Loe raamatut: «Feuerwehr - Challenge»

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Jürgen Ruhr

Feuerwehr - Challenge

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Inhaltsverzeichnis

Titel

-

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

XXI.

XXII.

XXIII.

XXIV.

XXV.

XXVI.

XXVII.

XXVIII.

XXIX.

XXX.

XXXI.

XXXII.

Epilog

Über den Autor

Impressum neobooks

-

Feuerwehr - Challenge

Thriller

Buch 10 der JL Reihe

© by Jürgen H. Ruhr

Mönchengladbach

Bisher in der JL Reihe erschienene Titel (alle Bücher sind auch als Taschenbuch erhältlich):

(1) Kokain - Hotel

(2) Personen - Schutz

(3) Undercover - Auftrag

(4) Reise - Begleitung

(5) Gefahren - Abwehr

(6) Final - Tanz

(7) Austausch - Programm

(8) Spür - Nase

(9) Kaffee - Fahrt

Die Personen dieser Geschichte

sind frei erfunden.

Irgendwelche Bezüge

zu

irgendeiner Realität

wären rein zufällig!

I.

„Nun schau dir doch nur dieses Naturschauspiel an“, versuchte ich meinen Freund und Teamkollegen für das Farbenspiel am Horizont zu begeistern. Doch der gab nur ein leises Grunzen von sich und im Rückspiegel meines kleinen postgelben Kia Venga konnte ich erkennen, dass er sich nicht einen Millimeter rührte.

Nun gut, die Zeitumstellung der letzten Tage und die frühe Stunde forderten auch bei Bingo ihren Tribut und trotz des herrlichen Sonnenaufgangs verfluchte ich diesen Auftrag, den Bernd ausgerechnet mir auf‘s Auge drücken musste.

Bernd, genauer Dr. Bernd Heisters, ist mein Freund und Chef und unterhält neben einer Reihe von Krav Maga Studios in ganz Deutschland auch die Detektei Argus, die im Industriegebiet Güdderath unserer schönen Stadt Mönchengladbach beheimatet ist.

Ich seufzte leise, denn ausgerechnet ich war mit der Observation eines Mannes beauftragt worden, was mich zu dieser frühen Stunde hier an den Stadtrand Rheindahlens verschlagen hatte.

„Wusstest du, dass die Sonne im Osten aufgeht?“, fragte ich meinen Freund. „Und im Westen wieder unter.“

Erneut belohnte mich ein leises Grunzen und jetzt bemerkte ich, wie ein Vorderlauf Bingos ein wenig zuckte. Bingo ist ein Malinois, ein belgischer Schäferhund, und wir zwei sind im Laufe der Zeit wirklich dicke Freunde geworden. Es ist noch gar nicht einmal so lange her, da habe ich den Hund - mehr oder weniger, also eher weniger, freiwillig - von dem schlimmsten Menschen, der größten Nervensäge und dem penetrantesten Ignoranten übernommen: Herrn Weser. Der inzwischen gut und gerne sechzig Jahre alte, dicke Mann betreute den Hund für einen Freund und als er selbst ins Krankenhaus musste, wurde mir - auch wieder dank meines Freundes Bernd - der Hund anvertraut. Dieser unsägliche Herr Weser kreuzt immer wieder meine Wege und wird auch eines Tages der Grund für meinen ersten Herzinfarkt sein.

Und entgegen allen meinen Erwartungen sind Bingo und ich inzwischen ein unzertrennliches Team geworden.

Ein Dreamteam.

Ein Mann und sein Hund.

„Du könntest ja wenigstens so tun, als würde dieser Sonnenaufgang dich begeistern“, knurrte ich. Heute handelte es sich um den zweiten Tag Ende März, an dem es richtig schön werden würde. Die Wetterfrösche hatten gute vierundzwanzig Grad angesagt und morgen sollte es noch schöner werden. Hoffentlich hatten die Leute Recht.

Doch was nützte mir das schönste Wetter, wenn ich anstatt im Liegestuhl in der Sonne zu sitzen, hier in meinem kleinen stickigen Auto einen Mann observieren musste, der angeblich seine Ehefrau betrog.

Während unseres Meetings mit Bernd hatte ich verzweifelt versucht, den Auftrag an Christine zu delegieren, doch die war von unserem Chef schon für das Judotraining der Kindergruppe eingeteilt worden.

