Loe raamatut: «DIE SIDHE»

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JOHN MATTHEWS

DIE
SÍDHE

Weisheiten des irischen Feenvolkes,

empfangen aus der Anderswelt

Vorwort von David Spangler

Aus dem Amerikanischen von Thomas Görden


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Amerikanische Originalausgabe:

The Sídhe. Wisdom from the Celtic Otherworld

Deutscher Erstdruck im AMRA Verlag

Auf der Reitbahn 8, D-63452 Hanau

Hotline: +49 (0) 61 81 – 18 93 92

Service: Info@AmraVerlag.de


Herausgeber & Lektor Michael Nagula
Einbandgestaltung Guter Punkt
Layout & Satz Birgit Letsch
Druck CPI books GmbH

ISBN Printausgabe 978-3-95447-457-8

ISBN eBook 978-3-95447-458-5

Die Glyphe im Quadrat zeichnete Valorie Fanger nach einer Vorlage von John Matthews, die Zeichnung vor Kapitel 9 stammt von Deva Berg. Copyright der amerikanischen Vorlage © 2004/2007 by John Matthews Ursprünglich erschienen bei The Lorian Press, Everett, Washington, USA, hier ergänzt durch ein exklusives neues Vorwort und ein neues Nachwort. Copyright der deutschen Ausgabe © 2021 by AMRA Verlag & Records

Die hier vorgestellten Informationen, Ratschläge und Übungen sind natürlich subjektiv. Sie wurden zwar nach bestem Wissen und Gewissen geprüft, dennoch übernehmen Verfasser und Verlag keinerlei Haftung für Schäden gleich welcher Art, die sich direkt oder indirekt aus dem Gebrauch der Informationen, Tipps, Ratschläge oder Übungen ergeben. Im Zweifelsfall sollte ärztlicher Rat eingeholt werden.

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Inhalt

Vorwort

Einleitung

1Irland ruft

2Gortnasheen

3Anfänge

4Ein Wiedersehen

5Inkarnation

6Die Reise

7Begegnung mit den Ahnen

8Gefährten

9Die größere Harmonie

Nachbemerkung

Leseempfehlungen

Zur deutschen Ausgabe

Über den Autor

Stimmen zum Buch

Dem Volk der Sídhe

und den furchtlosen Teilnehmern der

Jean Houston Tour of Britain 2000,

denen ich zum ersten Mal Teile

dieses Textes vorlas

und die darauf sehr positiv reagierten.

JM. Oxford.


Vorwort

Als ich gebeten wurde, ein Vorwort zur deutschen Ausgabe dieses bahnbrechenden Buches meines Freundes John Matthews zu schreiben, empfand ich das als Freude und Ehre. Noch während des Entstehens gewährte er mir Einblick in sein noch unvollendetes Manuskript über die Sídhe, und bis dahin hatte ich von ihnen nur gewusst, dass sie eine Rolle in der keltischen Mythologie spielen. Ich hatte noch nie persönlichen Kontakt zu ihnen gehabt und ahnte nicht, dass ein solcher Kontakt später eine wichtige Rolle in meiner eigenen Beschäftigung mit der Inkarnations-Spiritualität spielen würde. Johns Buch verhalf mir zu neuen Erkenntnissen über diese »Vettern« und »Kusinen« der Menschheit und verdeutlichte, wie wichtig ihre Präsenz in der Welt und unsere Kommunikation mit ihnen für uns sein kann. Johns Buch erlebte seitdem einen hochverdienten Erfolg. Und was seinen Einfluss auf viele Menschen, mich eingeschlossen, betrifft, hat es sich die Bezeichnung »Klassiker« wahrlich verdient.

An Johns weiteren Kontakten mit den Sídhe nach der Veröffentlichung seines Buchs in den USA und an Begegnungen mit ihnen, die ich selbst und andere erlebten, zeigt sich, wie auch John selbst schreibt, sehr deutlich, dass die Sídhe die Menschheit warnen wollen. Sie machen auf die Gefahren aufmerksam, die uns – und ihnen – drohen, wenn wir die Erde weiter so missbrauchen wie bisher. Nicht nur John und ich, sondern zahlreiche Menschen in aller Welt haben in den letzten Jahren solche warnenden Mitteilungen von unseren Verwandten, den Sídhe, erhalten.

