Loe raamatut: «Kleine Quittenkantate für Kastratensopran und Querflötenquintett», lehekülg 2

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Frühlingsdanksagungsritualvorschlag

An sich bin ich jederzeit aufgelegt, Wettersmalltalkverachtungsbekundungen in die Schranken zu weisen. Leute, die sich übers Wetter unterhalten, als Spießer zu entlarven, die schon in jungen Jahren nach Heizdecke und TV-Serien mit Mitgliedern der Wussow-Familie muffeln, ist ein nur allzu leicht zu durchschauender Kniff, sich selbst in das aparte Licht dezenter Devianz zu stellen, obwohl die Beschwerdeführenden in achtzig Prozent der Fälle zu jenen Zeitgenossen zählen, die minutenlang über „Sex and the City“ schwatzen können, also genau null Grund haben, despektierlich auf irgendjemandes Konversationsstoff herabzublicken. Andererseits muss ich schon zugeben, dass die „Geht dieser Winter denn auch Mal wieder zu Ende“-Gespräche das Ausmaß des Zulässigen und Gesunden bei weitem überschritten haben (kein Feuilleton, kein Foyer und kein Fistfucking-Fest, in und auf dem dieses Thema zuletzt nicht bis zum Schwallspeiben durchgekaut worden ist), sodass ich für die Saison 2004/​05, selbst für den Fall, dass Blizzards die Südsteiermark verwüsten sollten, kein Wort übers Wetter vernehmen möchte. So. Nun ist aber der Frühling am letzten Sonntag tatsächlich angebrochen. Und er hat das, während in Sestriere der Skiweltcup nicht nur meteorologisch unrund zu Ende ging, sehr raffiniert gemacht. Wie sich die Sonne gaaanz sachte durch eine allumfassende, aber nicht unangenehme Vormittagsschwarzweißfilmstimmung arbeitete, um dann endlich gegen 15 Uhr ihr Honigmilchlicht (zum Beispiel) auf die Schneehaufen Ottakrings zu verteilen, das war, weiß Gott, Oscar-würdig! Man soll aber die „Austreibung“ des Winters nicht den heidnischen Ritualen der Vorarlberger Diaspora in Wien überlassen, weswegen ich hier doch einmal anregen möchte, dass sich alle Menschen, in deren Herzen die Dankbarkeit hin und wieder ihr bescheidenes Einmannzelt aufschlägt, am nächsten Sonntag in Grünspechtkostümen (erbswurstsuppenfarbene Jacken und rote Mützen reichen vollauf) im Böhmischen Prater einfinden mögen – ob beim Werkelmann oder im Bierstadl, bleibt jedem selbst überlassen.

Am Frühling muss noch gefeilt werden

Also gut, aufs Erste hat das jetzt nicht sooo toll geklappt. Aber zum einen muss ich gestehen, das Aufkommen an Frühlingsfreuden im Böhmischen Prater letzten Sonntag nicht mit allerletzter Gründlichkeit in Augenschein genommen zu haben, und zum anderen habe ich mich selbst dann ja auch nicht als Grünspecht verkleidet. Der erbswurstsuppenfarbene Pulli, den ich probiert habe, war eine Nummer zu klein, und beim roten Mützchen hätte ich auch passen müssen. Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass der Bierstadl gerade umgebaut wird und ergo geschlossen hat (zu Beginn der Saison – eine Spitzenidee!), man also auf den Werkelmann angewiesen ist, wo das Gselchte und die Fleischknödel untadelig waren und Gösser ausgeschenkt wird, es also im Prinzip nichts zu mosern gibt, was aber nichts daran ändert, dass ich ein Bierstadl-Mann bin (Der Kies! Die Bäume!! Das Budweiser!!!). Und noch eins: Jetzt steht die spitzgiebelige Kartoffelbratbude von Herrn Jancura vis-à-vis der Märchenbahn schon die zweite Saison ungenutzt herum. Es ist natürlich das gute Recht von Herrn Jancura, in Pension zu gehen, in Immobilien, Buddhismus, Schlauchbooten, Neosuprematismus oder was auch immer zu machen; aber wozu haben wir eine sozialdemokratische Stadtregierung mit absoluter Mehrheit, wenn dann die Grundversorgung der Wiener Bevölkerung mit Lockenchips – ein Menschenrecht! – von den Zufälligkeiten individueller Lebensplanung abhängig bleibt, häh?!! Da hätten wir gleich das Liberale Forum wählen können! (Was wurde eigentlich aus Gabi Hecht?) Jetzt soll man aber nicht gleich die Flinte ins Korn werfen, solang es noch nicht mal reif ist. Es wird jetzt also bitte Folgendes gemacht: Der Bierstadl renoviert (aber pronto!); ein Pächter für die Lockenchipsbude gesucht (und gefunden!); und nachdem die Buntspechtvariante als überkomplex sich erwiesen hat, ein neues Frühlingsbegrüßungsritual verordnet: Alle stecken sich einen Bund Frühlingszwiebel an Mütze/​Kappe/​Hut. Nächstes Wochenende bin ich eh im Ausland (champagnisieren!), aber am Palmsonntag komm ich nachschauen!

