Loe raamatut: «Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen»
Lukas Eibensteiner
Transfer im schulischen Drittspracherwerb des Spanischen
Wie L2-Kenntnisse des Englischen, Französischen und Lateinischen den L3-Erwerb von perfektivem und imperfektivem Aspekt im Spanischen beeinflussen
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Anhang mit ausgewählten Untersuchungsmaterialien:
© 2021 • Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG
Dischingerweg 5 • D-72070 Tübingen
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ISSN 2197-6384
ISBN 978-3-8233-8435-9 (Print)
ISBN 978-3-8233-0250-6 (ePub)
Inhalt
Danksagung und Widmung
1 Einleitung
2 Tempus und Aspekt2.1 Tempus und Aspekt aus einer typologischen Perspektive2.1.1 Lexikalischer Aspekt2.1.2 Grammatikalischer Aspekt2.1.3 Unterscheidung von grammatikalischem und lexikalischem Aspekt2.2 Der zeitrelationale Ansatz von Klein (1994)2.3 Tempus und Aspekt im Deutschen, Englischen, Lateinischen, Französischen und Spanischen2.3.1 Das Deutsche2.3.2 Das Englische2.3.3 Das Lateinische2.3.4 Die romanischen Sprachen2.3.5 Konklusion: Tempus und Aspekt aus einer sprachvergleichenden Perspektive
3 Grundlegende Theorien, Modelle und Hypothesen des Zweit- und Drittspracherwerbs 3.1 Kognitivistische Ansätze der Zweitspracherwerbsforschung 3.2 Die Rolle von explizitem und implizitem Wissen 3.3 Deklarativ-prozedurale Modelle des Zweitspracherwerbs 3.4 Unterschiede zwischen dem L2- und dem L3-Erwerb 3.5 Konklusion: L2- ≠ L3-Erwerb
4 Transfereffekte im Zweit- und Drittspracherwerb4.1 Transfer als kognitiver Prozess4.2 Faktoren, die Transfer beeinflussen4.2.1 Der Einfluss von genetischer Verwandtschaft, sprachstruktureller Ähnlichkeit und (Psycho-)Typologie4.2.2 Der Einfluss von Form-Bedeutungs-Paaren4.2.3 Der Einfluss von Sprachniveau, recency of use und weiteren Faktoren4.3 Transfermodelle4.3.1 Holistische Mehrsprachigkeitsmodelle4.3.2 L2-Status-Faktor-Modelle4.3.3 Generativistische Transfermodelle4.3.4 Modelle des konzeptuellen Transfers4.4 Konklusion: Transfer als komplexes Phänomen
5 Der Erwerb von perfektivem und imperfektivem Aspekt im Zweit- und Drittspracherwerb des Spanischen5.1 Faktoren, die den Erwerb von perfektivem und imperfektivem Aspekt beeinflussen5.1.1 Semantische Ansätze: Lexical Aspect Hypothesis und Default Past Tense Hypothesis5.1.2 Diskursive Ansätze: Die Diskurshypothese5.1.3 Syntaktische Ansätze: Über den Erwerb von syntaktischen Merkmalen5.1.4 Kognitive Ansätze: Frequenz, Salienz und Prototypikalität5.1.5 Zwischenfazit: Interaktion diverser Variablen5.2 Einfluss von sprachlichem Vorwissen5.2.1 L1-Transfer in Studien zum Zweitspracherwerb5.2.2 L1-/L2-Transfer in Studien zum Drittspracherwerb5.3 Konklusion: L2-Einfluss als kaum berücksichtigte Variable – Darstellung der Forschungsdesiderata
6 Methodologie6.1 Forschungsfragen und Hypothesen6.1.1 Theoretische Annahmen der Hypothesen6.1.2 Hypothesenblock 1: Der Einfluss von Aspektwissen in der L2 Englisch6.1.3 Hypothesenblock 2: Der Einfluss der schulischen Sprachenfolge6.1.4 Hypothesenblock 3: Der Einfluss von Aspektwissen in der L2 Französisch6.2 Untersuchungsmaterial6.2.1 Pilotstudie6.2.2 C-Test6.2.3 Bildgeschichten6.2.4 Semantische Interpretationsaufgaben6.2.5 Fragebogen6.2.6 Reflexionsaufgabe6.3 Probanden6.3.1 Gruppierungsvariable Aspektwissen Englisch6.3.2 Gruppierungsvariable Schulische Sprachenfolge6.3.3 Gruppierungsvariable Aspektwissen Französisch6.3.4 Muttersprachliche Kontrollgruppe6.4 Vorgehensweise6.5 Datenkodierung und Analyseverfahren6.5.1 C-Test6.5.2 Bildgeschichten6.5.3 Semantische Interpretationsaufgaben6.5.4 Fragebogen6.5.5 Reflexionsaufgabe