Christine, mit vollem Namen Christine Weru, kannte ich jetzt schon etliche Jahre. Einst arbeitete die schlanke Frau mit den dunkelbraunen Haaren für mich als Sekretärin. Ein Minijob mit dem sie etwas Geld für ihr Studium verdienen wollte. Damals gründete ich gerade eine kleine Detektei im Herzen von Rheydt, die aber nicht lange Bestand haben sollte. Einige Chinesen, denen ich in die Suppe gespuckt hatte, fackelten nämlich kurzerhand das gesamt Haus mit meinem Büro darin ab. Bernd Heisters war es dann, der mir das Leben rettete und letztlich diesen Job als Personenschützer und Privatdetektiv anbot.

Leider bleibt es nicht aus, so banale Aufträge wie diese Observation durchführen zu müssen.

Im Grunde genommen haben wir die Detektei Argus lediglich gegründet, um ein offizielles Aushängeschild für die Aufträge des Oberstaatsanwalts Eberson vorweisen zu können. Denn bei seinen Einsätzen handelt es sich fast durchweg um Aktivitäten am Rande der Legalität. Aktivitäten, wie sie weder von Polizei, noch von offiziellen Stellen wahrgenommen werden können. Oder dürfen.

Wieder seufzte ich leise und dachte an Christine, die mit Thomas Friedlich, den alle nur Dozer nennen und der im Krav Maga Studio die Kampfsportausbildung leitet, heute den Unterricht durchführen würde. Aber Christine kommt besser mit Kindern zurecht, was ich neidlos zugeben muss. Ich mag auch Kinder, jedenfalls solange sie auf genügend Distanz zu mir sind.

Neben Christine wäre eventuell noch Birgit Zickler für diesen Job in Frage gekommen. Doch die ‚Zicke‘ - wie ich sie heimlich nenne - traute ich mich dann letztlich doch nicht zu fragen, zumal ihre Antwort garantiert negativ ausgefallen wäre.

Das Schicksal meinte es momentan nicht wirklich gut mit Jonathan Lärpers.

Ich öffnete leise die Tüte mit den belegten Brötchen, die ich mir heute in aller Frühe in einer Bäckerei besorgt hatte. Knusprige Brötchen mit Schinken und Käse. Aber ohne Gurkenscheiben, dieses unnötige Grünzeug verdarb nur den leckeren Geschmack.

Grinsend führte ich das Brötchen zum Mund. Es war mir tatsächlich gelungen, es ohne das leiseste Geräusch oder Knistern aus der Tüte zu fischen.

Ein empörtes Fiepen ließ mich einen Blick in den Rückspiegel werfen. Bingo saß aufrecht auf der Rückbank und blickte mich vorwurfsvoll an. Dann leckte er sich genüsslich über die Schnauze.

„Ich dachte, du schläfst“, rechtfertigte ich mein Handeln, während ich ein weiteres Brötchen aus der Tüte holte und nach hinten zum Hund durchreichte. Der Malinois schnappte es sich und legte sich wieder auf die Bank, seine Beute zwischen den Pfoten.

„Du hättest ja wenigstens ‚Danke‘ sagen können“, nuschelte ich mit vollem Mund und warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. Kurz vor acht Uhr. Von der Ehefrau hatte ich einiges über mein Zielobjekt erfahren: Männlich, siebenundfünfzig Jahre alt und - laut ihren Worten - ein gefeierter Schlagersänger. Meine Recherchen ergaben allerdings, dass der Mann eher im unteren Teil der Beliebtheitsskala rangiert und es sich bei seinen Gesangsdarbietungen durchweg um wehmütige Schnulzen handelt. Immerhin folgt er damit dem Trend der heutigen Zeit, wo doch Schnulzen- und Jammerlieder vorwiegen. Und die Engagements dieses ‚Künstlers‘ waren eher dürftig, was vielleicht den heruntergekommenen Zustand seines Hauses erklärte. Ein Zustand, der mich stark an Herrn Wesers kleines Häuschen in Mönchengladbach Geistenbeck erinnerte, das ich kurzerhand als abbruchreif bezeichnen würde. Dieses alte Gebäude des Künstlers Adriano Puddu, der sich kurz Adrio Pu nannte, hätte auch auf eine Abbruchliste gehört.

Adriano Puddu war italienischer Abstammung, wie seine Frau erklärte, und das Bild, das sie mir überlassen hatte, zeigte einen dicklichen, zirka ein Meter achtundsechzig großen Mann mit Glatze und übergroßer Brille. Puddu war schon einmal geschieden und erst seit einigen Jahren erneut verheiratet.

