Loe raamatut: «Rettet das Rauchen!»
Roth
Rettet das Rauchen
Essay 14
Jürgen Roth
Rettet das Rauchen!
Mit einem Gastbeitrag von Michael Quasthoff
© 2008 Oktober Verlag, Münster
Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des
Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG,
Münster
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Linna Grage
Cover: Daniel Vargas Diaz unter Verwendung eines Photos
von onesecondupndown/photocase.de
Autorenphoto auf der Umschlagrückseite:
Michael Sailer
ISBN: 978-3-938568-72-9
eBook-Herstellung und Auslieferung:
readbox publishing, Dortmund
Verpißt euch!
Verpißt euch! Laßt mich, laßt uns – einfach in Frieden. In Ruhe. Kapiert?
Seit dem 1. Oktober ist in Hessen ein Gesetz in Kraft, das angeblich dem Schutz der Nichtraucher dient. Seither hause ich, der seit 1989 in einer der schönsten Städte Europas lebt, in Frankfurt am Main, in der Isolation. Ich habe, um mich klar auszudrücken, die Nase derart voll, daß es noch nicht mal ein HNO-Professor zu beschreiben vermag. Laßt mich, laßt uns: – in – Frieden. In Ruhe.
Ihr Niedertrachtsmuffel. Ihr verklemmten Kinderkrippeneinrichter. Ihr autoritätsfixierten Staatsverehrer. Ihr lebensfeindlichen, nervtötenden Nannys. Ihr Zwangswiderlinge. Ihr Kotzbrocken, die ihr die Pläne Hitlers zur Abschaffung des Rauchens vollendet. Ihr seid schon: sagenhaft.
Ich wohne im Frankfurter Gallusviertel. Hier treiben sich vorbildlich viele Ausländer herum, man quakt auf der Straße, sabbelt am Tresen, gibt sich gegenseitig Biere aus und bietet sich Zigaretten an. Vorbei.
Drei meiner Stammkneipen in Laufweite: der Lokalteil, das Kyklamino, das Weinstein. Leergefegt. Ende. Nichts geht mehr. Elke, eine meiner Lieblingswirtinnen, eine ausgesprochen moderate, freundliche Person, sagt: »Ich halte höchstens noch zwei Monate durch.« Neunzig Prozent Einkommenseinbußen. Wo seid ihr, ihr Mütter mit Kindern, die ihr, aufatmend und begeistert, die Stromrechnungen von Elke begleicht? Wo seid ihr, ihr Frankfurter Grünendeppen, die ihr jetzt für – ja, wofür eigentlich sorgt?
Ich kenne keinen Raucher, der darauf beharrte, auf Ämtern, in Restaurants, in Theatern oder sonstwo immerzu qualmen zu dürfen. Der Spießerruf nach »Freiheit« (vom Rauch) aber – »Freiheit«, dieses durch und durch verkommene Allzweckpanzerwort der ökonomischen und Gutmenschentyrannen –, er hat sie erledigt: die letzten Refugien einer Öffentlichkeit, jener der sog. Einraumkneipen, in denen noch unreglementiert argumentiert, unbedrängt beieinandergesessen werden konnte. Dumm herumgeschwätzt wurde. Die Wurst vom Teller flog. Jetzt habt ihr, ihr Asozialen, eure Welt: eine Welt ohne Kneipe.
Ich laß mir ja eine Menge gefallen, ich bin ja nicht Stalin. Ich laß mir all den täglich von unseren immer topdooferen Saumedien, von RTL und Sat.1 und den unermeßlich inferioren Agentur- und Printschwachmaten ausgekübelten Hirnbrei gefallen. Ich nehme es hin, daß es einen österreichischen Scharlatan wie den öffentlich-rechtlich gemästeten »Gesundheitsexperten« Hademar Bankhofer und einen Papst und einen auch sehr tollen und sehr notwendigen Islam sowie anderweitige hervorragende Aberglaubenskaspervereine gibt. Und dito die Tatsache, daß die weltweit organisierte, obszöne Kapitalistenbande ungehindert diesen schönen Planeten zu Klump wirtschaftet, die Regenwälder abbrennt, die sibirische Tundra vernichtet, die afrikanischen Weiten zerstört, daß diese Generalverbrecher das »Weibchen« (Lichtenberg) Erde verwüsten und verheeren – auch das muß ich hinnehmen, sonst werd’ ich ja narrisch und spucke am Ende noch diesen Zombie Sabine Bätzing an, diesen SPD-Lauterbach und das ganze feistdreiste Pack, das nichts weiß von Freude, von Zusammenkunft, von Geselligkeit jenseits der Zwänge, die ihre brunzblöde Bürokratenwelt uns am liebsten vor dem morgendlichen Erwachen auferlegen will.
