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Loe raamatut: «Winnetou 4», lehekülg 12

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Es war zum ersten Male, daß er aus sich herausging und in dieser Weise sprach. Ich wunderte mich keineswegs über das, was ich hörte. Er war ein stiller, hochbegabter junger Mann. Und er besaß die nötige Energie, auch Ungewöhnliches zu erreichen. Auf seinem schönen, ernsten Gesicht lag jetzt ein warmer, beinahe sonniger Schein, so köstlich lieb und sympathisch, wie er so oft die Züge meines herrlichen Winnetou durchgeistigt und umflossen hatte. Es kam mir vor, als sei der »junge Adler« in diesem Augenblick meinem unvergeßlichen roten Freund außerordentlich ähnlich geworden, fast wie Bruder und Bruder!

Als der letzte der achtzig Indianer verschwunden war, verließen wir unsern Lauscherposten. Doch kehrten wir nicht direkt nach oben zurück, sondern wir gingen zunächst nach dem vorderen Teil des Kessels, wo die Indsmen gewesen waren, und schritten den Platz ab, um nachzuschauen, ob aus ihren Spuren vielleicht etwas für uns Brauchbares zu lesen sei. Es gab nichts. Aber als ich schließlich noch einmal hinauf auf die Pulpit stieg, wo die Häuptlinge gesessen hatten, sah ich auf einer der Stufen, ganz im hintern Winkel derselben, einen Gegenstand liegen, der vor der Ankunft der Indianer sicher noch nicht dagelegen hatte, weil er sonst ganz bestimmt von mir bemerkt worden wäre. Ich hob diesen Gegenstand auf und betrachtete ihn. Es waren zwei kleine, niedliche Hundepfötchen, nicht etwa nur die Krallen, sondern die Pfötchen, glatt abgeschnitten und an den Schnittflächen mit Hirschsehne sehr sorgfältig zusammengenäht, so daß sie ein Doppelhändchen bildeten, dessen Finger nach entgegengesetzter Richtung lagen. Ich zeigte es dem »jungen Adler«.

»Eine Medizin!« rief er aus.

»Sehr wahrscheinlich! – Aber wessen Medizin?« fragte ich.

»Kiktahan Schonka!«

»Hoffen wir es! Aber wie konnte er sie verlieren? Medizinen pflegt man doch im verschlossenen Medizinbeutel zu tragen! Es sind Hundefüße, nicht vom Fuchs oder Wolf, und der Häuptling der Sioux heißt der ,wachende Hund‘. Ich zweifle also nicht, daß er es ist, der sie verloren hat. Aber wie war es möglich, daß dies geschah? Mein junger, roter Bruder, schaue nach!«

Ich gab sie ihm. Er betrachtete sie sehr aufmerksam, reichte sie mir dann zurück und antwortete:

»Diese Medizin hat nicht im Medizinbeutel gesteckt, sondern sie war an den Gürtel genäht. Man sieht sehr deutlich die Stiche. Sie ist losgerissen worden, als man den Häuptling am Lasso über die Stufen emporzog oder als man ihm wieder herunterhalf. Dieser Fund ist außerordentlich wichtig!«

»Allerdings, aber auch gefährlich. Wenn Kiktahan Schonka seinen Verlust bald bemerkt, kehrt er unbedingt nach hier zurück, um zu suchen. Bemerkt er ihn später, so weiß er freilich nicht genau, wo er die Medizin verloren hat, ob hier oder nachträglich unterwegs. Auf keinen Fall aber dürfen wir noch länger hier verweilen. Gehen wir!«

Ich steckte die Medizin sorgfältig ein. Dann verließen wir den Platz und stiegen nach unserem Lager empor. Wir waren von dort aus so scharf beobachtet worden, daß Pappermann wußte, daß wir kamen. Er brachte uns die Pferde, damit wir nicht nötig hätten, durch das Wasser des Weihers zu waten.

»Ist schnell gegangen, ungeheuer schnell!« sagte er. »Kommen sie wieder?«

»Nein, hoffentlich nicht,« antwortete ich.

»Sonderbar! Man pflegt sonst oft tagelang zu beraten! Warum sind sie so schnell fort? Und habt Ihr Etwas erlauscht?«

»Wartet, bis wir drin bei meiner Frau sind! Die will dasselbe wissen!«

Das war sehr richtig. Sie schaute uns, als wir kamen, so gespannt entgegen, daß ich es nicht über das Herz brachte, sie auch nur einen Augenblick warten zu lassen, sondern ihr sofort entgegenrief:

»Gelungen! Alles gelungen!«

»Wirklich – wirklich?« fragte sie.

