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Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas

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»Ni-uake, mi ua o-o, ni esh miushyame – hier sehen wir sie, ihr könnt kommen!« riefen sie hinüber.

Auf diese Aufforderung ging der ganze Trupp, ein Mann nach dem anderen, in das Wasser. Der Fluß war so breit, daß der erste Komantsche das eine Ufer noch nicht erreicht hatte, als der letzte das andere verließ. Die Flüchtlinge lagen in dem Gebüsch versteckt. Jetzt war es Zeit für sie.

»Wohin zielen wir?« fragte der Majordomo. – »Auf die ersten im Wasser. Die beiden, die bereits drüben halten, sind uns sicher.« – »Nur nicht zwei auf einen Mann schießen!« warnte der Apache. Zählt allemal acht ab. Wir schießen so auf sie in der Reihe, wie wir hier in der Reihe stehen.« – »Gut, vortrefflich«, sagte Helmers. »Fertig?« – »Ja«, flüsterte es achtfach als Antwort. – »Dann Feuer!«

Die acht wohlgezielten Schüsse krachten in demselben Augenblick, ein einziger Kanonenschlag, und die acht vordersten Komantschen versanken im Wasser. Der Deutsche und der Apache hatten Doppelbüchsen, sie drückten ihre zweiten Läufe ab und ließen noch zwei Feinde versinken.

»Schnell wieder laden!« rief Helmers.

Es war wunderbar, ja fast lächerlich anzusehen, welche Wirkung die Salve auf die Überlebenden hervorbrachte. Die Komantschen rissen die Pferde herum und schwammen wieder dem entgegengesetzten Ufer zu. Viele von ihnen glitten vorsichtig von den Tieren herab und schwammen neben denselben, um sich durch sie decken zu lassen. Die zwei aber, die bereits am diesseitigen Ufer waren, zeigten sich als die Besorgtesten, aber auch – Unvorsichtigsten. Sie rissen nämlich ihre Büchsen herab und kamen im Galopp herbeigesprengt. Sofort zog der Deutsche den Revolver und schlich ihnen hinter dem Buschwerk entgegen. Sie sahen ihn nicht, und eben, als sie an der Stelle, wo er sich befand, vorüber wollten, drückte er ab, worauf sie tot vom Pferd stürzten.

»Holla, noch zwei geladene Gewehre!« gebot Helmers. – »Die sind für uns«, antwortete Emma Arbellez. – »Können Sie schießen?« – »Alle beide!« – »Dann schnell!«

Helmers sprang dahin zurück, wo er seine Doppelbüchse verborgen hatte, und die beiden Damen ergriffen die Gewehre der zwei Komantschen. Das alles war so schnell gegangen, daß seit der ersten Salve bis jetzt kaum eine Minute vergangen war. Man hatte nun wieder geladen, und gleich darauf ertönte der Kommandoruf:

»Feuer!«

Die Feinde, die das jenseitige Ufer noch nicht wieder erreicht hatten, erhielten jetzt eine Salve aus acht einfachen und zwei Doppelgewehren, fast alle Schüsse gut gezielt. Mehrere Verwundete wurden vom Fluß abwärts getrieben, und mehrere Unverletzte stellten sich tot, indem auch sie sich abwärts treiben ließen, um so die Verteidiger zu täuschen und den Kugeln zu entgehen.

»Laßt euch nicht betrügen!« rief Helmers. »Schnell laden und diesen Schuften längs des Ufers nach! Wer nicht untergeht, der hat noch Leben!«

Man gehorchte seinen Worten, und bald hatten die Komantschen weit über zwanzig Tote verloren. Sie steckten nun drüben im Gebüsch und getrauten sich nicht wieder hervor.

»Jetzt mag es genug sein!« sagte endlich der Deutsche. – »Sie werden uns nicht weiter verfolgen«, meinte auch der Apache. »Diese Hunde von Komantschen haben kein Hirn in ihren Schädeln.«

Dann wandte Helmers sich mit folgenden Worten an die Damen:

»Ich danke Ihnen für den Beistand, den Sie uns geleistet haben, Señoritas. Ich hatte keine Ahnung davon, daß Sie schießen wie ein Westmann.« – »Man ist in unseren einsamen Gegenden gezwungen, diese Fertigkeit sich anzueignen«, entgegnete Emma. »Denken Sie wirklich, daß wir jetzt unbelästigt bleiben?« – »Ich hoffe es.« – »So wollen wir aufbrechen. Dieser Ort, der so viel Menschenleben gekostet hat, ist mir schauerlich, obgleich ich selbst auch zur Waffe gegriffen habe.« – »Dort sind die Pferde der beiden letzten Indianer, nehmen wir sie mit?« fragte Helmers. – »Versteht sich«, antwortete der Majordomo. »Ein indianisch zugerittenes Pferd hat stets Wert. Meine Vaqueros werden sie am Zügel nehmen.«

Nach einem nur kurzen Verweilen stieg man wieder auf und ritt nun wirklich in die Prärie hinein. So oft und so scharf die Truppe auch den hinter ihr liegenden Horizont musterte, es zeigte sich doch keine Spur von Verfolgung mehr. So vergingen einige Stunden, erst dann erlaubte man den Pferden, einen langsamen Schritt zu gehen, was auch die Unterhaltung erleichterte.

Bärenherz ritt, wie bereits vorher, so auch jetzt wieder an der Seite der schönen Mixtekas-Indianerin, während sich der Deutsche zu der Mexikanerin hielt.

»Wir sind nun fast einen Tag zusammen, ohne uns nur im geringsten kennengelernt zu haben«, sagte letzterer zu seiner Dame. »Setzen Sie das nicht auf Rechnung meiner Unhöflichkeit, sondern auf Rechnung der außerordentlichen Umstände.« – »Oh, ich meine doch, daß wir uns gerade im Gegenteil recht gut kennen«, meinte sie lächelnd. – »Inwiefern?« – »Ich weiß von Ihnen, daß Sie für andere Ihr Leben wagen, daß Sie ein kühner und umsichtiger Jäger sind, und Sie wissen von mir, daß – daß – daß ich auch schießen kann.« – »Das ist allerdings etwas, aber nicht viel. Lassen Sie mich wenigstens meinerseits das Notwendigste nachholen.« – »Ich werde Ihnen sehr dankbar sein, Señor.« – »Mein Name ist Anton Helmers, ich bin der jüngere von zwei Brüdern. Wir wollten studieren, da aber die Mittel nicht ausreichten und der Vater starb, so ging mein Bruder zur See und ich nach Amerika, wo ich nach vielen Irrfahrten mich schließlich in der Prärie als Waldläufer etablierte.« – »Also Anton heißen Sie? Da darf ich Sie Señor Anton nennen?« – »Wenn es Ihnen so beliebt, ja.« – »Aber wie kommen Sie so weit herab nach dem Rio Grande?« – »Hm, das ist eine Sache, von der ich eigentlich nicht sprechen sollte.« – »Also ein Geheimnis?« – »Vielleicht ein Geheimnis, vielleicht aber auch nur eine recht große Kinderei.« – »Sie machen mich neugierig.« – »Nun, so will ich Sie nicht auf die Folter spannen«, sagte Anton Helmers lachend. »Es handelt sich nämlich um nichts mehr und nichts weniger als um die Hebung eines unendlich reichen Schatzes.« – »Was für eines Schatzes?« – »Eines wirklichen, aus kostbaren Steinen und edlen Metallen bestehenden Schatzes.« – »Und wo soll derselbe liegen?« – »Das weiß ich noch nicht.« – »Ah, das ist unangenehm! Aber wo haben Sie denn von dem Vorhandensein dieses Schatzes gehört?« – »Hoch droben im Norden. Ich hatte das Glück, einem alten, kranken Indianer einige nicht ganz wertlose Dienste zu leisten, und als er starb, vertraute er mir zum Dank dafür das Geheimnis von dem Schatz an.« – »Aber er sagte Ihnen die Hauptsache nicht, nämlich wo er liegt?« – »Er sagte mir, daß ich ihn in Mexiko zu suchen habe, und gab mir eine Karte mit, bei der sich ein Situationsplan befindet.« – »Und welche Gegend betrifft diese Karte?« – »Ich weiß es nicht. Die Karte enthält zwar Höhenzüge, Talbildungen und Wasserläufe, aber keinen einzigen Namen.« – »Das ist allerdings höchst sonderbar. Weiß auch Shoshinliett, der Häuptling der Apachen davon?« – »Nein.« – »Und doch scheint er Ihr Freund zu sein?« – »Er ist es allerdings im vollsten Sinne des Wortes.« – »Und mir, mir teilen Sie das Geheimnis mit, obgleich wir uns erst heute gesehen haben!«