Doch erfreulicherweise übermitteln sie uns nicht nur Warnungen. Die Sídhe bekräftigen immer wieder, dass sie keine Geistwesen sind, sondern auf ihre Art genauso körperlich wie wir, wenn auch auf einer anderen Wellenlänge oder Frequenz der Materie. Überdies sind sie ein Teil der Menschheit: Unsere beiden Spezies besitzen einen gemeinsamen, vor langer Zeit existierenden Vorfahren. Als Verwandte ist unser Schicksal eng miteinander verknüpft. Auch wenn wir das während unserer gegenwärtigen materialistischen Zivilisation weitgehend vergessen haben, teilen wir mit den Sídhe doch eine angeborene Beziehung zur Natur – und die Fähigkeit, Ganzheit und Heilung zurück in die Welt zu bringen. Ein wichtiges Ziel der Kommunikation der Sídhe mit der Menschheit besteht deshalb darin, uns dabei zu helfen, unseren »inneren Sídhe« zu entdecken, unsere Fähigkeit, in einer Weise mit unserer Welt in Beziehung zu treten, die für die Erde endlich wieder segensreich und heilend ist.

Werden wir auf ihre Warnungen hören und die in uns schlummernden Fähigkeiten eines »Sídhe« aktivieren? Das wird die Zeit zeigen.

Aber dank John und seinem bahnbrechenden Buch verbreitet sich die Botschaft um ihre Existenz jetzt immer mehr auf der Welt. So können wir von der Botschaft unserer »Vettern« und »Kusinen« erfahren, sie in unserem Leben anwenden und damit uns allen Hoffnung schenken.

David Spangler

Issaquah, Washington, USA

Einleitung

Viele der Worte, die Sie in diesem Buch lesen werden, wurden mir von Wesen diktiert, die außer mir niemand sehen konnte. Während mehrerer Wochen saß ich täglich an meinem Computer, die Augen halb geschlossen, und blickte nur gelegentlich zu dem Bild auf, das ich über meinen Schreibtisch gehängt hatte. Dann, für eine gewisse Zeit, tippte ich wieder wie wild. Meine Finger versuchten, mit den Worten mitzuhalten, die ich hörte.

Die Wesen, die mit mir kommunizierten, nannten sich selbst Sídhe. Sie sprachen es »schi« aus. Das ist ein uralter Name für das irische Volk der Feen, englisch fairies. Ich hatte damals und habe auch heute keinen Grund, ihnen nicht zu glauben, denn meine inneren Sinne sagten mir zweifelsfrei, dass sie so real waren, wie ich es (wahrscheinlich) bin. Was sie zu sagen hatten, erscheint faszinierend und mitunter höchst tiefgründig und ist ganz sicher nicht das Produkt meiner eigenen Fantasie.

Manche Leute werden der Ansicht sein, dass es sich hierbei um ein »gechanneltes« Buch handelt, und sie werden sich möglicherweise erinnern, dass ich mich durchaus nicht immer positiv über Channeling geäußert habe. Ein großer Teil der auf diese Weise produzieren Texte erscheint mir auch heute noch im besten Fall unzuverlässig und schlimmstenfalls irreführend. Allein schon aus diesem Grund habe ich diesen Bericht erst nach reiflicher Überlegung niedergeschrieben – geschweige denn veröffentlicht. Letztlich waren es zwei Dinge, die mich dann doch überzeugten – freundlicher Druck von Kollegen und die Natur des Materials selbst, das also, was die Sídhe mir konkret übermittelten. Nicht dass ich der Meinung wäre, das hier schriftlich Festgehaltene sei wichtiger als die in einem Dutzend anderer Bücher enthaltenen Informationen aus dem Feenreich, aber ich habe den Eindruck, dass dieser Text nützlich für Menschen sein kann, die sich wie ich auf dem spirituellen Weg befinden. Deshalb habe ich beschlossen, die Geschichte mehr oder weniger genauso zu erzählen, wie sie sich abspielte, und ohne weitere Erläuterungen. Ich überlasse es Verstand und Herz meiner Leserinnen und Leser zu entscheiden, ob die Botschaft für sie von Wert ist.

