Loe raamatut: «Play with me 7: Déjà-vu»

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Play with me

Band 7

Déjà-vu

Julia Will

© 2020 Amrûn Verlag

Jürgen Eglseer, Traunstein

Lektorat: Susanne Pavlovic, Textehexe

Umschlaggestaltung: cover & books Buchcoverdesign

Alle Rechte vorbehalten

ISBN ebook – 978-3-95869-145-2

Printed in the EU

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar

v1 20

Für das Rudel

Mike

»Schatz? Bist du das?«, ruft meine Mutter aus der Küche, als ich mir gerade die Schuhe ausziehe.

»Welcher?«, frage ich zurück und kann mir ein kleines Lächeln nicht verkneifen. Ach Mum ...

»Na, du natürlich! Mein Lieblingskind, also wirklich!«, meckert sie, kommt zu mir und nimmt mich in den Arm. »Wie ist es gelaufen?«

Ich atme erst mal erleichtert durch. Genau das brauche ich jetzt. Ganz viel Liebe. Natürlich habe ich Mum erzählt, dass ich mit Hannah gestritten habe. Hannah ist seit Ewigkeiten meine beste Freundin, fast wie eine Schwester, und Mum mag sie unglaublich gerne. Ich glaube, sie hat ganz schön mitgelitten. Natürlich war sie nicht gerade begeistert, als sie vom Grund unseres Streits erfahren hat, und hat mir da auch ordentlich den Kopf gewaschen.

Immerhin durfte ich mich danach noch ausheulen. Das war aber auch ein echt beschissener Abend, als ich Hannah die Wahrheit gesagt habe. Keine Ahnung, wann ich das letzte Mal davor wirklich geheult habe, aber an dem Abend war ich einfach nur fertig. Ich bin ja generell schon ein bisschen ... na ja, in Ufernähe gebaut, aber meistens kann ich mich noch ganz gut beherrschen. An dem Abend allerdings war nichts mehr mit Beherrschung.

»Und? Jetzt erzähl schon, ich konnte den ganzen Abend nichts essen, weil ich so nervös war und Angst hatte, dass du es vermasselst!«

Ich schnaube entrüstet, muss dann aber lachen.

»Es wird. Sie hat mich wieder lieb«, brumme ich in die duftende rote Haarwolke und drücke mich noch enger an sie.

»Oh Gott sei Dank! Ich hatte wirklich Angst, dass ihr euch richtig verkracht.«

»Ich auch.«

»Hannah ist eine starke junge Frau. Ich bin wirklich froh, dass sie mit so einem dummen Kerl wie dir Mitleid hat.«

»Ey ... Lieblingskind, schon vergessen?«, brumme ich beleidigt und sie kichert.

»Mütter lieben ihre Kinder auch dann, wenn sie dumm sind, mein Schatz.«

»Du bist gemein.«

»Nein, nur ehrlich!«

»Es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen gemein und ehrlich!«, jammere ich, drehe dann den Kopf und drücke ihr ein festen, sehr feuchten Schmatzer auf die Wange. »Und du bist eindeutig einfach nur gemein!«

»Igitt, du kleine Kröte!«, lacht sie, versucht mich, zu kitzeln, aber ich winde mich gekonnt aus ihren Armen und haue erst mal ab in die Küche. Ich bin echt so erleichtert, dass sich das mit Hannah wieder einigermaßen beruhigt hat. Viel länger hätte ich das gar nicht ausgehalten. Und allein der Gedanke, dass sie unsere Freundschaft wirklich beendet hätte, lässt mir die Magensäure hochsteigen. Nicht schön.

Ich verbringe noch eine knappe Stunde bei meiner Mutter in der Küche, dann gehe ich hoch in mein Zimmer. Ein Blick auf mein Handy zeigt, dass Chain sich immer noch nicht gemeldet hat. Mist. Dafür kommt in diesem Moment eine neue Nachricht von Leon. Okay …? Dachte, der ist weg?

›Von mir aus können wir das Shooting am Samstag machen.‹ Ohoooooo! Da hat es aber jemand eilig. Nicht dass wir uns noch einen anderen Fotografen gesucht hätten! Wenn da nicht jemand eifersüchtig ist … Grinsend tippe ich meine Antwort.

