Loe raamatut: «Kunstprojekt (Mumin-)Buch», lehekülg 17

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c) Berstender Buchkörper

Die Perforationen sind das wohl auffälligste Gestaltungsmerkmal von Hur gick det sen? Sie finden sich auf beinahe jeder Seite in den unterschiedlichsten Formen und Grössen in das Gesamtbild integriert. Sie sind jedoch nicht nur rein dekorativ, sondern erfüllen Funktionen verschiedenster Art. Indem sie eine Verbindung zwischen den Seiten schaffen, sind sie massgeblich beteiligt an Tempo und Rhythmus der Erzählung. Die Perforationen fungieren also in Elina Drukers Worten unter anderem auch als visuelle „pageturners.“1 Die Figuren bewegen sich durch die Perforationen von Seite zu Seite, beziehungsweise durch den ganzen Buchkörper in seiner Dreidimensionalität hindurch. Bis schliesslich das letzte Loch zu klein ist, als dass sie noch hindurch passen würden. Entsprechend schliesst die Erzählung mit den folgenden Worten: „Men. / …alldeles för litet var / det sista hålet som fanns kvar.. / Nu stannar vi i boken, ty- / Vi är för stora!!! Sa lilla My“ (HGDS, unpaginiert) „Aber. / …viel zu klein war / das letzte Loch das übrig war.. / Jetzt bleiben wir im Buch, denn- / Wir sind zu gross!!! Sagte Lilla My.“ Sirke Happonen stellt jedoch fest, dass lediglich Filifjonkan die Kraft besitzt, den Buchkörper aktiv zu sprengen und ein Loch zu verursachen:

In the story the characters move forward through the holes cut in the pages, but the Fillyjonk is the only minor character who has the power to ,split the page‘ and thereby burst into the following spread ahead of the main characters.2

Auf dem entsprechenden Bild hüpfen Mymlan, Mumintrollet und Lilla My durch ein Loch, das aussieht wie eine Sonne oder ein Mond, auf die Seite und landen auf Filifjonkan: „Nu blev hon platt“ (HGDS, unpaginiert) „Jetzt ist sie platt“ lautet Lilla Mys Kommentar dazu. Filifjonkan erschrickt derart, dass sie in Panik flieht und dabei die Buchseite durchbricht. Im Text daneben wird der Leser aufgefordert, Filifjonkan auf dem dafür vorgesehen weissen Feld wieder ins Buch hineinzuzeichnen. Dieser selbstreferenzielle Charakter der Inszenierung der Perforation rückt abermals die blosse Materialität des Mediums in den Mittelpunkt. Joachim Schiedermair äussert sich dazu wie folgt:

[…] auf der Seite, auf der Filifionka das Papier des Buchs zerreisst, in dem sie selbst als Figur vorkommt, ist das Loch jeder Repräsentationsfunktion enthoben. Es zeigt nur noch, was es tatsächlich ist: eine Aussparung im Papier.3

Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass die Perforationen bewusst eingesetzt werden, um das Farbspektrum der jeweiligen Doppelseite zu erhöhen, da durch die Löcher Farben der vorherigen respektive nachfolgenden Seite entliehen werden können.

5.3.2. Vem ska trösta knyttet?
a) Umschlag und Titelseiten

Das bunte Cover von Vem ska trösta knyttet? „Wer wird Knyttet trösten?“ zeigt eine Gruppe von Figuren, verschiedene Fabelwesen, die in einem Kreis stehen und sich unterhalten. Im Vordergrund, ausserhalb des Kreises, steht eine Figur mit menschlichem Aussehen, die sich betrübt vom Rest abwendet. Sie ist in schwarz-weiss gehalten. Darunter ist in grossen, roten Lettern der Titel zu lesen. Wie bei Hur gick det sen? besteht dieser aus einer Frage. Er steht für die verzweifelte Suche des Protagonisten nach einem Weg aus seiner Einsamkeit. Ferner wird im Titel eine Figur als Hauptfigur hervorgehoben. Sofort wird klar, dass es sich bei der isolierten Figur auf dem Cover um Knyttet handelt, dass sie also den Protagonisten der Erzählung darstellt. „The choice of the cover picture reflects the authors’ (or in some cases perhaps the publishers’) idea of the most dramatic or enticing episode in the story.“1 Knyttet fühlt sich allein. Auch oder gerade dann, wenn er sich inmitten anderer Kreaturen befindet. Die Rückseite zeigt im Vordergrund eine Blume. In dessen Blüte sitzt Snusmumriken mit seiner Mundharmonika. Im Hintergrund verschmelzen Himmel und Meer in einem einheitlichen Blau. Dadurch werden die Grenzen zwischen Himmel und Erde verwischt. Rechts beleuchtet ein grosser, gelber Mond das Wasser. In seinem Schein ist ein kleines Boot erkennbar. Darin sitzen Knyttet und Skryttet. Der Umschlag ist eine Zusammenfassung der gesamten Erzählung, in der gar das Ende vorweggenommen wird: Knyttet ist nicht mehr allein.