Was hatte dieser Mann eigentlich zu bieten, dass eine Frau mit ihm fremdgehen würde? Geld war es jedenfalls nicht.

Puddu sollte laut der Aussage seiner Frau heute gegen acht Uhr das Haus verlassen und zu seiner Geliebten fahren. So hielt er es jeden Dienstag und Frau Puddu hatte schon mehrere Male versucht, ihm zu folgen, war aber jedes Mal von ihrem Gatten abgehängt worden. Laut Puddus Aussagen seiner Frau gegenüber wollte er den heutigen Tag damit verbringen, sich diversen Künstleragenturen vorzustellen.

Nun, eine Frau Puddu würde der Mann ja abhängen können aber keinen Privatdetektiv und Personenschützer Jonathan Lärpers! Ich überprüfte noch einmal mein Handy, mit dem ich die Beweisfotos für die Untreue des Mannes anfertigen würde. Bingo lag inzwischen wieder auf der Rückbank und - wie es schien - schlief der Hund. Sollte ich es wagen, noch ein Brötchen aus der Tüte zu holen?

Doch die Frage erübrigte sich, denn in diesem Moment trat der Schnulzensänger aus dem Haus. Scheinheilig verabschiedete er sich mit einem Kuss auf die Wange von seiner Frau und ging dann, ohne sich noch einmal umzublicken, zu seinem Fahrzeug, das am Straßenrand geparkt war. Es handelte sich um einen alten Seat Ibiza in einem verblichenen Hellrot, der einen genauso heruntergekommenen Eindruck machte wie sein Haus.

Wenigstens würde er mir in dem Wagen nicht davonfahren können.

Noch bevor Puddu in sein Auto stieg, erwachte der Motor meines Kia röchelnd zum Leben.

II.

Puddus Fahrt führte uns zurück nach Mönchengladbach Wickrath und von dort aus in den Ortsteil Mülfort. Der Sänger stoppte abrupt am Straßenrand, riss die Fahrertür auf, ohne auf den Verkehr zu achten und nur dank eines gewagten Schlenkers fuhr ich ihm nicht die Tür ab. „Idiot“, schimpfte ich und drohte mit der Faust, doch zum Glück beachtete Puddu mich nicht.

Bingo zeigte sich auf dem Rücksitz völlig unbeeindruckt, knurrte aber einmal unwillig. „Schon gut, Bingo“, beruhigte ich meinen Freund. „Es ist ja nichts passiert.“ So schnell wie möglich wendete ich meinen Wagen und sah gerade noch, wie der Sänger in einem Mehrfamilienhaus verschwand.

Hier also hielt der Mann seine Geliebte versteckt!

Ich betrachtete sinnend das Gebäude. Bestimmt wohnten hier an die zehn Mietparteien und meine Gedanken rasten. Wie könnte ich herausfinden, zu wem Adriano Puddu gegangen war? Sollte ich einfach alle Klingeln ausprobieren und nach Puddu fragen? Ich verwarf den Gedanken, denn mit solch einer Aktion würde ich garantiert auffliegen. Noch während ich mich mit weiteren möglichen Vorgehensweisen beschäftigte, war mir das Glück hold: Eine Gardine im Erdgeschoss wurde ein wenig zur Seite geschoben und Puddus Gesicht erschien hinter der Glasscheibe. Jetzt war ich mir über mein weiteres Vorgehen im Klaren!

Grinsend meinte ich zu Bingo: „Siehst du, mein Freund, so kommt doch noch alles ins Lot. Die Turteltäubchen befinden sich dort in der Wohnung.“ Der Malinois hob nur kurz den Kopf, blickte mich träge an und schielte dann zu der Brötchentüte. Ich tat so, als würde ich seinen Blick nicht bemerken und schälte mich aus dem Wagen. „Du hältst hier die Stellung, ich gehe schnell ein paar Beweisfotos machen. Ruckzuck ist der Auftrag erledigt und wir können uns heute ein wohlverdientes Mittagsmahl bei Curry-Erwin leisten.“ Curry-Erwin war ein guter Freund und quasi schon mein kulinarischer Berater in Rheydt. Ständig konnte der unentdeckte Sternekoch in seinem kleinen Imbiss mit speziellen Leckereien, wie etwa dem ‚Lärpers Spezial Teller‘, aufwarten. Eine einmalige Kreation aus Pommes Frites, Currywurst, Senf und reichlich Mayonnaise. Mir lief jetzt schon wieder das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur daran dachte. Oder das Schaschlik ‚Eiffelturm‘, dass Erwin direkt nach meiner Rückkehr aus Frankreich kreierte und bei dem der Spieß in der Pappschale senkrecht steckte. Leider hatte er das Problem mit der durch das Loch im Boden herauslaufenden Soße noch nicht lösen können, doch ich war zuversichtlich, dass dieses Genie von Imbissbesitzer auch das Problem früher oder später in den Griff bekommen würde.

