Loe raamatut: «Der Reisebericht des Hieronymus Münzer»
Klaus Herbers
Der Reisebericht des Hieronymus Münzer
Ein Nürnberger Arzt auf der „Suche nach der Wahrheit“ in Westeuropa (1494/95)
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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Umschlagabbildung: Clm 431, fol. 173r © Bayerische Staatsbibliothek München
Karte im Umschlag: Münzers Reisen 1483/84 und 1494/95 (R. Hurtienne, V. Trenkle, Chr. Gürtler)
© 2020 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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ISBN 978-3-7720-8739-4 (Print)
ISBN 978-3-7720-0128-4 (ePub)
Inhalt
Für Gertrud
Vorwort
Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung1. Student, Mediziner, Humanist und Reisender: Lebenslinien des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer2. Pilgerfahrt, Bildungs-, Handels- oder diplomatische Reise? Organisationsformen des Reisens und Schlüssel zum Fremden3. Interessen und Wahrnehmung: von Handelszentren und Höfen, Moscheen und Pilgerorten, Reliquien und Kunstwerken4. Was ist aufzeichnenswert? Das Itinerarium5. Zur vorliegenden übersetzten Ausgabe
I. Von Nürnberg nach PerpignanÜber die Schlacht und die Niederlage bei der Burg Murten habe ich Folgendes notiert:Über die Stadt LyonEpitaph des heiligen Petrus‘ ...Irgendjemand schrieb in jener ...Die sieben Freuden der ...Ein anderes Gedicht über ...
II. Von Perpignan bis Alhama Über die Stadt Barcelona Über die Verwaltung der Stadt Das Haus der Kaufleute Das Haus des Infanten Heinrich Über das Kloster der Minderbrüder Über ihre Gerichtsverwaltung Über das Rathaus Über die uns erwiesene Ehre Über die unterirdischen Kanäle Über das Kloster Montserrat Über die Stadt Valencia Über die Hauptkirche Über das Haus der Kaufleute Über den Verkauf von Sklaven Über die Lieblichkeit der Gärten in Valencia Über die verschiedenen Früchte Spaniens Über einige Klöster und Kapellen Über die Marranen Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit Über das Kloster von Santa María de Jesús Über das Haus der Unschuldigen und Dummen Über die Umgangsformen (der Valencianer) Über die Früchte in Alicante
III. Von Lorca bis Sevilla Über den Einzug in das Reich Granada von Kastilien aus Über den Hafen Almería und die Stadt (im Reich) Granada Über die Moschee in Almería Über die Entfernung Almerías zu Afrika und zur Berberei Über die neuerbauten Klöster Über den Bananenbaum Über die Stadt Guadix im Reich Granada Über Granada und die dortige Moschee Über das Schloss Granadas, das Alhambra heißt Über ihren Friedhof außerhalb des Elviratores Über die Moschee im Albaicín, einem Teil der Stadt Über die Lage der Stadt Granada Über die Größe der Stadt Über die Lage des Reiches von Granada Vom Sieg über das Reich von Granada Über den eigentlichen Kriegsgrund gegen Granada Über goldene Mineralien im Gebiet von Granada Über die Riten und Kleider der Sarazenen Über die Kleidung (der Sarazenen) Über das Spiel mit dem Zuckerrohr Über den Herrn Erzbischof Über die Burg Moclín, die man von der Alhambra aus sehen kann Über den Ausgang aus Granada – die Stadt Alhama Über die Seestadt Vélez-Málaga Über die Stadt Málaga Über die Burgen Málagas Über den vom König von Kastilien errungenen Sieg über Málaga Über die Stadt Hispalis, die heute Sevilla heißt Über die Hauptkirche der heiligen Jungfrau Maria Über die Kartause zur Heiligen Maria, die „Kofes“ genannt wird Über das königliche Schloss in Sevilla
IV. Von Niebla bis Porto Über Ulixbona, heute Lissabon Über den Seehafen von Lissabon Über die Höflichkeit des Volkes und das Land Über das Land Portugal Über das meerwärts gelegene westliche Afrika