Aber jetzt: reicht es. Es langt! Schluß! Weg mit diesen Pennern, diesen Nichtraucherirren, die sich wahrscheinlich jetzt, in diesem Augenblick, auf ihre Gesetze gehörig was einbilden und fett grinsend einen Orangenbuttermilchcocktail darauf heben, die Kultur der Kneipe ausradiert zu haben. Ihr seid: Spitze! Heil euch allen!
Bislang hat es die NASA nicht fertiggebracht, einen Arschgeigenplaneten auszukundschaften oder einzurichten. Macht es! Bitte. Und wenn er steht oder halt einfach endlich mal da und vorhanden ist, dann: Rauf mit ihnen! Alle gehören sie hinauf auf den Arschgeigenplaneten, die Verödungsfanatiker, die linksdrehenden Schimmelkäsekulturarbeiter, die Selbstgefälligkeitsonanisten. Rauf mit ihnen auf den Arschgeigenplaneten! Verpißt euch! Macht euch aus dem Staub! Macht euch vom Acker! Geht in eure Supersushibars, und laßt uns in Frieden, ihr miesen Kniessäcke.
Mein Stammwirt Apollo sagt: »Ich beantrage Hartz IV.« Früher – früher? Vor nicht mal vier Wochen! – haben wir bei Apollo mitunter bis fünf, sechs Uhr morgens gehockt, die Gitarren wurden ausgepackt, die Gesänge wirbelten durch die kleine Gaststätte, die Damen tanzten arschschön auf den Tischen, der Zigarettenqualm lachte. Ja, der Rauch lachte. Aus. Vorbei.
»Ich hab’ einen Dauerhals«, sagt Andreas, der das wunderbare Lokal Klabunt in Frankfurt-Bornheim führt. »Ich gebe uns noch sechs Wochen. Es kommen noch drei Gäste pro Abend, und die wollen einen Ayurveda-Tee.«
Frau Bätzing aber, diese Drogengans aus Berlin, möchte just »jugendliche Testkäufer« einsetzen, um den desaströsen Verkauf von Alkohol an unsere hoffnungsvolle Volksnachkommenschaft zu unterbinden. Ach, nicht mal der Führer hätte sich solch ein prächtig prangendes Denunziantentum erträumt.
Ich sage es, ja, sage es noch mal: Laßt uns, laßt mich in Ruhe. Laßt uns leben, ihr elenden Moralfaschisten.
Rede auf der Demonstration »Tote Kneipen
– tote Stadt« auf dem Frankfurter Römer am
27. Oktober 2007;
gedruckt in: taz, 30. Oktober 2007
*
Diese Philippika hat z. T. geharnischte Reaktionen ausgelöst. Ein Leserbriefschreiber etwa empfahl:
»Jürgen Roth und seine militanten Rauchersüchtelfreunde sollte man auf Methadon setzen. Wie es aussieht, sind sie zu schwach, um der Droge Nikotin abzuschwören. Aber sicher rauchen sie gern. Genußraucher und so …
Und die heulenden Kneipenwirte sollen halt schließen. Sie sind offenbar nicht in der Lage, einstweilen neue Konzepte zu entwikkeln.