7 Darstellung der Ergebnisse7.1 Der Einfluss von Aspektwissen in der L2 Englisch7.1.1 Ergebnisse der Nacherzählung der Bildgeschichten7.1.2 Ergebnisse der Interpretationsaufgabe7.1.3 Der Einfluss von Aspektwissen in der L2 Englisch: Ein Fokus auf Gruppe A7.1.4 Exemplarische Darstellung ausgewählter Probanden (Gruppe A)7.2 Der Einfluss der schulischen Sprachenfolge7.2.1 Ergebnisse der Nacherzählung der Bildgeschichten7.2.2 Ergebnisse der Interpretationsaufgabe7.2.3 Der Einfluss von Aspektwissen in der L2 Französisch: Ein Fokus auf Gruppe B7.2.4 Exemplarische Darstellung ausgewählter Probanden (Gruppe B)7.3 Eine qualitative Darstellung des metasprachlichen Bewusstseins der Lernenden7.3.1 Explizites Regelwissen: Welche Faustregeln verwenden Lernende, um über (im-)perfektiven Aspekt zu sprechen?7.3.2 Nützlichkeit von Sprachvergleichen: Welche Sprachen empfinden die Lernenden als hilfreich und welche Sprachvergleiche stellen sie an?
8 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse8.1 Zusammenfassung der Ergebnisse8.1.1 Ergebnisse des quantitativen Teils8.1.2 Ergebnisse des qualitativen Teils8.2 Form-Bedeutungs-Assoziationen zwischen den Zweitsprachen Englisch und Französisch und der Drittsprache Spanisch8.2.1 Die Extended Default Past Tense Hypothesis8.2.2 Der Einfluss von sprachstruktureller Nähe und Sprachtypologie8.3 Der Einfluss von lexikalischem Aspekt und Prototypikalität8.4 Ausblicke auf das Lateinische8.5 Limitationen und zukünftige Studien8.5.1 Theoretische Herausforderungen8.5.2 Methodische Herausforderungen8.5.3 Herausforderungen im Hinblick auf das Sampling8.5.4 Zusätzliche Möglichkeiten für zukünftige Studien8.6 Didaktische Implikationen8.7 Fazit
9 Bibliographie9.1 Print9.2 Internet
Abkürzungsverzeichnis
Danksagung und Widmung
Die vorliegende Monographie wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Mannheim als Dissertation angenommen. Sie wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Menschen nicht möglich gewesen.
An erster Stelle möchte ich meinen beiden Betreuern danken, die mich in den letzten Jahren begleitet haben und mir immer mit gutem Rat zur Seite gestanden sind. Lieber Peter, dank dir konnte ich in einem vertrauten Umfeld meine ersten wissenschaftlichen Schritte tätigen. Dir verdanke ich auch die Stoßrichtung gen Mehrsprachigkeitsdidaktik und Drittspracherwerb sowie meine Liebe zu den kleineren romanischen Sprachen. Dafür möchte ich dir vielmals danken! Lieber Hannes, du hast mich in meiner Zeit in Mannheim wissenschaftlich großgezogen. Du hast mich bei meinen ersten Tagungen begleitet, meine ersten PowerPoint-Folien und Artikel Korrektur gelesen sowie meine ersten methodischen Entwürfe kritisch begutachtet und mit mir diskutiert. Du hast all meine Projekte ständig wertgeschätzt und bestmöglich gefördert. Dir verdanke ich meine psycholinguistische und empirische Ausrichtung sowie die Möglichkeit, mich wissenschaftlich voll entfalten zu können. Du hast mich in allen Belangen unterstützt und bist immer für mich da gewesen. Dafür bin ich dir zu unendlichem Dank verpflichtet!
