Loe raamatut: «Kunstprojekt (Mumin-)Buch», lehekülg 10

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3.2.3. Zusammenfassung

Aufführungen, die dergestalt dichotomische Begriffspaare missglücken, Gegensätze in sich zusammenfallen lassen, konstituieren eine Wirklichkeit, in der das eine zugleich als das andere erscheinen kann, eine Wirklichkeit der Instabilität, der Unschärfen, Vieldeutigkeiten, Übergänge, Entgrenzungen.1

Die Worte Fischer-Lichtes resümieren die Quintessenz der Untersuchung pointiert. Exakt dies wird in der Erzählung immer wieder problematisiert. Zu Beginn auf einer gänzlich stofflichen Ebene bei der schockierenden Begegnung mit dem Theater als Raum, das die Figuren als ein einziges, furchteinflössendes Blendwerk kennenlernen. Auf einer poetologischen Ebene hat sich Pappan als Dramatiker zu beweisen. Als Dramatiker ist er einer antiken Programmatik verpflichtet, die es erst zu erlernen gilt. Damit steht die Autorfigur im krassen Gegensatz zum Originalgenie, das in Muminpappans memoarer präsentiert wird. Der Schreibakt wird extrem gerafft geschildert. Bis zum Schluss offenbart sich der genaue Inhalt nur sehr vage. Das geschriebene Stück ist von Anfang an „nur“ die schriftliche Vorlage für dessen effektvolle Inszenierung. Mit der Theateraufführung wird ausserdem ein Medienwechsel inszeniert, ja regelrecht gesucht.

Diese performative Ebene ist es, die in diesem Buch im Mittelpunkt steht. Mit anderen Worten die Schreibszene ist im wahrsten Sinne des Wortes eine „Szene“: Die Produktion von Literatur, von Fiktion, wird auf einer Bühne dargestellt. Auch bei der Inszenierung lassen Illusionsbrüche die Grenze zwischen Theater und Realität einstürzen, indem die Schauspieler aus der Rolle fallen und Zuschauer umgekehrt unvermittelt Teil des Theaters werden. Aber auch auf eine körperliche Art und Weise werden diese Grenzen immer wieder überquert. Der Bühnenrand als Grenze wird wiederholt physisch überschritten, von Zuschauern wie auch von Schauspielern. Auch wird der Zusammenbruch der Illusion sowohl bei der Generalprobe als auch bei der Premiere durch den Löwen dargestellt, der auf der Bühne auseinander bricht. Die ständigen Illusionsbrüche und das Chaos, welches diese verursachen, verunmöglichen bei der Generalprobe wie auch bei der Premiere, dass das Stück zu Ende gespielt werden kann. Somit ist das Stück im Stück ein Stück über dessen Scheitern, über das Scheitern der Fiktion. Spannend sind die beiden Aufführungen jedoch aufgrund des Perspektivenwechsels, durch den der Leser das Geschehen einmal aus dem Blickwinkel der Schauspieler, einmal aus dem Blickwinkel der Zuschauer betrachten kann. Auf diese Art eröffnen sich zwei Versionen des Theaterstücks, so Westin.2 Dadurch erhält der Akt der Aufführung eine enorme Dynamik.

3.3. Pappan och havet

In Pappan och havet wird ein Schreibprozess dargestellt, der sich von den bereits präsentierten vor allem dadurch abhebt, dass das geplante Werk nicht fertiggestellt wird. Er entspringt einem Beziehungskonflikt mit Mamman, die nicht zu schreiben, sondern zu malen beginnt. Der Schreibprozess ist also ebenfalls Teil einer Schrift-Bild-Dichotomie, die in Pappan och havet verhandelt wird. Vor allem aber ist es das Muminbuch, welches erstmals schonungslos einen Blick in die seelischen Abgründe der einzelnen Figuren offenbart. „Aus der glücklichen Familie der früheren Muminbücher wird eine Familie in der Krise“, fasst Agneta Rehal-Johansson die Handlung des siebten Muminbuchs in wenigen Worten zusammen.1 Durch das gewählte Setting (eine abgelegene Insel) und das massiv reduzierte Figurenkabinett treten die psychologischen Krisen der einzelnen Figuren besonders deutlich in den Vordergrund: Pappan hadert mit seiner Position als Familienoberhaupt und findet sich in einer tiefen Sinnkrise wieder, Mamman stürzt durch Heimweh in eine Depression und Mumintrollet durchlebt den aufwühlenden Ablösungsprozess von seinen Eltern. Mit diesen Charakteristiken trägt dieses Muminbuch deutliche Züge des psychologischen (Kinder)Romans, für den ein starker Fokus auf die innere Geschehenslinie und eine entsprechend handlungsarm gestaltete äussere Geschehenslinie kennzeichnend sind.2