›Klingt gut! Bisher steht Samstag, glaube ich auch noch nichts. Ich frage Nick, ob ihm das auch passt, kann aber was dauern. Der skyped gerade nackt mit deinem Bruder xDD‹

›Das halte ich für ein Gerücht. Und okay, sag einfach Bescheid, aber nicht allzu kurzfristig.‹

›Wer weiß, wer weiß xP Oki, ich sag´s dir, sobald ich seine Antwort habe!‹

›Kk.‹

Und weg ist er. Ich hätte nicht gedacht, dass das jetzt so schnell geht, aber hey, gefällt mir. Die letzten Fotos mit Leon waren einfach so ... Die waren ... Ja.

Und das, auf dem wir uns fast küssen, hatte ich sogar als Sperrbildschirm. Bevor ich mich mit Hannah getroffen habe, hab ichs wieder geändert, weil das muss ja nicht sein. Und auch jetzt muss ich ihr das mit Leon und mir ja nicht unter die Nase reiben. Aber Gott, die Bilder ... Und ich hätte echt gerne mehr. Auch mit Nick! Der Gedanke, dass ich vielleicht mit beiden Fotos machen kann, gefällt mir extrem. Ich mein, hallo, der Porn mit Nick ist der Wahnsinn. Ich sabbere jedes Mal, wenn ich die Bilder sehe. Ich kann mir das nur echt nicht aufs Handy packen. Wenn Viktor, mein Chef, die sehen würde, dann würde ich mir ein Loch graben und nie wieder rauskommen. Und meine Mutter! Oh Gott, meine Mutter ... Aaaah. Nicht drüber nachdenken.

Schnell öffne ich meinen Chat mit Nick.

›Leon meinte, Samstag würde bei ihm gehen wegen Shooting x3.‹

Tatsächlich rechne ich gar nicht mit einer Antwort, bekomme sie aber prompt.

›Dieser feige Arsch!‹

›?? Oo‹ Hä? Muss ich das jetzt verstehen?

›Alex! Der Hund!‹

Ach sooo! Ich dachte schon ...

›Lol, was ist?‹

›Nackt wäre er sich blöd vorgekommen, hat er gesagt! Der Arsch!‹

›Loool, also nichts mit Skype-Porn?‹

›Nein, Mann! Ich kriege keinen Sex, keinen Cybersex, nichts zum Anglotzen, ich hasse ihn! T-T‹

›Tust du nicht! XD‹

›Nein, aber Mann! Warum quält er mich so? Macht ihm das Spaß?‹

›Keine Ahnung.‹

›-.- Du bist auch keine Hilfe Dx‹

›Tut mir leid xD‹

›Lach nicht. Wenn ich dich Samstag bespringe, schlag mich einfach nieder, okay? Wobei, das macht bestimmt Leon für dich. Irgendwer wird mich definitiv niederschlagen.‹

›Jetzt übertreib nicht! XD Also kann ich ihm sagen, dass Samstag steht? Wann genau? Und wo?‹

›Jep, mach mal. Denke ... gegen zwei? Bei mir? Wir brauchen Licht dafür.‹

›Oki, geht klar x3. Ich freu mich! *___*‹

›Hat er was gesagt, ob er auch Bilder mit dir will?‹

›Nicht wirklich, aber abgelehnt hat er auch nicht. Denke, wenn du ihm sagst, dass er einfach wieder machen soll, wird er nachgeben.‹

Tatsächlich kann ich das sogar nachvollziehen, dass er nicht einfach so zugeben kann. Selbst wenn er will. Dazu ist er nicht der Typ.

›Kk, das kriegen wir hin.‹

›Tut mir echt leid wegen Alexander.‹

Tut es tatsächlich. Nick kriecht quasi auf dem Zahnfleisch und Alexander ... Entweder es interessiert ihn nicht oder er will testen, wie lange Nick das Spiel mitmacht. Ich sehe es kommen, beim nächsten Treffen wird der arme Mann einfach ans Bett gebunden und zu seinem Glück gezwungen.

›Hmm, passt schon. Immerhin war er oben ohne. Und er hat sich für mich über den Oberkörper gestreichelt, inkl. einen Nippel! *___* Ich hätte fast auf meine Tastatur gesabbert.‹

›Du bist echt so schlimm!‹

Ich lache leise vor mich hin. Er ist so ein Trottel. Und so verknallt. Ich bin ein bisschen neidisch, denn auch wenn Alex noch nicht so will wie er, immerhin sehen sie sich. Sowohl live, als auch übers Internet, das ist wesentlich mehr als das, was ich aktuell habe. Also klar, der letzte Sexchat mit Chain war geil! Aber ich würde ihn auch gerne mal sehen. Oder zumindest ein Bild von ihm ...

