Merry X-mas

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Merry X-mas
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Lilly An Parker

Merry XXX-Mas

Eine Office-Escort Novelle

erotischer Roman


www.Elysion-Books.com

Lilly An Parker

ist das Pseudonym einer deutschen Autorin, die sich bisher hauptsächlich im Liebesromanbereich einen (anderen) Namen gemacht hat. Neben Wollmäusen und Staubratten züchtet sie seltene Pflanzen wie die Wollustlilie oder die Aphrodisiaka.

Bei Elysion-Books sind die Titel »Heiß« (inkl. der Auszüge »Der Voyeur«, »SexSterneTours«, »Das Geschenk« und »Ein ungewöhnlicher Diebstahl«), »Office Escort – Das Sekretärinnenspiel« und die Hörbücher »Der Voyeur«, »SexSterneTours« erschienen.

In den Anthologien »Süßer die Glocken«, »Hartgekocht«, »Türchen öffne dich« und »Alles Liebe zum Fest der Hiebe« ist sie mit Kurzgeschichten vertreten.

2015 sind neben »Merry XXX-Mas – Der Weihnachtsdeal« (»Office Escort«-Reihe) auch zwei weitere Novellen: »Office Escort – Schlagzart (im Buch »Lila – der letzte Versuch«) und »Office Escort – Schlagfertig (im Buch mit »Singapore Nights«) erschienen.

Für 2016 sind neben Kurzgeschichten und Novellen zwei Buch-Fortsetzungen zur »Office Escort«-Reihe in Planung.

Merry XXX-Mas


www.Elysion-Books.com

ELYSION-BOOKS

Print; 1. Auflage: September 2014

eBook; 1. Auflage: Juli 2015

VOLLSTÄNDIGE AUSGABE

ORIGINALAUSGABE

© 2014 BY ELYSION BOOKS GMBH, LEIPZIG

ALL RIGHTS RESERVED

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

www.dreamaddiction.de

FOTO: © Bigstockphoto

LAYOUT &WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

www.imaginary-world.de

ISBN (Print): 978-3-942602-56-3

ISBN (Ebook): 978-3-945163-67-2

www.Elysion-Books.com

Inhalt

Ein unmoralisches Angebot

Ich starrte auf den roten Zettel, der an meinem Monitor klebte und mir wurde gleichzeitig heiß und kalt. Mein Chef wollte mich sehen!

Normalerweise hätte ich mir deswegen nicht ins Hemd gemacht, aber so kurz vor einem Feiertag konnten das nur schlechte Nachrichten sein. Im allerschlimmsten Falle eine Urlaubssperre. Obwohl … ob ich das wirklich schlimm fand?

Kurz überlegte ich, dass eine Urlaubssperre vielleicht sogar das Beste war, was mir passieren könnte. Ich würde um die schrecklichen Weihnachtslieder, die peinlichen Gedichte und um den obligatorischen Knecht Ruprecht herumkommen, der bei uns immer für die Kinder kam. Eigentlich hätte ich den Knecht als toll eingestuft, doch wie gesagt: er war nur für die Kinder da. Keine Rute für die Erwachsenen. Außerdem hatten Knecht Ruprecht und ich ein eher … angespanntes Verhältnis zueinander. Also, korrigierte ich mich in Gedanken, stand ich auf die Rute und nicht auf den Knecht.

Leise seufzend zupfte ich den Zettel ab und marschierte Richtung des Empfangs, da Ruben dort heute seinen Dienst absaß. Kurz nickte ich seiner nackten Freundin Joanna zu, die zu einem fast handlichen Paket zusammengeschnürt anmutig vor dem Tresen lag. Die Mischung aus Wut und Erregung in ihrem Blick hätte mich normalerweise dazu gebracht, Ruben um eine Mitspielgelegenheit zu bitten, doch angesichts des Zettels war mir nicht danach. Ich musste einfach wissen, ob ich nun mit meinen verrückten und vollkommen durchgedrehten Familienmitgliedern Weihnachten feiern würde, oder einen tollen Job bekam.

»Hi, Alexa!« Ruben stand zur Begrüßung auf und deutete auf Joanna. »Setz dich doch.«

Vorsichtig, um meiner Arbeitskollegin nicht wehzutun, nahm ich die Einladung an und setzte mich auf die angebotene, entblößte Sitzgelegenheit. Dabei konnte ich spüren, wie Joanna mit den Zähnen knirschte.