»Ja.«

»So steig ab; setz dich her, und erzähle!«

Dabei setzte sie sich auch schon selbst nieder und klopfte mit der Hand auf die Stelle neben sich, wo ich als gehorsamer Ehemann mich schleunigst niederzulassen hatte. Ich befolgte diesen Befehl und gab dem »jungen Adler« einen Wink, nach der Höhe zu steigen und inzwischen Wache zu halten, damit ich, falls Kiktahan Schonka zurückkäme, es sofort erführe. ich machte meinen Bericht so kurz wie möglich. Als ich mit ihm zu Ende war, sprang das Herzle in ihrer energischen, schnell entschlossenen Weise wieder auf und rief:

»Also einpacken, einpacken! Wir müssen augenblicklich fort!«

Damit griff sie auch schon nach Kochtopf und Kaffeemühle. Ich aber blieb sitzen und fragte:

»Wohin?«

»Den beiden Enters nach!«

»Du allein?«

»Allein? – Ich? – Wieso?«

»Ja, wenn du fort willst, so mußt du das eben allein tun! Ich nämlich bleibe noch hier.«

»Was gibt es hier noch zu tun?«

»Nichts.«

»Und da willst du bleiben?« Sie war erstaunt. Sie wendete sich an Pappermann: »Nichts! Und doch will er bleiben! Versteht Ihr das, Mr. Pappermann?«

»Wenigstens noch nicht ganz,« antwortete dieser. »Aber wenn er noch warten will, so hat er seine Gründe, und gegen diese wird wohl nichts zu machen sein!«

»Gründe? Hm! Die hat er immer! Wenigstens ich habe ihn noch niemals ohne irgend einen Grund gesehen!«

»Taugten sie etwas, oder taugten sie nichts?« fragte der Alte.

»Hm! Triftig waren sie fast immer!«

»Na, also! Setzt Euch in Gottes Namen wieder nieder, und habt zu diesem Mann Vertrauen! Er weiß, was er will. Wir bleiben noch hier.

»Für wie lange?«

»Wahrscheinlich bis morgen früh.«

»Ist das wahr?« fragte sie mich.

»Ja,« nickte ich.

»So willst du also die beiden Enters laufenlassen?«

»Wenigstens für heut, aber nicht für länger. Ich kenne ja ihren Weg! Oder wünschest du, daß wir sie schon heut einholen und uns dann ganz unnütz mit ihnen schleppen? Ja, wir brauchen sie; sie werden in gewissen Dingen die Quellen sein, aus denen wir schöpfen; aber ich halte es trotzdem nicht für nötig, sie Tag und Nacht und immer und immer bei uns zu haben. Wenigstens mir wäre das lästig.«

»Mir auch. Du hast Recht.«

»Schön! Wir reiten also erst morgen früh. Es steht uns zu jeder Zeit frei, sie einzuholen.

Da war sie einverstanden. Wir brauchten nicht zu hetzen. Wir konnten uns in Muße auf den kommenden Ritt vorbereiten. Von den Indianern kam keiner zurück. Der »Wachende Hund« hatte also seinen Verlust noch nicht bemerkt. Wie groß dieser Verlust war, das weiß nur der zu ermessen, der über die Entstehung, die Bedeutung und den Wert einer indianischen »Medizin« unterrichtet ist. Die Folge wird zeigen, welche Wirkung das Abhandenkommen der beiden Hundepfötchen auf den alten Kiktahan Schonka äußerte.

Viertes Kapitel. Am Nugget-tsil

Wir hatten das »Ohr des Manitou« verlassen und waren nach den »Mugworthills« unterwegs. Aus meinem Buch »Winnetou« Band III Seite 481 ist zu ersehen, daß diese Mugworthills dieselbe Berggruppe sind, welche von Winnetou und seinem Vater mit dem Namen Nugget-tsil bezeichnet worden waren. Die beiden Brüder Enters wollten auch dorthin. Ich hatte den Weg, der ihnen vorgeschrieben worden war, erlauscht; ich kannte ihn also. Es gab einen noch kürzeren, den ich ebenso kannte. Den schlugen wir ein. Und da wir besser, viel besser beritten waren als sie, so kamen wir ihnen voraus, obgleich wir die Devils pulpit viel später als sie verlassen hatten. Wir brauchten sie also nicht mühsam einzuholen, wie wir erst gewollt hatten, sondern wir konnten, wann und wo es uns beliebte, auf sie warten, um sie zu uns stoßen zu lassen. Der Augenblick hierzu war am günstigsten, als wir den Gualpafluß erreichten, und zwar an der Stelle, an welcher ich damals nach Winnetous Tod auf Gates, Clay und Summer gestoßen war. Es gab da Wasser zum Trinken, Gras für die Pferde und ein weit ausgedehntes, dichtes Gebüsch, in welches wir uns zurückziehen konnten, um von Jemand, der da kam, nicht eher gesehen zu werden, als bis wir gesehen sein wollten. Es lag inmitten dieses Gesträuches eine kleine lichte Stelle, an der früher einmal ein Lagerfeuer gebrannt hatte. Die hierdurch vernichtete Vegetation hatte sich noch nicht wieder erneuert. Hier wurde das Zelt aufgeschlagen.

