Loe raamatut: «Was sind Sekten - und was nicht?»
Dr. Lothar Gassmann
Was sind SEKTEN
- und was nicht?
Analyse, Orientierung, Hilfe für Betroffene
Reihe AUFKLÄRUNG
Band 02
Dr. Lothar Gassmann
Was sind SEKTEN - und was nicht?
1. Auflage 1998
2. Auflage 2000
3. Auflage 2005
© Lichtzeichen Verlag GmbH, Lage
Umschlag: Jakob Siemens
Satz: Gerhard Friesen
ISBN: 9783869549491
Bestell-Nr. 548949
E-Book Erstellung: LICHTZEICHEN Medien
www.lichtzeichen-medien.com
Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Erlaubnis des Verlegers in irgendeiner Form reproduziert werden.
Inhalt
Einleitung
1. Was ist eine Sekte?
2. Woran erkennt man eine Sekte?
3. Was macht Sekten attraktiv?
4. Wie warnt uns die Bibel vor Sekten?
5. Wie können wir Sektenmitgliedern begegnen und helfen?
Einleitung
Von Sekten ist heutzutage häufig die Rede. Viele Gruppen und Bewegungen - auch im evangelikalen Bereich - werden von ihren Gegnern als „Sekten” bezeichnet und verunglimpft. Über den Unterschied von „Freikirchen” und „Sekten” besteht bei Politikern und in der Öffentlichkeit weithin Unklarheit. So werden Freikirchen wie Methodisten, Baptisten, Mennoniten und Freie Evangelische Gemeinden immer wieder in undifferenzierter Weise in einem Atemzug mit Gruppen wie Scientology, Zeugen Jehovas und Mormonen genannt.
Angesichts solcher Unklarheiten bezüglich der Einordnung von „Kirchen”, „Freikirchen” und „Sekten” in der Öffentlichkeit tut Orientierung not. Daher werden wir uns nachfolgend unter zwei Hauptaspekten mit dem Thema „Sekten” beschäftigen: erstens im Blick auf ihre klare Definition und Abgrenzung von anderen Gruppen; und zweitens im Blick auf die Frage, wie den Anhängern von Sekten zur Freiheit des Evangeliums verholfen werden kann.
1. Was ist eine Sekte?
Der Begriff „Sekte” stammt aus den Lateinischen und lässt sich aus zwei möglichen Sprachwurzeln ableiten: 1. „sequi” = „(jemandem) folgen”, nämlich einem Meister bzw. Lehrer nachfolgen; 2. „secare” = „trennen, abschneiden”, nämlich sich von einer Gemeinschaft oder Kirche trennen. Die erste Erklärung wird - rein etymologisch - überwiegend als die wahrscheinlichere betrachtet. Von der Sache her gesehen, können jedoch beide Begriffe einander ergänzen: Man folgt einem Meister, Guru oder Glaubenslehrer nach und trennt sich dadurch von der ursprünglichen Gemeinschaft. Im Griechischen entspricht dem lateinischen „secta” der Begriff „heiresis”, auf den ich später eingehe.
Anstelle von „Sekte” wird heute gerne die Bezeichnung „Sondergemeinschaft” verwendet. Es stellt sich die Frage, ob dieser Begriff passend ist, denn jede menschliche Gemeinschaft besitzt Besonderheiten - nicht nur Sekten, sondern auch Kirchen und Freikirchen. Sonst würden sie sich ja nicht voneinander unterscheiden. Ferner stellt sich die grundlegendere Frage: Wovon hat sich eine Gruppe denn abgesondert? Was ist denn die ursprüngliche Kirche und was ist die Sekte? Gerade solche Gruppen, die man als die „klassischen christlichen Sekten” einstuft (z.B. Zeugen Jehovas, Neuapostolische Kirche, Mormonen), beanspruchen, die ursprüngliche (vorkonstantinische) Kirche zu sein oder sie wiederherzustellen, also die Urgemeinde vor dem 4. Jahrhundert nach Christus, als die römische Staatskirche entstand.
Wegen seiner unklaren Abgrenzung und schillernden Weite wird der Begriff „Sondergemeinschaften” gerne für solche Gruppen verwendet, die nicht als die klassischen Sekten gelten, sondern die an der „Schwelle” zwischen Sekte und Freikirche stehen, wie z.B. die Adventisten und ähnliche Richtungen. Die Siebenten-Tags-Adventisten wurden bis vor wenigen Jahren zu den klassischen Sekten gerechnet. Allerdings haben sie eine Entwicklung zu einer größeren Akzeptanz anderer Gemeinschaften und Milderung lehrmäßiger Standpunkte durchgemacht und dadurch ein Stück weit ihr „Sektenimage” verloren - was zur Folge hatte, dass sich extremere Kreise wiederum von ihnen abspalteten („Tochtersekten”).