Für die Figuren bietet im weitesten Sinn Kreativität einen Lösungsweg, wie Druker feststellt: „Reacting to this experience with creativity, the characters both reveal and assuage their symptoms.“3 Besagter Blick ins Innere der Figuren wird in Pappans Fall durch das Buchmedium möglich, welches ihm als Plattform dient, seine Emotionen zu verarbeiten und sich aus seiner Krise „herauszuschreiben“. Angesichts seiner unterschiedlichen schriftstellerischen Tätigkeiten in vorherigen Muminbüchern erstaunt die Wahl dieses Ausdrucksmittels nicht. Zudem ist das Verfassen von Briefen und Tagebüchern ebenso typischer Inhalt des psychologischen (Kinder)Romans wie auch das literarische Schreiben „zur Problemlösung und Selbsterkenntnis.“4 Pappans Autorschaft wird in einem ersten Schritt zur Figur des Leuchtturmwärters in Beziehung gesetzt. In einem zweiten Schritt wird untersucht, welche Handlungen, Denk- und Arbeitsweisen gezeigt werden, die mit einem dezidiert wissenschaftlichen Wirken in Verbindung gebracht werden können.

3.3.1. Schrift in der Krise

Pappan zweifelt im Zuge einer Midlife-Crisis an seiner Stellung innerhalb der Familie. Der von ihm provozierte Umzug auf die Insel sollte eigentlich Abhilfe schaffen. Doch das Gegenteil tritt ein. Zahlreiche Versuche, seine Familie zu beeindrucken und sich als Ernährer und Beschützer der Familie zu zeigen, scheitern. Stattdessen spitzt sich die Situation in einer unaufhörlichen Negativspirale stetig zu. Sinnbildlich für seine Misere ist das Licht des Leuchtturms, das neue Zuhause der Muminfamilie, welches er nicht entfachen kann. In diesem Sinne wird der Leuchtturmwärter zu einem Vorbild, dessen Position er nicht einnehmen kann. Auch nicht, wenn er den Hut des vermeintlich abwesenden Leuchtturmwärters aufsetzt. Ein Akt, der frappant an die Verkleidungen in Farlig midsommar erinnert.

Während die Charaktere fest von der Abwesenheit des Leuchtturmwärters überzeugt sind, wird dem Leser rasch klar, dass er in der Figur des kruden Fischers tatsächlich ständig präsent ist, ja die Ereignisse zu einem gewissen Grad sogar steuert, indem er etwa den Schlüssel für den Leuchtturm erst versteckt und ihn dann wieder bereitlegt. Anwesend ist er jedoch ebenfalls durch Schriftzeichen, die Pappan während eines erneuten erfolglosen Versuchs, das Licht des Leuchtturms zu entfachen, an der Wand entdeckt. Es handelt sich dabei um ein Gedicht, dessen Sinn er jedoch nicht ausmachen kann:

Det är så tomt på havet/där över månen står/där gingo inga segel/på fyra långa år.[…] Längst upp hade han varit gladare och skrivit: Ostlig vind och käringträta slutar vanligtvis med väta. Pappan började krypa runt väggarna och leta efter fyrvaktarens funderingar. Där fanns en massa anteckningar om vindstyrkan, den kraftigaste stormen hade varit uppe i tio beaufort vid sydvästlig vind. På ett annat ställe hade fyrvaktaren skrivit en vers igen men den var överstruken med många svarta streck. Det enda pappan kunde urskilja var nånting om fåglar. (PH 85)

„Es scheint herab der Mond/aufs Meer und das ist leer. /Vier lange Jahre gingen / hier keine Segel mehr.“[…] Weiter oben an der Wand war der Leuchtturmwärter besserer Laune gewesen und hatte geschrieben: „Weiberzank und Wind aus Ost / endet meist bei Sturm und Most.“ Jetzt begann der Muminvater die Wände gründlich nach den Überlegungen des Leuchtturmwärters abzusuchen. Er fand viele Notizen über die Windstärke, der stärkste Sturm hatte bei südwestlichem Wind die Windstärke zehn erreicht. An einer anderen Stelle hatte der Leuchtturmwärter einen weiteren Vers geschrieben, der aber mehrmals schwarz durchgestrichen war. Das Einzige, was der Muminvater noch davon entziffern konnte, war etwas über Vögel. (MWI 96ff)