Helmers blickte der schönen Mexikanerin mit seinen ehrlichen Augen voll in das Gesicht und antwortete:

»Es gibt Menschen, denen man es ansieht, daß man kein Geheimnis vor ihnen zu haben braucht.« – »Und zu diesen Personen rechnen Sie mich?« – »Ja.«

Sie errötete, reichte ihm die Hand und erwiderte:

»Sie täuschen sich nicht. Ich werde Ihnen dies beweisen, indem ich ebenso aufrichtig gegen Sie bin und Ihnen eine auf Ihr Geheimnis bezügliche Mitteilung mache. Soll ich, Señor?« – »Ich bitte Sie sogar darum«, antwortete er mit überraschter Miene. – »Ich kenne nämlich einen, der auch nach diesem Schatz trachtet.« – »Ah! Wer ist es?« – »Unser junger Prinzipo, der Graf Alfonzo de Rodriganda y Sevilla.« – »Er weiß von dem Schatz?« – »Oh, wir alle wissen, daß die früheren Beherrscher des Landes ihre Schätze verbargen, als die Spanier Mexiko eroberten. Außerdem gibt es Orte, wo das gediegene Gold und Silber in Massen zu finden ist. Man nennt solche Orte eine Bonanza. Die Indianer kennen diese Orte, sterben aber lieber, als daß sie einem Weißen ihr Geheimnis anvertrauen.« – »Und diesem Alfonzo de Rodriganda hat es doch einer anvertraut?« – »Nein. Wir bewohnen die Hacienda del Erina, und es geht die Sage, daß in der Nähe derselben sich eine Höhle befindet, in der die Herrscher der Mixtekas ihre Schätze versteckten. Es ist viel nach dieser Höhle gesucht worden, Graf Alfonzo hat sich große Mühe gegeben, aber keiner fand sie.« – »Wo liegt diese Hacienda del Erina?« – »Etwas über eine Tagereise von hier, am Abhang der Berge von Coahuila. Sie werden sie sehen, da ich hoffe, daß Sie uns dorthin begleiten.« – »Ich werde Sie nicht eher verlassen, als bis ich Sie vollständig in Sicherheit weiß, Señorita!« – »Sie werden uns auch dann noch nicht verlassen, sondern unser Gast sein, Señor?« – »Gerade Ihre Sicherheit erfordert, daß ich Sie sofort wieder verlasse.« – »Wieso?« – »Wir haben eine Anzahl Komantschen getötet, und ich bin vollständig überzeugt, daß uns einige Späher heimlich folgen werden, um zu sehen, wo wir zu finden sind. Sie werden uns, wenn diese Kundschafter nicht unschädlich gemacht werden, überfallen, um sich zu rächen. Darum werde ich bei der Hazienda mit Bärenherz umkehren, um die Späher zu töten.«

Die Mexikanerin warf Helmers einen besorgten Blick zu und sagte:

»Sie begeben sich in eine neue Gefahr!« – »Gefahr? Pah! Der Präriejäger befindet sich stets in Gefahr, er ist daran gewöhnt. Bleiben wir aber für jetzt bei unserem Thema, dem Schatz des Königs! Es weiß also niemand, wo die Höhe zu suchen ist?« – »Wenigstens kein Weißer.« – »Aber ein Indianer?« – »Ja. Es gibt einen, der den Schatz der Könige ganz sicher kennt, vielleicht sind es auch zwei. Tecalto ist der einzige Nachkomme der einstigen Beherrscher der Mixtekas; sie haben das Geheimnis auf ihn vererbt. Karja, die dort neben dem Häuptling der Apachen reitet, ist seine Schwester, und es ist nicht unmöglich, daß er es ihr mitgeteilt hat.«

 

Helmers betrachtete die schöne Indianerin jetzt mit größerem Interesse als vorher.

»Ist sie verschwiegen?« fragte er. – »Ich denke es«, antwortete die Mexikanerin. Dann fügte sie lächelnd hinzu: »Man sagt allerdings, daß Damen nur bis zu einem gewissen Punkt verschwiegen sind.« – »Und welcher Punkt ist dies, Señorita?« – »Die Liebe.« – »Ah! Es ist möglich, daß Sie recht haben«, scherzte er. »Darf ich vielleicht erfahren, ob Karja bereits bei diesem Punkt angekommen ist?« – »Ich halte dies fast für möglich.« – »Ah! Wer ist der Glückliche?« – »Raten Sie. Es ist nicht schwer.«

Die Stirn des Jägers zog sich scharf zusammen.