Ich fordere besser inszeniertes Wetter!

Vor einigen Wochen besuchte ich die Inszenierung eines berühmten und beliebten, weil auch voll kontroversiellen deutschen Regisseurs, von dem ich bis dahin noch gar nix gesehen hatte. Ich muss zugeben, dass ich andernfalls auch kaum auf die Idee verfallen wäre, mir ein Stück von Tennessee Williams anzusehen, weil ich damit schon während meiner Schulzeit abgefüllt worden bin und mir seitdem flapsige Floskeln wie „schwüle Südstaatendramatik“ durch den Kopf rauschen. Die hoch gepriesene Inszenierung dauerte nicht unlang, war auch nicht ununterhaltsam, vor allem aber sehr nass: Andauernd wurde herumgepritschelt, in Becken gesprungen, auf feuchten Bohlen ausgerutscht, pladderte der Regen tüchtig auf die Bühne. Aha!, dachte ich mir. Nicht nur heißes Blechdach, sondern auch feuchte Bohlen. Interessant! Ich habe jetzt keine Lust, das zu überprüfen, würde aber gerne behaupten wollen, dass es bei Tennessee Williams irgendwann immer furchtbar zu regnen beginnt. Und dann würde ich auch noch hinzufügen mögen, dass sich das Leben gefälligst an die Stücke von Tennessee Williams halten soll. Unlängst saß ich hinter einer Trabrennbahn und beobachtete ein heraufziehendes Gewitter. Stundenlang. Die Wolken waren schwer am Ballen, die Böen am Stürmen, der Donner am Grollen, die Blitze am Zucken. Nachdem Gläser, Stühle und Kellner auf die Trabrennbahn geweht worden und dort zu Bruch gegangen waren, begaben wir uns auf die Veranda und warteten auf den Regen. Der dann auch kam – als wir zum Taxi liefen. Dann aber krachte und schüttete es immerhin ausgiebig, was ja aus dramaturgischen und beischlaftechnischen Gründen sehr zu begrüßen ist. In letzter Zeit passiert aber so gut wie gar nix: Drückende, unerlöste Südstaatenschwüle hängt über dem Land, kreist in sich selbst, entringt sich ein paar Tropfen, die während des Fallens verdampfen, entfacht heiße Winde, die sinnlos über den kochenden Asphalt streichen. Herr Williams, bitte unternehmen Sie was!!!