Ich sah mir das Mehrfamilienhaus genauer an und stellte fest, dass hier zur Straßenseite wohl die Küchenräume lagen. Sollten die Wohnungen über rückwärtige Balkone verfügen, könnte ich vielleicht ins Wohnzimmer blicken oder sogar in die Wohnung gelangen. Ich malte mir aus, wie ich das Liebespaar in flagranti im Schlafzimmer fotografieren würde und dann unbemerkt wieder entkam. Frau Puddu dürfte mit der Leistung unserer Privatdetektei mehr als zufrieden sein.

Auf die Rückseite des freistehenden Wohnblocks zu gelangen war ein Kinderspiel. Weder Zäune, noch Mauern versperrten mir den Weg und erneut schlich sich mir ein breites Grinsen ins Gesicht, als ich die Balkone entdeckte. Rasch blickte ich mich um, konnte aber niemanden entdecken, der mich beobachtete. Zu dieser frühen Stunde war hier alles ruhig und die Bewohner lagen vermutlich noch in ihren Betten. So wie meine Zielperson bestimmt auch schon wieder.

Nach einem weiteren Kontrollblick zog ich mich am Balkongeländer hoch und ging vor dem Wohnzimmerfenster direkt in die Hocke. Langsam und vorsichtig richtete ich mich auf und blickte durch das Fenster. Tatsächlich handelte es sich um ein Wohnzimmer, eingerichtet im Stil der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die Möbel, die ich sehen konnte, waren durchweg alt und abgenutzt, verströmten allerdings ein gewisses Flair.

Mein Blick wanderte zu den beiden Personen auf dem abgenutzten Sofa, die sich händchenhaltend unterhielten.

„Bingo“, jauchzte ich leise. „Das ist ja ein Volltreffer!“

Allerdings hatte die Situation etwas Unwirkliches an sich. Die Frau, die da in einem grauen Kleid neben Puddu saß und ihn anlächelte, musste nach meiner Schätzung gut und gerne die Achtzig überschritten haben. Ich schüttelte den Kopf. Ein fast sechzig Jahre alter Mann ließ sich auf eine Liebesbeziehung mit einer Achtzigjährigen ein!

Was es nicht alles gab.

Ich zückte mein Handy, vergewisserte mich, dass die Blitzfunktion abgeschaltet war und schoss durch das Wohnzimmerfenster ein paar Beweisfotos.

Dann durchzuckte mich ein Gedanke: Was wäre, wenn der abgehalfterte Schnulzensänger in Wirklichkeit nicht der Liebhaber der alten Dame wäre, sondern ein Betrüger, der sich hier durch den ‚Enkeltrick‘ seinen Lebensunterhalt zusammengaunerte?

Vielleicht war Jonathan Lärpers ja hier einer ganz dicken Sache auf der Spur ...

Genau in dem Moment, als ich noch ein paar weitere Fotos schoss, fiel Puddus Blick zufällig auf mich. Wütend schob er die Hand der alten Frau zur Seite, sagte ein paar Worte und sprang auf.

Mit einem Satz war ich vom Balkon herunter und verschwand um die Hausecke herum. Das war knapp gewesen!

Zurück in meinem Wagen fiel mir sofort auf, dass die Brötchentüte vom Beifahrersitz verschwunden war. Da ich den Wagen fest verschlossen hatte, kam als Dieb nur einer in Frage: Mein auf dem Rücksitz schlafender Freund. Und wirklich fand ich die leere Tüte hinter dem Beifahrersitz auf dem Boden. „Das werde ich nicht vergessen, Bingo“, knurrte ich. „Du kannst von Glück sagen, dass ich jetzt keine Zeit habe, mich darum zu kümmern. Aber denke nicht, dass du mir so davonkommen wirst.“

Doch jetzt galt es erst einmal, von hier zu verschwinden. Ich wusste ja nicht, ob Puddu die Polizei rief oder nach mir suchte. Meine Beweise hatte ich und damit war der Auftrag an sich erledigt.