Na, wenn da Rubens Idee, seiner Freundin ihre devote Seite zu zeigen, nicht nach hinten losging, dann wusste ich auch nicht … Ich zwinkerte Joanna von oben herab zu. Es oblag mir nicht, meinen Chef zu tadeln oder seine sexuellen Gelüste zu kommentieren. Die Vereinbarung galt zwischen Jo und ihm, und solange sie nicht von ihrem Safeword Gebrauch machte, konnte Ruben weiter versuchen, der Dominanten ihre andere Seite näherzubringen.

»Ich suche jemanden für einen Job an Heiligabend!«

Zischend entwich die Luft zwischen meinen Lippen und ich entspannte mich. Dabei hatte ich nicht einmal bemerkt, dass ich die Luft vor Nervosität angehalten hatte. Dann erst fiel mir der Fehler in dem Bild auf.

»Und dann fragst du nur mich?«, erkundigte ich mich dementsprechend skeptisch.

Normalerweise waren Jobs über die Feiertage immer heiß begehrt, da es nochmal einen großzügigen Aufschlag gab – mal ganz abgesehen davon, dass man der eigenen Familie entkam. Deswegen hatte es sich eingebürgert, dass die Jobs entweder ausgeschrieben oder bei der Wochenversammlung angeboten wurden. Frei für alle Angestellten. Und dann entschied das Los.

»Ja, ich frage nur dich«, bestätigte Ruben und warf einen Blick auf Joanna, als erwartete er Unterstützung von ihrer Seite. Sie schniefte nur verächtlich. Für jemanden in dieser devoten Position eine beachtliche Leistung.

»Chris ist einer unserer Stammkunden«, erklärte Ruben. »Du hattest bislang noch nicht das Vergnügen mit ihm.«

Er reichte mir eine Mappe, die ich zwar in die Hand nahm, aber weitgehend ignorierte.

»Dann soll sich doch eine seiner Gespielinnen um ihn kümmern«, meinte ich. Ich wusste, wie eifersüchtig die Mädels teilweise waren, wenn es um »ihre« Kunden ging. Und von Chris hatte ich schon einiges gehört. Er sollte ein charmanter Augenschmaus sein – und ein Switcher. Das war anstrengender als die normalen Kunden, die entweder dominant oder devot waren, aber es war eine Herausforderung. Ich liebte Herausforderungen. Normalerweise. Aber ich würde den Teufel tun und Claire oder Melissa einen ihrer Kunden an einem der begehrtesten Tage des Jahres vor der Nase wegschnappen.

»Kein Interesse!«, behauptete ich deswegen.

»Claire und Melissa haben schon abgelehnt«, meinte Joanna und setzte sich über das vermutlich über sie verhängte Schweigegebot hinweg. Damit bewies sie mehr Weitsicht als unser Chef und ihr Lebensgefährte, denn der wirkte einen Moment lang irritiert.

»Ja, stimmt!«, meinte er schließlich und fügte hinzu: »Die beiden haben schon »Nein« gesagt und die anderen Mädels, die schon das Vergnügen mit Chris hatten, ebenfalls.«

Ich konnte spüren, wie ich die Stirn runzelte und nun doch einen Blick in die Mappe warf. Chris sah wirklich gut aus. Ein wenig wie Chris Pine, der Schauspieler, der nun die Enterprise flog und auch seine Biodaten lasen sich gut.

»Wo ist der Haken bei diesem Chris? Ich habe gedacht, die anderen wären alle so begeistert von ihm gewesen?« Ich zögerte einen Moment. »Und mit unseren Damen hat er auch einen ganz schön hohen Verschleiß, oder?«

Trotz meiner Frage blätterte ich auf die nächste Seite, um seine Vorlieben zu studieren. Dort fand ich die Informationen, die mein Chef laut aussprach: »Chris ist schon lange Stammkunde, er gönnt sich jedes halbe Jahr eines unserer Wohlfühlangebote – und er mag Abwechslung.«

Ich verdrehte die Augen. Entweder war das die netteste Umschreibung für: Der Mann war ein Arschloch und keine der Frauen war ihm gut genug gewesen, oder er war wirklich ein Mann, der Abwechslung liebte. Was ihn in meinen Augen zu einem sehr unsteten Partner im wahren Leben machte. Aber das war ja nicht mein Problem. Solange er sich meine Dienste leisten konnte und sich an die Regeln des Office Escorts hielt, war ich die letzte Person, die Steine aus ihrem Glashaus auf ein anderes werfen würde.