Zwei Tage Ferien

Folgt man einer konventionellen Definition von Urlaubsvergnügen, dann war mein letztwöchiger Aufenthalt im Mühlviertel ein totaler Reinfall. Man muss das aber nicht so sehen. Zugegeben: Mit einem unförmigen, von diversen Rollen und Säcken überwucherten Rucksack mehr als vier Stunden per Bahn und Taxi anzureisen, um kurz mal schwimmen zu gehen, eine unfassbar öde Wanderung auf einer Forststraße ohne Charme und Aussicht zu unternehmen, sich vollregnen zu lassen und nach zwei Nächten mit einem unförmigen, von diversen Rollen und Säcken überwucherten Rucksack mehr als vier Stunden per Taxi und Bahn wieder heimzureisen (in Linz muss man auch noch den Bahnhof wechseln, aber da bin ich schwarzgefahren – hehehehe!) rangiert auch auf meiner Liste der Traumurlaube nicht unter den Top Ten, aber als Generalprobe war’s doch ganz brauchbar. Ich weiß jetzt, dass ich mein 14 Jahre altes Interrailzelt noch aufstellen kann, dass es fast dicht ist, dass der Weg von Schwarzenberg nach Holzschlag der Mühe nicht lohnt und dass am Montag in Klaffer am Hochficht beide Wirtshäuser geschlossen sind. Wenn sie offen haben, kriegt man allerdings Schlägl-Bier; und das hat selbst Ivan Klein, Großmufti des Missmuts und Ehrenprofessor für schlechte Laune an der Universität von Warschau, schon vor Jahren als „Fiebertraum“ bezeichnet (ich glaube, es war wohlwollend gemeint gewesen). Außerdem habe ich die außergewöhnlichste Frage seit meiner Mathematikmatura gestellt bekommen: Als ich das regionale Taxiunternehmen kontaktierte und mitteilte, dass ich einen Wagen für die Fahrt von Klaffer nach Aigen-Schlägl benötigte, meinte die Dame am Telefon schlicht: „Warum?“ (Man sieht, der Mühlviertler geht die Dinge gerne etwas gründlicher an.) Bemerkenswert auch das Klafferer Mikroklima: Während sich dort Wolken von der Farbe schmutziger Wattebäusche müde über den Böhmerwald wälzen, hat es im Rest des Landes eine Fernsicht, dass man Klöster von den Hügeln fotzen möchte.

Wie ich einmal zu sehr gebremst wurde

Unlängst war mir einmal danach, etwas total Verrücktes zu machen. Ich finde, dergleichen sollte auch Herren aus der Prä-Skateboard-Generation möglich sein. Ich hatte mich an diesem frühlingshaften Nachmittag in den beliebtesten Biergarten des grundsympathischen zweiten Wiener Gemeindebezirkes begeben, um der Lektüre feministischer Romane durch den Verzehr von Rohscheiben, Rettich und adäquaten Begleitgetränken einen würdigen Rahmen zu verpassen. Das Wetter und der Kellner, der wiederholt mit dem unwiderstehlichen Satz „Nemma no ans?“ vorstellig wurde, wollten es, dass mir das Druckluftgezapfte gut ins Blut ging und ich auf diese Weise in eine angenehme und durchaus gewollte Trunkenheit geriet, denn gewiss hätte ich das Ansinnen des tüchtigen Servierburschen auch mit einem brüsken „Hoho, junger Freund, wo denken Sie hin?!“ von mir weisen und die Rechnung verlangen können. Das tat ich indes erst, nachdem ich die freundliche Frage zwei Mal bejaht, dem Begehr fremder Herren, an meinem Tisch Platz zu nehmen, hingegen nicht entsprochen hatte – ich lasse mir doch nicht von jedem Büroschwänzer in meine feministischen Romane linsen! Am Praterstern entschloss ich mich dann – wieder hatte das Wetter seine güldenen Finger im Spiel –, für die Heimreise nicht die unterirdische U-, sondern die großteils über Tag geführte Schnellbahn zu wählen, was ich ansonsten aus Gründen schierer Gewohnheit nicht zu tun pflege. An diesem Tag allerdings suchte ich das Außergewöhnliche! Als Jahresnetzkarteninhaber steht mir das auch zu, solange ich Unfug im Wageninneren unterlasse. Am Matzleinsdorfer Platz dann war ich so aufgekratzt, dass ich große Lust verspürte, das Treppengeländer hinunterzurutschen, was allerdings aufgrund der übermäßigen Friktion zwischen Handlauf und Hosenboden nicht in der entsprechenden Fidelheit gelingen wollte. Es war fast so schlimm wie damals mit Baumwollbadehose auf der Erlebnisbadrutsche. Man sollte den Schwung, den budweisererleuchtete Frühlingstage aufgenommen haben, nicht so rüde abbremsen. Hier herrscht akuter Handlungsbedarf!