Auf dem Vorsatz ist eine Widmung zu erkennen. Das Buch ist Janssons Partnerin Tuuliki Pietilä zugetan. Die Widmung steht auf der Vorderseite eines Buchs, das eine Figur in den Händen hält. Die Figur scheint das Buch zu öffnen. So zeigt die Illustration eine Leseszene, in der das Buch als Gebrauchsgegenstand dargestellt wird. „[…] Illustrations can refer to the world beyond the page and participate in a wider conversation about the book that involves the social status of the particular codex, its designers, and its owners.“, konstatiert diesbezüglich Bonnie Mak.2 Das Titelblatt zeigt Knyttet, der unter einem Rosenbusch auf einem Stein sitzt. Dabei ist Knyttet jedoch beinahe auf gleicher Höhe wie das erste Wort des Titels: „Vem “ „wer“. Das Wort steht in grossen Blockbuchstaben. In der unteren Zeile folgt der nächste Teil des Titels: ska trösta knyttet? „wird Knyttet trösten“. Dieser ist in einer filigranen Schreibschrift geschrieben. Darunter folgt der Autorname, wieder in Blockschrift. Unten an der Seite ist eine kuhähnliche Figur zu erkennen, mit Hörnern und einem langen Schwanz. Die Grösse der grafischen Gestaltungselemente, seien es nun Illustrationen oder Schriftzeichen, nimmt in vertikaler Richtung stetig ab. Dadurch entsteht eine Trichterform.

b) Sichtbarkeit als materieller Prozess

Wie erwähnt, handelt die Erzählung von Knyttets Suche nach einem Weg aus seiner Einsamkeit. Dieser Prozess ist als eine Wanderschaft durch verschiedene Landschaften gestaltet, auf der er auf die unterschiedlichsten Kreaturen trifft. Dabei wechseln sich Bilder, auf denen er inmitten eines regen Treibens dargestellt wird, mit solchen ab, auf denen er allein oder lediglich mit einer weiteren Figur abgebildet ist. Die Bilder in Vem ska trösta knyttet? sind bis auf wenige Ausnahmen auf Doppelseiten konzipiert. Tove Holländer weist darauf hin, dass in Vem ska trösta knyttet? die Farben stärker pastellig sind als in Hur gick det sen?.1 Bei vielen Doppelseiten dominiert ein Farbfeld, meist der Himmel.2 Lena Kåreland und Barbro Werkmäster deuten darauf hin, dass sich die Harmonie der Doppelseiten immer dadurch ergibt, dass sich die verschiedenen Elemente durch eine geschickte Platzierung ausbalancieren.3 Im Text wird die Frage, durch wen und wie Knyttet getröstet werden soll, immer wieder wiederholt, vergleichbar mit der refrainartigen Frage „Vad tror du att det hände sen?“, die sich in Hur gick det sen? am Ende jeden Textabschnitts findet. „[…] svaret är en sammanfattande levnadsvisdom i havamalsk anda“ „[…] die Antwort ist eine zusammenfassende Lebensweisheit im Geiste der Hávámal“, stellen Kåreland und Werkmäster fest.4 Im Beispiel geht es etwa darum, wie man Kontakte knüpft: „Men vem ska trösta knyttet med att säga sanningen: / om du bara springer undan så får du ingen vän.“ (VSTK, nicht paginiert) „Aber wer wird Knyttet damit trösten, die Wahrheit zu sagen: / wenn du nur davonläufst, bekommst du keinen Freund.“ Der Text ist damit gespickt mit hoch philosophischen Gedanken und Ratschlägen, die dem Leser auf jedem Seitenaufschlag mitgegeben werden.