Aus nachvollziehbaren Gründen habe ich allerdings Namen und Orte geändert. Und ich habe die mir von den Sídhe diktierten Worte in eine Rahmengeschichte gekleidet, um sie leichter lesbar zu machen. Es gibt in Irland keine prähistorische Kultstätte namens Gortnasheen, aber der Ort, an dem die beschriebenen Ereignisse stattfanden, existiert.

Gestatten Sie mir, dass ich Keith Harris (Name geändert) für seine Einladung zu etwas danke, das sich zu guter Letzt als die aufregendste Reise meines Lebens entpuppen sollte. Auch danke ich Jeremy Berg von der Lorian Press für seine Bereitschaft, sich dieses Projekts anzunehmen, meiner Frau Caitlin dafür, dass sie zur rechten Zeit die richtigen Fragen stellte, und meinem Freund David Spangler für sein beharrliches Nachfragen.

Doch am tiefsten stehe ich beim Volk der Sídhe selbst in der Schuld. Diese gar nicht so ferne Zivilisation hat uns allen auch heute noch, im einundzwanzigsten Jahrhundert, so viel zu sagen.

John Matthews

Oxford, England

Kapitel 1
Irland ruft


»Ich habe etwas zu sagen, das dein Volk hören sollte.«

Als ich von den regennassen Straßen Oxfords nach Hause kam, klingelte das Telefon. Ich ließ meine Tasche fallen und nahm schnell den Hörer ab.

»Hallo, John? Hier ist Keith – Keith Harris. Aus Dublin. Ich glaube, ich habe hier etwas Interessantes für dich.«

Ich ging das Adressbuch in meinem Kopf durch und fand den Namen. Keith Harris war Archäologe und arbeitete für das Irish Heritage Board. Sein Fachgebiet waren alte Monumente.

»Hallo, Keith. Schön, von dir zu hören. Was ist es denn?«

»Eine neue Ausgrabungsstätte, westlich von Dungarrow. Wir graben dort schon fast ein Jahr. Haben ein paar interessante Dinge gefunden. Ich dachte, du hast vielleicht Lust, herzukommen und einen Artikel darüber zu schreiben.«

Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit Forschungen zur vorchristlichen Geschichte und Überlieferung, insbesondere in England und Irland. Ich bin Dozent für dieses Fachgebiet, habe in England und den Vereinigten Staaten gelehrt und zahlreiche Bücher veröffentlicht. So sind einige Freundschaften zu Archäologen entstanden, die geistig offen an dieses Thema herangehen. Keith war einer von ihnen, und schon mehr als einmal hatte er mich zu sehr faszinierenden Fundstätten eingeladen.

Ich überlegte angestrengt und versuchte, mich zu erinnern, ob ich nicht vielleicht schon etwas über historische Stätten in der von Keith benannten Gegend gehört hatte.

»Schön, dass du an mich denkst«, sagte ich schließlich. »Was kannst du mir denn über diesen Ort erzählen?«

»Jetzt noch nichts. Erst, wenn du hier eintriffst.«

»Klingt geheimnisvoll.«

»Nicht wirklich. Ich möchte, ehe ich mich darauf einlasse, nur sichergehen, dass du auch wirklich interessiert bist.«

»Wann soll ich denn zu dir kommen?«

»Ist kein Grund zu besonderer Eile. Einfach, wenn es dir zeitlich passt.«

Ich schaute in den Terminkalender, der, um die Wahrheit zu sagen, bei mir gerade ziemlich leer war. Es war der 6. Juli 1998.