V. Von Barcelos bis zum Rabanal Über die Lage Compostelas, (Stadt) des heiligen Jakobus Über die Kirche des heiligen Jakobus Über die Erscheinung des Heiligen Jakobus bei Karl dem Großen Über die Passion und Translation des heiligen Jakobus nach Galicien Exclamatio pulcra Über die Muscheln (De crusillis). Calixt Gebet zum heiligen Jakobus Über den Erzbischof, die Kardinäle, Kanoniker und Reliquien Von den Kapellen im Chorraum von Sankt Jakobus Über die Abreise aus Compostela
VI. Von Benavente bis Roncesvalles Über Benavente und seine Wehrbefestigung(en) Über das Schloss von Benavente Über Numantia, heute Zamora, eine Stadt Kastiliens Über Salamanca und das dortige Studium Generale Über das Salmantiner Studium Über die Höhle der Nigromantik 1495 Über das Kloster Guadalupe Über die Lage des Klosters Über die Kirche des Klosters Über den Kapitelsaal, die Keller und die Kanäle Über das Refektorium der Patres, das Refektorium der Familiaren und die Küche Über die Schuster, Schneider, Bäcker, Handwerker, Schmiede und andere Ämter Über Gärten und Baumwiesen Über die Bibliothek, den Schlafsaal und die Krankenstube Über die beiden Kreuzgänge Über die königlichen Hallen Über die Sakristei und deren Schatz Über ihr Hospital Über ihre Einkünfte Über Toledo Über die Toledaner Kirche Über den Schatz und die Reichtümer der Kirche Über Ornamente Über Kanoniker und Pfründner Über das Johanneskloster (San Juan de los Reyes) des Franziskanerordens Über das Kloster der Heiligsten Dreifaltigkeit Über das Kloster des heiligen Augustinus Über die Umgangsform des Volkes Über Majorit, in der Volkssprache Madrid Über den König und die Königin Über die Königin Isabella Antwort Über das Aussehen von König und Königin Über adlige Studenten Über den Abschied von Madrid in Richtung Zaragoza – ein Weg von etwa 51 großen Meilen Über die Stadt Guadalajara Über die Burg in Guadalajara Über das Haus des Kardinals Don Pedro de Mendoza Über die Stadt Sigüenza Über die Stadt Medinaceli Über Zaragoza Über die Fruchtbarkeit des Landes Über die Kathedralkirche und die Klöster Über das Kloster des heiligen Hieronymus Über die Burg und Befestigung von Zaragoza Über das Maurenviertel („Morería“) Über die Ölmühlen Über den Abschied aus Zaragoza Über Pamplona, die Stadt Navarras Über den König von Navarra
VII. Von der Gascogne bis Paris Über das Béarn Über Toulouse, Stadt der Gallia Narbonensis Über die Reliquien und Kirchen von Toulouse Über die Kirche des heiligen Saturnin, des ersten Bischofs von Toulouse Über das Kloster des Predigerordens Über die Provinz Languedoc und deren Metropole Toulouse Über das Tolosaner Studium Über den Auszug aus Toulouse nach Tours Über Saint-Léonard Über die Stadt Limonia, in der Volkssprache Limoges Über die ruhmreiche Stadt Pictavis, heute Poitiers genannt Über die dortigen Kirchen und Klöster Über die Kirche des heiligen Hilarius, des Bischofs von Poitiers Über den Aufbruch aus der Stadt Poitiers Über die sehr schöne Stadt Turo, volkssprachlich Tours Über das Schloss des Königs Über die Kirche des heiligen Cassian, die Bischofskirche ist Über das große Kloster des heiligen Martin vor den Mauern (Marmoutier) Über das Verlassen von Tours nach Ambasia, volkssprachlich Amboise Über den Namen des Dauphin und seine Sitten Über den Bruder Franz von Paola aus Apulien, den größten Eremiten unserer Zeit Über die große Stadt Aurelianum, in der Volkssprache Orléans genannt Über die Kirche und das allgemeine Studium