Ein Bild zeigt Knyttet, der sich auf Wanderschaft begeben hat. Auf seinem Weg trifft er auf zahlreiche Charaktere. Dieses Ablaufen des Weges wird auf einer Doppelseite in einer Art Collage dargestellt. Vor einem weissen Hintergrund findet sich ein Gewimmel an Figuren, Dingen und Tieren, vieles in mehrfacher Ausführung. Auf deren genaue Anzahl wird im Text jeweils hingewiesen: „Och fyra filifjonkor körde visslande förbi / och två små gröna ekipage med åtta homsor i“ (VSTK, nicht paginiert) „Und vier Filifjonkor fuhren pfeifend vorbei / und zwei kleine grüne Kutschen mit acht Homsor darin“. Bei der Aufteilung der verschiedenen Gestaltungselemente auf der Doppelseite scheint die Knickkante des Buchs eine entscheidende Rolle zu spielen. Sie definiert den Mittelpunkt, von dem aus die Gestaltungselemente gleichmässig verteilt werden. Knyttet ist zu schüchtern, um jemanden anzusprechen. Auf dem Bild versteckt er sich in der unteren rechten Ecke hinter einem Stein. Von dort aus beobachtet er das Geschehen aus sicherer Distanz. Alles scheint an ihm vorbeizuziehen. Knyttet wird in diesen Bildern immer am Rand des Bildes dargestellt, als gehöre er gar nicht dazu. Eine Interaktion mit den übrigen Figuren findet nie statt. Sein Kopf ist nach links gewandt, sein Körper jedoch nach rechts, als wollte er gleich auf die nächste Seite gehen beziehungsweise auf die nächste Seite blättern.

Der Wendepunkt tritt ein, als Knyttet durch eine Flaschenpost von Skryttet erfährt, die ebenfalls einsam ist und Hilfe benötigt. Knyttet wird nun plötzlich vom Opfer zum Helfer. Nachfolgend findet er dadurch den Mut, auf andere zuzugehen. Die entsprechende Abbildung besteht aus drei horizontalen Ebenen: Himmel, Strand und Meer sowie ein Textfeld.5 Das Bild stellt insofern eine Ausnahme dar, als dass sich Text ansonsten lediglich auf einer Hälfte des Seitenaufschlags findet. Im Gegensatz zu Hur gick det sen? ist das Buch jedoch weitaus weniger experimentell, was die Typografie betrifft. Der Text ist immer in derselben Schreibschrift gesetzt. Die zweite und die dritte Ebene des Bildes fliessen ineinander, sind durchlässig. Das Wasser ergiesst sich quasi von der mittleren Ebene in die unterste, in das Textfeld. Knyttet steigt ins Wasser, um die Flasche zu fassen. Die verschiedenen Motive sind auch hier gleichmässig auf der Doppelseite verteilt: Fünf rote Hügel auf der linken Seite stehen einem enormen weissen Mond auf der rechten Seite gegenüber, um die markantesten Elemente zu nennen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die absurde Farbgebung hinzuweisen. Ausgangspunkt der symmetrischen Gestaltung bildet auch hier das Buch in seiner Form beziehungsweise die Knickkante.

Das Wissen um Skryttet verleiht Knyttet nicht nur die Courage, auf andere zuzugehen, sondern läutet ebenfalls einen materiellen Wechsel in dem Sinne ein, dass er nun sichtbar wird, respektive ins Zentrum des Geschehens, und so ebenfalls ins Zentrum des Bildes, rückt. Auf einer folgenden Abbildung treibt Knyttet in seiner Tasche auf dem Meer, umgeben von Walen, Fischen, Homsor und Filifjonkor.6 An ihm ziehen zahlreiche Boote vorbei. Auch hier sind Gestaltungselemente in mehrfacher Ausführung abgebildet:

En festklädd filifjonka åkte vinkande förbi / och sex himmelsblåa båtar med nio homsor i, den femte homsan hälsade på knyttet som skrek: hej, / o, det har aldrig förut hänt att någon upptäckt mej! […]. (VSTK, nicht paginiert)

Eine festlich gekleidete Filifjonka fuhr winkend vorbei / und sechs himmelblaue Boote mit neun Homsas darin, der fünfte Homsa grüsste Knyttet, der schrie: hej, / o, bis jetzt ist es noch nie geschehen, dass mich jemand entdeckt hat.

Nun findet also eine Interaktion statt. Filifjonkan und Knyttet sind einander zugewandt. Die Fische in der Bildmitte hüpfen über die Knickkante, als wollten sie zusätzlich eine Verbindung schaffen.

