Loe raamatut: «Warum ich links bin …»

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Leo Fischer

Warum ich links bin …

… und immer noch meine Deutschlehrerin hasse

Im tiefsten Bayern, dort, wo die Sonne schallend lacht und doch nirgendwo niemandem ein Licht aufgeht, da ging ich zur Schule. Meine Eltern hatten genug mit ihrem beruflichen Fortkommen zu tun und überließen es daher mir, meine Ausbildung nach Gutdünken zu planen; sie wollten in erster Linie in Ruhe gelassen werden. So hatte ich mir aus freien Stücken das humanistische Gymnasium ausgesucht, wegen einer gewissen Begeisterung für das Lateinische. Die wiederum entstammte einem Buch über Sternzeichen, das ich zu diesem Zeitpunkt in der Buchhandlung Bücherwurm erworben hatte. Das Wichtigste an diesem Buch war, dass die Sterne mit radioaktiver Farbe gemalt waren und deshalb im Dunkeln leuchteten (heute würden sich Eltern hüten, ihren Kindern so etwas Schädliches in die Hände zu geben; die Sternzeichenbücher bestehen aus Holz oder werden gleich aufs Tablet geladen). Das Zweitwichtigste waren aber die lateinischen Namen der Sternzeichen selbst, die mir wie aus einer anderen Welt schienen, poetisch und wunderbar sinnlos. Es wollte mir schier nicht in den Kopf, dass die lateinischen Namen dasselbe bedeuten sollten wie ihre deutschen Entsprechungen – darum waren sie doch auf Latein, damit sie etwas gänzlich anderes bedeuteten als im Deutschen, etwas vollkommen Unaussprechliches, das eben nur im Lateinischen zu sagen war. Zugegeben, ich war ein dummes Kind, den Kopf bis zum Rand gefüllt mit dummem Zeug, bin es immer auch geblieben, und in meiner Dummheit entschied ich mich für das Lateingymnasium, nicht nur irgendeines, sondern das konservativste am ganzen Ort. Es war die ehemalige »Poetenschule«, wo in der Hauptsache die katholische Intelligenzija herangezüchtet wurde, zu dienen in der Kirche und der ihr angeschlossenen CSU.

Irrenhaus, Theater der Niedertracht

Die Wunder des Altertums und die Schönheit der Sprache schwanden so schnell wie die Leuchtkraft der Sterne, wurden sie doch vermittelt von greisen Lehrzombies, Geschöpfen, die nur auf dem jahrhundertealten Morast katholischer Repression und Realitätsverleugnung gedeihen konnten. So ließ einer der Herrschaften die Schüler beim Verlassen des Unterrichtsraums einzeln den Satz »Durch Kampf zum Sieg, durch Sieg zur Vollendung« aufsagen, ein anderer lange Aufsätze über die Schönheit des Sitznachbarn schreiben; ein dritter warf mit Tafelkreiden nach aufsässigen Schülern. Es war, grob gesagt, ein Irrenhaus, das Klischee einer deutschen Lehranstalt aus einer 50erJahre-Klamotte, hinübergerettet in die Wirklichkeit der 90er. Die Fähigkeiten, die von allen am meisten trainiert wurden, waren Duckmäusertum und indirekte Kommunikation; man lernte, die Psychose des jeweiligen Erziehers genau zu analysieren und aufs Beste zu bedienen. Vor allem aber lernte man einen tiefen, schäumenden Hass auf alles, was schwach und anders war, und ein Religionslehrer, der leutseligste und kumpeligste von allen, beliebt wegen frecher Wortspiele und anzüglicher Anekdoten, verkündete noch in der zehnten Klasse, dass in seinen Augen Homosexuelle an einer öffentlichen Schule nichts zu suchen hatten, und ließ seine Schüler Argumente für diese grässliche These sammeln. Ich, der ich meine Veranlagung schon damals einigermaßen durchschaut hatte, lieferte von allen am fleißigsten. Nicht einer dachte an Widerspruch, die Idee des Widerspruchs selbst war absurd.

Inmitten dieser Geisterbahn, dieses ewigen Theaters der Niedertracht, gab es eine Gestalt, die ich von allen am meisten hasste. Wir nannten sie »M’äm«, und für die Zwecke dieses Aufsatzes soll sie Frau Müller heißen. Drei Jahre lang war sie meine Deutschlehrerin, zwei Jahre meine Geschichtslehrerin, und auf den Zetteln mit den bösen Witzen und Zeichnungen, die wir herumreichten, war sie mein Lieblingsopfer. Sie war dick, grob und vulgär; sie lachte viel zu laut und über die falschen Dinge, sie kicherte manchmal anlasslos in sich hinein; sie kam zu spät, sie ging zu früh. Oft war sie unvorbereitet, ja schien gar betrunken; dann stürzte sie uns in so frei flottierende wie fruchtlose philosophische Diskussionen, die sie selbst zu langweilen schienen. Vor allem aber war von ihr bekannt, dass sie in der SPD war; ihre Lehrerkollegen, entweder selbst in der CSU oder ihr nahestehend, klärten uns darüber immer wieder und mit großer Begeisterung auf, wie über eine peinliche Geschlechtskrankheit. Wohl hatte man ihr mit Respekt zu begegnen – aber allen war klar, dass sie etwas Verrücktes, etwas vollkommen Abnormes war, so wie der atheistische Mitschüler, der beim Schulgebet nicht aufstand. Natürlich, das hatte man zu dulden, das war durchaus noch im Spektrum vertretbarer Meinungen und nicht unmittelbar der Sanktion bedürftig – aber im Grunde war es doch sinnlos, ein stures Aufbegehren gegen eine Welt, die viel besser funktioniert hätte, wenn alle der selben Meinung gewesen wären.

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€1,49

Žanrid ja sildid

Vanusepiirang:
0+
Objętość:
15 lk 2 illustratsiooni
ISBN:
9783867744584
Õiguste omanik:
Bookwire
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