Darüber hinaus möchte ich allen Kolleg*innen danken, die mit mir Fragen diskutiert haben, die mich im Rahmen dieser Arbeit beschäftigt haben. Auch dem Research und Study Centre und dem Romanischen Seminar der Universität Mannheim sowie den dort tätigen wissenschaftlichen Hilfskräften danke ich für ihre Unterstützung. Des Weiteren sei allen Lehrer*innen und Schüler*innen, ohne die die vorliegende Arbeit nicht hätte durchgeführt werden können, mein Dank ausgesprochen. ¡Muchas gracias!
Schließlich möchte ich mich noch bei meiner Familie bedanken, die mir in all den Jahren eine unglaubliche Stütze war. Ihr habt mich in all meinen Entscheidungen unterstützt und seid mir in allen Lebenslagen zur Seite gestanden. Das Vertrauen, das ich euch entgegenbringe, und der Rückhalt, den ich bei euch habe, sind unbezahlbar. Ich danke euch für die unendliche Liebe, die ihr mir Tag für Tag entgegenbringt. Euch soll diese Arbeit gewidmet sein.
1 Einleitung
In Deutschland haben im Schuljahr 2018/19 fast 500.000 Schülerinnen und Schüler1 allein an allgemeinbildenden Schulen fremdsprachlichen Unterricht im Fach Spanisch erhalten (vgl. Statistisches Bundesamt 2019). Spanisch ist damit nach Englisch, Französisch und Latein diejenige Fremdsprache, die in dieser Schulform am meisten unterrichtet wird – Tendenz steigend. An deutschen Schulen wird Spanisch in der Regel als Dritt- oder Viertsprache angeboten (vgl. Bär 2012: 37). Dies bedeutet, dass Spanischlernende nicht bei null anfangen, sondern auf zahlreiche sprachliche Wissensressourcen zurückgreifen können. „Es wäre [daher] in höchstem Maße unvernünftig und unökonomisch, diese Wissensressourcen nicht im Fremdsprachenunterricht zu verwerten – ignorieren läßt sich vorhandenes Sprachwissen ohnehin nicht“ (Müller-Lancé 2006b: 462). Die Didaktiken der romanischen Sprachen plädieren deshalb nicht umsonst für eine Implementierung sprachvernetzender Ansätze in den Fremdsprachenunterricht (vgl. Fernández Ammann et al. 2015; Leitzke-Ungerer et al. 2012; Meißner/Reinfried 1998a; Klein/Stegmann 1999; Reimann 2016; Rückl 2016). Mehrsprachigkeitsdidaktische Lehrwerke (vgl. Holzinger et al. 2012) und die Integration solcher Ansätze in die meisten Lehrpläne (vgl. Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur Rheinland-Pfalz 2012) sind diesbezüglich wichtige Meilensteine, auch wenn weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Ein wesentliches Merkmal dieser sprachvernetzenden Ansätze stellt das Ziel dar, das Transferpotential der Lernenden optimal zu nutzen. Obwohl es Studien im Bereich der romanistischen Fremdsprachendidaktik gibt, die sich unter anderem mit Transfer befassen (vgl. beispielsweise Bär 2009), findet sich kaum Grundlagenforschung, die Transferphänomene zwischen den im deutschsprachigen Raum häufigsten Schulfremdsprachen aus einer (psycho-)linguistischen Perspektive untersucht. Diesem Forschungsdesiderat wird sich das vorliegende Werk widmen.