›Bin ich gar nicht! XD Ich weiß nur was ich will xP. Okay, dann Samstag! Sehen wir uns vorher nochmal?‹

›Weiß nicht? Ich kann morgen und Freitag. Mittwoch bin ich arbeiten und Donnerstag mit Leon Ramen essen x3.‹

›Ohooo.‹

›Nichts ohooo, wir gehen nur was essen.‹

›Da-haaaate!‹

›Nahaaain! Und es liest sich geschriebsungen genauso blöd wie es sich anhört! XD‹

›Geschriebsungen ...‹

›Jep, Geschriebsungen xP‹

›Du bist ein Depp. Und ich bin weg, bis morgen.‹

›Morgen? XD Also Treffen?‹

›Jep xD‹

›Okay, bis morgen! X3‹

Und von Chain kam immer noch nichts. Zumindest sehe ich im Chat, dass er meine Nachrichten immerhin gelesen hat. Der ist doch blöd. Na ja gut, dann halt nicht. Grummelnd schnappe ich mir frische Unterwäsche und verziehe mich ins Bad, um zu duschen, anschließend mache ich mir noch einen Film an. Nachdem ich ihm nochmal geschrieben habe, dass ich jetzt ins Bett gehe und ihm eine gute Nacht wünsche. Wer nicht will, der hat schon.

***

Donnerstagmittag sitze ich mal wieder mit Tim, Nick und Hannah in der Mensa. Mein Magen knurrt. Ich hab so Hunger. Und ausgerechnet heute sieht das Essen hier auch noch echt lecker aus! Ob ich mir zumindest ne kleine Portion hole? Es ist immerhin erst halb eins. Und bis ich Ramen bekomme, vergehen noch drei Stunden.

»Willst du meinen Salat haben?«, fragt Tim grinsend und auch Nick kichert gehässig.

»Ich hätte hier noch ein paar Bohnen«, bietet er an, obwohl er genau weiß, dass ich die nicht mag. Aber das Fleisch sieht halt echt gut aus.

»Ihr seid doof.«

»Jetzt iss doch einfach was«, meckert mich Hannah an, die schon seit gestern etwas angespannt wirkt. Seit ich ihr erzählt habe, dass ich mich mit Leon treffe. Ganz freundschaftlich. Gesagt hat sie nichts dazu, das wäre auch blöd gewesen, nachdem sie mir am Dienstag eine fünfzehn Minuten lange Sprachnachricht geschickt und erzählt hat, wie toll das Date mit Thorsten war. Ich hab mich echt mega für sie gefreut!

»Maaah, ist ja okay«, gebe ich schließlich auf und schlurfe zur Essensausgabe. Ein bisschen Fleisch wird ja nicht verkehrt sein.

Wieder zurück am Tisch sieht Tim mich erwartungsvoll an. Okay? Was ist los?

»Ihr werdet nicht glauben, was Fiona gemacht hat. Beziehungsweise ihre Mutter«, fängt er an und hält sein Handy hoch. Offenbar hat er es gerade erst erfahren. Was auch immer.

»Was denn?«, frage ich.

»Also! Ihre Eltern fliegen mit Bekannten in den Urlaub übers Wochenende und ihre Mutter hat zu Fiona gesagt, dass sie doch mal all ihre Freunde zu ner fetten Party einladen soll. Die haben nen scheiß Pool im Keller! Und einen im Garten. Aber bei dem Wetter kann ich auf den verzichten«, lacht Tim und ist ganz rot im Gesicht.

»Oh mein Gott, wie Hammer ist -«

»Ach man, da bin ich nicht da«, fällt mir Hannah ins Wort.

»Warum denn das? Wo bist du denn schon wieder?«

»Also, tatsächlich bin ich nicht mal traurig, dass ich nicht da bin, aber ... blödes Timing. Thorsten fliegt da von Donnerstag bis Montag nach Vegas zu einem großen Meeting und hat gefragt, ob ich mitkommen will. Ich hab schon zugesagt.« Jetzt bin ich baff. Und Nick fällt direkt die Gabel aus den Fingern.

»Dein fucking Ernst ...?«, fragt er tonlos und ich rücke ein bisschen auf die Seite, weil sein Gesicht komische Dinge tut, die mir Angst machen.