»Also fragst du mich, weil er Abwechslung will?«, erkundigte ich mich, weil Ruben nicht so wirkte, als fühle er sich wohl in seiner Haut.

»Ich weiß nicht so ganz, wie ich es erklären soll. ..«, druckste er herum. Dabei überzog eine sanfte Röte seine Wangen. Etwas, was ich noch nie zuvor gesehen hatte, dabei arbeitete ich schon seit Jahren für den Begleitservice »Office Escort« und hätte schwören können, es gab im Erotikbusiness nichts, was meinen Chef zum Erröten bringen konnte.

»Er sucht keine Office Escort Dame, die ihm die Arbeit schmackhafter macht oder ihm sonstwie das Leben verschönert«, sprang Joanna hilfsbereit ein. Dieses Mal wirkte Ruben nicht, als würde er sie später für ihr un-devotes Verhalten bestrafen wollen, sondern eher so, als wolle er ihr den Hals umdrehen.

»Was dann?« Inzwischen hatten sich die Runzeln auf meiner Stirn so tief gedrückt, dass sie schon gegen mein Kleinhirn drückten. Anders konnte ich mir meine plötzlichen Kopfschmerzen nicht erklären.

»Er sucht eine Frau, die ihn zu seiner jährlichen Familienfeier begleitet«, meinte Ruben und hatte seinen seriösen Tonfall wiedergefunden.

»Allerdings nicht nach den Regeln unseres Begleitservices«, kam es wieder von schräg unten und dieses Mal sah ich Joanna nach der Entgegnung direkt an.

»Bedeutet?«, erkundigte ich mich.

»Dass er Sex will!« Joannas Aussage war klar und auf den Punkt gebracht, ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und hustete, bis mir Ruben ein Glas Wasser reichte und ich es in einem Zug leertrank.

 

»Ich bin keine Prostituierte!«, stellte ich danach klar und war versucht beide allein durch meine Blicke zu töten.

»Das weiß ich und es ist auch nicht so gemeint.« Ruben sah mich ernst an.

»Es ist sogar viel mehr!«, meinte meine Sitzgelegenheit.

»Joanna!«, knurrte Ruben, aber seine Gefährtin ließ sich weder einschüchtern, noch sich den Mund verbieten.

»Geh mal von mir runter!«, befahl sie mir und ich tat meiner Arbeitskollegin den Gefallen. Dann drehte sie sich mehr zu Ruben. »Und du, binde mich los, … bitte!«

Obwohl ihm sichtlich unwohl war, kam Ruben Joannas Aufforderung nach, während ich staunte. »Bitte ist dein Safeword?«

»Nicht wirklich!«, gab Joanna zurück und ich wurde Zeuge eines intensiven Blickduells zwischen den beiden. Obwohl sie deutlich erregt war, ihre Nippel waren fest und ihre Schenkel von Lustflüssigkeit benetzt, blieb ich bei meiner Meinung: Joanna war kein Switcher und devot behagte ihr einfach nicht.

»Chris will eine Frau, die ihn begleitet und die er ficken kann, wann er will und wie er will – ein ‚Nein‘ ist bei dem Deal nicht vorgesehen und küssen auch nicht«, erklärte Joanna schließlich.

Ich wandte mich zu Ruben. »Und wieso kamst du auf mich?«

»Weil du mir gestern noch gesagt hast, du seist untervögelt!« Mein Chef wirkte zerknirscht. Sex war beim Office Escort nicht nur nicht vorgesehen, es war sogar ausdrücklich verboten und stand in den Statuten, die wir und die Kunden bei Auftragserteilung unterschrieben. Die Strafen waren horrend hoch – so horrend, dass selbst Manager, die im Jahr mehrere Millionen verdienten zusammenzuckten und ihre primären Geschlechtsorgane dort ließen, wo sie hingehörten.