VIII. Von Paris bis Rouen Über die glorreiche Stadt Paris in der Gallia Lugdunensis Über die Universität und die Kollegien in Paris Ein weiteres Epitaph auf ... Über den dritten und größten Teil der Stadt, der im Norden liegt Über die Brücken und die wichtigsten Alleen und Straßen Über die Lage und Größe von Paris Über die Reliquien und Schätze der heiligen Kapelle (Sainte-Chapelle) Über das Kloster Saint-Denis mit den Gräbern der Könige, den heiligen Reliquien und dem dortigen Schatz Rückkehr nach Paris Über die vier Schlösser zu Paris Über den Auszug aus Paris
IX. Von Rouen bis Lille Über die berühmte Stadt Rothomagus, die Rouen genannt wird Über den Berg und das Kloster der heiligen Katharina Über die Kathedralkirche und über Anderes Über die Kirche des heiligen Ouen, Bischof von Rouen Über den Auszug aus Rouen zum Meerhafen Dieppe Über die Abfahrt aus Dieppe nach Eu, lateinisch Augum Über die Provinz der Normandie Über das Kloster Saint-Josse Über die Ritter des heiligen Jodok Über die Stadt Ambianis, volkssprachlich Amiens Über die Hauptkirche in Amiens Über das Antlitz des heiligen Johannes’ des Täufers, des Vorläufers des Herrn und über den Schrein des heiligen Firmin Über die Stadt Atrebatum in der Grafschaft Artois, die volkssprachlich Arras heißt. Sie ist 14 Meilen von Amiens entfernt. Über Kirchen und Klöster Über die Stadt Rissel, in gallischer Sprache Lille in Flandern genannt Über die dortige bewehrte Burg Über das Haus des Fürsten Über die Kirchen in Rissel
X. Von Brügge bis Nürnberg Über die glorreiche Stadt Brügge Über die Stadt Brügge Die Reichtümer der Stadt Über Hallen und Paläste zum Handeln Über die Kirchen in Brügge Noch ein Epitaph des ... Über den Palast bei St. Donatianus Über die Klöster Über das Kartäuserkloster Über die Hospitäler Über die Stadt Sluis („Schlusa“) Über den Hafen in Sluis Über die Festungen von Sluis Über die Insel Cadzand und Zeeland Über die große Stadt Ganda, in der Volkssprache Gent Über die dortigen Kirchen Über ein bemerkenswertes Bild, das in Sankt Johannes ist und, wie ich glaube, kaum seinesgleichen auf der Welt hat. Über Antwerpen, in der Volkssprache Antorf Über die Kathedrale Über Mecheln Über Lüttich, die reiche und bekannte Stadt Über den Aufbruch aus Aachen in Richtung Köln Über die Umgänglichkeit und Frömmigkeit der Bewohner
Abkürzungen
Quellen und Literatur Zugrundegelegte lateinische Edition: Quellen und Literatur
Register
Für Gertrud
Vorwort
Die Zeichnung zur Kirche von Santiago de Compostela, die Hieronymus Münzer in den Bericht seiner Reise vom 2. August 1494 bis zum 15. April 1495 durch große Teile Westeuropas einfügt, ist schon vielfach verwendet und abgebildet worden. Für dieses Buch ziert sie den Umschlag. Das sogenannte Itinerarium bietet jedoch noch viel mehr, und es ist bei Kennern seit langem als ein kulturgeschichtliches Juwel bekannt. Der Nürnberger Arzt bereiste Frankreich, Spanien, die Schweiz, die Niederlande und Deutschland. Seine Beschreibungen führen den Leser zu vielen unbekannten Orten, die er mit eigenen Augen, aber auch aus der Perspektive anderer wahrnahm, um dann einiges davon aufzuzeichnen. Die ersten Übersetzungen dieses lateinischen Textes stammen von spanischen Kollegen, die sich allerdings nur für den iberischen Teil oder sogar nur für einzelne Regionen interessierten. Schon 1996 habe ich zusammen mit Robert Plötz einen Auszug aus dem Reisebericht in deutscher Sprache zum Besuch Münzers in der Pilgerstadt Santiago de Compostela herausgegeben. Das Pilgerzentrum ist einer der wenigen Orte, bei dem Münzer seine Beschreibungen etwas anders als bei weiteren Örtlichkeiten darbot, wo er oft aus der Höhe eines Kirchturmes die Lage beschrieb. Er verglich den Pilgerort auch nicht mit anderen Orten in Deutschland, was er sonst häufig tat.