»Ich vermute es«, sagte er. »Es ist Graf Alfonzo, der ihr auf diesem Weg das Geheimnis entlocken will.« – »Sie raten richtig.« – »Und Sie glauben, daß seine Bestrebungen Erfolg haben?« – »Sie liebt ihn.« – »Und ihr Bruder, der Nachkomme der Mixtekas? Was sagt er zu dieser Liebe?« – »Vielleicht weiß er noch nichts davon. Er ist der berühmteste Cibolero – Büffeljäger – und kommt nur selten einmal nach der Hazienda.« – »Der berühmteste Cibolero? Dann müßte ich ja seinen Namen kennen. Der Name Tecalto aber ist mir unbekannt.« – »Er wird von den Jägern nicht Tecalto genannt, sondern Mokaschimotak.« – »Mokaschimotak, Büffelstirn?« fragte Helmers überrascht. »Ah, den kenne ich allerdings. Büffelstirn ist der bekannteste Büffeljäger zwischen dem Red River und der Wüste Mapimi. Ich habe sehr viel von ihm gehört und würde mich freuen, ihn zu sehen. Und Karja ist also die Schwester dieses berühmten Mannes? Da muß man sie ja mit ganz anderen Augen ansehen.« – »Wollen Sie vielleicht Ihre Liebenswürdigkeit auch an ihr versuchen?«

Er lachte und antwortete:

»Ich? Wie kann ein Westmann liebenswürdig sein! Und wie könnte ich mit einem Grafen de Rodriganda in die Schranken treten wollen! Wäre es mir möglich, liebenswürdig zu sein, so würde ich dies bei einer ganz anderen versuchen.« – »Und wer wäre diese andere?« fragte sie. – »Nur Sie allein, Señorita!« antwortete er aufrichtig.

Ihre Augen leuchteten ihm glückverheißend zu, als sie antwortete:

»Aber bei mir können Sie ja nichts von Ihrem Königsschatz erfahren.« – »Oh, Señorita, es gibt Schätze, die mehr wert sind als eine ganze Höhle voll Gold und Silber. In diesem Sinne wünschte ich, einmal ein glücklicher Gambusino – Goldsucher – zu sein.« – »Suchen Sie, vielleicht finden sie.«

Sie streckte ihm die Hand entgegen, und als er diese ergriff, war es ihnen beiden, als ob ein elektrisches Fluidum sie überströme. Sie hatten sich verstanden.

Während dieser Unterredung war hinter ihnen eine andere geführt worden. Bärenherz ritt an der Seite der Indianerin. Sein Auge umfaßte mit verhaltener Glut die schöne Gestalt seiner Nachbarin, die mit einer Sicherheit auf dem halb wilden Pferd saß, als habe sie niemals anders als auf einem indianischen Männersattel geritten. Der schweigsame Häuptling war nicht gewohnt, seine Worte zu verschwenden; wenn er aber sprach, so hatte eine jede Silbe das doppelte Gewicht. Karja kannte diese Art und Weise der wilden Indianer, und darum wunderte sie sich auch nicht darüber, daß er wortlos blieb. Doch fühlte sie es förmlich, daß sein Auge durchdringend auf ihr ruhte; und fast erschrak sie, als er sie anredete:

»Zu welchem Volk gehört meine junge Schwester?« – »Zu dem Volk der Mixtekas«, antwortete sie. – »Das war einst eine große Nation und ist noch jetzt durch die Schönheit seiner Frauen berühmt. Ist meine junge Schwester eine Squaw – Frau – oder ein Mädchen?« – »Ich habe keinen Mann.« – »Ist ihr Herz noch ihr Eigentum?«

Bei dieser direkten Frage, die ein Weißer sicherlich nicht ausgesprochen hätte, rötete sich ihr dunkles Gesicht, aber sie antwortete mit fester Stimme:

»Nein.«

Sie wußte, daß es hier besser sei, die Wahrheit zu sagen, denn sie kannte die Apachen. Es veränderte sich kein Zug seines eisernen Gesichts, und er fragte weiter:

»Ist es ein Mann ihres Volkes, der ihr Herz besitzt?« – »Nein, ein Weißer.« – »Bärenherz beklagt seine Schwester. Sie mag es ihm sagen, wenn der Weiße sie betrügt.« – »Er wird mich nicht betrügen!« antwortete sie stolz und zurückweisend.

