Eltern werden 40+

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Kyra und Sascha Kauffmann
Eltern werden 40 +
So gelingt eine späte Schwangerschaft
Ein naturheilkundliches Selbsthilfeprogramm für Frauen & Männer


VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg

Haftungsausschluss

Dieses Buch ist in erster Linie für Lernzwecke gedacht. Es soll kein Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung sein. Wenn Sie einen medizinischen Rat einholen möchten, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt oder Heilpraktiker.

Die Autoren und der Verlag übernehmen keine Haftung für Verbesserungen oder Verschlechterungen Ihres Gesundheitszustandes oder für sonstige Personen-, Sach- oder Vermögensschäden.

Hinweis

Um die Lesbarkeit nicht zu stören, verwenden wir geschlechtsspezifische Bezeichnungen wie Arzt, Heilpraktiker, Forscher etc. teilweise in der männlichen Form. Wir beziehen in diesen Fällen selbstverständlich immer auch andere Geschlechter mit ein.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

VAK Verlags GmbH, Eschbachstraße 5, 79199 Kirchzarten, Deutschland

www.vakverlag.de

© VAK Verlags GmbH, Kirchzarten bei Freiburg 2020

Produktion: Schmieder-Media GmbH, Lünen

Lektorat: Brigitte Hamerski

Abbildungen: S. 16 © andriano.cz/Shutterstock.com; S. 22 © Kateryna Kon/Shutterstock.com; S. 31 © Mopic/Fotolia.com; S. 34 © Dmytro Zinkevych/Shutterstock.com; S. 37, 42 © Labor Rosler GmbH; S. 46 © SvetaZi/Shutterstock.com; S. 56 © ever/Shutterstock.com; S. 62 © WHITE MARKERS/Shutterstock.com; S. 68 © pixinoo/Shutterstock.com; S. 78 © extender_01/stock.adobe.com; S. 89, 109, 115, 129, 142, 150 © Labor Biovis Diagnostik MVZ GmbH; S. 93, 97 © Labor Sension GmbH; S. 172 © shansh23/Shutterstock.com; S. 160 © Just dance/Shutterstock.com; S. 178 © 5 second Studio/Shutterstock.com; Porträts der Interviewpartner © privat; alle anderen © Sascha Kauffmann.

Umschlagdesign: X-Design, München

Coverabbildungen: Iconic Bestiary/Shutterstock.com

Layout und Satz: kw-unlimitedmedia, Lünen

Druck: mediaprint solutions GmbH, Paderborn

Printed in Germany

ISBN 978-3-86731-232-5 (Paperback)

ISBN 978-3-95484-411-1 (ePub)

ISBN 978-3-95484-413-5 (PDF)

Inhalt

VORWORT VON PROF. DR. INGRID GERHARD

VORWORT DER AUTOREN: WARUM DIESES BUCH?

JETZT NOCH EIN KIND?

RISIKO SCHWANGERSCHAFT?

Expertin Maren Fischer, Hebamme

Biologie schlägt Chronologie

WIE ENTSTEHT EIN WUNDER?

Die weiblichen Hauptdarsteller: Eierstöcke, Eileiter und Gebärmutter

Neuer Monat, neue Chance: Der weibliche Zyklus

Die männlichen Hauptdarsteller: Hoden und Nebenhoden

Das Wunder geschieht

WAS IST ANDERS übER 40?