5.3.3. Den farliga resan
a) Umschlag und Titelseiten

Oben auf dem Cover steht der Autorname in einer weissen Schrift. Unten der Titel in einer schwarzen. Der dritte Bilderbuchtitel Den farliga resan (Die gefährliche Reise) unterscheidet sich stark von den zwei vorhergehenden. Das Motiv des Reisens ist in Titeln nichts Aussergewöhnliches, oft sind diese Titel jedoch stark metaphorisch und beschreiben meist innere Reisen, erklären Maria Nikolajeva und Carole Scott.1 Im vorliegenden Fall referiert der Titel auf das Eintauchen der Protagonistin in eine neue und unbekannte Welt, in der sie auf krude Gestalten trifft, die dem Jansson-Kenner aus dem Mumintal jedoch sehr wohl bekannt sind. Ulla Rhedin weist darauf hin, wie schon die Typografie des Titels, schräge, schwarze Buchstaben in einer Schreibschrift, auf etwas Bedrohliches hinweist.2 Das „f“ im Wort „farliga“ „gefährliche“ läuft nach unten aus und erinnert von der Gestaltung her etwa an einen Schauerroman. Die Buchstaben im Autornamen, in erster Linie die Initialen, wirken ebenfalls vom Wind deutlich havariert. Das Bild zwischen dem Autornamen und dem Titel zeigt eine Gruppe von Figuren in einer ausweglosen Situation. Sie stehen auf einem Felsvorsprung an einem Abgrund. Hinter ihnen ein bedrohlicher, schwarz-roter Himmel. Das Bild stammt aus einer Szene in der Erzählung und ist der linke Teil eines Seitenaufschlags. Betrachtet man diesen als Ganzes im Buch, zeigt sich, dass die Situation für die Gruppe keineswegs so aussichtslos ist, wie es auf dem Cover den Anschein macht. Auf der rechten Seite ist nämlich Snusmumrikens Grotte zu sehen, die ihnen Schutz bietet.

Auf der Rückseite des Umschlags findet sich ein Heissluftballon, darin ist eine Person zu erkennen. In der Erzählung ist es ein Ballonfahrer, der zu ihrer Rettung eilt. Den Hintergrund bildet ein Himmel, an dem gleichzeitig eine Gewitterwolke und eine Sonne steht: „[…] sol, blixt och moln förenas i en våldsam urladdning“3 „[…] Sonne, Blitz und Wolken werden in einer gewaltigen Entladung zusammengeführt“, kommentiert dies Rhedin. Der Ballon und dessen Führer rettet die Gruppe, welche auf der Vorderseite zu sehen ist. Der Umschlag besteht so aus einem Bild für Gefahr und einem für Rettung. Wie in Vem ska trösta knyttet? ist der Umschlag also eine visuelle Zusammenfassung des Inhalts.

Die Titelseite nimmt das Thema des Covers erneut auf. Gross steht der Titel in der Mitte der Seite. Tofslan und Vifslan springen auf dem Wort „farliga“ „gefährliche“ herum. Die erste Figur schaut ratlos in den Abgrund, der sich am Ende des Worts auftut, die andere blickt ängstlich hinter sich. Das Wort „resan“ „Reise“ steht darunter und scheint im Wasser zu versinken. Ausserdem ist es im Gegensatz zum Wort „farliga“ in Grossbuchstaben geschrieben. Laut Ulla Rhedin verstärkt auch hier die Typografie die Dramatik der Situation, indem zwischen Klein- und Grossbuchstaben gewechselt wird, was eine Instabilität ins Bild bringt.4 Auf der Rückseite der Titelseite befindet sich neben einem Impressum ebenfalls eine Widmung: „Till Malin och Mikael“ „Für Malin und Mikael“.

b) Knickkanten überspringen und Seiten umblättern

Den farliga resan erzählt von Susannas Reise in eine Fantasiewelt. Der Übergang in diese mystische Welt ist nicht wie so oft ein Buch, sondern eine Brille, die die Protagonistin im Gras findet und die offenbar die Fähigkeit besitzt, den Blickwinkel des Trägers zu verändern. Plötzlich sieht sie sich in wechselnden Szenerien mit unterschiedlichen Herausforderungen und kruden Kreaturen konfrontiert. Viele stammen aus der Muminwelt, sind ihr jedoch gänzlich unbekannt. Soweit erinnert der Plot stark an Lewis Carolls Alice in Wonderland. Entsprechend stellen die Bilder entweder die „Bilderbuchwirklichkeit“ oder die „Bilderbuchfantasie“ dar, wie es Westin nennt.1 Allgemein ist zu den Bildern anzumerken, dass sie, entgegen Tove Janssons üblicher Arbeitsweise, vor dem Text entstanden.2 Ausserdem sind sie in einer Aquarelltechnik gestaltet, was bei den Illustrationen unüblich war. Daher gleichen die Illustrationen in diesem Buch Janssons Malerei am meisten, betont Erik Kruskopf.3