»Okay. Ich komme am Freitag.«

»Prima. Ich hole dich am Flughafen ab. Also, bis in drei Tagen.«

Er legte auf. Als ich, eine Stunde später, an meinem Schreibtisch saß, dachte ich über seinen Anruf nach und fragte mich, was es an dieser neuen Ausgrabungsstätte wohl zu entdecken gab. Dabei überkam mich ein sonderbares Gefühl, ein Gefühl, das ich schon kannte. Manche Leute würden es als »mediales Prickeln« bezeichnen. Es überkommt mich manchmal, wenn ich historische Stätten besuche. Es ist, als versuchten die Menschen, die dort einst lebten, mit mir zu sprechen. Mitunter glaube ich dabei sogar, Stimmen zu hören. Es ist sicher nachvollziehbar, dass ich diese Erlebnisse lieber für mich behielt. Ich hatte mir als seriöser Geschichtsexperte einen Namen gemacht. Herumzuerzählen, ich hätte mediale Kontakte zu Menschen, die seit Jahrhunderten tot waren, hielt ich in meinem Berufszweig nicht für eine gute Idee. Das ist auch der Grund, warum ich lange zögerte, dieses Buch zu veröffentlichen.

Aber das »Prickeln« war da – wie ein kalter Finger, der mir über den Nacken strich. Ich ahnte, dass in Irland etwas geschehen würde. Ich hatte jedoch keine Ahnung, welche enormen und unwiderruflichen Veränderungen in meinem Leben mir dadurch bevorstanden.


Drei Tage später stieg ich am Flughafen Dublin aus dem Flieger. Keith Harris erwartete mich und schüttelte mir herzlich die Hand.

»Willkommen in Irland, John.«

Keith sah mehr wie ein Bauer, nicht wie ein Archäologe aus. Er war klein und stämmig, mit von einem Leben, das größtenteils in der freien Natur stattfand, geröteten Gesicht. Er war etwa sechzig Jahre alt, wirkte aber jünger. In seinen leuchtend blauen Augen funkelte noch immer jugendlicher Enthusiasmus.

»Sorry wegen der Geheimnistuerei«, sagte er, während wir zu seinem verbeulten alten Auto gingen. »Es ist nur so, dass da in Gortnasheen, nun ja, etwas anders ist.«

Ich hörte den Namen zum ersten Mal. Selbst da schon, bevor ich überhaupt an Ort und Stelle war, spürte ich wieder dieses »Prickeln«, für das es keine rationale Erklärung gab.

Ich sagte nichts und zog es vor abzuwarten, wie die Dinge sich entfalten würden.

Nach dieser Bemerkung mied Keith auffällig jede weitere Bemerkung zu seiner neuesten Ausgrabung. Stattdessen redete er, während wir aus dem Ballungsraum der Großstadt Dublin hinaus nach Westen in die saftig grüne Landschaft fuhren, über allgemeine Themen. Er erkundigte sich, was ich getrieben hatte seit unserer fast drei Jahre zurückliegenden letzten Begegnung (auf einer sehr langweiligen Party zu Ehren eines sehr langweiligen Kollegen). Was seine eigenen Aktivitäten anging, erzählte er nur von anderen interessanten Orten, wo unter Schirmherrschaft des Irish Heritage Board gegenwärtig Ausgrabungen stattfanden. Aber obwohl ich zuhörte und höfliches Interesse zeigte, kreisten meine Gedanken um Gortnasheen und die Frage, was mich wohl dort erwartete.

Irgendwie, auch wenn ich es nicht hätte in Wort fassen können, wusste ich, dass ich dort viel mehr vorfinden würde als einen Haufen Steine und eine archäologische Grabungsstätte.


Die Fahrt von Dublin nach Gortnasheen dauerte etwas mehr als zwei Stunden. Die Landschaft, durch die wir fuhren, war ohne größere Erhebungen – ein leuchtend grüner, welliger Teppich. Bei meiner Ankunft war der Himmel grau und bedeckt gewesen, aber als wir Richtung Westen fuhren, klarte das Wetter auf, und bald zeigte sich eine wässrige Sonne. Keith sagte, dass dies der erste Tag seit fast einer Woche sei, an dem es nicht pausenlos regnete. (»Dieses Wetter hat uns die Arbeit nicht gerade erleichtert!«) Dann schwieg er, während wir die letzten Kilometer zum Dorf Dungarrow fuhren, dem der Ausgrabung nächstgelegenen Ort.

Dort quartierte mich Keith in einem Gästezimmer des örtlichen Pubs ein und regte an, vor dem Besuch der Grabungsstätte etwas zu essen. Ich spürte plötzlich bei ihm ein Widerstreben, als befielen ihn jetzt, wo er mich hierher gebracht hatte, Zweifel, ob er das Richtige getan hatte.