Der Bericht des Hieronymus Münzer ist für Pilger nicht nur wegen der Beschreibung Compostelas interessant, sondern auch wegen der zahlreichen Wegstrecken, die in seinem Itinerar mit heutigen Jakobswegen übereinstimmen, in Deutschland, in Frankreich, aber auch in Südspanien oder in Portugal. Münzers Itinerarium ist zwar kein Pilgerbericht, aber Pilgerorte, Reliquien und Frömmigkeit gehören zu seinen Reiseeindrücken dazu. Diese Erfahrungen sind jedoch vielfältiger und werden hier erstmals in einer vollständigen Übersetzung des Textes der Öffentlichkeit vorgelegt. Es ist gleichsam eine Aufforderung, wie Münzer mit offenen Augen und Ohren den Westen Europas zu „erfahren“. Gleichzeitig erscheint bei den Monumenta Germaniae Historica die lateinische Edition dieses Berichtes. Diese ist so umfassend mit Einleitung und Kommentar versehen, dass die hier gebotene Übersetzung sich mit wesentlich kürzeren begleitenden Bemerkungen und Kommentierungen begnügen kann. Der Text soll vor allem für sich selbst sprechen und möglichst viele Leser erreichen.
Ich freue mich, dass dieser spannende Reisebericht rechtzeitig zum Heiligen Jahr in Santiago 2021 erscheint und den Mitgliedern der deutschen St. Jakobus-Gesellschaft als Jahresgabe 2020 zugehen kann. Bei der Vorbereitung der Übersetzung, die ich schon vor über zwanzig Jahren in Teilen begonnen habe, standen mir in der jetzt notwendigen Abschlussphase verschiedene Personen zur Seite. Das Druckangebot des Narr-Verlages sowie die Betreuung des Buches durch Dr. Valeska Lembke und Corina Popp förderten die schnelle und gründliche Abwicklung. Bei der Übertragung der Epitaphien und Gedichte waren Rat und Übersetzungsvorschläge von Eric Schlager unentbehrlich, die Korrekturphase unterstützten Sophie Caesperlein, Clara Hoeß und Lena Sahaikewitsch. Das Register lag in den Händen von Viktoria Trottmann. Meine Frau, die schon früher Münzer immer wieder be- und genutzt hat, las und diskutierte die Texte mit mir. Ihr und allen, auch ungenannten Helfern, sei herzlich gedankt!
Hieronymus Münzer in Westeuropa: Person, Reise, Bericht. Eine Hinführung
1. Student, Mediziner, Humanist und Reisender: Lebenslinien des Nürnberger Arztes Hieronymus Münzer
„Schon im sechsten Jahr meines Doktorates in Pavia in der medizinischen Fakultät […], als in der schönen Handelsstadt Nürnberg in Oberdeutschland eine Epidemie ausbrach…“ So lautet einer der ersten Sätze Münzers im Itinerarium. Und er fährt – offensichtlich ganz Mediziner – fort:
Ich verdanke es meinem Glück und meinen medizinischen Kenntnissen, die Gesundheit bewahrt zu haben. Es war im Jahr des Heiles 1484. Ich fürchtete die Ansteckung und begriff schnell, dass derjenige weder im Krieg oder durch die Pest stirbt, der nicht in ihrer Nähe ist. Ich beschloss also zu fliehen, um nicht das Leben durch eine Unaufmerksamkeit zu verlieren.