»Uhm ... ja?«

»Dieser Wichser.«

»Hey!« Sie lacht und wirft ein Stück ihres Brötchens nach ihm.

»Nein, echt! Er hat noch nie jemanden aus der Firma da mit hingenommen! Egal wie sehr man sich angestrengt hat! Das ist -«

»Das hat mit der Firma nichts zu tun. Er meinte, er zahlt meinen Flug und die Übernachtung aus eigener Tasche«, unterbricht Hannah ihn, bevor er sich komplett in Rage reden kann.

»Ach so. Na gut, dann ... Hut ab. Kein Scheiß, ich bin echt beeindruckt.«

»Danke?«, sagt sie und guckt Nick nochmal skeptisch an, dann wendet sie sich Tim zu. »Ja, also jedenfalls, habt Spaß, aber lasst das Haus stehen, damit ich beim nächsten Mal auch dabei sein kann!«

»Echt schade, dass du nicht da bist, aber Spaß werden wir unter Garantie mehr als genug haben! Jo, Mike!« Grinsend sieht er mich an. »Dann kannst du das gleich mit deinem Geburtstag verbinden! Du hast doch nächsten Dienstag!«

»Scheiße ja!« Da hatte ich gar nicht mehr auf dem Schirm, weil gerade so viel passiert und die nächsten Prüfungen stehen auch an. Aber umso besser, dann muss ich mich nicht selbst drum kümmern und ich kann in einer verdammten Villa mit meinen Freunden meinen Geburtstag feiern. Wie viel besser geht es denn noch?

»Fiona meinte übrigens, wir können mitbringen, wen wir wollen. Das Haus ist riesig und Schlafmöglichkeiten gibt es wohl auch.«

»Das wird echt immer besser«, freue ich mich.

»Ey, wenn jemand Kevin anschleppt, gibt´s Tote!«, mischt Nick sich ein und alles lacht, bis auf Hannah, die Kevin ja noch nicht kennengelernt hat.

»Na ja, wenn, dann würde das nur Kai machen und den musst du ja nicht einladen?«, schlage ich vor, auch wenn ich mir dabei ein bisschen gemein vorkomme. Es ist nicht so, dass ich Kai nicht mag. Ich bin nur einfach nicht traurig, wenn er nicht da ist. Vor allem, weil ich auf die Streitigkeiten zwischen ihm und Nick ehrlich verzichten kann. Ich weiß ja nicht, ob Alex auch zu der Party kommt, aber wenn ja, hätte Kai da sicher auch eine Meinung dazu und es wäre total unnötig, wenn er mit seiner komischen Eifersucht die Party sprengt.

»Stimmt auch wieder. Na ja, mal sehen. Ich muss jetzt wieder. Meine Pause ist gleich um. Das ist so nervig, dass ich immer erst zehn Minuten mit der Bahn herfahren muss«, seufzt er, dann zuckt er die Schultern. »Aber für euch mach ich das gern!«

»Aaaw«, freuen Tim, Hannah und ich uns gleichzeitig, drücken ihn alle nochmal kurz und dann rauscht er auch schon davon.

»Ich bin echt ein bisschen neidisch auf dich«, sagt Tim dann zu Hannah und die fängt ziemlich breit an zu grinsen.

»Ich wäre auch neidisch, wenn ich nicht ich wäre.«

»Tze, du bist blöd!«

Mein Handy vibriert. Ich schaue nach - Leon.

›Bleibt es beim Essen nachher?‹

›Ja klar! Warum? Kannst du nicht?‹

›Ich frage nur, weil du dir gerade was zum Essen geholt hast.‹

Unauffällig lasse ich den Blick schweifen und entdecke ihn vier Tische weiter links mit drei Typen, die ich nur vom Sehen kenne. Leon hat keinen Teller vor sich, nur eine halbleere Flasche Wasser und einen Apfel, der aber noch unberührt auf der Tischplatte liegt.

›Stalker xP‹

›Isst du dann später trotzdem noch?‹

›Natürlich! Im Ramen-Magen ist IMMER Platz! X3‹

›Du wirst fett werden.‹

›An mir ist gar nichts fett, du Arschkeks! Das geht alles in die Muskeln!‹

»Schreibt Chain?«, fragt Hannah.

»Was?«, frage ich völlig verwirrt zurück.