Während wir dies taten, bereitete uns meine Frau das Mittagsmahl. Der Bär reichte noch für lange. Außerdem hatten wir unterwegs eine Turkeyhenne und mehrere Präriehühner geschossen. Wir hatten also nicht nötig, uns den Braten erst hier an Ort und Stelle mühsam zu erjagen. Nach dem Essen ruhten wir, obgleich wir nicht ermüdet waren. Aber wir befanden uns hier im Gebiete der Komantschen und Kiowas und mußten alles vermeiden, was geeignet war, unsere Anwesenheit zu verraten.

Es war gegen Abend, als wir da, woher wir die Enters erwarteten, zwei Reiter erscheinen sahen. Sie näherten sich langsam. Ihre Pferde waren ermüdet. Als sie das Gebüsch beinahe erreicht hatten, erkannten wir das Brüderpaar. Sie waren ganz in der Weise der früheren, gefährlichen Zeit mit Messer, Revolver und Büchse bewaffnet. Da wir nicht aus derselben Richtung gekommen waren, sahen sie unsere Spuren nicht. Sie stiegen draußen vor den Büschen ab, ließen ihre Pferde trinken und suchten dürres Holz zu einem Feuer zusammen. Dieses Feuer wurde nicht hinter dem deckenden Gesträuch, sondern auch draußen im Freien angebrannt, so daß es dann, wenn es Abend wurde, weithin leuchten mußte. Das unsere war schon längst wieder ausgegangen. Da nicht nur sie, sondern auch wir durch dieses ihr Feuer verraten werden konnten, stand ich auf, um mich ihnen zu zeigen und sie zu warnen. Da fragte Pappermann:

»Darf ich mit? Möchte gar zu gern die Gesichter sehen, die sie machen, wenn sie Euch erkennen!«

»So kommt!«

Wir gingen hin, doch ich nicht ganz, sondern ich blieb hinter einem dichten Geäst stehen, um zunächst Pappermann allein an sie zu lassen. Er trat von hinten an sie heran und grüßte:

»Good day, Mesch‘schurs! Darf ich euch vielleicht fragen, ob ihr sofort skalpiert werden wollt oder es vorzieht, erst morgen oder übermorgen am Marterpfahle zu sterben?«

Sie sprangen beide erschrocken auf.

»Skalpiert? Von wem? Warum?« fragte Sebulon.

»Uns am Marterpfahl umbringen?« fragte Hariman. »Wer? Weshalb?«

»Die Comantschen und die Kiowas, welche behaupten, daß ihnen diese Gegend gehöre,« antwortete der alte Westmann. »Ihr brennt ja ein Feuer, als ob es ganz ausgerechnet eure Absicht sei, euch diese Halunken auf den Hals zu locken! Warum habt ihr euch nicht damit hinter die Büsche versteckt?«

»Weil wir weder die Kiowas noch die Comantschen zu fürchten haben,« erteilte Sebulon die Auskunft.

»So seid ihr also befreundet mit ihnen?«

»Wir sind Freunde aller Menschen, die uns begegnen, aller Roten und aller Weißen!«

»Well! So seid ihr also auch die meinigen! Ich habe die Angewohnheit, die Namen meiner Freunde wissen zu wollen. Darf ich bitten, mir die eurigen zu sagen?«

»Wir heißen Enters. Ich Sebulon Enters und mein Bruder Hariman Enters.«

»Danke! Aber weiter: Woher und wohin?«

»Wir kommen von Cansas City herüber und wollen nach dem Rio Grande del Norte. Wer aber seid Ihr?«

»Ich heiße Pappermann und komme aus Trinidad. Wohin ich will, weiß ich selbst noch nicht.«

Da machten Beide eine Bewegung der Überraschung, und Sebulon erkundigte sich schnell:

»Pappermann? Etwa Max Pappermann?«

»Ja. So habe ich stets geheißen, und so heiße ich leider noch.«

»Wie sich das trifft! Wir waren nämlich in Eurem Hotel. Wir hatten uns sogar da angemeldet.«

»Weiß nichts davon. Das Hotel ist nicht mehr mein.«

»Das hörten wir. Aber Ihr habt bis zu Eurer Abreise bei dem neuen Wirt gewohnt. Ein sehr einsilbiger und ungefälliger Mann! Wir wollten eine Auskunft haben, die er uns partout verweigerte. Wir mußten darum Andere fragen, die aber auch nichts wußten, wenigstens nichts Ausführliches. Vielleicht können wir von Euch erfahren, was wir wissen wollen.«