Das goldene Dreieck

Progesteronmangel: Fehlender Eisprung und Gelbkörperschwäche

Expertin Prof. Dr. Ingrid Gerhard, Gynäkologin

Testosteronmangel: Libidoverlust und Erektionsstörungen

Das Post-Pill-Syndrom

DER CHECK-UP BEIM GYNäKOLOGEN

Experte Dr. Guido Hofmann, Gynäkologe

Häufige Probleme über 40: PCOS, Myome und Endometriose

Experte Dr. Clemens Stock, Gynäkologe

DAS ZYKLUSTAGEBUCH

Korrektes Messen der Basaltemperatur

Typische Temperaturkurven bei Frauen über 40

Der Ovulationstest im Urin

DER CHECK-UP BEIM UROLOGEN

Spermiogramme verstehen

Experte Dr. Reinhold Schaefer, Urologe

DIE HäUFIGSTEN FRUCHTBARKEITSKILLER üBER 40

Schlafmangel

Experte Dr. Alexander Wunsch, Arzt

Schilddrüsenstörungen

Experte Dr. Firoz Sojitrawalla, Internist

Expertin Dr. Simone Koch, Gynäkologin

Nebennierenstörungen

Nährstoffmängel

Expertin Oec. Troph. Ulrike Gonder

Experte Prof. Dr. Jörg Spitz, Präventiv- und Nuklearmediziner

Zuckerkonsum

Expertin Julia Tulipan, Ernährungswissenschaftlerin und Biologin

Störungen im Mikrobiom

Experten Dr. Adriana Radler-Pohl und Dr. Jens Pohl, Biologen und Heilpraktiker

Toxische Belastungen

Zahnerkrankungen

Experte Dr. Joung-Min Yoo, Zahnarzt

Durchblutungsstörungen im Becken

Expertin Karin Bürk, Heilpraktikerin und Osteopathin

DAS 15-WOCHEN-FRUCHTBARKEITSPROGRAMM

Expertin Dr. Sabine Paul, Biologin und Gewürzspezialistin

DIE THERAPIE MIT BIOIDENTISCHEN HORMONEN

Expertin Dr. Heike Kuran, Humanbiologin

 

WIR SIND SCHWANGER!

LITERATUREMPFEHLUNGEN UND QUELLEN

VORWORT VON PROF. DR. INGRID GERHARD


Als ich 1972 in der neu gegründeten Abteilung für Hormonforschung und Fortpflanzungsmedizin an der Uni-Frauenklinik Heidelberg die Hormon- und Kinderwunsch-Sprechstunde aufbaute, hätte ich mir nicht träumen lassen, dass mich das Thema unerfüllter Kinderwunsch mein Leben lang begleiten würde. Damals hatten die Männer meist fantastische Spermiogramme. Es waren überwiegend die Frauen, die unfruchtbar waren aufgrund von entzündlich veränderten Eileitern oder fehlendem Eisprung. Die Frauen waren durchschnittlich Anfang 30, und vielen von ihnen konnte durch damals hoch moderne Hormontherapien geholfen werden.

Dieses Bild hat sich heute total geändert. Spermienanzahl und vor allen Dingen Spermienqualität haben sich sehr verschlechtert, der Kinderwunsch wird fünf bis zehn Jahre später erst aktuell, Hormonstörungen sind immer noch häufig, sind aber durch die früher üblichen Hormontherapien nicht zufriedenstellend behandelbar. Glücklicherweise hat unser Wissen über die Vernetzung der Hypothalamus-Hypophysen-Ovariellen-Achse mit Schilddrüse, Nebennieren und Melatonin zugenommen.

Während wir früher in der Ambulanz für Naturheilkunde verlacht wurden, wenn wir Kinderwunschpaaren eine Ernährungsumstellung empfahlen, gibt es inzwischen eine Fülle handfester Studien, die einen Mangel an Mikronährstoffen mit eingeschränkter Fertilität nachweisen. Auch an dem desaströsen Einfluss von Umweltgiften auf die Fertilität kann nicht mehr gezweifelt werden. Kein Wunder also, dass sich die Folgen einer schlechten Ernährung, eines kranken Darms, chronischer Entzündung und Cocktails von Umweltbelastungen chemischer und physikalischer Herkunft umso stärker negativ auswirken müssen, ja älter die Kinderwunschpaare sind.