Die Unterscheidung der beiden spanischen Vergangenheitstempora perfecto simple und imperfecto stellt ein großes Problem für deutschsprachige Lernende des Spanischen dar. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es die Opposition von perfektivem und imperfektivem Aspekt im Deutschen nicht gibt. Obwohl zahlreiche Untersuchungen vorhanden sind, die sich mit dem Zweitspracherwerb dieser beiden Tempora beschäftigt haben (vgl. Comajoan 2014; Salaberry 2008), finden sich kaum Studien, die explizit deutschsprachige Lernende oder den schulischen Kontext erforschen (vgl. Hinger 2016, 2017 und Diaubalick/Guijarro-Fuentes 2016, 2017, 2019 für zwei Ausnahmen). Darüber hinaus gibt es keine Studien, welche das Spanische als Drittsprache fokussieren und den Einfluss von sprachlichem Vorwissen auf den Erwerb des perfecto simple und des imperfecto analysieren. Gerade dieses sprachliche Vorwissen stellt aber eine große Hilfe beim Erwerb des Spanischen dar. Während es im Deutschen die Unterscheidung zwischen perfektiv und imperfektiv nicht gibt, können die Lernenden prinzipiell sowohl auf das Englische (progressive-Form) als auch auf das Französische (passé composé, passé simple, imparfait) oder das Lateinische (Perfekt, Imperfekt) zurückgreifen. Inwiefern germanophone Spanischlerner von diesem Vorwissen beeinflusst werden bzw. es für den Erwerb der Unterscheidung von perfecto simple und imperfecto nutzen können, stellt die Leitfrage der vorliegenden Arbeit dar.
Zur Beantwortung dieser übergeordneten Forschungsfrage werden quantitative und qualitative Methoden trianguliert. Das Untersuchungssetting beinhaltet einen C-Test, mündliche Sprachproduktionsdaten, semantische Interpretationsaufgaben in drei Sprachen, einen Fragebogen sowie eine stimulated-recall-Reflexionsaufgabe. Die Studie wurde mit 109 germanophonen, schulischen Lernenden des Spanischen als Drittsprache (L3) durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass der sogenannte L2-Status sowie sprachstrukturelle und typologische Faktoren für die Wahl der Transferbasis entscheidend sind. Da zwischen dem Deutschen und dem Spanischen hinsichtlich der Unterscheidung von perfektiv/imperfektiv keine sprachstrukturellen Ähnlichkeiten bestehen, transferieren die Lernenden ihr aspektuelles Wissen aus einer Zweitsprache (L2), das heißt aus dem Englischen oder dem Französischen. Dieses Resultat, dass im L3-Erwerb primär das L2-System transferiert wird bzw. dass typologische Faktoren eine wichtige Rolle spielen, steht im Einklang mit zahlreichen Studien und Modellen, wie beispielsweise dem Rollen-Funktions-Modell (vgl. Williams/Hammarberg 1998), dem L2-Status-Faktor-Modell (vgl. Bardel/Falk 2007) oder dem Typological Primacy Model (vgl. Rothman 2010a). Diese gängigen Transfermodelle werden mit der Default Past Tense Hypothesis von Salaberry (2000, 2008), die den L2-Erwerb von perfektiv/imperfektiv im Spanischen beschreibt, verknüpft. Die Verzahnung von Salaberrys Hypothese mit den Transfermodellen ermöglicht eine Ausweitung derselben, wodurch sie den Bedürfnissen des L3-Erwerbs gerecht wird. Diese erweiterte Form wird als Extended Default Past Tense Hypothesis bezeichnet.
Für die Fremdsprachendidaktik bedeuten diese Ergebnisse einerseits, dass das gesamte sprachliche Repertoire der Lernenden ausgeschöpft werden sollte und dass sprachliches Vorwissen vor allem dann zu positivem Transfer führt, wenn sprachstrukturelle Ähnlichkeiten zwischen zwei Sprachen vorhanden sind. Diese in der Theorie durchaus schon lange vorhandenen Annahmen werden durch die empirische Evidenz der vorliegenden Studie untermauert.