»Was ist das?«

»Es handelt sich um ein Ehepaar Burton, welches nach Trinidad ging, um in Euerm Hotel zu wohnen und dort auf uns Beide zu warten. Wir hörten bei unserer Ankunft, daß diese Personen zwar da gewesen seien, sich aber schon am nächsten Tage wieder entfernt hätten. Wohin, das konnte uns niemand sagen. Wißt Ihr vielleicht Etwas hierüber?«

»Hm! Ob ich Etwas weiß? Ihr seid mit dieser eurer Frage grad an den richtigen Mann gekommen.«

»Wirklich? Das ist uns lieb, sehr lieb! Also, wenn Ihr der richtige Mann seid, so sagt uns schnell, ob . . .«

Da unterbrach ihn Pappermann:

»Ich der richtige Mann? Das habe ich nicht gesagt.«

»Ihr nicht, wer denn sonst?«

»Dieser da!«

Er deutete auf mich, der ich jetzt hinter dem Gesträuch hervortrat, um diese Einleitung zu beenden, weil Pappermann in seiner Unbefangenheit leicht Etwas sagen konnte, was die Brüder nicht zu wissen brauchten. Meine Anwesenheit überraschte sie außerordentlich, doch nicht auf unangenehme Weise. Sie freuten sich, mich getroffen zu haben, mochten die Ursachen dieser Freude nun lautere sein oder nicht. Ich forderte sie auf, ihr Feuer augenblicklich auszulöschen und mit ihren Pferden zu uns ins Gebüsch zu kommen. Sie taten das. Meine Frau wurde von ihnen mit einer Höflichkeit begrüßt, welche von Hariman sehr wahrscheinlich eine wohlgemeinte war, von Sebulon aber nicht. Er gab sich zwar alle Mühe, einen guten Eindruck zu machen, aber sein Blick war dabei falsch, und sein Auge hatte, wenn er sich unbeobachtet wähnte, etwas Lauerndes, etwas zuwartend Drohendes, was mir und meiner Frau unmöglich entgehen konnte. Grad das Herzle besitzt für solche Dinge einen außerordentlich scharfen Sinn. Als wir gefragt wurden, warum wir nicht in Trinidad gewartet hätten, antwortete ich:

»Weil ich Veranlassung fand, auf eure Gesellschaft zu verzichten. Habe euch das wohl auch geschrieben. Ist der Brief in eure Hände gekommen?«

»Ja; der Wirt gab ihn uns, sobald wir kamen und unsere Namen nannten,« erwiderte Sebulon. »Ihr nennt in diesem Brief den Corner und den Howe unsere Freunde. Wir weisen das ganz entschieden zurück. Wir haben als Pferdehändler geschäftlich mit ihnen zu tun gehabt, sie aber, als wir sie näher kennenlernten, sofort fallen lassen; sie sind nicht ehrlich. Aber wie kommt Ihr dazu, diese ihre Unehrlichkeit grad uns aufzuladen? Darf ich fragen, wohin Ihr Euch von Trinidad aus gewendet habt?«

Da fiel das Herzle schnell ein:

»Auf die Bärenjagd!«

Das war eine ebenso kurze wie vortreffliche Antwort, durch welche wir allen Fragen in Beziehung auf die Devils pulpit entgingen.

»Seid Ihr glücklich gewesen?« erkundigte er sich.

»Ja,« antwortete ich. »Es gibt bei uns nun Bärenschinken. Die Tatzen werden aber erst am Tavuntsit-Payah angeschnitten.«

»Am Tavuntsit-Payah?« fragte er rasch, indem er seinem Bruder einen sehr befriedigten Blick zuwarf. »Kennt Ihr den?«

»Ja. Von früher her.«

»Wir wollen auch hin!«

»Auch ihr? Weshalb?«

»Auf Wunsch der Sioux- und Utahhäuptlinge.«

»Ah! So habt ihr sie getroffen?«

»Ja.«

»An der Devils pulpit?«

»Ja. Schade, daß ihr fort waret! Wir hätten euch so gern mitgenommen!«

»Es ist nicht schade darum. Ich hätte mich doch nicht sehen lassen dürfen!«

»Aber es wäre Euch möglich gewesen, die Sache von fern mit anzusehen oder vielleicht gar einiges zu belauschen.«

»Wozu das? Ich hoffe, jetzt von Euch zu erfahren, was sich zugetragen hat und was da Alles besprochen worden ist.«