Joanna prustete los. »Ich habe dir ja gesagt, wir sollten ihm die Telefonnummer einer Käuflichen geben.«

»Ich dachte, ich schlage zwei Fliegen mit einer Klappe«, gab Ruben zu. »Außerdem wäre es wirklich gut bezahlt – du weißt, unsere Preise orientieren sich am Einkommen – und ich verzichte in diesem Fall auf die Provision.«

Ich starrte Ruben und Joanna an und hinter meinen Augen rotierte mein Gehirn. Ich meine … Hallo? Ich war untervögelt, aber sooo nötig hatte ich es noch lange nicht, … und Geld … mein Job fing erst im fünfstelligen Bereich an … aber … da gab es einen winzigen, kleinen Teil in mir, der eine andere Idee hatte.

»Okay«, meinte ich und klappte die Mappe zu, die ich immer noch in den Händen gehalten hatte. »Wenn ich ihn vorher treffen und mir ein Bild von ihm und seinem Charakter machen kann.«

»Okay?« Joanna starrte mich an, als hätte ich mich vor ihren Augen in eine andere Person verwandelt. »Einfach so?«

»Wir haben dir noch gar nicht die Summe genannt«, erinnerte mich Ruben und in seinem Lächeln spiegelte sich das Vermögen wieder, das die Ökonomie eines kleinen Landes ankurbeln konnte.

»Ist mir egal, denn ich will kein Geld!« Lächelnd ging ich an dem verdutzten Pärchen vorbei, nahm mir einen Stift und schrieb auf den obersten Zettel meinen Preis – mit Kuss.

Ein erstes Date

Die Empfangshalle des Luxushotels war groß und sehr elegant und der Mann, der am Bartresen auf mich wartete, passte zum restlichen Inventar, als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan, als lässig und dekorativ herumzustehen.

Als habe er meinen Blick in seinem Rücken gespürt, drehte er sich langsam und gemessen um, und schon beim ersten Eindruck musste ich mein inneres Bild von ihm revidieren. Mein Kunde hieß zwar Chris und hatte auf den Fotos tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Schauspieler Chris Pine gehabt, sah aber in Wirklichkeit noch besser aus und war deutlich jünger. Leider wusste er Ersteres auch und setzte seine Wirkung gezielt ein, um Menschen zu verunsichern. Konnte ich auch.

»Nett«, meinte ich. »Deutlich besser als auf dem Foto!«

Kurz huschte Amüsement über seine Miene, dann hatte er sich wieder gefangen und zog eine Augenbraue fragend hoch, während er mich und mein Outfit musterte – ich trug eine Jeans Typ Schlaghose und ein Zombie-T-Shirt, da ich heute keinen Auftrag erwartet hatte und auf einen Bürotag eingerichtet gewesen war.

»Es ist seltsam, dass man vorher um ein Date gebeten wird«, meinte er schließlich halbwegs diplomatisch.

»Tatsächlich?« Ich zuckte mit den Schultern. »Wenn es Ihrem Ego geschadet hat, schreiben Sie es einfach meiner Weihnachtsparanoia zu.« Ich zwinkerte ihm gespielt gut gelaunt zu, auch wenn mir seine unterschwellig herablassende Art auf die Nerven ging. »Oder der Tatsache, dass ich, was meine Bettgefährten angeht, eher wählerisch bin.«

»Ich bezweifele, dass wir ins Bett kommen«, meinte er trocken.

Er lächelte, aber nur mit einer Mundseite, was ihm ein sehr zynisches Erscheinungsbild verlieh und den Eindruck eines reichen, verwöhnten Schönlings vervollständigte, der zu schnell zu viel Geld gekommen war. Ich nickte, und machte einen geistigen Haken hinter Chris und den Auftrag. Da es keine Minute gedauert hatte, ihn zu einer Ablehnung zu bringen, brauchte ich auch nicht mehr versuchen, ihn umzustimmen.

»Gerne überall sonst«, ergänzte er, als sei ihm erst jetzt aufgefallen, dass man seinen Satz auch durchaus anders interpretieren konnte – nämlich so, wie ich es getan hatte.