Ein leises, leises Lächeln zuckte um seine Lippen; er schüttelte den Kopf und entgegnete:

»Die weiße Farbe ist falsch und wird leicht schmutzig. Meine Schwester mag vorsichtig sein!«

Dies war das ganze Gespräch zwischen den beiden, aber es war wenigstens ebenso folgewichtig, wie die Unterredung zwischen dem Deutschen und der Mexikanerin.

Im Verlauf des Weiterritts erfuhr Helmers, daß die beiden Frauen oben am Rio Pecos gewesen waren, um eine Tante der Mexikanerin zu besuchen, die schwer krank darniederlag. Diese Verwandte war die Schwester von Emmas Mutter, also die Schwägerin des alten Pedro Arbellez, der der Verwalter des Grafen Ferdinando de Rodriganda gewesen war, jetzt aber als Pächter des Grafen auf der Hacienda del Erina lebte. Die Pflege der beiden Frauen hatte den Tod der Tante nicht zu hindern, sondern nur zu verzögern vermocht. Später hatte Arbellez den Majordomo mit den Vaqueros geschickt, um die Tochter abholen zu lassen. Auf dem Rückweg waren sie von den Komantschen überfallen worden und wären ohne die Dazwischenkunft des Deutschen und des Apachenhäuptlings ganz sicher verloren gewesen.

3. Kapitel

Man ritt immer nach Süden zu. Der Tag neigte sich zu Ende; sie hatten nur noch eine Stunde bis zum Hereinbruch des Abends und befanden sich am Rand einer weiten Ebene, die nun hinter ihnen lag, als der Apache sein Pferd plötzlich anhielt, hinter sich zeigte und rief:

»Ugh!«

Die anderen drehten sich um, die Ebene zu durchmustern.

»Ich sehe nichts«, sagte der Majordomo. – »Wir auch nicht«, erklärten die Vaqueros, trotzdem sie Augen besaßen, die gewohnt waren, in weite Ferne zu spähen. – »Was gibt es?« fragte Emma. – »Auch Sie sehen nichts?« antwortete Helmers. – »Nein. Siehst du etwas, Karja?« – »Nicht das mindeste«, erklärte die Indianerin. – »Der Häuptling der Apachen kann doch nicht den Trupp wilder Pferde meinen, den man dort erblickt?« fragte der Majordomo. »Uff!« sagte der Apache mit geringschätziger Miene. – »Gerade den meint er«, sprach der Deutsche. – »Was gehen uns die Mustangs an?« – »Sind sie wirklich so gleichgültig, Señor Majordomo?« – »Ja. Wir sind ja mit Pferden versehen.« – »Seht sie Euch genauer an!«

Ungefähr zwei englische Meilen hinter ihnen galoppierte eine Herde von Pferden mit erhobenen Schwänzen und wehenden Mähnen einher. Sie kam immer näher. Kein Reiter, kein Sattel oder Bügel, kein Zügel, nicht die dünnste Schnur ließ sich sehen.

»Es sind Mustangs!« sagte der Majordomo. – »Uff!« rief der Apache zum zweiten Mal, jetzt aber wirklich verächtlich.

Dann lenkte der sein Pferd wieder herum und ritt im Galopp vorwärts. Die anderen mußten folgen. Emma aber drängte ihr Pferd zu Helmers heran und fragte:

»Was hat der Apache?« – »Er ärgert sich.« – »Worüber?« – »Über die Dummheit des Majordomo.« – »Dummheit? Señor Helmers, unser Majordomo ist ein sehr erfahrener Mann.« – »In häuslichen Angelegenheiten vielleicht.« – »O nein. Er ist ein tüchtiger Reiter und Schütze, ein Pfadfinder, der seinesgleichen sucht; man kann sich in jeder Beziehung auf ihn verlassen.« – »Ein Pfadfinder? Hm!« Jetzt blickte der Deutsche ebenfalls verächtlich drein. »Ja, ein Pfadfinder in den Straßen einer Stadt oder auf den Gassen eines Dorfes. Zu einem Rastreador, zu einem wirklichen Pfadfinder, gehört mehr. Sie sagen, daß man sich in jeder Beziehung auf ihn verlassen könne, und doch wären Sie verloren, wenn Sie jetzt nur allein auf seine Erfahrung und seinen Scharfsinn angewiesen wären.« – »Ah! Wieso?« – »Weil diese Pferde keine wilden Mustangs sind.« – »Was sonst?« – »Es sind die Komantschen, die uns verfolgen.« – »Die Komantschen? Man sieht doch nur die Pferde?« – »Ja, aber die Roten sind dennoch dabei. Sie haben einen Riemen um Hals und Leib der Pferde gezogen, und in diesen Riemen hängen sie mit dem linken Arm und dem rechten Bein. Sahen Sie nicht, daß uns nur die rechten Flanken der Pferde zugekehrt waren, trotzdem sie gerade hinter uns herreiten? Sie lassen ihre Tiere in schiefer Körperstellung galoppieren. Eine solche Haltung ist das sicherste Zeichen, daß ein Indianer sich hinter dem Pferd verbirgt.« – »Heilige Madonna. So werden sie uns abermals angreifen?« – »Entweder sie uns oder wir sie. Ich ziehe das letztere vor. Der Apache ist ganz meiner Meinung. Sehen Sie, wie er nach beiden Seiten späht!« – »Was sucht er?« – »Ein Versteck für uns, von dem aus wir die Komantschen fassen können. Überlassen wir ihm alles. Er ist die tüchtigste und wackerste Rothaut, die ich kenne, und auf ihn allein verlasse ich mich lieber, als auf tausende von Ihren Majordomos, so erfahren sie auch sind.« – »Gut! Verlassen wir uns auf ihn und auf noch einen!« – »Auf wen?« – »Auf Sie!« – »Ah, wollen Sie das wirklich?« fragte er mit einem freudigen Aufleuchten seiner Augen. – »Von ganzem Herzen!« antwortete sie. »Sie loben nur den Apachen, aber Sie vergessen zu sagen, daß man Ihnen ebenso vertrauen kann als ihm.« – »Glauben Sie das wirklich?« – »Ja. Ich habe Sie beobachtet. Sie sind kein gewöhnlicher Jäger, und ich glaube sicher, daß auch Sie einen Ehrennamen tragen, den Ihnen die Trapper und Indianer gegeben haben.«

Er nickte.

»Sie erraten es.« – »Und welches ist Ihr Jägername?« – »O bitte, nennen Sie mich immer Antonio oder Helmers.« – »Sie wollen ihn mir nicht sagen?« – »Jetzt nicht. Wenn man ihn einmal zufällig nennen wird, werde ich mich zu erkennen geben.« – »Ah, Sie sind eitel. Sie wollen inkognito sein wie ein Fürst.« – »Ja«, lachte er. »Ein guter Jäger muß ein klein wenig eitel sein, und Fürsten sind wir alle, nämlich Fürsten der Wildnis, des Waldes und der Prärie.« – »Fürsten! Ja, da fällt mir einer jener berühmten Namen ein.« – »Welcher?« – »Matavase.« – »Ja, der ist einer der Berühmtesten. Haben Sie von ihm gehört?« – »Viel. Er soll da oben in den Felsengebirgen gewesen sein.« – »Allerdings; darum nennen ihn die Indianer Matavase, die englischen Trapper Rockyprince, und die französischen Coureurs sagen Prince du roc. Alle diese drei Namen bedeuten ein und dasselbe, nämlich Fürst des Felsens.« – »Er ist ein Weißer?« – »Ja.« – »Haben Sie ihn gesehen?« – »Nein, aber ich habe gehört, daß er ein Landsmann von mir ist.« – »Ein Deutscher?« – »Ein Deutscher«, nickte Helmers. »Er soll Karl Sternau heißen und eigentlich ein Arzt sein. Er hat Amerika bereist und ist mehrere Monate mit unserem braven Bärenherz durch die gefährlichsten Regionen des Felsengebirges gestrichen. Jetzt befindet er sich längst wieder auf dem Kontinent.«

Während dieses Gesprächs hatte man im Galopp den Weg fortgesetzt. Die offene Prärie lag hinter ihnen, und sie ritten nun durch ein Hügel- und Felsengewirr, das ganz geeignet war, ein Versteck zu bieten. Dies hatte der Apache gewollt, denn plötzlich bog er rechts ein und schlug einen schnellen, aber weiten Bogen, so daß sie nach bereits zehn Minuten eine Stelle erreichten, an der sie vorher vorbeigekommen waren.

Die Stelle war von Bärenherz sehr vorsichtig gewählt worden. Die Truppe hielt auf einer von drei Seiten geschützten Anhöhe, die steil in die Schlucht niederfiel, durch die sie vorhin gekommen waren und die auch die Komantschen passieren mußten, wenn sie die Verfolgung wirklich fortsetzten.