»Soll ich erzählen?«

»Ja. Ich bitte darum.«

Er begann seinen Bericht. Er nannte uns die Namen der beiden Oberhäuptlinge. Er machte aus den achtzig Indianern, die es gewesen waren, volle vierhundert. Er verwandelte die paar Stunden ihres Aufenthaltes in drei Tage. Er sprach von außerordentlich wichtigen Verhandlungen, denen er mit seinem Bruder beigewohnt habe. Und er stellte das Alles so dar, als ob sie Beide die Hauptpersonen gewesen und mit ganz besonderen Ehren überhäuft worden seien. Besonders ihren Abschied von den Roten schilderte er als einen sehr freundschaftlichen. Kiktahan Schonka und Tusahga Saritsch seien, als sie fortritten, zwei-, dreimal wieder umgekehrt, um ihnen noch einmal die Hand zu drücken.

»So sind die Roten also eher fort als ihr?« fragte ich.

»Ja«, antwortete er.

»Wohin?«

»Das ist ein tiefes Geheimnis, welches wir um keinen Preis verraten sollen. Euch aber will ich es sagen, damit Ihr erkennt, wie gut und wie ehrlich wir es mit Euch meinen. Sie sind nach einem Ort, den sie Pa-wiconte nennen. Ist er Euch vielleicht bekannt?«

»Ja. Es ist ein Wasser. Oder nicht?«

»Doch. Man hat uns den Weg dorthin genau beschrieben. So sollt also auch ihr hin?«

»Allerdings. Wir sollen dort den ganzen Feldzugsplan gegen die Apatschen und ihre Verbündeten erfahren.

Ihr seht, wie unendlich wichtig das für Euch ist. Wünscht Ihr, daß wir das, was wir dort erfahren, Euch mitteilen?«

»Selbstverständlich!«

»Wir sind bereit, es zu tun, und hoffen dabei auf Eure Dankbarkeit.«

»Ihr werdet ernten, was ihr säet.«

»Ist dieses Pa-wiconte, dieses ,Wasser des Todes‘, sehr weit entfernt von dem ,dunkeln Wasser‘, in dem unser Vater starb?«

»Wenn ich mich recht erinnere, liegen beide gar nicht weit auseinander. Sobald ich hinkomme, werde ich besser im Bilde sein als jetzt.«

Es wäre nicht klug gewesen, ihm zu sagen, daß unter den beiden verschiedenen Namen ein und derselbe See zu verstehen sei.

»Ah! Ihr habt also die Absicht, selbst auch mit hinzukommen?« fragte er.

»Gewiß. Oder ist Euch das nicht recht?«

Der Blick, den er jetzt seinem Bruder zuwarf, war ein triumphierender. Er war entzückt darüber, daß ich seinen Plänen so ahnungslos entgegenkam, während er doch derjenige war, dem jede Ahnung fehlte.

»Uns nicht recht?« rief er aus. »Welchen Grund hätten wir dazu? Wir sind Eure Freunde. Wir haben Euch liebgewonnen. Wir möchten uns am liebsten nie wieder von Euch trennen. Wir nehmen Euch unendlich gern mit nach dem ,Wasser des Todes‘. Doch setzen wir voraus, daß Ihr uns dafür den ,Nugget-tsil‘ und das ,dunkle Wasser‘ zeigt.«

»Das werde ich tun. Wie aber kommt es, daß Kiktahan Schonka euch nicht gleich mitgenommen hat? Warum schickt er euch nach dem Tavuntsit-Payah?«

»Um die Squaws der Sioux zu beobachten, die nach diesem Orte geritten sind, und ihm dann Bericht hierüber zu erstatten. Er hat uns den Weg genau beschrieben. Nach dieser Beschreibung können es von hier bis hin nur noch zwei Tage sein?«

»Das stimmt. Und nun bitte ich nur noch um eins; dann bin ich zufriedengestellt. Nämlich, es ist doch eigentlich sehr auffällig, daß Ihr Euch an mich gewendet habt, um zu erfahren, wo der ,Nugget-tsil‘ und das ,dunkle Wasser‘ liegen. Es erscheint als fast unglaublich, daß Ihr diese beiden Orte nicht schon längst gefunden habt. Ihr brauchtet Euch in Beziehung auf den Nugget-tsil nur bei den Kiowas zu erkundigen, bei ihrem Häuptling Tangua und seinem Sohn Pida. Und in Beziehung auf das ,dunkle Wasser‘ war es doch wohl nicht unmöglich, einen der Apatschen zu finden, die damals mit mir dort gewesen sind.«

»Das klingt nur so leicht, ist es aber nicht«, entgegnete er. »Ich bin bei den Kiowas gewesen. Der alte Tangua war wohl bereit, mir Auskunft zu erteilen, aber Pida, sein Sohn, hinderte ihn daran; warum, das weiß ich nicht. Und unter all den Apatschen, die ich nach dem ,dunklen Wasser‘ fragte, hat es keinen einzigen gegeben, der mich nicht sofort als Feind betrachtete und mit Mißtrauen von sich wies. Sie sind unendlich vorsichtig, diese Halunken!«