In diesem Ratgeber für Paare mit spätem Kinderwunsch ist es den Autoren gelungen, die heute bekannten Ursachen einer eingeschränkten Fertilität systematisch und ganzheitlich darzustellen und für alle möglichen Störungen auch gleich Behandlungstipps anzugeben. Eigentlich sollte dieses Buch jedes Paar mit potenziellem Kinderwunsch durcharbeiten, das würde vielen von ihnen teure und vergebliche Reproduktionstechniken ersparen. Und was mir noch wichtiger erscheint – viele Frauen würden mit besserer Gesundheit eine Schwangerschaft erzielen und damit auch gesündere Babys bekommen, eine Investition in die Gesundheit der nächsten Generation. Dieses Buch gehört auch in die Hände von Reproduktionsmedizinern, die über den Tellerrand schauen und mit einfachen Methoden ihre Ergebnisse verbessern wollen.

Und noch ein Tipp auch für jüngere Frauen: Epidemiologische Studien konnten zeigen, dass durch einen gesunden Lebensstil die fruchtbare Lebensphase der Frau um mindestens zwei Jahre verlängert werden kann, die Wechseljahre also erst später auftreten.

Diesem Buch ist eine große Verbreitung zu wünschen!

Prof. Dr. Ingrid Gerhard

www.netzwerk-frauengesundheit.com

VORWORT DER AUTOREN: WARUM DIESES BUCH?

»Wer sagt, es gibt keine Wunder auf dieser Erde, hat noch nie die Geburt eines Kindes erlebt. Wer sagt, Reichtum ist alles, hat noch nie ein Kind lächeln gesehen. Wer sagt, diese Welt sei nicht mehr zu retten, hat vergessen, dass Kinder Hoffnung bedeuten.«

Reinhard Becker (Autor)

Liebe Leserin, lieber Leser,

Bücher über Schwangerschaft und Fruchtbarkeit gibt es bereits sehr viele. Bislang aber keines, das auf die Sorgen und Ängste von Frauen und Männern eingeht, die um die 40 sind und schwanger werden möchten.

Wer sich erst relativ spät im Leben dafür entscheidet, ein Kind zu bekommen, den beschäftigen ganz andere Fragen als jüngere Paare, nämlich:

• Bin ich überhaupt (noch) fruchtbar und wenn ja, wie viel Zeit bleibt mir noch?

• Kann ich meine eigene Fruchtbarkeit beeinflussen?

• Welche Risiken sind mit einer späten Schwangerschaft für Mutter und Kind verbunden?

Die eigene nachlassende Fruchtbarkeit ist nun mal eine biologische Tatsache, die in erster Linie die Frauen stark beschäftigt und oft auch belastet. Dabei nimmt auch die männliche Fertilität mit zunehmendem Alter ab. Auch wenn viele Männer dies gar nicht wissen (wollen).

Jetzt kommt aber die gute Nachricht: Biologie schlägt Chronologie!

Auch wenn wir uns um die 40 nicht mehr auf dem Höhepunkt unserer fruchtbaren Jahre befinden, so sind wir dennoch in der Lage, gesunde Kinder in die Welt zu setzen.

Kyra wurde mit 42 und mit 45 Jahren Mutter eines gesunden Kindes – ohne Verfahren der künstlichen Befruchtung wie IVF, ICSI oder künstliche hormonelle Unterstützung. Sascha war 40 bzw. 43 Jahre alt bei der Geburt seiner Söhne. Wir sind keine exotischen Ausnahmen, wie die Erfahrungen mit unseren Patienten zeigen.

Wir haben viel mehr Einfluss auf unsere fruchtbare Lebensspanne und auch auf viele Risiken einer Schwangerschaft, als allgemein angenommen wird. Und darum geht es hauptsächlich in diesem Ratgeber.

Als Frau erfahren Sie u.a.:

• welche Untersuchungen mit 40 besonders sinnvoll sind,

• was Ihr Schlaf mit Ihren Eisprüngen zu tun hat,

• wie Sie Ihre Vaginalgesundheit und damit Ihre Empfängniswahrscheinlichkeit optimieren.

Als Mann erfahren Sie u.a.:

• was ein Spermiogramm wirklich aussagt,

• warum Ihre Hoden Algen und fetten Fisch lieben,

• was Sonnencreme mit Ihrer Spermienqualität zu tun hat.

Wie bei all unseren Büchern versichern wir Ihnen auch hier: Alle Methoden sind wissenschaftlich fundiert und haben sich in unserer Praxis seit Jahren bewährt.