In dem Moment, als ich den Motor meines Kias startete, trat der Sänger zusammen mit der alten Frau aus dem Haus. Die zwei gingen ohne zu zögern zu seinem Wagen. Immer noch den Gedanken an den Enkeltrick im Kopf, verwarf ich meine Fluchtpläne. Was hatte Puddu mit der Frau vor? Als die beiden davonfuhren, folgte ich ihnen in einigem Abstand.

Die Fahrt dauerte nicht lange und führte schnurstracks zur nächstgelegenen Filiale der Stadtsparkasse Mönchengladbach.

Meine Detektivspürnase lag also richtig: Puddu wandte hier den Enkeltrick an und würde die gute Frau jetzt um ihre Ersparnisse erleichtern!

In Gedanken klopfte ich mir auf die Schulter.

Den Kia parkte ich an einer Stelle, von der ich Puddus Wagen ständig im Blick hatte. Von wegen angesehener Schnulzensänger! Ich hatte in Wirklichkeit einen reinrassigen Ganoven vor mir, dem ich hier und jetzt das Handwerk legen würde. Ich zog mein Handy hervor und tippte die Notrufnummer der Polizei ein. Doch Sekunden später unterbrach ich das Gespräch wieder, denn jetzt verließ Puddu mit der Frau die Sparkassenfiliale. Der alte Gauner lachte und hielt die Oma fest am Arm. Ich hatte regelrecht den Eindruck, als würde er sie mit sich schleifen.

Was folgte nun? Wollte Adriano Puddu sein Opfer beseitigen, damit keine Spuren zurückblieben? Würde sein nächster Weg ihn und die Frau zu einem Fluss, See oder vielleicht alten Steinbruch führen, wo er sie endgültig zum Schweigen bringen dürfte?

Schon setzte sich der Seat in Bewegung und um ein Haar wäre mir Puddu sogar entkommen. Mit quietschenden Reifen schoss ich auf die Straße zurück und hinter dem Trickbetrüger her. Jetzt war es an mir, der alten Frau das Leben zu retten.

Bingo knurrte unwillig, als er durch mein Fahrmanöver in seinem Schönheitsschlaf gestört wurde. „Es wird Zeit aufzuwachen, mein Freund“, informierte ich den Malinois. „Auf uns kommt jede Menge Arbeit zu!“ Im Rückspiegel sah ich, wie Bingo herzhaft gähnte und anschließend desinteressiert aus dem Fenster sah. Ich überholte einen Linienbus ziemlich gewagt und scherte Millimeter vor ihm wieder ein. Keine Sekunde zu früh, denn wütend hupend rauschte ein Wagen in der Gegenrichtung an mir vorbei. Jetzt hupte auch der Busfahrer wie wild und machte unanständige Zeichen am Steuer, die ich aber ignorierte. Ich hielt Puddu fest im Blick und musste die Geschwindigkeit plötzlich verringern, als der Seat auf den Parkplatz eines Diskounters einbog. Hinter mir quietschten die Reifen des Busses über den Asphalt und das Hupen steigerte sich zu einem wilden Stakkato.

Dank der Handbremse brachte ich eine fast neunzig Grad Wende zustande und jagte rumpelnd ebenfalls auf den Parkplatz des Discounters. Millimeter vor einem Unterstand mit Einkaufswagen kam ich schließlich zum Stehen. Eine Frau sprang entsetzt zur Seite und stürmte dann laut fluchend in den Markt. Ich setzte meinen Wagen schnell zurück und verschwand in einer Parklücke zwischen zwei SUV, so dass Puddu mich nicht entdecken konnte. Zusätzlich rutschte ich hinter dem Lenkrad ein wenig nach unten.

Als Privatdetektiv und Personenschützer kannte ich schließlich alle Tricks, um unerkannt und unentdeckt zu bleiben.

In diesem Moment wurde ein Brief durch den Fensterschlitz auf meiner Seite geworfen. Ein junger Mann entfernte sich grinsend. Wieder einmal spielte ich mit dem Gedanken, dieses postgelbe, scheußliche Auto, in das irgendwelche Spaßvögel andauernd Briefe warfen, zu verkaufen und mir etwas Anständiges zu gönnen. Doch leider waren meine Versuche mit einem passenden Sportwagen gescheitert und bei dem Autohändler hatte ich Hausverbot, seitdem ich mit dem Porsche durch die Glasfront des Gebäudes gerauscht war.