»Diese Halunken sind meine Freunde, Mr. Enters. Beliebt es Euch, nur noch ein einziges Mal ein solches Wort zu gebrauchen, so sind wir geschiedene Leute! Meine Frau mag jetzt das Abendessen bereiten. Ist das vorüber, legen wir uns schlafen. Und morgen früh bei Tagesanbruch verlassen wir diese Stelle, um nach dem Tavuntsit-Payah zu reiten. Ist euch das recht?«

»Ja. Doch werden wir unser Lager aber nicht hier, sondern ein wenig nach der Seite suchen. Wir sind arge Schnarcher, und es ist eine Lady hier, die wir nicht belästigen wollen.«

Das war eine sehr durchsichtige Ausrede. Sie wollten allein sein, um ungestört sprechen zu können. Sogleich kam mir der Gedanke, sie dabei zu belauschen; aber ich verzichtete darauf, ihn auszufahren. Was ich wissen wollte, konnte ich auf direktere und leichtere Weise erfahren, als durch das unbequeme Anschleichen und immerwährende Horchen und Lauschen nach allen Seiten, welches anstrengender ist, als man glaubt.

Die soeben berichtete Unterhaltung war nur zwischen mir und Sebulon Enters geführt worden. Sein Bruder Hariman hatte kein einziges Wort dazu beigetragen. Es schien, als ob die Beiden miteinander uneinig seien, und zwar in nicht gewöhnlichem Grad. Sie vermieden, einander anzusehen oder doch ihre Blicke einander begegnen zu lassen.

Ganz ebenso still hatte sich der »junge Adler« verhalten. Er tat so, als ob die Brüder gar nicht anwesend seien. Das eröffnete keine allzu freundliche Perspektive auf unser Zusammensein mit ihnen. Sie sonderten sich so, wie Sebulon gesagt hatte, nach dem Abendessen von uns ab und kamen erst am frühen Morgen wieder, als der Duft des Kaffees ihnen verriet, daß auch wir schon munter seien. Als die Sonne erschien, war das Zelt abgebrochen, und der Weiterritt konnte beginnen. Hierbei fiel uns erst auf, daß jeder von ihnen einen sogenannten Stockspaten am Sattel hängen hatte. Als Pappermann sah, daß meine Augen verwundert an diesen Werkzeugen hingen, fragte er die Brüder:

»Ihr habt euch mit Spaten versehen. Wollt ihr Schätze graben?«

»Vielleicht«, antwortete Sebulon mit einer Betonung, welche Pfiffigkeit bedeuten sollte.

»Aber was für welche?«

»Weiß ich noch nicht. jedenfalls haben wir Werkzeuge zum Graben, wenn wir welche brauchen. Kiktahan Schonka hat uns kein Geld versprochen, sondern Beute, Waren, Pferde und ähnliche Dinge. Auch Metalle, also Silber, Kupfer oder gar Gold. Daß es sich da um Bonanzen oder Diggins handelt, die wir erst untersuchen müssen, versteht sich ganz von selbst! Darum haben wir die Spaten mit!«

Dieser Mann hatte, wie man sich vulgär auszudrücken pflegt, »große Rosinen im Kopf«. Und bei aller seiner Einbildung stand ihm der Gedanke fern, daß er nur ein Werkzeug war, welches später, wenn man es nicht mehr brauchte, weggeworfen werden sollte.

Wir ritten heut genau denselben Weg, den ich damals mit Gates, Clay und Summer geritten war. Und am Abend lagerten wir an derselben Stelle der offenen Prärie, wo wir damals geschlafen hatten. Wir machten kein Feuer. Am andern Morgen sagte ich den beiden Enters, daß wir gegen Mittag den Tavuntsit-Payah erreichen würden. Den Namen Mugworthill hütete ich mich sehr, auszusprechen. Er steht in meiner Schilderung, welche sie gelesen hatten. Sie kannten ihn also und hätten sofort gewußt, daß es sich um den Nugget-tsil handele. Das aber sollten sie, wenigstens jetzt, vorher noch nicht erfahren. Zu meiner Verwunderung wurde ich von Sebulon gefragt:

»Kennt Ihr diesen Berg nur von weitem, nur vom Hörensagen, Mr. Burton, oder seid Ihr selbst schon dort gewesen?«

»Schon wiederholt war ich dort«, antwortete ich.