Die Arbeit gliedert sich neben der Einleitung in sieben weitere Kapitel, von denen die ersten vier theoretischer Natur sind. Die letzten drei befassen sich mit dem Untersuchungsdesign, den Ergebnissen und der Interpretation derselben. In Kapitel 2 werden einige Grundbegriffe der Tempus- und Aspektforschung eingeführt und mithilfe von Beispielen veranschaulicht. Dies betrifft vor allem die Abgrenzung von lexikalischem/grammatikalischem Aspekt und Tempus. Im Anschluss werden die Vergangenheitssysteme der in der vorliegenden Arbeit behandelten Einzelsprachen näher erläutert. Es wird zuerst auf die beiden germanischen Sprachen, Deutsch und Englisch, eingegangen, bevor im Anschluss daran das Lateinische beschrieben wird. Im letzten Teil des Kapitels werden die romanischen Sprachen, Französisch und Spanisch, dargestellt.
Kapitel 3 beschreibt grundlegende Begrifflichkeiten der Zweit- und Drittspracherwerbsforschung. Es wird auf die Explizit-implizit-Debatte eingegangen und die deklarativ-prozeduralen Modelle von Ullman (2001) und Paradis (2009) werden vorgestellt. Darauffolgend wird in Anlehnung an das Faktorenmodell von Hufeisen (2000) dargelegt, warum sich der Erwerb einer Zweit- von jenem einer Drittsprache unterscheidet.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit Transfereffekten im Zweit- und Drittspracherwerb und geht dabei auf verschiedene Einflussfaktoren, wie beispielsweise die Sprachtypologie, die Psychotypologie oder das Sprachniveau ein. In der Folge werden unterschiedliche Transfermodelle erörtert. Zu diesen zählen sowohl holistische Mehrsprachigkeitsmodelle (vgl. Herdina/Jessner 2002) als auch Transfermodelle aus dem Bereich der kognitiven Linguistik (vgl. Jarvis 2011) sowie der generativistischen Zweit- und Drittspracherwerbsforschung (vgl. Flynn et al. 2004). Des Weiteren werden die L2-Status-Faktor-Modelle beschrieben (vgl. Bardel/Falk 2007).
Studien, die sich mit dem Erwerb von perfektiv/imperfektiv in einer Zweit-/Drittsprache beschäftigen, werden schließlich in Kapitel 5 behandelt. Im ersten Teil werden unterschiedliche Hypothesen besprochen (z. B. Lexical Aspect Hypothesis (vgl. Andersen 1986), Default Past Tense Hypothesis (vgl. Salaberry 2000)) und es wird auf Untersuchungen eingegangen, die empirische Evidenz für die entsprechenden Hypothesen liefern. Der zweite Teil beschäftigt sich mit L1- und L2-Transfer im Bereich des L3-Erwerbs von perfektivem und imperfektivem Aspekt.
Mit Kapitel 6 beginnt der empirische Teil der Arbeit. Es geht zuerst auf die Forschungsfragen und Hypothesen der Hauptstudie ein. Im Anschluss daran wird das Untersuchungsmaterial vorgestellt und kritisch diskutiert, worauf eine Charakterisierung der Probanden folgt. Am Ende steht eine kurze Beschreibung der Vorgehensweise sowie der Datenkodierung und -auswertung.
In Kapitel 7, das sich in einen quantitativen und einen qualitativen Abschnitt untergliedert, werden schließlich die Ergebnisse der Hauptstudie präsentiert. Im quantitativen Teil wird der Einfluss des englischen und französischen Aspektwissens sowie der schulischen Sprachenfolge auf den Erwerb von perfektiv/imperfektiv im Spanischen dargestellt. Im qualitativen Teil werden die Aussagen der Lernenden bezüglich expliziten Regelwissens als auch im Hinblick auf eine sprachvergleichende Herangehensweise analysiert.
Schließlich werden in Kapitel 8 die Ergebnisse zusammengefasst und unter Rückgriff auf die bestehende Forschungsliteratur diskutiert. Am Ende des Kapitels steht eine Auflistung der Limitationen der Studie und es werden Handreichungen für zukünftige Untersuchungen gegeben. Ein Abschnitt zu didaktischen Implikationen sowie ein kurzes Fazit beschließen die vorliegende Arbeit.