Pappan ist sofort klar, dass es Aufzeichnungen des Leuchtturmwärters sind. „Fyrvaktaren sitter fast i väggarna där uppe.“ (PH 87) „Dort oben sitzt der Leuchtturmwärter in den Wänden.“ (MWI 99), resümiert er für sich. Die Notate sind sowohl wissenschaftlicher wie auch poetischer Art. So finden sich Aufzeichnungen über Windstärken neben Gedichten. Trotz ihrer Unverständlichkeit üben sie auf Pappan eine enorme Faszination aus und wecken das Interesse am Leuchtturmwärter. Pappans Autorschaft ist eng an die Figur des Leuchtturmwärters gebunden. Als er in ein Heft zu schreiben beginnt, entdeckt er wiederum Aufzeichnungen des Leuchtturmwärters. Das Heft wurde bereits von ihm benutzt. Pappan beschliesst kurzerhand, von der anderen Seite her mit seinen Notaten anzufangen. So entsteht ein polyphoner Text, respektive das Heft wird zum Raum, der dem Leuchtturmwärter und Pappan via Schrift eine Art Interaktion ermöglicht.

Pappans Schreibprojekt resultiert aus seinem wiederholten Scheitern als Familienoberhaupt. Trotz zahlreicher Versuche, seine Familie zu beeindrucken, reüssiert er nicht. Um dies zu vertuschen, flüchtet er sich in andere Arbeiten unterschiedlichster Art. Am Tiefpunkt angelangt, entdeckt er auf dem Heimweg einen Gumpen, ein willkommenes Untersuchungsobjekt, dem er seine Zeit von nun an zu widmen gedenkt: „Jag kommer att göra mycket noggranna undersökningar.“ (PH 71) „,Ich werde sehr gründliche Untersuchungen anstellen.‘“ (MWI 82), verkündet er mit grosser Freude. Der Gumpen wird schliesslich zur Projektionsfläche seiner Probleme, deren Hintergründe er nicht versteht. Aus dieser Verzweiflung heraus entwickelt sich schliesslich die Idee, eine Abhandlung darüber zu verfassen. In Westins Worten: „Hans vilja till orden växer genom ett sökande efter en skrift som kan tydliggöra de sammanhang (havets hemligheter) som han inte förstår.“ „Sein Wille zu Worten wächst durch die Suche nach einer Schrift, die ihm die Zusammenhänge verdeutlichen kann, die er nicht versteht (die Geheimnisse des Meeres).“1 Durch diese Arbeit sollen alle seine offenen Fragen geklärt, respektive seine Probleme gelöst werden. Die erste konkrete Äusserung Pappans zum Plan einer Niederschrift seiner Untersuchungen ist inspiriert durch Mammans Fund einer Muschel, die das Meer auf geheimnisvolle Weise zutage bringt: „Du förstår, det är såna här saker som jag ska fundera ut och kanske göra en avhandling om. Allt som har med havet att göra, det riktiga stora havet. Jag måste komma underfund med havet.“ (PH 119) „,Weisst du, das sind die Dinge, die ich mir klarmachen und über die ich vielleicht eine Abhandlung schreiben möchte. Alles, was mit dem Meer zu tun hat, mit dem richtig grossen Meer. Ich muss hinter das Geheimnis des Meeres kommen.‘“ (MWI 135), erklärt er Mamman. Tatsächlich beginnt er, zu schreiben. Schriftträger ist das oben erwähnte Heft, in das der Leuchtturmwärter ebenfalls bereits geschrieben hat.