Rauchen im Beisein von Nichtrauchern ist asoziales Verhalten seinen Mitmenschen gegenüber.«
Ein anderer sah die Sache so:
»Diese hübsche Satire macht deutlich, wie falsch das alberne Klischee vom drögen und lustfeindlichen Nichtraucher ist. Es ist im Gegenteil der Raucher, der gerne schmollend vor sich hin krebst. Sobald die Luft in der Kneipe es zuläßt, die Menschen am Nachbartisch zu erkennen, und er nicht mehr an seinem Schnuller paffen darf, zieht er sich greinend in sein trautes Heim zurück.«
Auf der Kommentarseite der taz-Online-Ausgabe ging es wochenlang hoch her. Ich dokumentiere die Debatte hier in Auszügen (sämtliche Beiträge sind hinsichtlich der Orthographie, der Grammatik und der Interpunktion korrigiert):
»UNWAHR!!! Aber trotzdem extrem geil. Ich habe ja so oft gesagt: ›wie wahr‹. Also bleiben wir jetzt alle zu Hause und spielen PC oder PSP. Vielleicht surfen wir unsere Flatrate platt oder besorgen uns Nikotintreiber.«
»Ich bin Nichtraucher, kann die Argumente aber gut nachvollziehen. Staatliche Reglementierung sollte nur da eingesetzt werden, wo sie unvermeidbar ist.«
»Das kann man nur so zurückgeben: ›Klappe‹ halten, und bleibt doch einfach zu Hause, ihr nörgelnden, spaßbremsenden Raucher. […]
Ihr, das rauchende, arbeitslose Prekariat, das bei zwei Bier und einer Schachtel Kippen den ganzen Tag in der Kneipe hängt und den Wirt zur Weißglut bringt, weil er von euch nicht leben kann.«
»Der Artikel spricht mir aus der Seele. Es ist ekelhaft, wie hier mir nichts, dir nichts darüber entschieden wird, wie Menschen sich verhalten sollen. Getrennte Bereiche? Okay. Getrennte Lokale? Von mir aus. Aber ich geh’ doch nicht was trinken, um bei jedem Rauchen (bei Wind, Regen, Schnee) aufzustehen und rauszugehen. 20jährige mögen das irgendwie aufregend finden, weil sie dann beim Rauchen andere Leute kennenlernen. Ich nicht. Und: Überall, wo ich hingehe, liegen auf (fast) jedem Tisch Kippen. Ich kann einfach nicht verstehen, daß 1/3 der Bevölkerung einfach vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen wird bzw. daß deren Bedürfnisse für die Mehrheit völlig irrelevant sind. Es ist zum Kotzen – ich hoffe auf Volksentscheide!«
»Schön geschimpft! Durchaus! Aber es bleibt, wie es schon immer war: Wer am lautesten schimpft (und schreit und verunglimpft und tatsachenverdrehend polemisiert), hat immer noch nicht recht. […]
Prost! Und: Tief durchatmen, lieber Jürgen Roth! Widme Deine Sprachkunst doch weniger hypochondrischen Themen, und komm aus Deiner ›Die ganze Welt ist schlecht (zu mir)‹-Ecke raus! […]«
»Ich kann die angegebenen Argumente gut nachvollziehen, gemütliche Eckkneipen könnten die Wahl haben, ob sie Rauchverbote implementieren wollen. Eine solche duale Regelung ist für die deutsche Gesetzgebung jedoch vermutlich zu kompliziert. Es sind wohl aber auch oft die rücksichtslosen Raucher, die sich um Rauchverbote selten scheren, so daß eine selektiv rauchfreie Umgebung nicht umsetzbar ist.
Als überzeugte Nichtraucherin muß ich jedoch sagen, daß diese Regelung schon längst überfällig war – für Jahrzehnte mußten Nichtraucher unter den Rauchern leiden, ohne Alternative, in jedem Restaurant, in jeder Kneipe und Bar, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ich begrüße daher eine so weit wie irgend möglich rauchfreie Welt mit Begeisterung! Sobald sich das elende Rauchertum irgendwann weitgehend aufgelöst hat unter dem Druck der Nichtraucher, werden auch die durch Rauchen verursachten Gesundheitskosten sinken, die von den Nichtrauchern mitgetragen werden.
Daher: Nichtraucher an die Front! Nieder mit den Rauchern!«
»Danke für den Artikel! Und, meine Güte, wo tut sich was gegen diese bescheuerten Gesetze? Wo entstehen Initiativen für Volksentscheide usw.?«
»Danke, der Beitrag spricht mir aus dem Herzen!«
»Als erstes muß ich sagen: Leider stimmt die Geschichte mit den ›toleranten Rauchern‹, die nun die Pubs stürmen, so nicht ganz. Zumindest in Irland, und darüber kann ich sprechen, hat nach dem Rauchverbot ein massives Sterben der kleinen Pubs (wohl das Äquivalent zu den deutschen ›Einraumkneipen‹) begonnen. Liebgewonnene, kleine und gemütliche Pubs in Dublin sind sogenannten ›Superpubs‹ gewichen: riesigen, seelenlosen Massenabfertigungsbetrieben, in denen nun anstatt Christy, Van oder den Dubliners die Heroen 50 Cent, Kayne oder Christina aus den Boxen dröhnen. Auf dem ›flachen‹ Land verschwinden die Pubs reihenweise, um Platz für ein neues Chinaschnellrestaurant zu machen.
