Dornröschen

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Dornröschen
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UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

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FRONTISPIZ: Hanspeter Ludwig

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eISBN 978-3-945163-49-8

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Inhalt

Dornröschen

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Dornröschen

Fünf Paar Schuhe standen dort. Die Zofen hatten sie eben gebracht und das Zimmer kichernd wieder verlassen. »Nimm die Grünen«, hatte eine gesagt. »Denn grün ist die Hoffnung.« Die andere hatte den Kopf noch einmal zur Tür hereingesteckt und ihr zu den Hellblauen geraten. »Weil Blau die Treue ist«, hatte sie mit einem verschmitzten Grinsen angefügt.

Grübelnd stand die Prinzessin nun vor den Schuhen. Natürlich passten sie alle, denn der Schuhmacher kannte die Form ihrer Füße und deren Maße wohl noch im Schlaf, und ohne Zweifel wollte sie alle behalten und irgendwann tragen. Doch welches Paar sollte sie für den Abend auswählen und welches der fünf Kleider, die schon am Morgen gebracht worden waren? Das frühlingsfrische, unschuldige Grüne? Das feierliche, aufwendig verzierte Hellblaue? Auch die Ensembles in Hellrot und Gelb waren sehr hübsch – sie würden Prinz Edward am besten gefallen. Sie sollte Prinz Edward gefallen wollen.

Doch da war noch das Fünfte, auf dessen nachtblaue Seide zahllose silberne Sternchen aufgenäht waren. Sein Dekolleté war tiefer als das der anderen, das Korsett schmaler. Es gab keine Rüschen, keinen anderen Schnickschnack. Es war beinahe schlicht, und als sie es anprobiert hatte, hatte sie nur an einen denken können. An den, dem sie tatsächlich gefallen wollte. Doch nicht durfte.

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie ein zweites Mal in die nachtblauen Schuhe schlüpfte, vor den Spiegel trat und das Gewand raffte. Noch trug sie eines ihrer gewöhnlichen Kleider, dessen schlichter Stoff und das Beige nicht zu diesem atemberaubend schönen tiefen Blau passten, doch das Augenmerk der Prinzessin lag allein auf den Schuhen.

Sie würde tanzen an diesem Abend, sagte sie sich im Stillen und wartete auf ein Gefühl der Vorfreude. Den ganzen Abend würde sie tanzen und die ganze Nacht, durch den Ballsaal, durch das Schloss, vielleicht sogar über die Terrassen und durch den Garten. Die Vorfreude blieb aus.

Bis ans Ende der Welt würde sie tanzen wollen, wenn der eine sie um diesen Tanz bat, doch es war Edward, der sie aufzufordern gedachte. Eine Tatsache, die sie mit so viel Traurigkeit und auch Bedauern erfüllte, dass ihr Herz schier in ihrer Brust zerspringen wollte. Noch vor dem Spiegel stehend, beobachtete sie, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten, die das sonst dunkle Blau verklärten. Als die ersten über ihre Wangen kullerten, wischte sie sie weg und raffte das blonde Haar, um über eine Frisur nachzudenken. Sie wollte es mit einer Spange locker aufgesteckt haben oder doch lieber mit vielen, kleineren Klemmen …

Lustlos ließ sie die Arme sinken, und die blonden Wellen fielen zurück über ihre Schultern. Sie wollte ihr Haar offen tragen – so wie er es am liebsten mochte.

Bis zum Beginn des Balls blieben noch einige Stunden. Ob dies eine zu lange oder zu kurze Zeit war, konnte die Prinzessin nicht sagen, doch ganz sicher wusste sie, dass sie wahnsinnig werden würde in ihren Gemächern. Kurzentschlossen ging sie zur Tür und trat auf den Gang, dessen Innenseite zum Hof hin offen und von hohen Säulen flankiert war. Im Hof wie überall im Schloss war man mit der Vorbereitung des Festes beschäftigt. Mägde trugen Körbe mit Gemüse aus dem Garten in die Küche, Kinder hingen Girlanden auf und alberten dabei herum. Der Duft von gebratenem Fleisch und frisch gebackenem Brot mischte sich mit der würzigen Luft des Sommertages, und spitzte man die Ohren, konnte man die Musiker ihre Instrumente stimmen hören.

Jeder war ausgelassen und auf den Abend gespannt, dem man so lange entgegengeblickt hatte.