»Chain?«

»Eh, ja.« Ich weiß nicht, wie geil sie das finden würde, wenn ich neben ihr am Tisch mit Leon schreibe. Der hat auch eben wieder geantwortet, aber ich sehe weiter Hannah an.

»Hat er sich endlich wieder gemeldet, zum Glück! Hat er denn gesagt was er hatte?« Mah, ich mag da eigentlich gar nicht drüber nachdenken, denn Chain hat sich seit drei Tagen nicht gemeldet. Und reagiert auch nicht auf Nachrichten. Der Blödsack.

»Ne, hat er nicht«, schwindle ich also weiter und fühle mich doppelt scheiße, weil ich lüge und weil ich dran erinnert worden bin.

»Ah ... Na ja, gut, ist ja nicht das erste Mal«, brummt sie und ich fühle mich gleich noch mieser, weil ich weiß, dass sie ehrlich mit mir mitleidet. Boah, ich bin so ein scheiß Freund.

»Ja«, sage ich nur lahm. Zum Glück wendet sie sich wieder Tim zu, um ihr Gespräch fortzusetzen. Zurück zu Leon, dem gemeinen Arsch!

›Ach wirklich?‹, hat er geschrieben und ich unterdrücke ein Grinsen.

›Jep, hast du doch selbst schon feststellen können, dass ich mehr als genug zum Anfassen hab.‹ Ich schicke die Nachricht ab, bevor ich merke, was ich da tue: Ich habe eine Anspielung gemacht.

Wir schreiben uns über alles Mögliche, aber nicht darüber, was samstags zwischen uns passiert. Wobei ... Er hat mich beim Shooten ja schon nackt gesehen, im Notfall behaupte ich einfach, dass ich das gemeint habe. Genau! Puhh ...

›Hm ... Ich glaube, das muss ich mir am Samstag nochmal genauer ansehen.‹ Tatsächlich konnten wir uns noch drauf einigen am Wochenende bei Nick das Pornoshooting zu machen. Ich bin echt ein bisschen nervös. Und neugierig. Ob Leon wirklich auch mit mir shooten wird?

›Mach das! Wenn du mit mir Bilder machst, kannst du theoretisch sogar mehr als nur hinsehen xP‹

›Hm ... Klingt nicht uninteressant.‹ Shit, mein Magen feiert Party.

›Ja, oder? So, ich muss jetzt. Bis später, ich freu mich! X3‹

›Bis dann.‹ Immer noch grinsend lege ich mein Handy weg und beteilige mich noch ein bisschen am Gespräch von Hannah und Tim, allerdings müssen wir dann bald eh in unseren nächsten Kurs.

Unter der Tür kann ich es nicht lassen, mich noch ein letztes Mal zu Leon umzudrehen und - Fuck, er hat auch hergesehen!

Mein Nacken wird heiß. Ich fühle mich total ertappt und gleichzeitig komme ich mir blöd vor, weil ich mich so ultra dämlich anstelle.

***

Um kurz vor vier betrete ich mit Leon meine Lieblingsramenbar. Boah, allein der Geruch, wenn man die Tür aufmacht ...

»Hier war ich noch gar nicht«. Leon sieht sich in dem kleinen und ziemlich vollgestellten Restaurant um. Am Abend und am Wochenende ist hier die Hölle los. Jetzt gerade glücklicherweise nicht und wir bekommen einen kleinen Tisch in einer Ecke zugewiesen.

»Du wirst nirgendwo anders mehr Ramen essen wollen, das schwöre ich dir!«, sage ich und schnappe mir die große Plastikspeisekarte. Ich weiß eigentlich eh schon, was ich will, aber vielleicht ... Hmm.

»Warten wir´s ab. Ich kenne in der Stadt einige gute Ramenbars.«

»Ja, aber hier haben sie die beste Nudelsuppe der Welt, glaub mir!« Er sieht mich noch einen Moment an, schmunzelt und hängt dann seine Jacke – Es ist in den letzten Tagen echt krass schnell richtig kalt geworden - samt seinem dünnen schwarzen Schal über den Stuhl, bevor er sich mir gegenüber an den kleinen quadratischen Tisch setzt.

»Na wenn du das sagst ...« Er greift zu der zweiten Karte und zwei Minuten später haben wir unsere Bestellung aufgegeben.