»Es sollen einige Gräber dort sein. Drei oder vier. Ist das wahr?«

»Zwei habe ich gesehen, die andern nicht. Wer mag wohl da begraben sein?«

»Einige Häuptlinge der Kiowas.«

»Wirklich?«

»Ja. Das wurde mir von einem erzählt, der auch schon öfters dort gewesen ist.«

»Wir werden an den beiden Gräbern, die ich gesehen habe, lagern. Es ist das der beste Platz dazu.«

Während dieses Vormittages war meine Frau sehr nachdenklich. Wir nahten uns einem Ort, der für sie von einem nicht nur großen, sondern auch heiligen Interesse war. Sie hält das Andenken an die schöne Schwester Winnetous hoch, sehr hoch. Sie hatte wohl oft schon gesagt, daß sie herzlich wünsche, wenigstens das Grab der schönen, lieben Indianerin einmal zu sehen. Dabei war sie aber stets überzeugt gewesen, daß sie niemals nach Amerika kommen werde. Und nun war sie doch drüben, und die Erfüllung ihres Wunsches stand bevor.

Auch der »junge Adler« schien sich mit ernsten Gedanken zu tragen. Bezogen sie sich etwa auf mich? Er sah mich zuweilen so eigentümlich prüfend an, senkte aber schnell den Blick, wenn der meinige ihn dabei überraschte.

Die beiden Enters kamen uns dreien nicht zu nahe. Sie hielten sich hinter uns zu Pappermann, der heut sehr genau wußte, was er ihnen sagen durfte und was nicht. Ich hatte ihn gestern abend vor dem Schlafengehen genau instruiert.

Es war noch nicht Mittag, als die Berge im Süden auftauchten. Sie wurden um so höher, je näher wir kamen. Auf ihrer höchsten, bewaldeten Kuppe stand noch immer jener Baum, der über alle andern emporragte. Auch dem Herzle fiel er auf.

»Wie das so stimmt!« sagte sie. »Nicht wahr, da hinauf hatte Winnetou seinen Späher geschickt?«

»Ja«, nickte ich.

»Sag, wie ist es dir nur zumute? Ich möchte weinen. Du nicht auch?«

Ich antwortete nicht.

Wir umritten die dunklen Höhen auf ihrer westlichen Seite und bogen dann im Süden nach links ein, um an das tief hineinführende Tal zu kommen, welches meine Leser alle kennen. Diesem folgten wir bis an die betreffende Seitenschlucht, die uns weiter hinaufleitete und dann sich teilte. Da stiegen wir ab und kletterten, die Pferde an den Zügeln führend, zu der scharfkantigen Höhe empor, hinter welcher das Terrain sich wieder senkte. Dann ging es jenseits hinab und in gerader Richtung durch den Wald, bis wir unser Ziel erreichten. Da standen sie beide, das Grabmal, in welchem Intschu tschuna, der Vater meines Winnetou, hoch auf dem Rücken seines Pferdes saß, und die Steinpyramide, aus welcher der Baum zur Höhe stieg, an dessen Stamm Nscho-tschi zur Ruhe bestattet worden war. Ich hielt an. Es überkam mich ein Gefühl, als ob ich erst gestern zum letzten Mal hier gewesen sei. Die Bäume waren höher geworden und das Unterholz etwas dichter. Sonst aber schien es, als ob die tiefe, ergreifende Ruhe dieses Ortes Jahrzehnte lang von keinem Windeshauch gestört worden sei.

»Da liegen die Häuptlinge der Kiowas«, sagte Sebulon Enters. »Wir sind also an Ort und Stelle. Bleiben wir heute da?«

»Ja. Vielleicht auch morgen noch«, antwortete ich.

»Schaffe die Beiden wenigstens einstweilen fort!« bat meine Frau leise. »Sie sollen mir diese erste Stunde nicht verderben!«

Schon wollte ich ihr diesen Wunsch erfüllen, da kam Sebulon mir zuvor:

»Soll ich vielleicht mit meinem Bruder gehen, um einen frischen Braten zu schießen? Oder gibt es gleich jetzt die versprochenen Bärentatzen?«

»Ja, geht und versucht, ob ihr irgend etwas vor das Rohr bekommt!« fiel Klärchen schnell ein. »Ihr habt mehrere Stunden lang Zeit. Wir essen erst am Nachmittag.«

Sie entfernten sich. Ich schlug mit Pappermann das Zelt auf. Der brave Alte vermied dabei soviel wie möglich alles Geräusch. Er sah, .daß das Herzle am Grab der Schwester kniete und betete. Ich darf es wohl verraten: sie betet oft und gern. Dann kam sie zu dem Grab des Häuptlings. Am Fuß desselben, genau an der Westseite, gab es eine kleine, etwas eingesunkene Stelle, die aber auch, wie ihre Umgebung, mit moosigem Gras überwachsen war.