Aus meiner - zugegebenermaßen genial - getarnten Position beobachtete ich, wie Puddu die alte Frau in das Geschäft führte. Was hatte der Mann jetzt vor? Musste die Oma vielleicht ihr letztes bisschen Bargeld opfern, damit der Dicke sich mit Lebensmitteln versorgen konnte? Es gab nur eine Art und Weise das herauszufinden: Ich musste mich persönlich in das Geschäft begeben und die zwei beobachten. „Du wartest hier, Bingo“, wies ich den Hund an und verschloss das Auto sorgfältig.

Mit einem Einkaufswagen bewaffnet, betrat ich schließlich den Discounter.

Zunächst konnte ich den Schnulzensänger und die alte Frau nirgends entdecken und, um nicht aufzufallen, füllte ich einige Sachen in den Wagen, die mir gerade in die Hände fielen. Dann endlich sah ich die Frau, wie sie mit ratlosem Gesicht vor einem Regal mit Nudeln stand. Puddu trat an ihre Seite und hielt eine Packung Spaghetti hoch. Die Frau nickte ergeben und der Gangster legte die Nudeln in den Einkaufswagen. Der Mann verhielt sich äußerst professionell und außer mir schien niemandem aufzufallen, was hier ablief. Ich näherte mich dem Pärchen und zückte unauffällig mein Handy für ein paar Beweisfotos.

„Darf ich denn bitte einmal vorbei?“, raunzte mich eine junge Frau an und quetschte sich mit ihrem Wagen an mir vorbei. „Was gibt es denn hier eigentlich zu fotografieren?“ Das sagte sie dermaßen laut, dass Puddu nun auf mich aufmerksam wurde und bevor ich in einem der Gänge verschwinden konnte, krallte er sich in meinen Wagen.

„Sie schon wieder?“, fuhr er mich an. „Sind sie nicht der, der auf unserem Balkon gestanden und fotografiert hat? Was soll das eigentlich, spionieren Sie mir hinterher? Wenn sie ein Foto von mir wollen, dann sollten sie mich einfach darum bitten. Ich bin ja schließlich ein berühmter Sänger ...“

Jetzt mischte sich die junge Frau wieder ein, die Puddu von oben bis unten ansah. „Sie sind ein berühmter Sänger? Ja, ich erkenne sie.“ Die Frau grinste und hob den Zeigefinger. „Sie haben sich ihren Bart abrasiert, sind sie inkoptikot hier?“

Puddu stöhnte. „Inkognito. Nein, bin ich nicht. Und einen Bart habe ich nie gehabt.“

Die junge Frau ließ nicht locker. „Sie sind dieser Pavarotti, stimmt’s?“

Wieder stöhnte der Schnulzensänger. „Nein, auch der bin ich nicht. Außerdem ist Luciano Pavarotti seit Zweitausendsieben tot.“

„Sind sie sicher?“ Die Frau sah den Sänger zweifelnd an. „Sind sie wirklich nicht Pavarotti?“

Ich versuchte Puddu den Wagen zu entreißen, doch er hielt ihn eisern fest.

„Mein Name ist Adriano Puddu, besser bekannt als Adrio Pu. Außerdem singe ich keine Opern, sondern Schlager.“

Die Frau machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das ist doch alles dasselbe. Aber von einem Pu habe ich noch nie etwas gehört ...“ Sie blickte den Sänger von oben bis unten an und meinte dann: „Aber ich kenne Pu den Bär!“

„Den Bären“, korrigierte ich automatisch, was dummerweise alle wieder auf mich aufmerksam machte.

„Den Bären?“, echote die Frau.

„Ja, es heißt korrekt: Ich kenne Pu den Bären.“

„Ach, sie kennen den auch? Aber Pu den Bär kennt ja schließlich jeder.“ Mit dieser Erklärung drehte die Frau sich um und schob ihren Wagen weiter.