Pappan utvecklade teorier om ett djupt hål som ledde till jordens medelpunkt, han fantiserade om en utslocknad krater. Till slut började han skriva ner sina funderingar i ett gammalt vaxdukshäfte som han hittade på vinden. Några sidor av häftet var upptagna av fyrvaktarens antecknigar, små ord med långa mellanrum, de såg ut som en spindel hade kravlat över papperet. Vågen är ensam, månen står i sjunde huset, läste pappan. Saturnus möter Mars. Kanske fyrvaktaren i alla fall hade haft gäster på ön. Det hade säkert piggat upp honom. Men resten var mest siffror. Pappan förstod dem inte. Han vände på vaxdukshäftet och började skriva i andra ändan.[…] Han kunde skriva: Havsströmmarna är en märklig och underbar sak som man inte har ägnat nog uppmärksamhet, eller: Vågrörelsen är något som alltid kommer att uppväcka vår förundran…och så lät han häftet sjunka och tappade bort sig i förnimmande. (PH 122f)

Der Muminvater entwickelte Theorien über ein tiefes Loch, das bis zum Mittelpunkt der Erde reichte, er malte sich einen erloschenen Krater aus. Schliesslich fing er an seine Gedanken in ein altes Wachstuchheft zu schreiben, das er auf dem Dachboden gefunden hatte. Ein paar Seiten im Heft waren vom Leuchtturmwärter voll geschrieben, kleine Wörter mit grossen Abständen, sie sahen aus, als wäre eine Spinne übers Papier gekrabbelt. „Die Waage steht allein, der Mond im siebten Haus“, las der Muminvater. „Saturnus trifft Mars.“ Vielleicht hatte der Leuchtturmwärter trotz allem Besuch auf der Insel gehabt. Das hatte ihm sicher gut getan. Der Rest bestand jedoch vor allem aus Zahlen, die der Muminvater nicht verstand. Er drehte das Heft um und fing am anderen Ende an zu schreiben.[…] So schrieb er zum Beispiel: „Die Meeresströmungen sind etwas Einmaliges und Wunderbares, dem man noch nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet hat“, oder: „Die Wellenbewegung ist etwas, das immer unser Staunen erregen wird…“, und dann liess er das Heft sinken und verlor sich in Empfindungen. (MWI 136ff)

Das Zitat liefert lediglich Muster des eigentlichen Inhalts von Pappans Arbeit. Dennoch wird die epistemische Art des Schreibprojekts deutlich. Der gewählte wissenschaftliche Duktus und die verwendeten Phrasen weisen unmissverständlich auf das gewählte Genre hin. Weiter wird durch die verwendete Sprache das Bild eines kompetenten und akademischen Autors gezeichnet. Die bruchstückhafte Darstellung der formalen Charakteristiken des Inhalts findet sich bereits in Farlig midsommar.

Der Leuchtturmwärter „erscheint“ am Ende der Erzählung ein weiteres Mal in Form von Schriftzeichen. Muminvater erblickt sie kurz vor dem geplanten Geburtstagsfest für den Fischer im Leuchtturm: „Han lyfte på en tomlåda som låg ovanpå gastuberna och stannade mit i rörelsen. Här fanns en vers som pappan inte hade sett, fyrvaktarens spindelord vandrade över väggen med långa ensliga mellanrum“. (PH 200f) „Er hob eine leere Kiste hoch, die auf der Gasflasche lag, und hielt mitten in der Bewegung inne. Vor ihm an der Wand stand ein Vers, den er bis jetzt noch nicht gesehen hatte, die dünnen krakeligen Wörter des Leuchtturmwärters wanderten mit langen Zwischenräumen über die Mauer.“ (MWI 225). Durch das plötzliche Erscheinen – nie wird der Leuchtturmwärter beim Schreiben beschrieben – mutet die Schreibszene beinahe spiritistisch an. Die spiritistische Schreibszene bietet sich geradezu an, „die Ereignishaftigkeit des Schreibens gegen die Repräsentationsfunktion der Schrift auszuspielen – also: das ,dass‘ des Schreibens gegenüber dem ,was‘ des Geschriebenen zu privilegieren.“2 Im Falle Muminpappans bedeutet dies: Das plötzliche Erscheinen der Schrift an der Wand ist es, was Muminpappan erschreckt, nicht in erster Linie was geschrieben steht.

Der Vers enthält das Geburtsdatum des Leuchtturmwärters, eine zentrale Information, um das Rätsel um den Fischer zu lösen beziehungsweise die beiden als ein und dieselbe Person zu identifizieren. Auf dem Geburtstagsfest, welches die Muminfamilie für den Fischer/Leuchtturmwärter ausrichtet, kommt es schliesslich zum grossen Finale. Als Geschenk erhält der Fischer/Leuchtturmwärter Pappans alten Hut. Symbolträchtig tauschen die beiden ihre Hüte, wodurch sie auf schier magische Weise wieder in ihre ursprünglichen Rollen zurückversetzt werden.