Während wir Fisch und Chips aßen und dazu ein frisch gezapftes Bier tranken, beschloss ich, das Thema offen anzusprechen.

»Erzähl mir von eurem Fund«, tastete ich mich vor.

Keith trank einen Schluck Bier und stellte das Glas vielleicht ein bisschen zu heftig wieder auf den Tisch. »Nimm’s mir nicht übel, aber ich will lieber nichts erzählen, bevor du an Ort und Stelle bist.« Dabei hatte ich den Eindruck, dass seine Wangen noch roter wurden als sonst. Und er wich eindeutig meinem Blick aus.

»Du meine Güte, was habt ihr denn da ausgegraben? Einen Goldschatz?«, fragte ich leichthin.

»Nein, das ist es nicht«, sagte Keith. Schließlich blickte er mir doch noch in die Augen. »Hör mal, das tut mir wirklich leid. Du musst denken, ich hab sie nicht alle. Es ist nur so, dass …« Er zögerte, dann fuhr er schnell fort: »Also, es ist ein Gefühl, nichts, was ich wirklich erklären kann. Ich möchte einfach, dass du dir den Ort unvoreingenommen anschaust. Ich will dich auf keinen Fall vorab irgendwie beeinflussen …«

Mir lag die Erwiderung auf der Zunge, dass die ganze Geheimnistuerei genau das bewirkte, beschloss aber, lieber meinen Mund zu halten.

Wir aßen ohne weitere Diskussion zu Ende und stiegen wieder in Keith’ Auto. Er lenkte es aus dem Dorf über eine kurvenreiche Straße, die in einen Feldweg überging, und als auch der endete, fuhr Keith einfach weiter, geradewegs über einen zerfurchten Acker.

Schließlich, als ich schon fürchtete, entweder mein Körper oder sein klappriges Auto würde bei der Schaukelei den Geist aufgeben, hielt er an.

Keith saß einen Moment da, bevor er den Motor stoppte. Dann wandte er sich mir zu, das Gesicht ernst.

»Hör mal, ich habe keine Ahnung, warum ich dich hergeholt habe«, platzte er heraus. »Die Wahrheit ist – und ich weiß, das klingt komisch – ich habe drei Nächte hintereinander davon geträumt. Ich habe darüber nachgedacht, wen ich bitten soll, unseren Fund zu begutachten, und, ehrlich gesagt, dein Name stand nicht auf meiner Liste. Doch nach diesen Träumen fiel mir etwas ein, das du mal vor langer Zeit zu mir sagtest – dass nämlich manche dieser alten Stätten lebendiger sind als andere. Damals verstand ich nicht, was du damit meintest. Um die Wahrheit zu sagen – ich hielt dich für ein bisschen verrückt. Aber da ist etwas Besonderes an diesem Ort … na, du wirst es gleich selbst sehen …« Er verstummte und schaute mich mit einem Anflug von Verzweiflung an.

»Na, dann los«, sagte ich und öffnete ungeduldig die Autotür. »Du kannst mir mehr über die Fundstätte erzählen, während wir hingehen.« Ich hatte schon den Blick über den Acker schweifen lassen, aber nichts entdecken können.

Keith gab mir ein Paar Wellington-Stiefel, die er offenbar extra besorgt hatte, zog auch selbst Stiefel an, und kurz darauf stapften wir über den weichen Ackerboden.

»Das meiste, was wir drinnen gefunden haben, ist neolithisch, ungefähr aus der Zeit um 2000 vor Christus«, sagte Keith, spürbar erleichtert, wieder über vertrautes Terrain zu sprechen. »Aber es gibt auch jüngere Fundstücke, von ungefähr 200 vor Christus, also aus keltischer Zeit. Die gegenwärtige Theorie ist, dass dieser Ort danach noch etwa achthundert Jahre genutzt wurde. Aber er ist definitiv viel älter. Ich schätze, viertausend Jahre älter.«

»Wir haben es also mit einer Fundstätte aus der Steinzeit zu tun? Die dann später von den Kelten genutzt wurde?«

Keith nickte und fügte hinzu: »Die eigentliche Frage ist: wofür genutzt?«

Ich blieb abrupt stehen. »Du meinst, ihr wisst es nicht?« Von einem der führenden Archäologen war das eine sonderbare Bemerkung. Normalerweise sprudelten sie vor Ideen und Meinungen über den Verwendungszweck jeder Anlage, die sie ausgruben.