Wir wünschen Ihnen nun viel Spaß beim Lesen und viel Erfolg beim Umsetzen unseres Programms – egal, ob Sie auf natürlichem Weg schwanger werden möchten oder in einem Kinderwunschzentrum zusätzliche Unterstützung suchen.

Kyra und Sascha Kauffmann

JETZT NOCH EIN KIND?

UTE LEMPER, BRIGITTE NIELSEN, CAROLINE BEIL, JANET JACKSON – in der Welt der Promis sind sie mal bestaunte, mal kritisierte Phänomene: Frauen, die über 40 oder gar erst mit 50 ein Kind bekommen.

Was die Klatschpresse gerne reißerisch auf ihre Titelseiten setzt, ist bei Frau Normalverbraucherin schon längst Realität: späte Schwangerschaften. In den 1970er Jahren, als unsere Mütter uns bekamen, war die erste Schwangerschaft mit Anfang 20 normal. Mit 28 Jahren galt man damals als »spätgebärend«. Dies hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Statistisch gesehen, bekommt eine deutsche Frau heute im Alter von 29 Jahren – eine Spanierin sogar erst mit 34 – ihr erstes Kind. Immer mehr Frauen werden sogar erst im fünften Lebensjahrzehnt das erste Mal Mutter. Seit 1990 hat sich die Zahl dieser späten Erstmütter vervierfacht.

Im Jahr 2018 kamen in Deutschland 42.800 Babys zur Welt, deren Mütter schon den 40. Geburtstag hinter sich hatten – davon waren 9.210 Erstgeburten.

Und was ist mit den Herren der Schöpfung?

DIETER BOHLEN, PETER MAFFAY, ULRICH WICKERT, HERBERT GRÖNEMEYER – alles späte Väter, die Fruchtbarkeit bis ins Rentenalter suggerieren – ein Mythos im Übrigen, wie wir später noch sehen werden. Sie stellen zwar nicht die Mehrheit dar, aber immerhin werden sechs Prozent der deutschen Männer noch mit über 45 Jahren Vater.

Wer sich erst mit über 40 für ein Kind entscheidet, liegt im Trend

Längere Ausbildungszeiten, ein starkes berufliches Engagement oder ein fehlender dauerhafter Partner – es gibt genug Gründe, warum die Entscheidung zur Familiengründung erst einmal vertagt wird. Und wie schnell vergehen die Jahre. Plötzlich sind wir 40! Wo ist die Zeit bloß geblieben?

Der 40. Geburtstag ist für viele ein Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen und zurückzuschauen:

• Die Partyzeit ist schon lange vorbei. Viele Freunde aus den wilden 20ern und den nicht mehr ganz so wilden 30ern haben mittlerweile selbst eine eigene Familie.

• Die große Karriere ist entweder schon in sicheren Tüchern oder es hat die nüchterne Erkenntnis eingesetzt, dass einige berufliche Ziele in diesem Leben wohl nicht mehr erreichbar sind.

• Traumreisen wurden schon gemacht.

• Viele Jahre beruflicher Erfahrung zahlen sich nun merklich aus.

• Der Lebenspartner ist gefunden.

All dies sind positive Punkte, die für eine späte Familiengründung sprechen.

Aber mit 40 tickt die biologische Uhr doch hörbar lauter. Spätestens ab diesem Zeitpunkt fragen sich viele:

Und jetzt noch ein Kind?