3.3.2. Der Wissenschaftler
a) Schreiben – ordnen – experimentieren

Der Schreibprozess unterscheidet sich von den bereits geschilderten vor allem dadurch, dass er nicht von einer Vortragssituation begleitet wird. Im Gegenteil, er findet im Verborgenen statt und ist etwas äusserst Intimes. So sucht sich Pappan meist einsame Plätze in der Natur, um zu schreiben. Entsprechend spärlich und allgemein sind Pappans Aussagen zum Inhalt seiner Arbeit und über deren Voranschreiten. Erneut kommt Mamman im Schreibprozess eine ganz spezielle Rolle zu. Sie ist Pappans einzige Vertraute, der er von seinen Schreibplänen erzählt. Mit ihr spricht er während der Arbeit an seiner Abhandlung über deren gedeihen:

Har du fått ihop mycket material? frågade mamman. Massor. Men det behövs lika mycket till innan jag ens kan börja på min avhandling. Pappan lutade sig fram över bordet i plötsligt förtroende: Jag vill veta om havet verkligen är illvilligt eller om det bara måste lyda. (PH 145)

„Hast du schon viel Material beisammen?“, fragte die Muminmutter. „Eine Menge. Aber ich brauche doppelt so viel, bevor ich meine Abhandlung auch nur anfangen kann.“ Der Muminvater beugte sich vertraulich über den Tisch: „Ich will wissen, ob das Meer tatsächlich böswillig ist oder ob es bloss gehorchen muss.“ (MWI 163)

Ähnlich wie in Muminpappans memoarer erlangt das Schreibprojekt auch hier eine ganz existenzielle Bedeutung für Pappan: „Han måste komma underfund med havet för att kunna tycka om det och för att kunna bibehålla respekten för sig själv“. (PH 165) „Er musste dem Meer auf die Schliche kommen, um es gern haben zu können und um seine Selbstachtung zu bewahren.“ (MWI 186). Seine Untersuchungen werden zu einer regelrechten Obsession, mit der er eine ungesunde Symbiose eingeht. Statt Lösungen zu generieren, isolieren ihn seine Tätigkeiten noch mehr von seinem Umfeld. „Die Literatur wirkt an diesem Punkt wie eine Kontraktion. Sie zieht sich ganz und gar auf Bücher zurück. Bücher in Büchern repräsentieren nicht mehr Teilbereiche des Lebens, sie sind das Leben.“ Entsprechend entstehen laut Uwe Japp „[…] bizarre Buchmenschen, deren Leben einzig noch im Umgang mit Büchern Sinn zu haben scheint.“1 Damit beschreibt Japp die Konsequenzen der angesprochenen Symbiose Pappans mit seinen Untersuchungen.

Folgendes Zitat beschreibt aus der Perspektive Mammans, wie Pappan im Nebel beziehungsweise in seiner Arbeit, versinkt – physisch während der Feldarbeit, ebenfalls aber ist es ein psychischer Rückzug in sich selbst:

Mamman såg honom dyka upp och dyka in i dimman igen med nosen tankfullt sänkt mot magen. Hon tänkte: Han samlar material. Så sa an. Kanske hela häftet är fullt av material. Vad det ska bli skönt när han har samlat färdigt! Hon räknade upp fem randiga karameller på ett tefat. Sen ställde hon det på pappans hylla i berget som en uppmuntran i arbetet. (PH 123f)

Die Muminmutter sah ihn aus dem Nebel auftauchen und wieder im Grau verschwinden, die Schnauze immer nachdenklich nach unten gesenkt. Er sammelt Material, dachte sie. Das hat er gesagt. Vielleicht ist das ganze Heft voller Material. Ich bin froh, wenn er fertig gesammelt hat! Sie reihte fünf gestreifte Bonbons auf eine Untertasse und stellte sie auf den Felsensims, als Ermunterung für seine Arbeit. (MWI 139)

Geschieht der eigentliche Schreibakt im Verborgenen, so sind seine Handlungen als Wissenschaftler, also etwa seine Untersuchungen, die Suche nach Material im Sinne von Inhalt, deutlich sichtbar für sein Umfeld. Entsprechend sieht man Pappan hier auch nie mit Papier und Stift abgebildet, jedoch aber in seinem Boot auf dem Gumpen bei seinen Untersuchungen.2