„Also, was soll das?“, beharrte Puddu. „Warum spionieren sie mir nach? Sind sie Stalker?“

Jetzt war es an mir, empört zu reagieren. „Ich bin Privatdetektiv und kein Stalker! Und ich beobachte sie schon eine ganze Weile. Erst versuchten sie es mit dem Enkeltrick und jetzt zwingen sie die arme alte Frau, hier für sie einzukaufen.“

Inzwischen hatte sich eine Gruppe von Menschen um uns herum gebildet und auch die junge Frau war zurückgekehrt. Ein Mann im weißen Kittel trat aus der Gruppe vor. „Diese Frau wird von dem Mann dort“, er zeigte auf Puddu, „gegen ihren Willen hier zum Einkaufen gezwungen? Ich bin der Geschäftsführer und habe mir gleich gedacht, dass etwas nicht stimmt. Die Polizei ist schon auf dem Weg hierhin. In unserem Geschäft dulden wir keine Enkel oder Stalker.“

„Enkelbetrüger“, stellte ich klar und zeigte auf Puddu. „Dieser Mann will die alte Dame um ihr Erspartes bringen. Er hat sie schon gezwungen, mit ihm in eine Sparkassenfiliale zu gehen!“

Um uns schloss sich der Kreis der Menschen enger, so dass Puddu nicht flüchten konnte.

„Es ist gut, dass sie die Polizei gerufen haben“, lobte ich als professioneller Detektiv den Filialleiter.

„Lassen sie uns bitte durch“, erklang eine barsche Stimme hinter uns. „Polizei, bitte machen sie Platz und gehen sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.“ Dann folgten einige Sekunden Schweigen, bis die Stimme erneut erklang. „Was gibt es hier eigentlich?“

Die Menschen wichen zur Seite und zwei Polizisten drangen zu uns durch. „Wer hat uns gerufen?“

„Ich“, krähte der Filialleiter. „Dieser Mann dort hat die alte Frau in seine Gewalt gebracht und zwingt sie bei uns einzukaufen.“

Ich nickte. „Das kann ich bezeugen. Zuerst waren sie in der Sparkasse und dann sind beide schnurstracks hierhin. Es handelt sich um einen Enkelbetrüger!“

„Nun, das werden wir herausfinden. Sie kommen jetzt mit mir auf den Parkplatz. Wir werden dort eine Personenkontrolle durchführen!“

Gefolgt von einer Gruppe neugieriger Menschen geleiteten uns die Polizisten aus dem Diskounter heraus. „Und sie bleiben hier und kaufen weiter ein!“, herrschte der ältere der Beamten die Neugierigen an, die sich enttäuscht in die Gänge verteilten, uns aber weiter hinterhersahen.

„Ihre Papiere bitte. Und dann erklären sie mir einmal haargenau, worum es hier überhaupt geht.“ Er sah die alte Frau an und nickte ihr aufmunternd zu.

„Also, ich bin Privatdet...“, versuchte ich die Situation zu erläutern, wurde aber von dem Beamten unterbrochen.

„Sie sind jetzt still, ich will zuerst von der alten Frau erfahren, worum es geht.“

Beleidigt hielt ich meinen Mund.

„Es ist alles so ... merkwürdig“, begann die Alte und sah Puddu flehentlich an. „Aber dieser Kerl scheint uns zu verfolgen und fotografiert andauernd.“

„Beweisfotos“, entfuhr es mir. „Für den Enkeltrick.“

„Enkeltrick?“ Jetzt meldete sich der Sänger zu Wort. „Was für ein Enkeltrick?“

„Der, bei dem sie sich als Enkel ausgeben, um an das Ersparte der alten Frau zu kommen. Beim Enkeltrick gibt sich jemand als der Enkel aus, um so Geld zu erhalten.“

Adriano Puddu sah mich entgeistert an. „Aber ich bin doch gar nicht ihr Enkel.“

Jetzt grinste ich. „Ja genau, das ist der Trick dabei. Sie sind in Wirklichkeit nicht ihr Enkel.“

Der Polizist, der bisher unserem Wortwechsel schweigend zugehört hatte, hob die Hand und sah mich an. „Moment. Wie kommen sie darauf, dass dieser Mann“, er wies auf Puddu, „sich als Enkel dieser Frau“, er zeigte auf die alte Dame, „ausgibt?“

„Weil die beiden ursprünglich ein Liebespaar waren und dann zur Sparkasse gefahren sind“, gab ich meine Schlussfolgerungen zum Besten. „Dort zwang er sie, Geld abzuheben und nun sind beide hier.“

Puddu und die Alte stöhnte beide gleichzeitig laut auf. „Ich bin nicht ihr Enkel, sondern ihr Sohn“, erklärte der Sänger dann. „Kann man denn in diesem Land nicht einmal mit seiner Mutter einkaufen gehen?“