»Haben Sie etwas gegen bequemen Sex?«, versuchte ich, das Eis zu brechen. Der Mann sah zwar heiß aus, war aber kälter als ein Eisberg. Mit seiner Jugend, der schlanken Figur, dem stylisch zerzausten Blondhaar und den blauen Augen konnte er jederzeit als Dressman anfangen oder in Hollywood anrufen. Aber sein Lächeln hörte irgendwo zwischen Mundwinkel und einem vermutlich vorhandenen Grübchen auf, während er mich abermals musterte, bis ich mich noch schlechter fühlte als bei jeder obligatorischen Familienweihnachtsfeier. Schließlich streckte er seine Hand aus. »Chris.«

Ich schüttelte seine Hand, sagte aber nichts. Vielleicht würde Mister Supercool ja auftauen, wenn ich ihm das Spiel überließ. Und tatsächlich … nach wenigen Sekunden meinte er: »Die Frage muss also lauten: Hast du etwas gegen bequemen Sex, Chris?«

Auffordernd sah er mich an, als könne er durch Geld auch meine Geduld kaufen, und ich wiederholte tatsächlich geduldig die Frage, was aber meiner langjährigen Joberfahrung geschuldet war und überlegte, dass ich vielleicht doch die Hälfte des Geldes hätte fordern sollen. Schon allein als Schmerzensgeld für dieses schreckliche Zusammentreffen.

»Wollen wir ein Stück gehen?«, schlug er vor und deutete nach draußen. Dort wartete neben dem Garten, dem kleinen Springbrunnen und dem herrlichen Wetter etwas, was mich spontan an ein Buchsbaumlabyrinth erinnerte

»Ich bin mir nicht sicher«, gab ich zu, machte aber einen Schritt auf die Glasfront zu, um meinen Eindruck zu überprüfen. Es war tatsächlich ein grünes Labyrinth und hoch genug, um nicht mogeln zu können.

»Ich habe dich verschreckt?« Chris trat schräg hinter mich und wusste genau, dass er viel zu dicht stand, sein Atem viel zu nahe an meinem Ohr war.

»Du bist ein Kotzbrocken oder benimmst dich gerade wie einer, also: Ja.« Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, um ihm zu zeigen, dass seine Spielchen bei mir nicht auf fruchtbaren Boden fielen. Wenn er mir zu nahe sein konnte – dann konnte ich notfalls noch näher kommen.

»Und doch willst du mit dem Kotzbrocken ins Bett?«, erkundigte er sich. Kein bisschen durch mein Verhalten irritiert.

»Das Bett hattest du gerade schon ausgeschlossen«, erinnerte ich.

Chris trat einen Schritt von mir fort, so als hätte er sich an mir verbrannt, oder als sei ich ihm lästig geworden. Er gab dem Kellner ein Zeichen und setzte sich auf einen der großen roten Ohrensessel und sah mich lange an. Dann wiederholte er seine Frage mit anderen Worten und sprach jedes einzelne Wort mit Bedacht aus. »Ruben hat dich in den Deal eingeweiht?«

»Sex wann du willst, wo du willst und wie du willst?« Ich schürzte die Lippen, weil mir unter seinem Blick unwohl wurde. Leider nicht, weil er ein Ekel war, sondern weil mich der Gedanke, ihm jederzeit zur Verfügung zu stehen, plötzlich sehr anturnte.

»Und der Preis ist in Ordnung?« Sein Blick wurde weniger prüfend, dafür umso intimer und für einen Moment fragte ich mich, ob es ihm genauso ging, ob ihn das Wissen um diesen Deal genauso anmachte wie mich.

Trotzdem gelang es mir zu lächeln und zu antworten: »Diese Frage stellst du mir?«

Ich setzte mich, als der Kellner kam und zu meiner Überraschung zwei Getränke dabei hatte.

»Mit Wasser kann man nichts falsch machen, oder?«, erkundigte sich Chris und hielt mir sein Glas hin, so dass ich mit meinem anstoßen konnte.

»Also das finde ich jetzt himmelschreiend sympathisch!«, gab ich zu. Die meisten Männer hätten einen Champagner bestellt oder den teuersten Rotwein geordert – oder demonstrativ eine Cola light. Es zeigte mir, dass Chris nicht halb so versnobt war, wie er tat und auch nicht davon ausging, dass Frauen ständig Alkohol brauchten.

»Ruben meinte, du hättest einen anderen Preis gefordert, er wäre aber okay und ich wäre ein Idiot, wenn ich ablehnen würde?!«, erkundigte sich Chris neugierig und sah mich interessiert an.

»Denke ich auch!«, nickte ich. Es war sogar ein sehr sehr guter Preis, wie ich fand. Für ihn und für mich.

»Er muss sehr von dir überzeugt sein.« Chris lehnte sich in seinem Sessel vor, um mich besser zu sehen und so als könne er nicht ergründen, was meinen Chef von mir überzeugte. »Also, was ist der Preis?«

»Hinterher«, lächelte ich.