Sie hastete den Gang entlang, um zur Treppe zu gelangen und beeilte sich noch mehr, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte, doch die Königin hatte sie schon entdeckt. »Rosa, wohin willst du jetzt noch?«

Die Prinzessin unterdrückte ein Schnauben und wandte sich um. »Spazieren im Garten. Die Zeit will nicht vergehen. Mir ist langweilig.«

Im Näherkommen warf die Königin einen Blick auf die Füße ihrer Tochter. »Für das Dunkelblaue hast du dich also entschieden?«

Auf Rosas Nicken runzelte sie die Stirn. »Du willst die Schuhe doch nicht auf einem Spaziergang tragen?«

»Ich trampele ja nicht durch Pfützen«, versuchte Rosa ihre Mutter zu beschwichtigen. »Ich gebe schon acht, dass sie nicht schmutzig werden und will sie außerdem einlaufen, damit ich heute Abend keine Blasen darin bekomme.«

»Nun denn«, lenkte die Königin ein. »Aber bleib nicht zu lange und halte dich vom Turm fern!«

Rosa versprach es. »Natürlich. Wie immer.«

Darauf setzte sie eine fröhliche Miene auf, gab ihrer Mutter einen Kuss und eilte die Turmstufen hinab, über den Hof und durch weitere Gänge, die in den Garten führten. Sie passierte den Brunnen und die vielen Rabatten, mit denen auch heute die Schar der königlichen Gärtner beschäftigt war. Es waren Dahlien und Lilien, die sie pflegten und gossen, Löwenmäulchen und Stiefmütterchen, Margeriten, Nelken und Orchideen, doch keine Rose. Im ganzen Schloss, im weiten Garten und nirgends im Königreich wuchs auch nur eine einzige Rose.

Am zweiten Brunnen, der sich etwas versteckt im hinteren Bereich des Gartens befand, machte Rosa halt. Sie zog die Schuhe aus, raffte den Rock und stieg ins Wasser, das ihre Waden kühl umspülte. Nach ein paar Runden setzte sie sich auf den Rand und ließ den Blick über das dichte Grün hinter der Schlossmauer schweifen. Irgendwo dort stand er, der verbotene Turm. Nie war sie dort gewesen. Ihr Leben lang hatte man sie davor gewarnt, sich ihm zu nähern. Wie man sie auch vor Rosen ihr Leben lang gewarnt hatte.

Rosa schloss die Augen. Das sanfte Plätschern des Wassers wurde von Vogelzwitschern untermalt. Irgendwo im Gras zirpte eine Grille und eine Hummel brummte ganz in der Nähe auf ihrem Flug von Blüte zu Blüte. Die Hände auf dem steinernen Brunnenrand abstützend, lehnte sie sich weiter zurück und ließ ihre Gedanken treiben. An Edward dachte sie – ein wenig.

Rosa kannte ihn seit ihrer Kindheit. Seine Eltern regierten das benachbarte Königreich, das dem ihrer Eltern stets in Freundschaft und Achtung verbunden gewesen war. Gewiss konnte man das nicht von allen Nachbarländern behaupten.

In früheren Jahren waren sie Spielgefährten gewesen. Manches Mal hatten sie die Burgen ihrer Eltern gemeinsam erkundet, wobei sie mutig bis in die dunkelsten Winkel vorgedrungen waren. Sie hatten in den Bibliotheken gestöbert und vorm Kamin sitzend in alten Büchern geblättert. An sonnigen Tagen waren sie in Weihern geschwommen oder durch Kornfelder getobt – wohl behütet von Rosas Zofen, die darauf achteten, dass sie auch im Nachbarland nie einer Rose zu nahe kam. Wurde ein Strauch entdeckt, so waren stets Wachen in der Nähe, die das vermeintlich bösartige Gewächs mit ein paar Hieben und Stichen vernichteten und seine Überreste anzündeten.