Nicht nur, ist der folgende Textauszug der längste, der ausschliesslich von Pappans Arbeit handelt, sondern anhand dieses Abschnitts lassen sich auch elementare Grundpfeiler seines Daseins als Wissenschaftler ablesen:

Vaxdukshäftet var nästan fullt av funderingar om havet. Nu hade han skrivit en alldeles ny rubrik, Havets Förändringar om Natten, och dragit ett streck under den. Pappan stirrade länge på det tomma papperet som stormen försökte rycka ur tassarna på honom. Han suckade och bläddrade tillbaka till sidan 5 som han var mycket svag för. Där hade han funderat ut att svarta gloet var förenat med havet i en svindlande djup tunnel, se bilden, och det var genom den som skatter, whisky och skelett hade åkt ner, tyvärr. Den rostiga kanistern hade av en händelse hamnat på kanten vid A. Om nu någon eller något som vi kallar X stod nere på bottnen vid B och blåste eller drog in vatten så måste ju vattnet stiga och sjunka så att det såg ut som sjön andades. Vem var X? Ett havsodjur. Detta kunde emellertid inte bevisas. Sjön hänfördes alltså till kapitlet om Antaganden som blev längre och längre. I kapitlet Fakta hade pappan konstaterat att vattnet var kallare längre ner. Det visste han ju förut, man behövde bara sticka ner benen, men den här gången var saken bevisad med en sinnrikt konstruerad flaska. Korken pressades ner i halsen av vattentrycket när man drog upp flaskan igen. Vidare, vatten är tungt och salt. Det är tyngre längre ner men mera salt vid ytan. Bevis; de grunda saltvattenspottarna. De är mycket salta. Och tyngden känner man om man dyker. Tången slår upp i läsidan och inte i lovart. Om man slänger en plankbit ut i stormen från fyrberget far den inte iland utan seglar runt ön ett stycke från stranden. Om man håller ett bräde mot horisonten ser det ut som om horisonten rundade sig. Vattnet stiger när det blir dåligt väder men ibland kan det göra tvärtom. Var sjunde våg är väldigt stor, men nån gång kan det vara den nionde och ibland är det ingen ordning alls. Vart går de breda stormvägarna av vitt skum och hur kommer de till? Varför? Allt detta och en massa andra saker försökte pappan hitta orsaken till men det var mycket svårt. Han blev trött och ovetenskaplig och skrev: En ö har inga broar och inga staket så man kan varken släppas ut eller stängas in. Det betyder alltså att man känner sig…Nä. Pappan drog ett svart streck över funderingen. Han övergick till det magra kapitlet med Fakta. Nu kom den igen, den hisnande tanken att havet inte hade några lagar alls. Han avvisade den hastigt. Han ville förstå. (PH 163ff)