Keith zögerte, ehe er antwortete. »So einfach ist es nicht. In vielerlei Hinsicht ist das hier eine ganz normale Ausgrabungsstätte. Was mich beunruhigt, sind die Unterschiede, auf die wir gestoßen sind. Aber ich überlasse es dir, dir deine eigene Meinung zu bilden.«

Wir gingen hinüber auf einen anderen Acker, der durch eine Hecke abgeteilt war. Nun lag etwas vor uns, das lediglich ein Haufen Steinbrocken zu sein schien, in einer Bandbreite von sehr mächtig bis hinunter zu Kopfgröße. Auf den ersten Blick schien es nicht mehr als das zu sein. Aber ich hatte genug solcher Stätten besucht, um die eindeutigen Zeichen menschlicher Bautätigkeit erkennen zu können.

Die Steine waren gar nicht so zusammengewürfelt, wie es zunächst den Anschein erweckte. Dort, wo sie noch halb unter der Erde begraben waren, sah man, dass sie zu einem aus dem Untergrund aufragenden Mauerwerk gehörten, während sie an anderer Stelle seitwärts aus diesem noch grob erkennbaren Mauerrund eines künstlich errichteten Hügels herausgefallen waren. Als wir um die Steine herumgingen, sah ich Spuren archäologischer Forschungsarbeit: Torf war weggeschaufelt worden, und ein langer Graben von etwa sechzig Zentimetern Breite und einem Meter achtzig Tiefe führte im rechten Winkel von dem Hügel weg.

Dann gelangten wir zu der, wie ich wusste, Westseite des Hügels. Zwischen zwei besonders mächtigen Steinen befand sich dort eine niedrige, rechteckige Öffnung ins Dunkle. Das war offensichtlich der Eingang. Man hatte ihn mit Bändern abgesperrt und ein Schild hingehängt. Darauf stand:

PRIVATGRUNDSTÜCK

BETRETEN VERBOTEN!

Keith öffnete die Absperrung.

»Das, was du dir anschauen sollst, ist drinnen«, sagte er. »Auf einem Steinsims neben dem Eingang findest du eine Taschenlampe.«


Als ich vor dem Eingang des künstlichen Hügels stand, kehrte dieses Gefühl zurück, das ich schon zweimal verspürt hatte – nur dass es diesmal doppelt so stark war. In diesem Moment wäre ich keinesfalls überrascht gewesen, wenn eine Gestalt aus lange zurückliegenden Zeiten plötzlich vor uns gestanden hätte und aus dem Hügel ins Freie getreten wäre. Der Eindruck einer zeitlosen Energie, die aus dem dunklen Loch drang, war so stark, dass ich mich für einen Moment nicht vom Fleck rühren konnte. Dann, so plötzlich, wie es gekommen war, verschwand das Gefühl. Ich ging in die Hocke und spähte in die Dunkelheit.

Ein kalter Luftzug traf mein Gesicht – was, hätte ich in dem Moment darüber nachgedacht, recht sonderbar war. Normalerweise waren solche Hügelanlagen nicht sehr tief oder großräumig, so dass eigentlich keine solche Luftströmungen auftraten. Aber ich gestehe, dass ich derartige Überlegungen nicht anstellte. Ich spürte eine steigende Erregung, während ich mich gebückt in die Dunkelheit hineinschob. Meine Hände fühlten überall rauen Stein. Tastend suchte ich nach dem Sims und der Taschenlampe.

Das ging recht schnell, und im nächsten Moment erhellte der breite, goldene Lichtstrahl der Lampe die Dunkelheit. Ich sah einen schmalen Gang, dessen Wände und Decke aus riesigen Steinplatten bestanden. Vor mir befand sich eine zweite Öffnung, und wieder bemerkte ich einen kalten, feuchten Lufthauch. Die Decke war zu niedrig, um aufrecht zu stehen. Also war ich gezwungen, mich kriechend der zweiten Öffnung zu nähern.

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