Dachte Rosa an Edward, so verspürte sie eine tiefe Zuneigung. Er war immer in ihrem Leben gewesen und würde dies auf ewig bleiben, doch lauschte sie in sich hinein, dann wusste sie, dass er nie den Platz einnehmen konnte, den er nun einnehmen sollte. Dabei war er ein so lieber Mensch, aufrichtig und offenherzig. Außerdem war er eine wirkliche Augenweide, groß, blond und mit engelsgleichem Gesicht. Nicht zuletzt war er ein Ehrenmann, der zu seinem Wort stand und seine Prinzipien pflegte. Hatte er sie als Junge so manches Mal gefoppt, an den Zöpfen gezogen oder gestänkert, so legte er seit einiger Zeit eine übertriebene Zurückhaltung an den Tag. Ein einziges Mal war es über ihn gekommen, und da hatte er sie geküsst. Rosa war so überrascht gewesen, dass sie sich zuerst nicht hatte rühren können, doch kaum hatte sie die Arme um ihn schlingen wollen, um den Kuss zu vertiefen, ihn praktisch zu erforschen, da hatte Edward sich von ihr gelöst und sich unter nicht enden wollenden Entschuldigungen Schritt für Schritt entfernt. Ihre Beteuerung, sie nicht gekränkt zu haben, hatte ihn keineswegs getröstet.

Lange hatte sie über sein Verhalten nachgedacht und auch über den Kuss. Schmetterlinge hätten in ihr flattern sollen, als sich seine Lippen auf ihre legten. Herzklopfen hätte sie haben sollen, als seine Hände ihre Taille umschlossen. Doch nichts von dem hatte sich eingestellt.

Rosa liebte Edward, das tat sie. Doch es war die Liebe, wie man sie für einen Bruder empfand. Dass Edward ebenso fühlte, daran hatte sie keinen Zweifel. Seine beständige Verbundenheit zu ihr und sein Verantwortungsbewusstsein waren es, die ihn an diesem Abend um ihre Hand anhalten lassen würden. Es würde nicht aus wahrer Liebe geschehen.

Dass Edward Rosa noch vor ihrem 20. Geburtstag im Spätsommer zu seiner Gemahlin nehmen wollte, ließ den ganzen Hof und Staat aufatmen. Rosa selbst belächelte den Aberglauben, der sie bereits ihr ganzes Leben begleitete und der von nicht mehr als den Worten einer in ihrer Ehre gekränkten Frau ausgelöst worden war.

 

Zu ihrer Taufe waren zwölf der dreizehn Schwestern ihrer Mutter eingeladen worden. Von der dreizehnten hatte man angenommen, sie sei in dunkle Machenschaften verstrickt, weshalb sie nicht zur Feier gebeten worden war. Den Schilderungen zufolge war sie dennoch erschienen und hatte der gerade geborenen Prinzessin statt, wie üblich, Glück, Freude oder einer guten Eigenschaft den Tod durch den Dorn einer Rose gewünscht. Unter den entsetzten Ausrufen des Königspaars und der Gäste war sie aus dem Saal gerauscht und bis zum jetzigen Tag nicht mehr gesehen worden. Die zwölfte Schwester, die ihren Wunsch für die Prinzessin noch nicht ausgesprochen hatte, wollte die bösen Worte mit ihren eigenen mildern und wünschte, dass sie lediglich tief schlafen und durch den Kuss der wahren Liebe zu wecken sein sollte. Auch sollte die Gefahr durch den Rosendorn nicht ein Leben lang bestehen, sondern nur bis zu ihrem 20. Geburtstag – vorausgesetzt, sie sei bis dahin vermählt.

In der Folge wurden sämtliche Rosenbüsche im Schlossgarten ausgerissen und ein Gesetz erlassen, das jedem Bürger des Landes die Zucht dieser Pflanzen untersagte. Allerdings gab es einen Ort im Königreich, an dem die Rosen wohl ungehindert wuchsen und wucherten: Den verbotenen Turm. Man hatte sogar versucht, das Gebäude einzureißen, doch die Pflanzen schienen es zu beschützen und verhinderten, dass man das Gemäuer erreichte. Einige Menschen munkelten deshalb, die dreizehnte Schwester der Königin lebe in diesem Turm.

Die Bewohner des Landes schätzten ihren König und ihre Königin, und sie mochten die kleine Prinzessin sehr, weshalb sie den Aufwand gern betrieben und sich sogar als Liebhaber von ihren Rosen trennten. Nichtsdestotrotz prägte der Volksmund Rosas Kosenamen, Dornröschen. Sprach man ihn auch nie mit böser Zunge aus, so wurde er von Rosas Eltern wenig geschätzt und in ihrer Gegenwart besser nicht verwendet. Nicht nur sahen sie in ihrer Tochter keine Rose mit Dornen, sie befürchteten außerdem, dass der Fluch von dieser Bezeichnung gewissermaßen genährt wurde.

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