2 Tempus und Aspekt
Die (Zeit-)Linguistik beschäftigt sich mit der Frage, wie das physikalische Phänomen der Zeit versprachlicht werden kann. Laut Klein (2009b: 40–41) greifen die diversen Einzelsprachen dafür auf sechs Möglichkeiten zurück: Tempus, (grammatikalischer) Aspekt, lexikalischer Aspekt, Temporaladverbien, Temporalpartikeln und Diskursprinzipien. Die nachstehenden Ausführungen fokussieren die ersten drei Möglichkeiten und konzentrieren sich dabei primär auf die temporale Domäne der Vergangenheit und die aspektuelle Unterscheidung von perfektiv/imperfektiv. Das Kapitel gliedert sich in drei Teile: Zuerst werden die Unterschiede zwischen lexikalischem und grammatikalischem Aspekt diskutiert. Im Anschluss wird ein System zur Tempusanalyse vorgestellt (vgl. Klein 1994), das schließlich dazu verwendet wird, die Vergangenheitsformen des Deutschen, Englischen, Lateinischen, Französischen und Spanischen zu beschreiben und voneinander abzugrenzen.
2.1 Tempus und Aspekt aus einer typologischen Perspektive
2.1.1 Lexikalischer Aspekt
Beim lexikalischen Aspekt (en. lexical aspect) handelt es sich um die inhärente Semantik des Verbs und dessen Argumente.1 In Anlehnung an Vendler (1957) spricht man von vier sogenannten Zeitschemata (en. time schemata) oder Aspektklassen, die mithilfe folgender Taxonomie zusammengefasst werden können:
Aspektklassen | dynamisch | telisch | durativ | Beispiel |
Zustände (en. states ) | - | - | + | sein |
Aktivitäten (en. activities ) | + | - | + | (Lieder) singen |
Accomplishments 2 | + | + | + | ein Lied singen |
Achievements | + | + | - | den Gipfel erreichen |
Tab. 1:
Klassifikation lexikalischer Aspektklassen (in Anlehnung an Vendler 1957)
Diese Taxonomie beruht im Wesentlichen auf drei aspektuellen Unterschieden: (1) Zustandswechsel (statisch vs. dynamisch), (2) inhärente(s) Ende/Limit/Grenze (telisch vs. atelisch) und (3) zeitliche Ausdehnung (punktuell vs. durativ) (vgl. Filip 2012). Diese drei aspektuellen Unterschiede werden im Folgenden voneinander abgegrenzt:
(1) Der wesentliche Unterschied zwischen statischen und dynamischen Prädikaten liegt darin, dass die Semantik eines Zustands keinen Zustandswechsel nach sich zieht, jene einer Aktivität hingegen schon (vgl. ebd.: 728). Laut Comrie (1976: 48–51) müssen dynamische Prädikate einer ständigen Zufuhr von Energie unterliegen, um fortgesetzt zu werden. Wenn beispielsweise eine Person keine Energie aufwendet, um die Aktivität des Singens aufrechtzuerhalten, wird die Handlung abrupt ein Ende nehmen. Zustände hingegen benötigen Energie, um in den Zustand gebracht zu werden. Haben sie diesen aber erreicht, verweilen sie darin und benötigen keine Energie für die Aufrechterhaltung desselben (z. B. das Buch, das ins Regal gestellt wird, bleibt dort stehen – es ist/verweilt in dem Regal):
With a state, unless something happens to change that state, then the state will continue […]. With a dynamic situation, […] the situation will only continue if it is continually subject to a new input of energy (ebd.: 49).