Nicht alles ist in Ordnung auf dieser schönen Welt
Die Woche des Wahnsinns

Der Umstand, dass ich an dieser Stelle gerne die Begeisterung für manch unterschätztes Detail oder Großstädtchen zu verbreiten pflege, hindert mich keineswegs daran, gegebenenfalls auch anzumerken, dass mit dieser Welt einiges im Argen liegt. Ich meine jetzt nicht bloß den Umstand, dass ein so strunzdummer Sack wie Dieter Bohlen mehr Bücher verkauft als, sagen wir, Susan Sontag (die allerdings genauso schlecht singt wie Dieter Bohlen). Ich meine zum Beispiel, dass vergangenen Donnerstag Teile der ortsansässigen Bevölkerung im Schutze des Vollmondes total auszurasten beliebten. Zuerst schleppen irgendwelche wohlstandsverwahrlosten Yuppie-Eltern ihren Säugling in der Unteren Viaduktgasse in ein Wirtshaus, damit sie diesem in aller Ruhe den Kinderwagen vollqualmen und ein paar schöne Gläser Wein süffeln können. Dann übersieht eine Fußgängerin auf der Invalidenstraße eine rote Ampel, was einen Autofahrer zu einer heftigen Bremsung und der nicht minder heftigen Bemerkung veranlasst: „Das nächste Mal fahr ich dich nieder!“ Und schließlich rennt in der U4-Bahn-Station Karlsplatz einer dem anderen mit gezücktem Messer nach. Tut mir Leid, Junkies, aber so geht’s auch nicht! So haben wir das bei Jürgen Habermas gewiss nicht gelernt. Das ist nicht der herrschaftsfreie Diskurs, den wir meinen!! Im Übrigen finden es Jürgen und ich auch voll daneben, dass das Freihaus von ästhetisch unterbegabten Geschäftemachern in eine Studentenabfüllkneipe verwandelt wurde, in der man sich gegenseitig aus Jux mit Schwarzbrottoasts erschlägt. Und um auch noch den traurigen Ausklang dieser Woche des Wahnsinns zu würdigen: Nie wieder darf es erstens passieren, dass sich der Beginn des „Tatorts“ auf ARD wegen der Liveausstrahlung eines Frauenfußballmatches verzögert, und aber schon überhaupt nie, nie, nie wieder darf zweitens ein dermaßen dämlicher „Tatort“ ausgestrahlt werden wie die Folge „Wenn Frauen Austern essen“ („Buch“: Peter Probst). Immerhin ist es so gelungen, Jürgen und mich zum Frauenfußball zu bekehren – eine effektive, aber fragwürdige Methode!

Röhrenunfug unterm Hotelzimmerfenster

Will man andeuten, dass etwas eigentlich völlig überflüssig ist, stellt man die ausgesprochen rhetorisch gemeinte Frage: Wer braucht des? (Richtige Antwort: Niemand!) Stimmt bloß leider nicht. Irgendwer findet doch alles irgendwie super. Es gibt ja sogar Leute, die Long Island Ice Tea trinken oder „Sex and the City“ schauen (meistens beides zugleich, denn ohne ordentlich Alkohol ist die New-York-Tussen-TV-Serie nicht einmal halblustig). Auch die Schunkelbrigaden, die den „Musikantenstadel“ voll machen, sitzen sicher freiwillig in den Turnhallen dieser Welt, und irgendwo, irgendwo auf diesem überbevölkerten Globus gibt es gewiss jemand, der es mörderkomisch findet, wenn er zum entsprechenden Geburtstag ein T-Shirt mit der Aufschrift „Ich bin 40, helfen Sie mir über die Straße“ geschenkt bekommt. Und dann gibt es noch die Mountainbiker, also Menschen, die in scheußlicher Kleidung durch Landstriche radeln, die weder für die Kleidung noch fürs Radeln gedacht sind, sondern dafür, aus schilf-, schlick- oder schlammfarbenen Rucksäcken (die heutzutage leider zusehends durch Farbtöne wie Mauve Brût Metallisé, Orange Ecstacy oder Badedas ersetzt werden) perforierte Aludosen zu holen, diesen ein kompaktes Stück totes Tier zu entnehmen, davon mittels eines Taschenfeitels auf einem Schneidbrett dicke Scheiben herunterzuschneiden und noch dickere Scheiben von unglaublich urigem Schwarzbrot damit zu belegen. Schon auf der Norwegerwiese haben Mountainbiker nichts zu suchen, wo sie aber definitiv niemals nie in tausend Jahren never ever etwas verloren haben, ist die Altstadt von Steyr. Dass pneumatisch aufgeschwollene Standln und atmungsinaktive Bierzelte den historischen Stadtplatz versauen, dass Männer in lächerlich tief ausgeschnittenen Trikots den Schlossberg runterzappeln, dass Sonntag um 7.30 Uhr direkt unter meinem Hotelzimmerfenster am Hauptplatz dröhnender Unfug mit Eisenrohren veranstaltet wird – das braucht echt kei-ne Sau!