Zehn Jahre später schreibt der Nürnberger Bürger ganz ähnlich: „Später, im Jahre des Heils 1494, als eine neue Pestwelle ausbrach, wollte ich zum alten Heilmittel der Flucht greifen“1.
Trieben also Pestwellen den Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer aus der fränkischen Reichsstadt auf den Weg, zunächst nach Italien, dann später nach Frankreich, Spanien und fast ganz Westeuropa? Nur weg aus dem Ort, wo Kontakte auch Ansteckung bedeuten konnten? Der Bericht – schon seit langem als Fundgrube kulturgeschichtlicher Beobachtungen geschätzt – zeigt aber, dass viel mehr als die Pest den Nürnberger Arzt seine Reise beginnen ließ. Deshalb seien zumindest seine Prägungen und sein Lebensweg ganz kurz skizziert.
Hieronymus Münzer – oder „Monetarius“, wie sich der Nürnberger Arzt latinisiert nannte – gehörte zum Kreis der Humanisten, die auch am Hofe Kaiser Maximilians (1493–1519) Ansehen genossen2. Geboren wurde Münzer 1437 (oder 1447) in Feldkirch als ältester Sohn des Heinrich Münzer († um 1463) und seiner Frau Elisabeth. Er studierte in Leipzig (1464–1474), später Medizin in Pavia (1476–1477), wurde dort 1479 promoviert und erwarb ein Jahr später das Bürgerrecht in der großen Handelsstadt Nürnberg, wo er sich schon nach seinem Leipziger Studium niedergelassen hatte. Zum Erwerb der Bürgerschaft war ein Mindestvermögen nötig. Gefestigt wurde Münzers Stellung auch durch eheliche Bande, denn er heiratete am 3. Juli 1480 Dorothea und schuf damit Verbindungen zur wichtigen Nürnberger Familie der Kiefhaber. Aus dieser Ehe ging eine Tochter hervor. Beruflich verfasste Münzer in der Reichsstadt verschiedene Gutachten und praktizierte mit anderen Medizinern zusammen wie Johann Cramer und Hermann Schedel. Später gehörten zu diesem Kreis auch Hartmann Schedel, Heinrich Geratwohl und Dietrich Ulsen. Nicht nur durch diese Gruppe blieb er auch nach seinem Studium vielfältig interessiert, dies lässt zum Beispiel seine Bibliothek mit fast 200 Titeln erkennen, deren Zusammensetzung deutlich macht, wes Geistes Kind Münzer war.
In Nürnberg begünstigten die vielfältigen Aktivitäten des Handels auch Forschung und Wissenschaft. Wichtig waren vor allem Mathematik und Astronomie, dann, darauf aufbauend, auch Kosmographie und Geographie. Regiomontanus kam 1471 aus dem fränkischen Königsberg nach Nürnberg, Hartmann Schedel kehrte 1484 nach Nürnberg zurück. Dessen Vetter, Hermann Schedel, starb am 4. Dezember 1485 in der Reichsstadt; aber schon er hatte einzelne humanistisch Interessierte wie Dr. Hieronymus Münzer, Dr. Sebald Mulner, Dr. Heinrich Geratwol, Dr. Lorenz Schaller sowie weitere Personen wie Johannes Löffelholz, Dr. Conrad Schütz, Johann und Georg Pirckheimer, den Prior der Nürnberger Kartause, um sich geschart. Aus dem Ägidienkloster trat Abt Johannes Radenecker hinzu. Obwohl es in Nürnberg keine Universität gab, blühte der gelehrte Austausch, der mit diesen Namen nur unvollständig charakterisiert ist.