Wir sind beide Eltern geworden, als wir die 40 bereits erreicht bzw. überschritten hatten. Hier sind unsere Erfahrungen zu der Zeit nach der Geburt:

Sascha: »Der Schlafmangel in den ersten Jahren hat mich sehr belastet. Seit die Kinder auf der Welt sind, schlafe ich nicht mehr so tief wie früher. Ich wache von jedem kleinen Geräusch auf. In der ersten Zeit war es für mich zudem eine große Umstellung, meine Bedürfnisse hintanzustellen. Sport, Kino, Freunde treffen – all das war erst einmal für mehrere Jahre gestrichen. Jetzt sind die Jungs vier und fast sieben Jahre alt und für Hobbys und Freizeitaktivitäten ist wieder mehr Raum.«

Kyra: »Während die Schwangerschaften problemlos waren, hat auch mir der chronische Schlafmangel der ersten Jahre mit den Säuglingen sehr zugesetzt. Ich habe beide Kinder lange gestillt, und auch nach der Stillzeit gab es immer wieder Phasen von durchwachten Nächten, z.B. wenn einer der Jungs krank war. Ich habe mich davon immer nur sehr langsam erholt. Dies hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass die Regenerationsfähigkeit im Alter doch spürbar nachlässt. Auch die Rückbildung und die Gewichtsregulation nach der Geburt können länger dauern als bei jüngeren Frauen. Manchmal bleiben deutliche Zeichen einer Schwangerschaft mit Bindegewebsrissen an Brust und Bauch zurück. Mein Körper hat sich sehr verändert durch die beiden späten Schwangerschaften. Und noch einen Punkt finde ich wichtig zu erwähnen: Holen Sie sich Hilfe, wo es nur geht. In unserem Fall gab es leider keine Eltern mehr, die uns hätten unterstützen können – ein häufiges Problem älterer Paare. Denn entweder sind die eigenen Eltern bereits zu alt oder leben nicht mehr. Wer nicht auf die Unterstützung von »Oma und Opa« für die Kinder zählen kann, sollte sich rechtzeitig ein Netzwerk aufbauen und im Vorhinein überlegen, wie trotz Kindern Schlaf und Regeneration möglich werden.«

Wir sind froh und dankbar für unsere beiden wilden Jungs, die unser Leben seit einigen Jahren auf den Kopf stellen. Wir finden, die ersten Babyjahre sind unvergesslich und vergingen wie im Fluge. Sie sind aber auch wahnsinnig anstrengend. Die Regenerationsfähigkeit nach drei oder vier fast schlaflosen Nächten ist bei vielen über 40 einfach nicht mehr wie mit 25. Das sollte nicht vergessen und berücksichtigt werden, damit diese besondere Zeit wirklich genossen werden kann. Diese Erfahrungen möchten wir zukünftigen Elternpaaren mit auf den Weg geben.

RISIKO SCHWANGERSCHAFT?

Nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen waren, erhielt Kyra von ihrem Gynäkologen den Mutterpass mit dem Vermerk »Risikoschwangerschaft/Schwangere über 35 Jahre« und war zunächst ziemlich verunsichert. Was genau bedeutet dieser Eintrag?


EXPERTIN MAREN FISCHER, HEBAMME


Maren Fischer erklärt: »Der Begriff Risikoschwangerschaft wurde in den 1970er Jahren eingeführt und beschreibt eine Schwangerschaft, bei der in der Vergangenheit oder zum Zeitpunkt der Schwangerschaft bestimmte Risikofaktoren bestanden. Wir Hebammen – Gleiches gilt für Gynäkologen – müssen u.a. folgende Risiken abfragen:

 

• Allgemeinerkrankungen der Mutter, wie Bluthochdruck oder Diabetes mellitus

• Wiederholte Fehlgeburten oder Frühgeburten

• Geburt(en) von Kindern mit einem Gewicht über 4.000 Gramm oder unterentwickelten Kindern

• Zustand (des Vaginaltrakts) nach Gebärmutteroperationen (z. B. auch nach einer Konisation des Gebärmutterhalses)

• Komplikationen bei vorherigen Geburten, z.B. Thrombosen oder eine sogenannte Schwangerschaftsvergiftung (Präeklampsie)

Studien konnten zeigen, dass diese Vorerkrankungen die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen während der Schwangerschaft oder während bzw. nach der Geburt erhöhen.

Aber auch das Alter der Schwangeren, unter 18 Jahren, und – was heutzutage viel häufiger ist – das Alter von über 35 Jahren – gelten als Risiken.«

»Ist das Alter denn ein eigenständiger Risikofaktor ab 35?«, fragen wir nach.