Eine merkwürdige Stille tritt zwischen uns ein. Als hätten wir beide total viel zu sagen, aber keiner will anfangen und so hängen die Worte unausgesprochen zwischen uns in der Luft, wollen eigentlich auf die jeweils andere Seite, können aber nicht, weil wir sie nicht lassen. Ich hatte mir in den letzten Stunden so viele Gesprächsthemen überlegt, aber jetzt ...

Und dass er mich seit fast einer halben Minute schweigend beobachtet, macht es auch nicht wirklich besser. Los jetzt, ich muss was sagen!

»Also!«, platzt es schließlich aus mir raus und ich lehne mich nach vorne zu ihm, was ihn erst mal nach hinten ausweichen lässt, weil ich zu viel Schwung hatte und es wahrscheinlich so aussah, als wollte ich über den Tisch springen. Ups.

»Ja?«, fragt er vorsichtig und ich grinse.

»Darf ich dich was voll Indiskretes fragen?« Warum nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen?

»Was willst du wissen?«

Immer noch grinsend deute ich ihm, dass er näherkommen soll. Ich bin schließlich nicht Tim, der private Sachen durch den ganzen Raum schreien muss.

»Ich hab mich gefragt ... Also ... Seit wann weißt du, dass du nicht zu hundert Prozent heterosexuell bist?«

Seine Augen weiten sich und dann kann ich auf seiner Stirn ablesen, wie er überlegt, ob er darauf überhaupt antworten soll oder nicht.

»Ahm ... von Smalltalk hältst du nicht so viel, oder?«, weicht er erst mal aus.

»Warum? Hatten wir doch auf dem Weg her?«, gebe ich zurück und er nickt verstehend. »Also ...?«

»Ahm ... also ...« Er stockt, sieht an mir vorbei an die Wand und atmet einmal durch. »Tatsächlich weiß ich das schon länger.«

Das erstaunt mich. Ist das sein Ernst oder verarscht er mich? Und wie lang ist überhaupt ›schon länger‹?

»Kein Scheiß?«

Er nickt, bevor er leise fortfährt.

»Ja, seit ... ich denke, seit ich sechzehn bin, etwa.« Für ein paar Sekunden kann ich gar nicht reagieren, weil mich diese Aussage so unerwartet trifft. So lange schon?

»Fuck, echt jetzt?«

Er lächelt schief und ich schiebe das Kribbeln in meiner Mitte dabei auf den Hunger. Und ja, ich habe tatsächlich wieder Hunger!

»Ja. Also, ich hatte nie was mit einem anderen Mann, aber Interesse war schon recht früh da.«

»Krass! Und warum hast du´s nie versucht?«, will ich dann natürlich wissen und ignoriere, dass er sich unbehaglich nach den anderen Gästen umsieht, aber die bekommen eh nichts mit. Die sind mit sich selbst beschäftigt, so, wie es sich gehört.

»Das hat mit meinem Vater zu tun. Er würde das nicht dulden.«

»Ehrlich jetzt? In was für einer Welt lebt der?«

Er zuckt die Schultern und senkt den Blick runter zur Tischplatte.

»In einer, in der Homosexualität keinen Platz hat. Und im Gegensatz zu Alexander habe ich ja an Frauen und Männern Interesse, von daher ist das ja nicht so wild.«

»Boah, gut, dass du´s sagst! Ich hatte echt kurz Angst, dass Hannah sowas wie ne Alibi-Freundin für dich war. In dem Fall hätte ich dich jetzt leider vor die Tür zerren und zusammenschlagen müssen«, sage ich lachend, allerdings vergeht mir das Grinsen verdammt schnell, als sein Blick sich plötzlich verfinstert.

»Das war sie nicht!«, bellt er mir entrüstet entgegen und ich hebe abwehrend die Hände.

»Wow, ist ja gut, ich sag ja nur: Wenn es so gewesen wäre! Ist doch alles in Ordnung, wenn´s nicht so war!« Er schnaubt leise, lässt sich zurück gegen seine Stuhllehne fallen und guckt beleidigt zur Seite.

Das wollte ich jetzt nicht. »Hey, das war echt nicht so gemeint. Ich hab das nie gedacht. Ich hab angenommen, dass ihr in zwei Jahren oder so heiratet und dann nen Stall voll Kinder macht, ja? Ich war voll euer Fanboy und überhaupt!«, versuche ich die Situation zu retten. Immerhin sieht er mich jetzt wieder an und lehnt sich über den Tisch zu mir.