Die Bilder dieser beiden Ebenen unterscheiden sich stark. Diejenigen der Bilderbuchwirklichkeit sind rund und klein und erinnern so insofern an die Perforationen in Hur gick det sen?, als dass sie durch ihre Form an Löcher denken lassen. Genauer handelt es sich dabei um ein Prolog- und ein Epilogbild. Im Prologbild erkennt man die Protagonistin, Susanna, die auf einer Wiese sitzt. Neben ihr liegt eine friedlich schlafende Katze. Susanna ist gelangweilt und wünscht sich, aus dem monotonen Alltag ausbrechen zu können, so ist dem Text zu entnehmen. Der Text besteht aus fünf Vierzeilern. Dabei stehen drei auf einer Zeile, zwei auf einer Zeile darunter. Das Epilogbild zeigt Susanna in einem Wald. Die Katze folgt ihr. Beide gehen nach links, in das Buch hinein. Der Text besteht aus zwei Vierzeilern. Beide Male sind die Bilder umgeben vom Weiss der ansonsten leeren Buchseite.

Die Bilder der Bilderbuchfantasie hingegen erstrecken sich über eine Doppelseite. Die Auswirkungen der Brille, respektive des veränderten Blicks werden nun offenbar. Nichts ist mehr so, wie es scheint. Die Katze verwandelt sich in ein wildes Monster, Susannas Spiegelbild ist komplett verzerrt und das Meer ist ebenfalls verschwunden. Obwohl es Sommer ist, beginnt es plötzlich zu schneien. Wie erwähnt, findet sich Susanna nun in verschiedenen, ihr unbekannten, Welten wieder, wo ihr unterschiedliche Gefahren drohen. Die Spannung der Erzählung basiert massgeblich auf dem Gegensatz von Gefahr und Rettung, den es in der Gestaltung umzusetzen gilt. Ferner liegt das Sequenzielle, welches der materiellen Struktur des Buchs eigen ist, ebenfalls dem Narrativ zugrunde: Das sukzessive Ablaufen Susannas von mehreren Posten. Unterstrichen wird dies weiter durch die gewählte Art der Position des Texts. Dieser verläuft auf den Bildern der Bilderbuchfantasie in einem weissen Balken unterhalb des Bildes von links nach rechts, von Seite zu Seite, wie auf einem endlos langen Band. Auf jeder Doppelseite sind vier Vierzeiler gesetzt. Text und Bild laufen dabei inhaltsmässig synchron.

Eine weitere Abbildung verdeutlicht, wie das oben erwähnte Sequenzielle der Erzählung und des Buchs in der Gestaltung umgesetzt wird. Es vereint laut Ulla Rhedin dargestellte mit kinetischer Bewegung.4 Die Gruppe auf dem Bild kämpft sich unter grossen Anstrengungen im Schneegestöber nach rechts Richtung Seitenende und provoziert dadurch das Blättern. Die darauf folgende Doppelseite zeigt die Auflösung dieser dramatischen Situation. Die Gruppe ist an einem Abgrund angelangt, wie auf der linken Seite zu sehen ist. Es handelt sich dabei um die Illustration des Covers. Auf der rechten Seite sieht man jedoch, dass die Rettung, Snusmumrikens Höhle, ganz nah ist. Dort bekommt die Gruppe etwas zu Essen wie auch ein behagliches Lager für die Nacht.5 Es ist eine klare Aufteilung der beiden Hälften des Seitenaufschlags in Gefahr und Sicherheit zu erkennen. Wie in Vem ska trösta knyttet? ist die Knickkante gestaltungstechnisch relevant, da sie sozusagen die Grenze zwischen Gefahr und Rettung definiert. Die Freunde müssen vom Felsvorsprung lediglich über die Knickkante springen, um sich in Sicherheit zu bringen. Das Szenario wiederholt sich auf der nächsten Doppelseite.6 Abermals ist die Gruppe gezwungen, zu fliehen. Abermals steht sie an einem Abgrund. Dies ist auf der rechten Hälfte zu erkennen. Blickt man mit der Gruppe über die Knickkante hinaus auf die linke Bilderseite, zeigt sich, dass Rettung naht in Form eines Heissluftballons. Susannas Reise endet schliesslich im Mumintal, wo sie auch wieder auf ihre Katze trifft. Von den Bewohnern des Mumintals wird sie umringt, begutachtet und beklatscht. Kurz: Sie wird zum Objekt. Oder in Lilla Mys Worten: „hon ser ju ut som nånting ur en fånig bilderbok!“ (DFR, nicht paginiert) „Sie sieht ja aus wie etwas aus einem lächerlichen Bilderbuch!“. Dies verdeutlicht erneut, dass Janssons Gestaltungsstrategien immer auch ein Spiel mit der Buchhaftigkeit, der Fiktionalität, sind.