Wir gehen jetzt weiter zu den griechischen Wortbedeutungen. Das Wort „Häresie” kommt vom oben erwähnten griechischen „heiresis” und bedeutet „Richtung”, „Partei”. Oft wird es im Sinne von „Abspaltung” gebraucht. Die etymologische Wurzel ist „heireo” (Aktivform) bzw. „heireomai” (Mediumform) und bedeutet „nehmen, gewinnen, ergreifen” (Aktiv) oder „wählen, erwählen” (Medium). Die Mediumform kommt im Neuen Testament vor im Sinne von: „eine bestimmte Richtung erwählen”, „sich einer Schul- oder Lehrrichtung anschließen”.
Schon im Hellenismus erwählte man sich eine Schulrichtung, die dann zur „heiresis” wurde. Durch diese Erwählung einer bestimmten Schule und Lehre kam es zur Sammlung innerhalb oder außerhalb einer umfassenden Gemeinschaft und damit auch zur Abgrenzung gegenüber anderen Schulen und deren Lehrrichtung.
Auch im rabbinischen Judentum gab es Gruppen, die als häretische Parteiungen betrachtet wurden. Das hebräische Wort hierfür lautet „min”. Während „min” sich viele Jahrhunderte auf innerjüdische Abweichungen von der rabbinisch-orthodoxen Tradition bezog, wurde es seit dem 2. Jahrhundert nach Christus verstärkt auf Andersgläubige außerhalb des rabbinischen Judentums angewendet, etwa auf (Heiden-)Christen und Gnostiker.
Im Neuen Testament kommt der Begriff der „heiresis” auch vor, und zwar in Bezug auf die „heiresis” der Pharisäer (Apg 15,5) und Sadduzäer (Apg 5,17), aber auch im Hinblick auf die junge Christengemeinde, so etwa in Apg 24,5, wo von der „heiresis” der Nazoräer die Rede ist.
Als dann die frühchristliche „ekklesia”, die Gemeinde, sich ausbildete, wurde der Begriff „heiresis” für Strömungen verwendet, die die „ekklesia” zu spalten versuchten oder im Gegensatz zu ihr standen. In Gal 5,20 werden „heireseis” („Spaltungen”) unter den „Werken des Fleisches” aufgelistet. Auch in 1.Kor 1,10 ist von „Spaltungen” die Rede, doch steht hier im Griechischen der Begriff „schismata”.
„Schismata” sind solche Risse und Spaltungen, die durch persönlich motivierte Streitigkeiten entstehen, während die „heiresis” eher die lehrmäßige Aufspaltung darstellt. Allerdings lässt sich das nicht streng trennen, denn mit der persönlichen Aufspaltung, dem „schisma”, hängt dann auch die lehrmäßige in der Regel eng zusammen.
Der Begriff „schisma” ist besonders im Mittelalter angesichts der Papstaufspaltungen bekannt geworden. Beim „großen abendländischen Schisma” (1378-1415) gab es zunächst zwei Päpste mit Sitz in Rom und Avignon - und schließlich sogar drei. Jeder hatte seine Getreuen zu einer schismatischen Kirche hinter sich vereinigt. Es entstanden auch andere „schismata”, etwa die Spaltung zwischen Ost- und Westkirche im Jahre 1054, die bis heute andauert und die freilich auch mit lehrmäßigen Differenzen zusammenhängt. Beim Schisma wird besonders die räumliche Trennung betont. „Schisma” bedeutet „das Gespaltene, der Spalt, der Riß” und meint Parteiungen, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten, die dann auch zur räumlichen Trennung führen.
In 1.Kor 1,10-12 lesen wir: „Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle mit einer Stimme redet und lasst keine Spaltungen (schismata) unter euch sein, sondern haltet aneinander fest in einem Sinn und einer Meinung. Denn es ist mir bekannt geworden über euch, liebe Brüder, durch die Leute der Chloe, dass Streit unter euch ist. Ich meine aber dies, dass unter euch der eine sagt: Ich gehöre zu Paulus, der andere: ich zu Apollos; der dritte: ich zu Kephas; der vierte: ich zu Christus.”
Das sind solche schismata, solche Aufspaltungen. Der eine Lehrer, Leiter oder „Papst” ist hier, der andere dort. Auch schon in neutestamentlicher Zeit kannte man das bis heute auftretende Phänomen, dass jeder sein eigener „Papst” (im übertragenen Sinn) war und seine Anhänger hinter sich vereinigte. Paulus wollte das nicht, aber schon die ersten Christen hatten damit ihre Probleme. „Schisma” kann man deshalb weithin als persönliche Rivalität betrachten, während die „heiresis” eher die grundlegende Irrlehre darstellt, die dann zu Parteiungen führt. „Schisma” meint also mehr den persönlichen und räumlichen, „heiresis” eher den inhaltlichen Bereich.