»Ich habe Hannah geliebt. Ende.«

»Weiß ich doch. Und dass das irgendwann nicht mehr so war, dafür kannst du ja nichts. Hat halt nicht sollen sein.«

»Ich weiß. Ich weiß das, aber mein Vater -«, fängt er an, jetzt auf einmal ziemlich aufgewühlt, und ich greife automatisch nach seinem Arm und drücke ihn kurz, als er nicht weiterspricht. Er sieht irgendwie ... Total unglücklich und sogar ein bisschen verzweifelt aus. So kenne ich ihn gar nicht.

»Was ist mit dem?« Sein Blick flackert und ich sehe ihm an, dass er es bereut, überhaupt etwas davon gesagt zu haben, aber dann redet er doch weiter.

»Mein Vater hat gesagt, ich kann froh sein, eine wie sie zu haben, und dass er es unverantwortlich findet, dass ich nicht versucht habe, sie zurückzugewinnen. Weil ja alles so gut passt und die Familie ist ja so begeistert und was mir einfällt, das jetzt kaputt zu machen.«

»Hä? Was soll das denn? Am Ende lässt man sich doch irgendwann scheiden, und dann hat auch keiner was davon.«

»Ich weiß.«

»Dein Vater ist komisch.«

»Ich weiß.« Das letzte kommt mit einem resignierten Flüstern und einem tiefen Seufzen, so dass meine Finger automatisch sanft über seinen Arm streicheln.

»Aber hey, ist jetzt doch eh egal. Ihr seid nicht mehr zusammen und es war ihre Entscheidung, nicht deine.«

»Ja.«

»Nichts jaaa, ist so. Ist Alexander deshalb ausgezogen? Weil er schwul ist und nicht wollte, dass euer Vater es rausfindet?«

»Nein. Er ist wegen seiner Arbeit ausgezogen. Aber wahrscheinlich hat er sich nicht umsonst einen Job so weit weg von uns gesucht.«

»Hm, klingt logisch. Aber gleich sooo weit ... Das war für dich doch bestimmt auch ein harter Schlag, dass er so weit weggezogen ist.«

»Sicher, aber glaub mir, bei meiner Familie kann der Abstand nicht groß genug sein, wenn man etwas verheimlichen will«, seufzt er, sieht dann runter auf meine Finger, die immer noch auf seinem Unterarm liegen, als wäre ihm das eben erst aufgefallen.

Zu meinem Erstaunen entzieht er sich mir nicht.

»Aber ist auch egal. Erstmal spielt das sowieso keine Rolle.«

»Ja gut, so kurz nach der Trennung will man eigentlich eh erst mal seine Ruhe haben.«

»... Ja.« Warum hat er jetzt gezögert? Na egal, wir sollten eh weg von dem deprimierenden Thema. Vor allem, weil es schon irgendwie ironisch ist, dass Hannah, die unter der Trennung wesentlich mehr gelitten hat als er, schon wieder eine neue Beziehung hat.

»Ja gut. Aber um wieder auf das ursprüngliche Thema zurück zu kommen«, fange ich an und lache, als er gespielt genervt die Augen verdreht. Gespielt deshalb, weil er dabei selbst ganz leicht lächelt. »Wie hast du denn gemerkt, dass du Typen scharf findest?«, frage ich, weil mich das alles einfach echt interessiert! Ich hatte Leon immer für hundert Prozent hetero gehalten. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass er sich auch nur im Entferntesten für Männer interessieren könnte.

Bis zum Stadtfest halt. Das am See beim Zelten zählt nicht. Kurz überlegt er wohl, will dann anfangen zu erzählen, wird aber unterbrochen, als unsere Getränke kommen. Wir bedanken uns artig, dann nicke ich ihm auffordernd zu. Los jetzt!

»Das ist eigentlich recht simpel. Angefangen hat es damit, dass ich versehentlich einen falsch getagten Schwulenporno gestartet habe. Und wehe du lachst jetzt. Es war wirklich ein Versehen.«

Oooh, mein Gesicht! Ich spüre, dass es Dinge tut!

»Oh Gott ... Das ist ein bisschen lustig. Lass mich lachen, das ist echt witzig und ich sag dir gleich warum!« Er mustert mich kurz, sieht nicht überzeugt aus, redet aber dann doch weiter.