(2) Der wesentliche Unterschied zwischen telischen und atelischen Prädikaten liegt darin, dass die Semantik von telischen Prädikaten einen inhärenten Endpunkt besitzt. Sie beschreiben also Aktionen, die sich in Richtung eines Endpunktes bewegen und erst dann wahr sind, wenn dieser erreicht wurde. Atelische Situationen hingegen sind schon in dem Moment wahr, in dem sie beginnen (vgl. Garey 1957: 106). Diesen Unterschied veranschaulicht Comrie (1976: 44–48) anhand der Sätze John singt und John singt ein Lied. Obwohl beide Prädikate eine gewisse Dauer ausdrücken und dynamisch sind, gibt es einen wichtigen Unterschied hinsichtlich der Telizität. Egal zu welchem Zeitpunkt John mit dem Singen aufhört, ist die Aussage, dass er gesungen hat, wahr, was auf die Atelizität des Prädikats zurückzuführen ist. Beim zweiten Satz hingegen ist dies nicht der Fall. Wenn John das Singen eines Liedes in der Mitte abbricht und beispielsweise noch die letzte Strophe fehlt, ist die Aussage, dass John ein Lied gesungen hat, nicht wahr, sondern nur dann, wenn John das Lied (inkl. der letzten Strophe) tatsächlich fertig gesungen hat. Dies ist auf den inhärenten Endpunkt von telischen Prädikaten wie bei ein Lied singen zurückzuführen. Wie dieses Beispiel zeigt, interagiert die Semantik der Verben mit den Argumenten derselben. Das atelischen Verb singen in John singt erhält erst durch das Hinzufügen des Akkusativobjektes ein Lied einen inhärenten Endpunkt (= das Ende des Liedes) und wird somit zu einem telischen Prädikat (vgl. auch Comrie 1976: 45).
Die Aspektklasse hängt allerdings nicht nur von der Präsenz oder Nichtpräsenz eines Objekts ab, sondern auch davon, ob es sich um eine gequantelte oder eine kumulative Nominalphrase handelt (vgl. Krifka 1989).3 Beispielsweise wird ein Prädikat als telisch interpretiert, wenn die Nominalphrase gequantelt ist und als atelisch, wenn sie kumulativ ist:
(1) | John singt ein Lied. | (gequantelt → telisch) |
(2) | John singt Lieder. | (kumulativ → atelisch) |
(3) Der dritte aspektuelle Unterschied, auf dem die oben genannte Taxonomie beruht, ist derjenige zwischen Durativität und Punktualität. Im Gegensatz zu punktuellen Prädikaten nehmen durative eine gewisse Zeitspanne ein:
[D]urativity simply refers to the fact that the given situation lasts for a certain period of time […], [whereas] punctuality […] means the quality of a situation that does not last in time (Comrie 1976: 41–42).
Die oben diskutierte Verbalphrase ein Lied singen drückt eindeutig eine gewisse zeitliche Ausdehnung aus, weshalb ihr das Merkmal [+ durativ] zukommt und sie in der Vendlerschen Taxonomie den accomplishments zugeordnet wird. Achievements unterscheiden sich insofern von dieser Kategorie, als sie durch das Merkmal [+ punktuell] zu charakterisieren sind. Dies trifft prinzipiell auf das in Tabelle 1 genannte Prädikat den Gipfel erreichen zu. Das Problem, das mit der Opposition durativ/punktuell einhergeht, ist, dass eigentlich jede Handlung eine gewisse Dauer hat. Comrie (1976: 41–44) veranschaulicht dies folgendermaßen: Wenn man sich einen Film ansieht, in welchem eine Person hustet, und diese Szene in Zeitlupe abspielt, dann wird das vermeintlich punktuelle Verb husten in die Länge gezogen und dadurch durativ. Dieses Beispiel veranschaulicht, dass die Semantik der Punktualität nur schwer zu fassen ist. Aufgrund dieser Problematik, und in Anlehnung an zahlreiche dreiteilige Taxonomien, werden in der vorliegenden Arbeit die Kategorien der accomplishments und achievements zusammengefasst und unter den Begriff der telics subsumiert (vgl. De Swart 1998; Klein 1994; Salaberry 2011; Verkuyl 1999; für einen Überblick vgl. Tatevosov 2002: 320–321):
Aspektklassen | dynamisch | telisch |
Zustände (statisch) | - | - |
Aktivitäten (aktivisch) | + | - |
Telics (telisch) | + | + |
Tab. 2:
Dreigliedrige Einteilung von lexikalischem Aspekt
Nachdem in diesem Kapitel über lexikalischen Aspekt gesprochen und dieser in Zustände, Aktivitäten und telics eingeteilt wurde, wird das nächste Kapitel von der grammatischen Kategorie des Aspekts handeln.