseits der gegenüberliegenden Hügelreihe verschwanden. In kurzer Zeit waren wir völlig von ihnen umringt, indem sie nur einen Raum von etwa 200 Ellen um uns frei ließen, und so weit unser Auge vor und rückwärts reichte, war alles schwarz von ihren dichten Massen. Diese Bewegung der Büffel zeigte uns die Nähe von Indianern am Nordarm des Nebraska an.
Obwohl ich vornehmlich diesen zu untersuchen beabsichtigte, so beschloss ich, doch mit vier meiner Leute den Südarm bis zum St. Vrain’s Fort – einem befestigten Platz nicht weit von Long’s Peak (Longs Spitze), etwa 200 Meilen weiter aufwärts – zu verfolgen, um dort einige Maultiere zu erhalten und diesen Landstrich in mehrerer Hinsicht zu untersuchen. Die übrige Mannschaft sollte indessen den Nordarm hinauf bis zum Fort Laramie ziehen, wo wir spätestens am 16. wieder zusammentreffen wollten.
Am 5. Juli trennten wir uns. Ohne besondere Erlebnisse erreichten wir unser Abendlager, wo wir zu unserem großen Verdruss bemerkten, dass wir unseren Reisebedarf an Kaffee, Zucker und Mehl vergessen hatten. Wir verzehrten unsere elende Mahlzeit, bestehend aus einem Stück ungesalzenem, zähem Bullenfleisch und einem Restchen bitterem Kaffee, und legten uns schweigend nieder. Das Übelste bei solchem Missgeschick ist die schlechte Laune, die mit ihm einkehrt. – Am anderen Morgen entließ ich Herrn Preuß mit einem Begleiter, um ihn den auf meinem Weg drohenden Beschwerden zu entheben, und hoffte, dass er die andere Abteilung bis abends an dem Nordarm erreichen würde. Unser Weg ging stromaufwärts in vorherrschend südwestlicher Richtung. Das Tal war sandig und von niedrigen Hügelreihen begrenzt. In einem Weidengehölz nahe der Mündung eines jetzt ganz ausgetrockneten Flusses lagen die Überreste eines ansehnlichen, aus großen Baumstämmen erbauten Forts. Es war anscheinend sehr alt und wahrscheinlich der Schauplatz manches feindlichen Zusammentreffens der räuberischen Stämme gewesen. Die tiefe Stille stand in schroffem Gegensatz zu den Bildern, welche die Phantasie hier hervorrief. – Die Amorpha fand sich auch hier häufig, und vorherrschend war die Sonnenblume (Helianthus). Unser Weg führte meist durch dürre und unfruchtbare Sandstrecken. Abends lagerten wir auf einer Insel des Platte-Flusses und mussten uns wieder mit einem alten Bullen begnügen. – Am 7. gewahrten wir eine kleine Herde wilder Pferde. Einer der Indianer bestieg einen Renner und näherte sich ihnen auf 100 Schritte, ohne bemerkt zu werden. Leicht überholte er die letzten, ohne jedoch von dem Lasso, einem ledernen Riemen, dessen man sich zum Einfangen der Pferde bedient, Gebrauch zu machen. Er strengte alle Kräfte an, sich des Leitpferdes zu bemächtigen, aber sein Ross begann zu ermatten, und die ganze Herde entkam. – Einer Staubwolke folgend trafen wir nachmittags in den Hügeln auf einen Trupp von etwa 20 Büffeln, die in einem verzweifelten Gefecht begriffen waren. Die Stöße der meisten waren gegen einen alten, äußerst mageren Bullen gerichtet, der, schon sehr schwach und verwundet, im Begriff war, seinen Gegnern zu unterliegen. Wir nahmen uns des Schwächeren an, aber die Tiere waren so blind vor Wut, dass sie den Kampf fortsetzten, obwohl wir zu Fuß und Ross ganz aus der Nähe auf sie feuerten. Doch bald taten einige, die unsere Kugeln gestreift hatten, einen Satz und rannten davon. Auch die Übrigen zogen sich langsam, aber noch immer wütend kämpfend zurück, und der alte Bulle hinkte allein weiter. – Der Boden blieb fortwährend dürr und sandig und zeigte nur wenige Pflanzen und zerstreute Gehölze. Die Nebenflüsse, von denen manche ein tiefes und breites Bett hatten, waren meist ganz ohne Wasser.