Dazu Maren Fischer: »Das Risiko für Frauen steigt nicht plötzlich mit dem 35. Lebensjahr an, sondern es steigt tendenziell mit zunehmendem Alter. Dies ist allerdings auch wieder von Frau zu Frau ganz unterschiedlich.

Rein statistisch gesehen erhöht sich mit zunehmendem Alter der Frau das Auftreten von z.B.:

• Schwangerschaftsdiabetes,

• Bluthochdruck,

• Thrombose,

• Placenta praevia,

• Früh- und Fehlgeburten,

• Präeklampsie (früher: EPH-Gestose),

• Chromosomenschäden des Kindes,

• Fruchtwasserembolie.«

Aber nicht nur das Alter der Mutter alleine spielt eine Rolle. Auch das Alter des Vaters hat einen Einfluss auf Schwangerschaftsrisiken von Mutter und Kind:

»Das Risiko für die Frau, einen Schwangerschaftsdiabetes zu entwickeln, nahm um 28 Prozent zu, wenn der Vater im Alter zwischen 45 und 54 Jahren alt war. Bei einem Alter des Mannes über 55 Jahren stieg es sogar auf 34 Prozent an. Andere frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass Erkrankungen wie Autismus und Schizophrenie ebenfalls mit dem Alter des Erzeugers assoziiert sind«, so Professor Dr. Stefan Schlatt, Universität Münster.

Hebamme Maren Fischer: »Viele Erkrankungen sind mittlerweile gut behandelbar. Es reicht schon manchmal, nur eine Veränderung im Lebensstil durchzuführen, z.B. bei Schwangerschaftsdiabetes eine Ernährungsumstellung oder bei Bluthochdruck mehr Ruhe und Entspannung. Bei Thromboseneigung lassen sich genetische Risiken im Vorfeld abklären, z. B. ein genetisches Faktor-V-Leiden oder eine MTHFR-Mutation (Störung des Folsäurestoffwechsels), um dann z. B. durch eine Heparintherapie die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose drastisch zu reduzieren. Der Vorteil einer Risikoschwangerschaft ist, dass die werdende Mutter engmaschiger untersucht wird und viele Risiken auch schon früh erkannt werden können und dann auch gut behandelbar sind.«

Neben den in den Mutterschaftsrichtlinien empfohlenen Untersuchungen (z. B. das Ersttrimester-Screening, regelmäßige Ultraschallscreenings und der Glukosetoleranztest) gibt es eine Reihe weiterer Tests. Ob diese alle sinnvoll sind und grundsätzlich durchgeführt werden müssen, hängt vom eigenen Sicherheitsbedürfnis und -empfinden ab. Fakt ist, dass eine späte Schwangerschaft noch nie so sicher war wie heutzutage.

KYRA: »In meiner zweiten Schwangerschaft mit fast 45 Jahren haben wir uns gegen eine Fruchtwasseruntersuchung und auch gegen eine Chorionzottenbiopsie zum Ausschluss genetischer Erkrankungen entschieden. Wir haben den Harmony®-Test (auch PraenaTest®) in der 11. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Dabei wurde über eine Blutuntersuchung bei mir das kindliche Erbgut auf die häufigsten Chromosomenschäden, nämlich Trisomie 21 (Down-Syndrom), Trisomie 13 (Patau-Syndrom) und 18 (Edwards-Syndrom) untersucht. Die Wartezeit war sehr belastend, aber nach ca. zehn Tagen wussten wir, dass unser Sohn diese Chromosomenschäden nicht hatte. Die Trisomien 13 und 18 sind in aller Regel nicht mit dem Leben vereinbar, im Gegensatz zu einer Trisomie 21.«

Statistiken sagen wenig über das eigene, individuelle Risiko aus. Lebensstilfaktoren sind mitentscheidend. So kann ein Schwangerschaftsdiabetes häufiger auftreten, wenn die Schwangere übergewichtig ist bzw. eine gestörte Glukosetoleranz bereits vor der Schwangerschaft bestand.

Frau Fischer, wir danken für dieses Gespräch.