Der Apache stieg vom Pferd und pflockte dasselbe an. Die anderen taten ebenso.

»Jetzt die Gewehre zur Hand!« gebot Helmers. »Wir werden nicht lange warten müssen.«

Seine Gefährten gehorchten dem Gebot, sogar die beiden Mädchen ergriffen die erbeuteten Büchsen, schritten vor bis an den Rand und legten sich dort auf die Lauer.

»Bst, Señor!« winkte der Deutsche dem Majordomo. »Den Kopf zurück, damit wir nicht bemerkt werden. Diese Komantschen haben scharfe Augen.« – »Späher vorüber lassen!« sagte der Apachenhäuptling in seiner kurzen Weise. – »Was meint er?« fragte einer der Vaqueros. – »Das ist doch sehr einfach«, antwortete der Deutsche. »Die Komantschen werden natürlich vermuten, daß wir auf den Gedanken kommen, ihnen aufzulauern. Daher werden sie wohl einen oder zwei Kundschafter voranreiten lassen, um sich zu überzeugen, ob wir einen Hinterhalt gelegt haben; sie kommen dann in sicherer Entfernung nach. Wir lassen also die Späher vorüber, die unserer Fährte weiter folgen werden, und warten, bis die anderen kommen. Aber wir schießen nicht aufs Geratewohl, sondern in der Reihenfolge, wie wir liegen, damit keine Kugel verschwendet wird. Der erste von uns schießt auf den ersten Komantschen, der zweite auf den zweiten und so weiter. Verstanden?«

 

Die Vaqueros nickten zustimmend, und nun entstand eine Pause der Erwartung.

Da endlich hörte man vorsichtig den Hufschlag zweier Pferde, und zwei Komantschen kamen langsam durch das Felsengewirr. Ihre scharfen Augen suchten jeden Schritt der Umgebung ab, wurden aber getäuscht, da die Spur der Mexikaner weiterführte. Daß diese seitwärts einen Bogen geschlagen hatten und zurückgeritten waren, daran dachten die Wilden nicht. Sie ritten vorüber und verschwanden hinter den Steinen.

Nach einigen Minuten hörte man erneutes Pferdegetrappel. Die übrigen kamen und ritten unbesorgt heran, da sie ihre Kundschafter vor sich wußten. Als der letzte von ihnen in der Schlucht erschienen war, streckte der Apache sein Gewehr vor, und der Deutsche kommandierte:

»Feuer!«

Die Büchsen krachten, diejenigen des Deutschen und des Apachen zweimal, und ebenso viele Feinde stürzten von den Pferden. Die anderen stockten einige Augenblicke. Sie wußten nicht, sollten sie fliehen oder den verborgenen Feind angreifen. Ratlos blickten sie ringsumher, bis sie endlich den Pulverdampf oben auf der Höhe gewahrten.

»Nlate tki – dort sind sie!« rief einer, mit der Hand empor deutend.

So kurz diese Pause war, die Unentschlossenheit der Wilden hatte den Weißen doch Zeit gegeben, schnell wieder zu laden. Ihre Schüsse krachten von neuem, und die Zahl der Gefallenen verdoppelte sich. Nun gab es für die wenigen Verschonten keinen Halt mehr. Sie rissen ihre Pferde herum und flohen im gestreckten Galopp davon.

»Der Komantsche ist ein Feigling!« meinte der Apache stolz und stieg langsam die Stellung nieder, um sich die Skalpe der vier von ihm erschossenen Feinde zu holen. Auch die anderen folgten, um sich der Waffen und reiterlosen Pferde zu bemächtigen. Nach einem kurzen Aufenthalt konnte der Weg wieder fortgesetzt werden.