»Hat Ruben auch gesagt.«

»Also?« So langsam wurde ich unruhig. Vor allem, weil ich ihn wirklich keiner Kategorie Mann zuordnen konnte, nicht wusste, ob er spielte, oder nicht und keine Ahnung hatte, woran ich eigentlich war.

Ihm schien es ähnlich zu gehen, denn er musterte mich wieder, als versuchte er mich einzuschätzen. »Du stellst keine Fragen, du wirst nicht ‚Nein‘ sagen, meine Familie und mich ertragen und hinterher nicht über sie lästern?«

Mir fiel auf, dass er sich bei dem letzten Punkt ausgenommen hatte, aber das war eine Frage für irgendwann später einmal. Eventuell.

»Natürlich«, sagte ich.

Wieder sah er mich mit einem absolut enervierenden Blick an. »Ich hoffe, du hast etwas anderes anzuziehen?!«

Ich blickte an mir herab, um zu ergründen, worauf sich seine Feindseligkeit nun schon wieder richtete. Ich trug eine Jeans und ein T-Shirt. Das eine war blau, das andere schwarz – größtenteils. Meine Schuhe waren schwarze Boots und an nichts gab es einen Makel. Genauso würde ich normalerweise Weihnachten feiern. Mit Zombies auf dem Shirt.

»An was hatte der Herr denn gedacht?«, erkundigte ich mich.

Wieder huschte etwas wie Amüsement über sein Gesicht. »Abendgarderobe. Gehoben. Sehr gehoben.« Er zog sein Handy aus der Tasche, aktivierte den Bildschirm und schob es mir rüber. Anscheinend hatte er sehr genaue Vorstellungen von mir und morgen Abend.

»Oh Scheiße«, entfuhr mir, als ich die ersten Kleider sah. »Da wäre Weihnachten mit meiner Familie ja noch richtig toll gegen geworden.«

Einen Augenblick lang sah mich Chris verwirrt an, dann brach er in Gelächter aus. Es klang echt und aufrichtig und fast hätte ich vergessen, was ich vorher über ihn gedacht hatte.

»Mit Sicherheit!«, bestätigte er schließlich und wischte sich die Lachfältchen wieder glatt.

Dann stand er auf und bot mir seinen Arm an. »Bekomme ich eine Anzahlung oder wenigstens schon einmal etwas geboten für mein Geld?«, erkundigte er sich und seine überhebliche, gelassene Miene saß wieder perfekt.

»Ja, wenn du willst, kannst du mich schon mal am Arsch lecken«, konterte ich, hakte mich aber bei ihm ein.

Er lachte und ich konnte spüren, dass sein ganzer Körper unter diesem Gefühl bebte. Großer Gott! Kein Wunder, dass er nicht oft lachte. Selbst ich war nicht gegen seine Wirkung und die Grübchen gefeit. Diese Mischung aus kleinem Jungen und welterfahrenem Schwerenöter war mehr, als meine Libido verkraftete.

»Wenn du nicht willst, dass ich diejenige bin, die hier und jetzt über dich herfällt, hörst du sofort auf damit!«, fauchte ich.

»Womit?« Er wischte sich über die Augen.

»Mit diesem unglaublichen Lachen«, erklärte ich.

Chris sah mich an und es zuckte verdächtig um seine Lippen herum. Es dauerte, bis er sich im Griff hatte, doch dann meinte er: »Du bist anders als die anderen, erfrischend.«

»Nein, ich kann bloß meine Klappe nicht halten«, murmelte ich, weil mir so langsam aufging, dass ich mich wie bei einem echten Flirt benahm. Nicht wie bei einem Geschäftstermin.

 

»Na, hoffentlich beim Sex schon?!«

»Wenn nicht, ist es deine Schuld«, konterte ich.

»Wieso?«

»Du bist der Boss – treib es mir doch aus!«, lachte ich und machte mich von ihm los, um durch die Tür in den Garten zu entwischen.

»War das ein Freischein?«, rief er mir hinterher und beobachtete, wie ich mit einigem Vorsprung das Labyrinth erreichte.

»Auf jeden Fall!«, meinte ich und bog lachend um die erste Kurve. Das konnte Spaß bringen. Sehr sehr viel Spaß. Zumindest, wenn er im Bett genauso interessant und schwer zu durchschauen war, wie bei unserem Treffen.

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