5.3.4. Zusammenfassung

Eine Seite ist ein Bild. Sie liefert einen Totaleindruck, bietet dem Auge ein Ganzes oder ein Gefüge von grösseren Blöcken und Schichten, von schwarzen Flächen und weissen Leerräumen, einen Fleck von mehr oder minder glücklicher Gestalt und Überzeugungskraft.1

So schreibt Paul Valéry in Die beiden Tugenden des Buches (1995). In diesem Sinne offenbarten sich bei der Analyse der Bilderbücher Kompositionsprinzipien, welche die Bilderbuchseite als Gemälde verstehen – also als ein künstlerisch kreiertes Ganzes aus Farbe, Schrift und Bild. In diesem Sinne ist das Bilderbuch auch für Jansson eine ideale Plattform, um ihre unterschiedlichen Künstleridentitäten in einem Maximum an Kreativität zusammenzuführen.

Darüber hinaus zeigte sich jedoch eine Gestaltungsstrategie, welche neben den erwähnten Faktoren auch das Medium Buch in seiner Körperlichkeit miteinbezieht. In einem weitaus extremeren Ausmass, als dies bei der Analyse der Versionen von Kometen kommer evident wurde. Für Christoph Schulz ist dies unabdingbar: „[…] die jeweilige Realisierung fügt ihnen [den Texten] notgedrungen etwas hinzu, nicht nur unterschiedliche Gestaltungen, sondern auch die mediale und materielle Struktur des Buches.“2 So etwa im Falle von Hur gick det sen?, wo der Buchkörper gar durch Perforationen zerstört wird, um dessen Präsenz zu untermauern. Des Weiteren erwiesen sich die Knickkante und das Blättern der Seiten als wichtige Gestaltungskomponenten, wodurch die zu Beginn angesprochene dritte Dimension des Buchs zu einem zentralen Bestandteil dessen Komposition wird. Die Knickkante ist der Ausgangspunkt für die Verteilung der Gestaltungselemente in Vem ska trösta knyttet? und bildet den Übergang von Gefahr zu Sicherheit in Den farliga resan. Weiter kommt dem Blättern in allen Bilderbüchern eine grosse Bedeutung bei der physischen Aufmachung zu, was wiederum das Volumen des Buchs betont. Carlos Spoerhase erklärt diesen Zusammenhang wie folgt: „Bücher können überhaupt nur deshalb tiefenstrukturierte Räume […] sein, weil sie sich durch diskontinuierliche Lektüreverfahren erschliessen lassen. Buch und Blättern gehören zusammen.“3

Die Gestaltungsstrategien der untersuchten Bilderbücher zeigten also eine Sensibilität für ihre Erscheinung in Buchform, die nicht nur fester Bestandteil des Gestaltungskonzepts ist, sondern regelrecht inszeniert und damit auch reflektiert wird. Joachim Schiedermair postuliert für Hur gick det sen?, dass Jansson durch das „Verfahren des Schneidens“ die “materiale Grundlage des Erzählens und damit zugleich die mediale Verfasstheit jeder Kommunikation“4 ins Zentrum rückt. Die Analyse beweist, dass damit ebenfalls definiert wird, zu welchen Zweck Tove Jansson Material einsetzt. Somit sind es nicht Text, Bild und Farbe, sondern vielmehr die Trias Text, Bild und Buch, so lässt sich folgern, die die Grundsäulen janssonscher Buchästhetik formt. Sowohl im Falle der Muminbücher als auch der Bilderbücher.

Žanrid ja sildid
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