Menschen, die ins „Fique“ gehen

Neulich habe ich ihn gesehen: Als Auskunftsperson für ein Phantombild bin ich nicht die richtige Besetzung, aber ich glaube mich zu erinnern, dass der Mann nicht übermäßig jung, groß und schlank war (mit diesen Angaben würde ich gerne mal einen Cameo-Auftritt im „Tatort“ haben – und Freddie Schenk oder Lena Odendahl würde dann so etwas wie „Aber zu Tür fin’n Sie rein?“ sagen; könnte das einer der begabteren Drehbuchschreiber jetzt bitte, bitte verwenden? Ich kann mich ab Anfang Oktober jederzeit ’ne Woche fürn Dreh freimachen). In jedem Fall aber trug er ein T-Shirt, auf dem zu lesen stand: „Der ideale Ehemann schnarcht nicht, trinkt nicht, flirtet nicht, gibt es nicht.“ Der Fallfehler stammt vermutlich von mir. Inhaltlich sind die Angaben aber jedenfalls einigermaßen korrekt und wesentlich präziser als meine Personenbeschreibung des Trägers. Entscheidend ist indes ohnedies, dass er dieses T-Shirt trug, das er – etwas anderes ist ja eigentlich nicht vorstellbar – im Rahmen einer mit großem Hallo, pinkfarbenem Lippenstift und bombiger Stimmung reich gesegneten Zusammenkunft in einem Wirtshaus namens „By Freddie’s“, „Monika’s Stüberl“ oder „Le Magnifique“ (vulgo: „das Fique“ – „gemma nachher schnell noch ins Fique?!“) von seinen leicht überbräunten Freunden geschenkt bekommen hat. Das muss es doch geben, oder? Irgendwo müssen die Träger all dieser lustigen T-shirts doch zusammenkommen, wohnen und ihre bizarren Sexualpraktiken ausüben?! Es kann doch nicht sein, dass die „Bier formte diesen wunderschönen Körper“-T-Shirts alle in Marthaler-Inszenierungen enden?! Es kann doch nicht sein, dass die „Ich bin 40, bitte führen Sie mich über die Straße“-T-Shirts ausschließlich für die Gänsefüßchen-Humor-Exzesse von vergleichenden Literaturwissenschaftlern gut sind?! Und es muss doch da draußen jemanden geben, der das schnurgerade und ohne Scheiß voll witzig findet, zefixnochmal! Es kann, es darf doch nicht sein, dass jetzt alle schon so tun, als ob …!!