„Schwiegermutter“, ergänzte die Alte. „Oder besser Ex-Schwiegermutter.“

„Also ein Mutter- oder Schwiegermutter Trick?“, mutmaßte ich. Die Erklärungen der beiden verwirrten mich zusehends. „Oder besser noch Ex-Schwiegermutter Trick?“

Puddu verdrehte die Augen, was ihn für mich nicht sympathischer machte. „Hören sie“, er wandte sich an den Polizisten. „Diese Dame hier ist die Mutter meiner geschiedenen Frau, meiner Ex-Frau. Also meine Ex-Schwiegermutter. Mir ist völlig schleierhaft, warum dieser Idi...“, er verschluckte die Silbe, „warum dieser ... Mann uns hinterherspioniert. Ich besuche meine Ex-Schwiegermutter regelmäßig und helfe ihr im Haushalt und beim Einkaufen.“

„Sie sind also kein Liebespaar?“, versuchte ich die Angelegenheit verständlicher zu machen.

Der dicke Sänger schlug sich vor den Kopf. „Meine Güte, meine Ex-Schwiegermutter ist vierundachtzig Jahre alt und außerdem bin ich verheiratet. Was unterstellen sie mir eigentlich?“

Der Polizist sah mich streng an. „Ihren Ausweis bitte! Und jetzt bitte ich um eine Erklärung, warum sie diesen Mann verfolgen.“

Ich holte tief Luft und blickte in die Runde. „Mein Name ist Jonathan Lärpers und ich arbeite als Privatdetektiv für die Detektei Argus. Wir wurden von Frau Puddu beauftragt, herauszufinden, mit wem ihr Mann ein Verhältnis hat. Das ist schließlich unser Job.“

„Aber ich habe doch gar kein Verhältnis“, stöhnte Puddu. „Mit niemanden.“ Dann überlegte er eine Sekunde und gab zu: „Außer mit meiner Frau natürlich.“

Der Polizist gab mir meinen Ausweis zurück und legte Puddu eine Hand auf die Schulter. „Aber wie kommt ihre Frau dann zu der Annahme, dass sie ein Verhältnis haben könnten?“

„Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil ich ihr nicht gesagt habe, wo ich dienstags wirklich hingehe. Sie müssen wissen, meine Frau ist absolut dagegen, dass ich zu irgendjemandem aus meiner Ex-Familie Kontakt habe, doch seitdem meine Ex-Frau bei einem Unfall ums Leben kam, muss sich doch jemand um meine Ex-Schwiegermutter kümmern. Meine Frau macht mir immer eine Riesenszene, wenn ich von meiner Ex-Familie spreche.“

„Das sind mir zu viele Exen“, grinste ich, wusste aber, dass hier irgendetwas mächtig schiefgelaufen war. „Und sie sind sicher, dass sie kein Enkelbetrüger sind?“, forschte ich sicherheitshalber noch einmal nach, was mir aber von allen Anwesenden einen strengen Blick einbrachte.

„Also können wir die Angelegenheit als erledigt betrachten?“, ließ sich der Polizist nach einer Weile vernehmen. „Sie belästigen Herrn Purru nicht mehr und ...“

„Puddu“, fiel der Sänger dem Beamten ins Wort. „Adriano Puddu, besser bekannt als der berühmte Sänger Adrio Pu!“

„Pu?“, meinte der Polizist. „Na auch egal. Ich habe ihre Daten und erwarte“, er sah mich von der Seite an, „dass diese Angelegenheit hiermit beendet ist. Lassen sie weiteres Nachstellen, Herr Privatdetektiv, der Fall dürfte auch für sie abgeschlossen sein!“

Ich nickte, während ich verstohlen einen Blick auf meine Armbanduhr warf. Auch wenn die Sache nicht so ausgegangen war, wie ich es mir erhofft hatte, so knurrte mein Magen und einem umfangreichen Mittagsmahl bei Curry-Erwin stand eigentlich nichts mehr im Wege.

Doch was sollte ich eigentlich Frau Puddu berichten? Und was noch schlimmer war - wie würde der Bericht für meinen Freund und Chef Bernd Heisters aussehen müssen?

€6,99

Žanrid ja sildid

Vanusepiirang:
0+
Objętość:
421 lk 2 illustratsiooni
ISBN:
9783742770127
Kustija:
Õiguste omanik:
Bookwire
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Tekst
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Audio
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Tekst, helivorming on saadaval
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Mustand
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Tekst
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