Dann gibt es den Begriff „Ketzer”. Dieser leitet sich ab von den „Katharern”. Dies ist die größte mittelalterliche Sekte außerhalb der katholischen Kirche gewesen. Sie hatte Wurzeln in der Gnosis und im Manichäismus. Die Katharer vertraten einen absoluten Dualismus (Zweiteilung) zwischen Welt und Geist, die Absonderung von der Welt und das völlige Armutsideal. Sie sandten Wanderprediger aus und praktizierten das angeblich apostolische Leben. Sie verbreiteten die spiritualistische Lehre, dass die irdische Welt mit ihren Genüssen, etwa Fleischspeisen und Ehe, von Satan geschaffen und regiert sei, den sie dem Gott des Alten Testaments gleichstellten. Daraus erwuchs die Forderung nach radikaler Askese. Das passte natürlich nicht zusammen mit dem mittelalterlich-römischen Lebensstil in Luxus und Pomp.
Ferner gehörte zum Lehrsystem der Katharer die Seelenwanderungslehre und die damit verbundene Lehre von der Selbsterlösung des Menschen, der rein, „katharos” werden könne, wenn er sich von allem Irdisch-Weltlichen enthalte und dieses immer mehr als Illusion hinter sich lasse. Hier zeigt sich die Nähe zu fernöstlichem Denken, etwa zur hinduistischen „Maja”-Lehre. Der „Reine” („katharos”) betreibt seine Selbsterlösung, indem seine „Engelsseele”, die in dem „leiblichen Kerker” wohnt, nach Eintritt in die Sekte beginnt, zum Himmel zurückzukehren. Auf diese Weise kommt „Vergeistigung” zustande. Christus selber gilt nur als ein Engel und Prediger der geistigen Welt. Seine Passion wird als Illusion in einer doketischen Weise betrachtet. Die Katharer waren eine Sekte, die heftig bekämpft wurde. Sie verkörperten für die römische Kirche den Typus des Ketzers, des Irrlehrers.
Ein weiterer Begriff im Zusammenhang mit der Sektendiskussion lautet „Kult” (vom lateinischen „cultus” = „Verehrung”). Ein Kult ist eine Gruppe von Menschen, die ihren Glauben auf die Weltanschauung einer isolierten Führergestalt stützen, die zentrale Glaubenslehren der Christenheit, wie sie von der Bibel gelehrt werden, verleugnet. Man unterscheidet westliche, östliche und New-Age-Kulte.
Westliche Kulte entstammen der christlichen Tradition, weichen aber in wesentlichen Punkten davon ab. Sie benutzen die Bibel als eine Art Steinbruch, die sie zur Begründung und Untermauerung ihrer eigenwilligen Ansichten gebrauchen und mit vielfältigen bibelfremden Lehren vermischen. Beispiele sind etwa die „Kinder Gottes” („Familie der Liebe”, „Familie”) des David Moses Berg und die „Vereinigungskirche” San Myung Muns. Auch die „klassischen christlichen Sekten” (z.B. Zeugen Jehovas, Mormonen, Christliche Wissenschaft) können als „westliche Kulte” bezeichnet werden. Bei all diesen Gruppierungen spielt Jesus Christus vordergründig eine zentrale Rolle. Allerdings ist es nicht der biblische Jesus Christus, sondern eine umgedeutete Gestalt („Engel”, „Meister”, „Heiler” oder Ähnliches). Dabei fühlen sich westliche Kulte als wirkliche Verkörperung christlicher Lehre und Weltanschauung.
Die östlichen Kulte sind solche, die nicht die Bibel oder Jesus Christus als Mittelpunkt sehen, sondern von der östlichen Philosophie herkommen. Insofern wäre z. B. die Anthroposophie zu den westlichen Kulten zu rechnen, aber die Theosophie im Gefolge H. P. Blavatskys zu den östlichen Kulten. Die Theosophie beansprucht, von Hinduismus und Brahmanismus oder Buddhismus auszugehen, Steiner und die Anthroposophen aber von westlicher, abendländischer, „christlicher” Tradition.
Allerdings sind die Grenzen fließend, denn auch die Theosophen reden von Jesus Christus (wenn auch viel peripherer), wobei eine Umdeutung vorliegt. „Jesus” wird in östlichen Kulten - und hierzu zählen z. B. auch Hare Krishna, Divine Light Mission, Ananda Marga, die Transzendentale Meditation und die Bhagwan-Bewegung - selten, aber manchmal doch „verehrt” als einer von etwa 330 Millionen Göttern im Hinduismus, im Rahmen östlicher Philosophie. Die Wurzel ist aber Hinduismus, Buddhismus oder Taoismus und nicht das biblische Christentum.
Die New-Age-Kulte versuchen, östliches und westliches Denken zu vereinigen. Bei Autoren wie z.B. Fritjof Capra und Carl Friedrich von Weizsäcker findet eine Synthese statt zwischen fernöstlicher Religiosität und westlicher Philosophie bzw. (schein)wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die Schau ist dementsprechend auch oftmals monistisch oder pantheistisch (Monismus = Alleinheitslehre; Pantheismus = Lehre, dass alles göttlich sei).
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