Das Wachstuchheft war inzwischen fast voll geschrieben, lauter Gedanken über das Meer. Jetzt hatte er einen neuen Abschnitt angefangen. Die nächtlichen Veränderungen des Meeres lautete die nachdrücklich unterstrichene Überschrift. Lange starrte er das leere Blatt Papier an, das der Sturm ihm aus den Pfoten zu reissen versuchte. Er seufzte und blätterte zur Seite fünf zurück, für die er eine besondere Schwäche hatte. Dort hatte er ausgerechnet, dass der Schwarze Gumpen durch einen ungeheuer tiefen Tunnel mit dem Meer verbunden war, siehe Abbildung, und dass alle Schätze, Whiskykisten und Skelette durch diesen Tunnel davongerutscht waren, leider. Der rostige Kanister war durch Zufall bei Punkt A am Rand des Tunnels gelandet. Wenn nun jemand oder etwas, das wir X nennen wollen, unten bei B auf dem Grund stand und das Wasser auspustete oder einsog, musste das Wasser ja so steigen und sinken, dass es den Anschein erweckte, der Gumpen würde atmen. Wer war X? Ein Meeresungeheuer? Das liess sich jedoch nicht beweisen. Der Gumpen wurde also dem Kapitel Vermutungen zugeordnet, das immer länger wurde. Im Kapitel Tatsachen hatte der Vater festgestellt, dass das Wasser tiefer unten kälter war. Das wusste er zwar schon vorher, man brauchte ja bloss die Beine ins Wasser zu stecken, aber diesmal wurde die Sache durch eine sinnreich konstruierte Flasche bewiesen. Der Korken wurde vom Wasserdruck in den Flaschenhals gepresst, wenn man die Flasche wieder heraufzog. Des Weiteren: Das Wasser ist schwer und salzig. Tiefer unten ist es schwerer, an der Oberfläche dafür salziger. Beweis: die seichten Felspötte voller Salzwasser. Die sind sehr salzig. Und das Gewicht des Wassers spürt man beim Tauchen. Der Tang treibt auf der Leeseite an Land und nicht an der Luvseite. Wirft man ein Stück Holz vom Leuchtturmfelsen in den Sturm hinaus, treibt es nicht an Land, sondern segelt in einer gewissen Entfernung vom Ufer um die ganze Insel. Hält man ein Brett gegen den Horizont, sieht es aus, als wölbe sich der Horizont. Bei schlechtem Wetter steigt das Wasser, manchmal macht es auch das genaue Gegenteil. Jede siebte Welle ist besonders gross, aber ab und zu ist es auch die neunte, und manchmal gibt es gar kein System. Wohin ziehen die breiten Sturmwege aus weissem Schaum und wie entstehen sie? Warum? Auf alle diese und noch viel mehr Fragen versuchte der Muminvater Antworten zu finden, doch das war sehr schwierig. Er wurde müde und unwissenschaftlich und schrieb: „Eine Insel hat keine Brücken und keine Zäune, daher kann man weder hinausgelassen noch eingesperrt werden. Das bedeutet also, dass man das Gefühl hat…” Nein. Der Muminvater zog einen schwarzen Strich durch diese Überlegung und wandte sich dem mageren Kapitel Tatsachen zu. Und da tauchte er wieder auf, dieser Schwindel erregende Gedanke, dass das Meer überhaupt keinen Gesetzen unterworfen war. Der Muminvater wies ihn sofort von sich. Er wollte verstehen. (MWI 183fff)

Pappans Arbeit festigt sich formal und offenbart sich hier als ein in verschiedene Kapitel gegliedertes, wissenschaftliches Werk. Zwei Grundpfeiler seiner Analyse scheinen die Kapitel Antaganden „Vermutungen“ und Fakta „Fakten“ auszumachen, wobei jedoch ersteres Kapitel stetig wächst, während ironischerweise letzteres nur spärlich mit Inhalt bestückt ist. In Felix Steiners Terminologie zeigt sich Pappan hier als Ordner, der entsprechend ordnungsindizierende Handlungen vornimmt:

Durch solche metatextuellen Markierungen wird es dem Adressaten möglich, Text als strukturierte, kohäsive, autorschaftlich geplante und geordnete Einheit wahrzunehmen. Ordnungsindizierende Handlungen sind Bezugnahmen auf die Ordnung des Textes, etwa mit der Funktion den Beginn und das Ende eines Textes anzukündigen, die relative Relevanz einer Sequenz zu indizieren oder die Gliederung (explizierte Struktur) eines Textes anzuzeigen.3

Noch ausgeprägter wird Pappan nach Steiners Terminologie auch als Experimentator präsentiert. „Das globale Thema aller, die wissenschaftliche Erzählerfigur konstituierenden Markierungen ist die Darstellung des agierenden Wissenschaftlers in seiner ,Herstellerrolle‘“.4 Im obigen Textausschnitt werden verschiedene von Pappan entwickelte Denkmodelle und Versuche en détail beschrieben. Eine Seite scheint ihm dabei besonders geglückt. Darauf entwickelt er eine These zur Erklärung der Bewegung des Meeres. Die Ausführungen sind gar mit einer Zeichnung ergänzt, auf die an anderer Stelle ausführlich eingegangen wird.