Um den Artikel aufzugreifen: Ich sehe in Hessen ebenfalls nicht die Nichtraucher, die nun in Scharen in die Kneipen rennen, da diese ja ENDLICH rauchfrei sind. Vielmehr sehe ich überall leere Kneipen und Cafés. Und bei den Lokalitäten, wo ein Raucherraum vorhanden ist, platzt dieser aus allen Nähten, und die Nichtraucherräume liegen verwaist da.
Ich hätte es besser gefunden, auch hier Angebot und Nachfrage regieren zu lassen. Überall, auch in den kleinsten Flecken unseres Heimatlandes, gab es gastronomische Angebote für Nichtraucher, ob dies eigene Nichtraucherräume oder gleich ganz rauchfreie Lokalitäten waren. Es war ja auch in der Vergangenheit nicht so, daß die lieben Nichtraucher dem Diktat der Raucher ausgesetzt waren.
Im übrigen haben bereits 2 Freundinnen ihre Schichten verloren, weil die Cafés, in denen sie arbeiteten, massiv Kunden verloren haben (wie gesagt: Euer Nichtrauchergemecker erscheint mir eher akademisch, sonst würdet Ihr ja nun die Kneipen stürmen). Jetzt gibt es halt wieder Hartz IV für sie. Auch ein kleiner Nebenaspekt.«
»GENAU! Besser hätte man es nicht ausdrükken können. Die nörgelnden Nichtraucher, Frauen mit Kindern und Teetrinker waren vorher nicht in unserer schönen Eckkneipe, wo wir, die überall Verschmähten, uns zusammenrotteten und für ein paar Stunden unter uns sein konnten. Und nun? Die Obengenannten kommen immer noch nicht in unsere schöne Kneipe, obwohl sie da doch jetzt ach so gut durchatmen könnten. Damit haben sie mir nicht nur die Freude vermiest, mich dahin zurückzuziehen, sondern auch noch einem ehrlichen Steuerzahler, meinem besten Freund, dem Kneipenwirt, das Geschäft versaut. Na tolle Wolle.
Ich danke Dir für diesen Kommentar. Du sprichst mir aus der Seele!«
»Bin selbst überzeugter Raucher (das lasse ich so stehen, auch wenn ich ›Raucherin‹ schreiben müßte!), kann aber durchaus verstehen, wenn Nichtraucher sich beeinträchtigt fühlen. Und es geht ja nach dem Willen der Gesetzgeber um den Nichtraucherschutz.
Was sich da aber hienieden so abspielt, sieht eher nach Raucherhatz aus. Warum z. B. darf in einer Kneipe o. ä. der Raucherraum niemals größer sein als der Nichtraucherraum? Kann mir das mal einer erklären? Was an dieser Bestimmung dient dem Nichtraucherschutz?«
»Mich hat es echt gefreut, heute diesen Artikel zu lesen. Endlich mal eine der, leider, wenigen Gegenmeinungen in der taz zur derzeit grassierenden Verbots-, Überwachungs- und Regulierungswut in Deutschland. M. E. geht es dabei weniger um echten Nichtraucherschutz, sondern vielmehr um soziale Kontrolle, Bevormundung und Entmündigung der volljährigen Bürger dieses Landes. Was kommt denn als nächstes? Alkoholverbot, Verbot der Pornographie? Entsprechende Vorschläge gibt es ja bereits zur Genüge […]. Das lenkt ja alles so wunderschön ab von den wirklichen Problemen dieser Welt. Jürgen Roth hat sie treffend benannt. In anderen Teilen dieser Welt herrschen Hunger und Armut, werden Menschen von Bomben und Granaten zerfetzt, und wir haben keine anderen Probleme, als uns über diffundierende Rauchpartikel zu ereifern. Ob in Indonesien oder in Brasilien in den Brandrodungsgebieten auch Nichtrauchergaststätten eingerichtet und Rauchverbote ausgesprochen werden? Natürlich nur zum Schutz der Nichtraucher!«
»Es ist die Satireseite der taz, der Zeitung, die sogar druckfrisch nach Zigarettenrauch stinkt. Geschrieben hat Jürgen Roth, der dort schon öfter zu lesen war. Ich kann nur vermuten, daß es mein ehemaliger Nachbar aus der Hermannstraße ist, in dessen WG einstmals Brigitte Heinrich wohnte, der viel über organisierte Kriminalität geschrieben hat und der deshalb meine Hochachtung verdient. Was nun hier steht, ist auch unter dem Vorzeichen ›die wahrheit‹ nicht mehr witzig, es ist das geifernde Pamphlet eines Suchtkranken. […]
Tasuta katkend on lõppenud.