Männerfantasienscheltehinterfragung

Männer haben’s leichter und sterben früher. Wer will, kann darin so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit erblicken. Ich bin ja eher für echte, gerechte Gerechtigkeit als für ausgleichende, und wenn’s nach mir ginge, hätten es Frauen wie Männer gleich lustig im Leben, das für beide gleich lang währte, nämlich ewig. Aber leider wurde mein Schöpfungskonzept als „wenig innovativ“, „bieder“, „sozialpartnerschaftlich“, ja „altvatrisch“ abgetan und ein neoliberaler Schnösel mit der Genesis beauftragt. Ich will das auch gar nicht länger bejammern, sondern stattdessen einmal in nachdenklich stimmender Manier auf den fragwürdigen Gebrauch des Wortes „Männerfantasie“ deuten. Nicht dass ich damit jegliche Männerfantasie aus dem „Fragwürdigkeitserachtungshorizont“ (Hans-Georg Gadamer) rücken möchte – als alter Freund der Aufklärung bin ich immer fürs Hinterfragen und all die anderen Tugenden linksliberaler Deutschlehrer –, aber die Männerfantasien haben’s echt schwer: Während Frauenfantasien (die niemand je als „Frauenfantasien“ bezeichnet) den kühlen Chic von Dingen wie „Identität“, „Diskurs“ und anderen Nirosta-Vokabeln verströmen, ranzt die Männerfantasie vor sich hin wie ein altes Stück angewichster Dachpappe. Noch schwerer hat’s die „Altmännerfantasie“. Sie wird unweigerlich mit vielfach undichten und unschön leckenden Lustgreisen assoziiert, die nach den weichgezeichneten jungen Frauen aus der Tampon- oder Teebeutelwerbung gieren. Ich bin ja auch dafür, dass man sich sexuell eher in der eigenen Generation umtut, und es ist gewiss ungerecht, dass ältere Männer viel bessere Chancen bei jungen Frauen haben als ältere Frauen bei jüngeren Männern; aber das muss doch nicht gleich zur Horrifizierung des Umstandes führen, dass auch betagtere Herrschaften noch ganz gern bei der jüngeren Damenschaft mitplauschen mögen täten. Dass die Fantasien jung bleiben, während der Fantast älter wird, ist ein trauriges Faktum, das durchaus etwas Nachsicht verdient – solange alles bei der bloßen Fantasie und im Rahmen der Gesetze bleibt.

Dinge, die Gott getrennt hat

Man kann mir nur schwer vorwerfen, dass ich mich Innovationen auf dem Konsumsektor aus ideologischer Verbohrtheit verweigern würde. Ganz im Gegenteil! Ich gehöre zur fortschrittsfreudigen Gruppe jener, die selbstverständlich der Auffassung sind, dass wir auf Sakkos mit Klettverschlüssen immer schon gewartet haben und dass es nie genug Molkedrinkgeschmacksrichtungen geben kann (wann kommt eigentlich endlich Gin-Grapefruit?!) – ich muss sie ja nicht gleich selber trinken. Aber andererseits gibt es schon ein paar Dinge, die man auch lassen kann. Bei allen Irritationen hat sich zum Beispiel der Geschlechterdimorphismus als im Großen und Ganzen recht charmant erwiesen, und auch wenn uns die akademisch ausgeschlafenen AuskennerInnen ständig zurufen, dass das alles nur Konstruktionen und Konzepte sind, habe ich es ganz gern, wenn man auf dem Gender-Kontinuum keine allzu kühnen Sprünge unternimmt. Es ist irgendwie anstrengend, wenn man mit einer klassischen Frau im Bett aufwacht, die dann schon beim Frühstück zart ins Hermaphroditische zu spielen beginnt, zu Mittag ein richtiger Kerl und am Abend irgendwas dazwischen ist. Auch mit dem Kaffee verhält es sich ähnlich: Man kann da Milch oder Obers in unterschiedlichen Mengen reintun, meinetwegen auch Grappa (obwohl auch die besser getrennt konsumiert wird), aber das war’s dann auch. Des Morgens, wenn ich zwischen 5.30 und 6.30 Uhr (wir haben Gleitzeit) zur Arbeit gehe, komme ich immer an einem Coffee-Shop vorbei, der neuerdings mit dem Slogan „Trinkt mehr Kekse“ seinen Cookie-Coffee anpreist. Abgesehen einmal davon, dass Kekserl-Kaffee eindeutig das shmoovere Wort wäre, kann man doch Dinge, die Gott getrennt hat, auch mal getrennt sein lassen! Man schmeißt ja auch nicht Gansl, Blaukraut und Erdäpfelknödel zusammen und jagt sie durch die Moulinette! Anstatt dass jeder, der noch Kekse knabbern kann, froh darüber ist, soll er nun diese (gemeinsam mit Espresso, Milch, weißer Schokolade, Schlagobers und Zimt – das Rezept von Cookie-Coffee) aus dem Pappbecher schlürfen. Das ist doch Unfug!

Tasuta katkend on lõppenud.