Es folgen schliesslich Aufzählungen und Kommentare von weiteren durchgeführten Experimenten. So etwa zur Verifizierung der Wassertemperatur in den verschiedenen Schichten. Ähnlich ausführlich ist er in der Beweisführung betreffend des Gewichts und des Salzgehalts des Wassers: „[…] han draggar, söker, mäter, skriver, funderar.“ „Er erkundet den Meeresboden, sucht, misst, schreibt und denkt.“, fasst Boel Westin die ganze Aktivitätenpalette zusammen.5 Ferner betont Westin auch die enorme Bedeutung all dieser Aktivitäten in seiner Identitätsfindung als Künstler: „Han är författaren, som skriver fram sig själv genom anteckningar, utforskningar, fragment under arbetet med sin avhandling.“ „Er ist der Autor, der sich selbst hervorschreibt, durch Aufzeichnungen, Erforschungen, Fragmente während der Arbeit mit seiner Abhandlung.“6 Aus denselben Gründen plädiert auch Felix Steiner für ein Starkmachen dieser Handlungen, die die Schreibarbeit auf einer performativen Ebene veranschaulichen:

Der Eindruck domänentypischer Gestaltungsansprüche in wissenschaftlichen Texten[…] [ist bestimmt] […] durch die Enunziation von Handlungen, die das Bild einer Autorinstanz aufbauen, die für die Ordnung des Textes, für die Durchführung von technischen Handlungen, für die Beobachtung, für Erklärungen verantwortlich ist.7

Wie bei den behandelten Definitionen der Schreibszenen sind also auch hier Handlungen für die Konstituierung einer Schreibszene zentral. Die Bedeutung solcher Tätigkeiten tut Pappan auch seinem Umfeld kund. Pappans Entrüstung ist gross, als der Kalender, Sinnbild für die Utensilien, die er für seine Untersuchungen benötigt, plötzlich verschwunden ist. Sein Sohn hat ihn genommen und wird dafür gerügt. Ausserdem führt Pappan bei dieser Gelegenheit die Wichtigkeit von solchen Hilfsmitteln für seine Arbeit aus:

Det finns vissa saker som är mycket viktiga på en öde ö, sa hans pappa. Observationer i synnerhet, man måste föra ett slags loggbok över allting, iaktta allt – ingenting får lämnas åt slumpen. Tid, vindriktning, vattenstånd, allt. Du får lov att hänga upp väggalmanackan igen med detsamma. (PH 132)

„Es gibt gewisse Dinge, die sind auf einer einsamen Insel sehr wichtig“, sagte sein Vater. „Dazu gehören besonders alle Beobachtungen! Man muss eine Art Logbuch führen – nichts darf dem Zufall überlassen werden. Zeiten, Windrichtungen, Wasserstände, einfach alles. Du musst den Wandkalender sofort wieder aufhängen.“ (MWI 148)

Neben diesen Dokumentationen seines wissenschaftlichen Tuns entwickelt sich das Heft zum Ort der Reflexion seiner persönlichsten Gedanken, wird zum Medium des Diskurses mit sich selbst. Deutlich wird jedoch das Vorhandensein einer intensiven Introspektion, wo Pappan nicht nur die Geheimnisse der Insel, sondern auch seine Beziehung zu Mamman beobachtet und reflektiert. Dort offenbart sich sein psychologisches Inneres:

Men pappan skrev i sitt häfte: Kunde det tänkas att vissa fakta förändras bara därför att det är natt? Undersök detta; vad gör havet på natten. Observation; min ö var mycket annorlunda i mörkret, dvs. A, vissa egendomliga ljud och B, något som utan tvivel var rörelser. Pappan lyfte pennan och blev tveksam. Han fortsatte. Parentes, är det möjligt att en stark känsla, alltså hos en själv, kan förändra hela omgivningen? Exempel, jag var verkligen mycket orolig för Mumintrollets mamma. Undersök detta. (PH 156f)

Währenddessen schrieb der Muminvater in sein Heft: „Kann es sein, dass gewisse Tatsachen sich verändern, nur weil es Nacht ist? Folgendes untersuchen: Wie verhält sich das Meer in der Nacht. Beobachtung: Meine Insel benimmt sich in der Dunkelheit völlig anders, d.h., A: gewisse eigenartige Geräusche, und B: etwas, das zweifelsohne als Bewegung bezeichnet werden kann.“ Er hob den Bleistift, zögerte, dann fuhr er fort: „In Klammern: Ist es möglich, dass ein starkes Gefühl, also bei einem selbst, die ganze Umgebung verändern kann? Beispiel: Ich habe mir wirklich grosse Sorgen um die Muminmutter gemacht. Dies untersuchen.“ (MWI 176)

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Objętość:
338 lk 47 illustratsiooni
ISBN:
9783772000928
Õiguste omanik:
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