»Nun werden wir für alle Zeiten sicher sein«, meinte Emma. – »Glauben Sie das nicht, Señorita!« sagte Helmers. – »Nicht? Ich dächte, die Lehre, die wir ihnen gegeben haben, sei hart genug!« – »Gerade deshalb werden sie auf Rache sinnen. Sehen Sie, daß der Apache da links hinüberblickt?« – »Ja. Was will er?« – »Dorthin führt die Fährte der beiden Späher, die gleich den anderen geflohen sind. Sie werden die übriggebliebenen treffen und uns folgen, bis sie wissen, wo wir sind und wo wir bleiben. Dann kehren sie um und holen genug Krieger, um die Hazienda zu überfallen.« – »Oh, die Hazienda ist fest. Sie ist eine kleine Festung.« – »Ich kenne diese Art von Meiereien oder Gutshöfen. Sie sind aus Stein gebaut und gewöhnlich mit Palisaden umgeben. Was aber hilft das gegen einen Feind, der unvermutet kommt?« – »Wir werden wachen.« – »Tun Sie das!« – »Und Sie mit. Ich will hoffen, daß Sie doch unser Gast sein werden!« – »Ich muß sehen, was Bärenherz dazu sagt. Von ihm kann ich mich nicht trennen.« – »Er wird bleiben!« – »Er ist ein Freund der Freiheit. Er hält es in einem Gebäude nie längere Zeit aus.« – »Oh«, lächelte sie, »ich sehe, daß er es aushalten wird.« – »Woher vermuten Sie das?« – »Aus den Blicken, mit denen er Karja betrachtet.« – »Ha! Sie beobachten richtig, wie ich auch schon bemerkt habe. Aber ich denke, die Indianerin liebt bereits den Grafen?« – »Gewiß. Bärenherz sollte mich dauern, wenn er sich hinreißen ließe.« – »Dauern? Pah! Er ist von einem eisenharten Stoff gemacht. Er wird nie um Liebe winseln und sich auch einer unerwiderten Neigung wegen nicht zu Tode jammern.« – »Aus welchem Stoff sind denn Sie gemacht?« neckte sie. – »Vielleicht aus demselben.« – »So würden auch Sie nicht jammern?« – »Nie!« – »Und doch habe ich gehört, daß der Deutsche ein Herz hat, wie kein anderer, so tief und so weich. Er soll sogar ein Herzenswort besitzen, das in keiner anderen Sprache vorkommt.« – »Sie meinen das Wort ›Gemüt‹? Ja, dieses Wort hat kein anderes Volk. Der Deutsche allein hat ein Gemüt und zugleich einen Charakter. Und ein Präriemann, mag er nun stammen von welchem Volk es nur immer sei, bettelt selbst um die Liebe nicht.« – »Das ist stolz!« – »Aber richtig. Das Weib, das ich liebe, soll mich auch achten. Aber bitte, wir bleiben zurück! Der Apache eilt, weil es vor allen Dingen gilt, einen sicheren Lagerplatz aufzusuchen, und das wollen wir ihm durch unser Zögern nicht erschweren.«

Es ging nun in munterer Schnelligkeit vorwärts, bis sie einen breiten Wasserlauf erreichten. Der Apache folgte demselben, bis das Flüßchen einen Bogen bildete. Hier hielt er an.

»Hier sicher?« fragte er Helmers in seiner kurzen Weise.

Der Gefragte musterte mit prüfendem Blick die Umgebung und nickte zustimmend.

»Hier ist‘s gut«, sagte er. »Von drei Seiten schützt uns der Fluß, und die andere können wir recht gut bewachen. Steigen wir also ab!«

Sie sprangen alle von den Pferden und richteten das Lager vor. Innerhalb des Dreiviertelkreises, den der Fluß bildete, und hart an dem Ufer desselben wurden die Pferde postiert; dann kam das Feuer, um das sich die Gesellschaft lagerte, und die vierte, die Landseite, wurde von Büschen abgeschlossen, in die man eine Wache legte.

Helmers richtete für Emma aus Zweigen und Laub ein weiches Lager vor; Bärenherz tat dasselbe für die Indianerin. Es war dies von seiten des Apachen eine ganz ungewöhnliche Auszeichnung, denn kein Wilder läßt sich herbei, eine Handreichung zu leisten, die die Frau oder das Mädchen selbst tun könnte.

Nachdem man die Ereignisse des Tages ausführlich besprochen hatte, wozu jedoch der Apache kein Wort sagte, legte man sich zur Ruhe.

Es war die Anordnung getroffen, daß ein jeder drei Viertelstunden wachen sollte. Bärenherz und Helmers hatten die letzten Wachen übernommen, da die Zeit kurz vor Beginn des Tages, in der die Wilden ihre Angriffe am liebsten zu unternehmen pflegen, die gefährlichste ist.

Doch verging die Nacht ohne alle Störung, und man brach am Morgen mit erneuten Kräften auf. Während des Weiterritts ließen sich die Komantschen nicht wieder sehen; man kam nach und nach in kultiviertere Gegenden und erreichte am Nachmittag das Ziel.