»Hier hast du wohl damals gegraben?« fragte sie.

»Ja«, antwortete ich. »Ich habe das Loch zwar sehr sorgfältig wieder geschlossen, aber während des Grabens ist doch soviel Erde verlorengegangen, daß sie später fehlte, als die Füllung sich nach und nach setzte. Daher diese Vertiefung.«

»Die aber auch andere auf den Gedanken bringen kann, nachzugraben! »

»Mögen sie es tun! Sie würden wohl nichts finden.«

»Ich bitte dich, das nicht so sicher zu sagen. Ich habe nämlich einen Gedanken.«

»Ah! Wirklich?«

»Ja, wirklich! Und zwar nicht erst jetzt, sondern schon während des ganzen Vormittags.«

»Du schienst allerdings sehr nachdenklich zu sein. War es das?«

»Ja, nichts Anderes.«

»So bitte, laß es mich wissen!«

Ich bin nämlich gewohnt, die Gedanken und Gefühle meiner Frau in allen Stücken mit in Erwägung zu ziehen. Ihr angeborener Scharfsinn kommt mir oft zu Hilfe, während mein mühsam erworbener Scharfblick mich in die Irre führt. Ich gebe gern zu, daß die Frau dem Mann in Beziehung auf die feineren Instinkte überlegen ist. Darum freue ich mich immer, wenn die meinige mir sagt, daß sie einen »Gedanken« oder eine »Ahnung« habe, denn ich weiß, daß es mir zur Hilfe dient. So auch jetzt. Sie antwortete:

»Je näher wir heut diesen Bergen kamen, desto deutlicher und zusammenhängender trat Alles, was du von ihnen erzählt hast, vor mich hin. Und da kam mir ein Wort in den Sinn, welches nicht wieder weichen wollte. Winnetou hat es zu dir gesagt, und zwar wiederholt. Weißt du noch, wie er das Gold, die Nuggets, zu nennen pflegte?«

»Meinst du etwa deadly dust?«

»Ja, deadly dust Noch ganz kurz vor seinem Tod, als er mit dir von seinem Testament sprach, hat er zu dir gesagt, daß du zu Besserem bestimmt seist, als nur um Gold zu besitzen. Und dennoch grubst du hier am Grab seines Vaters nur nach Gold, nach weiter nichts. War das nicht ein Fehler, lieber Mann?«

»Ich glaube nicht. Das Gold, welches hier vergraben lag, war nicht für mich, sondern sehr wahrscheinlich für wohltätige, edle Zwecke.«

»Sollte es wirklich nichts, gar nichts gegeben haben, was persönlich für dich, seinen besten Freund und Bruder, bestimmt war? Und sollte Winnetou, der Weitsehende und Hochdenkende, grad bei Abfassung seines Testamentes vergessen haben, daß man auch für »wohltätiger edle Zwecke« noch weit Besseres geben kann als nur Gold und immer wieder nur Gold? Bitte, überlege doch!«

»Hm! Weißt du, Herzle, was du da sagst, ist richtig, unzweifelhaft richtig. Ich habe zwar die Ausrede, daß ich damals nur unter Lebensgefahr und in größter Eile nachsuchen konnte, aber das ist doch nicht geeignet, mich zu entschuldigen. Ich hatte ja später jahrelang Zeit, die versäumte Umsicht nachzuholen. Daran habe ich aber gar nicht gedacht – niemals, niemals.«

»Ich auch nicht. Ich habe mir also ganz dieselbe Gedankenlosigkeit vorzuwerfen, wie du dir. Willst du mir einen Wunsch erfüllen?«

»Welchen?«

»Noch einmal nachzugraben? Aber besser, sorgfältiger und tiefer als damals?«

»Gern – sehr gern.«

»Ich glaube nämlich, wir finden noch Etwas, und zwar die Hauptsache. Die Goldanweisung lag nur zum Schutz des eigentlichen, wirklichen Schatzes oben darauf!«

»Wie du das sagst! Als ob du es ganz genau wüßtest!«

»Ich weiß es nicht, aber ich fühle es. Winnetou war abgeklärter und größer als damals du, lieber Mann. Sein eigentlicher, sein unschätzbarster Wert lag nicht im Umgang mit dir, lag überhaupt nicht in deiner Nähe. Wir haben doppelt nachzugraben, nämlich hier, an der Gruft seines Vaters, und sodann ebenso in deiner Erinnerung. Da werden wir gewiß keinen deadly dust finden, wohl aber Perlen und Edelsteine, die aus tiefen, seelischen Bonanzen stammen. Wollen wir nicht gleich beginnen? Es paßt so gut, weil die beiden Enters abwesend sind.«

Vanusepiirang:
12+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
30 august 2016
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