»Jedenfalls habe ich es eben erst gemerkt als ich ihn angesehen und mich gewundert habe, wo denn die Frauen bleiben. Erst als die Typen angefangen haben sich auszuziehen, ist mir aufgegangen, dass in dem Film wohl keine Frauen mehr kommen werden, aber ...«

»Da warst du schon geil und wolltest nicht mehr ausmachen?«

»So in etwa.«

»Hmhm ...« Ich kichere erneut. »Und das ist echt witzig, weil´s mir nämlich fast genauso ging! Also nicht exakt. Ich wollte mir mit Kumpels nen Porno reinziehen und einer von den Jungs hatte sich nen Scherz erlaubt. Er hat absichtlich nen Schwulenporno rausgesucht, keine Ahnung warum, aber er fand es halt witzig. Jedenfalls, wir schalten ein, die Typen fangen an zu vögeln und während die anderen sich fünf Minuten lang erst aufgeregt und dann mit ihm zusammen lustig gemacht haben, hatte ich nen Ständer und den Schock meines Lebens. Allerdings war ich da um die Vierzehn. Gott, ich hab Blut und Wasser geschwitzt weil ich so Panik hatte, dass von den anderen jemand was merkt!« Ich erinnere mich da einfach noch so gut daran, wie das damals war. Direkt im Anschluss bin ich zu Hannah und hab ihr das voll panisch erzählt, aber sie hat so cool reagiert, dass es besser gar nicht ging. Hannah. Die Schwester, die ich nie hatte.

»Okay, das ist tatsächlich ein bisschen lustig«, gesteht Leon mir dann zu und holt mich zurück aus meinen Gedanken. Ich grinse breit und nicke.

»Sage ich doch. Und weiter?«

»Was weiter?«

»Was hast du dann gemacht?«, will ich wissen und blinzle ihn neugierig an.

»Nichts?« Sein Blick ist irritiert, fast ein bisschen verständnislos.

»Wie, nichts?«

»Na, was soll ich denn gemacht haben?«

»Keine Ahnung? Rumexperimentieren?«

»Inwiefern?« Sein Gesichtsausdruck wird immer verwirrter und ich seufze theatralisch. Der soll sich nicht so anstellen, der weiß doch genau was ich meine.

»Na ... Hast du dich … zum Beispiel schon mal gefingert, beim Masturbieren?«, frage ich, achte extra darauf, dass das auch wirklich niemand hört! Dennoch stelle ich Sekunden später amüsiert fest, wie seine Wangen einen sehr gesund aussehenden Rotton annehmen. Ach Gottchen.

»Nein. Also ...« Beschämt sieht er zur Seite, beugt sich noch etwas näher, bis seine Nasenspitze fast meine Wange berührt und mir einen angenehmen Schauer über den Rücken jagt. Das ist echt so schlimm, wie heftig ich auf ihn reagiere. »Ich habe es getestet. Und dann festgestellt, dass es sehr merkwürdig ist.«

»Hm, ja, okay, das kann ich mir vorstellen. Wenn man´s selbst macht, ist das nicht wirklich aufschlussreich, weil da auch einfach keine Stimmung aufkommt.«

»Na ja, also ... Generell bin ich ... Also, ich finde es nicht … Ahm ...«, stammelt er vor sich hin und erst als sein Gesicht noch einen Ton dunkler wird, geht mir auf, was er mir gerade sagen will. Der Geburtstag von Hannahs Vater. Er mochte es. Und er weiß es noch! Oh Fuck, ich ... Mein Kopfkino! Stopp, ich muss aufhören!

»Also hast du es schon versucht. Mit jemand anderem«, stelle ich so sachlich und neutral wie möglich fest, zwinge mein Gesicht nur ein verdammtes Mal in meinem Leben nichts zu tun, ihm nicht zu verraten -

»Du wusstest das schon.«

»Was?!«, quieke ich ertappt und will eigentlich alles abstreiten, aber - ohhh, ich glaube, das lass ich lieber, so finster, wie er mich gerade ansieht! Das eben war keine Frage, sondern eine Feststellung. Verdammter Mist, mein Gesicht ist ein mieser Verräter! Jetzt atmet er gepresst aus und ich gehe lieber ein bisschen auf Abstand, für den Fall, dass er gleich seinen heißen Tee nach mir wirft.

Tasuta katkend on lõppenud.

Žanrid ja sildid

Vanusepiirang:
18+
Objętość:
100 lk
ISBN:
9783958691452
Kustija:
Õiguste omanik:
Bookwire
Allalaadimise formaat:

Selle raamatuga loetakse