Weiterhin dürfte Martin Behaim nach seiner Rückkehr aus Portugal 1491 das geistige Klima in Nürnberg entscheidend mitbestimmt haben. Er vollendete 1492 in Nürnberg seinen „Weltapfel“. Auf diesem Globus ist ein enormes geographisches Wissen erkennbar, an dessen Erarbeitung wohl – wie man schon früh vermutet hat3 – auch Schedel und Münzer beteiligt waren. Münzer schrieb sogar am 14. Juli 1493 an König Johann II. von Portugal einen Brief, in dem er diesen im Namen des Königs Maximilian zur Umsegelung der Welt aufforderte, um China zu erreichen. Für dieses Unternehmen empfahl er dem König Martin Behaim als kundigen Seemann und Begleiter4. Ob die Entdeckung der Neuen Welt – Kolumbus kehrte von seiner ersten Reise am 4. März 1493 zurück – in Nürnberg zu dieser Zeit schon bekannt war, scheint unerheblich, denn an zahlreichen geographischen Erkenntnissen waren wohl schon vorher Nürnberger Gelehrte beteiligt. Seine geographischen Kenntnisse stellte Münzer ebenso bei seinen Korrekturen am Blatt „Europa“ in der Schedelschen Weltchronik unter Beweis; auch an der Schedelschen Karte von Deutschland war Hieronymus Münzer wohl beteiligt5.
Da Münzer also schon früh zu jenem humanistischen Kreis gehörte, der am Ende des 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts das intellektuelle Leben in Nürnberg bestimmte, dürften diese Kontakte, seine Verwurzelung in einer Handelsfamilie, seine Frömmigkeit und seine medizinisch-anatomischen aber auch allgemein kulturgeschichtlichen Interessen seine Reisen mitbestimmt haben. War die Pest also – gemäß einer klassischen Unterscheidung – eher der Anlass, während die Gründe tiefer lagen? Münzer traf beispielsweise im Januar 1495 den spanischen König Ferdinand, worüber das Itinerarium ausführlich berichtet. Sollte er, wie man vermutet hat, den spanischen Herrscher zu einer Entdeckungsreise in ozeanische Gefilde überreden?
Nach 1495 scheint Münzer nicht mehr gereist zu sein; wichtig für ihn wurde die Hochzeit seiner Tochter Dorothea am 3. Juli 1499 mit dem Patrizier Hieronymus Holzschuher, die der sehr hohen Ausgaben wegen (600 Gulden) im Rechnungsbuch Münzers verzeichnet wird. Damit war der Anschluss an die großen Nürnberger Familien endgültig erreicht. Aus der Ehe seiner Tochter gingen Kinder hervor, drei überlebten. Der Tod seiner Frau Dorothea am 30. September 1505 traf Münzer sehr. Vielleicht errichtete er deshalb Anfang 1506 zwei Stiftungen: eine Studienstiftung sowie eine zweite in der Pfarrkirche St. Nikolai. Zwei Jahre später, am 27. August 1508 starb Hieronymus Münzer. Sein Epitaph, das von Schedel oder Holzschuher stammen könnte, hebt hervor, dass er fast ganz Europa bereist habe (totam ferme Europam peragrauit)6.
Wenn man sich verdeutlicht, in welcher Welt der Autor des Reiseberichtes lebte, erschließen sich auch die Interessensfelder in seinem Reisebericht. Seine Mitarbeit in Nürnberger humanistisch-kosmographischen Zirkeln, die Sorge um den Nürnberger und den Handel insgesamt, aber auch die Interessen eines Gelehrten, der die Artes und die Medizin studiert hatte, boten spezifische Voraussetzungen, um sich fremde Welten zu erobern. Recht wenig ist aus Nürnberger Quellen zu Münzers religiösem Hintergrund zu erfahren. Hier scheint es fast so, dass der Reisebericht selbst mit seinen zahlreichen Reliquienbeschreibungen, seinen Bemerkungen zu Pilger- und Devotionsstätten, aber auch zu anderen Religionen wie dem Islam oder dem Judentum die entsprechenden Facetten des Autors erschließt.