Im Schatten der Dämmerung

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Im Schatten der Dämmerung
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Marc Lindner

Im Schatten der Dämmerung

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

Die große Halle

Der Zwerg

Der Schatten

Der Aufbruch

Die Verfolger

Der Junge mit dem Apfel

Der steinerne Spiegel

Der Steinmetz und seine Last

Das Bergdorf

Der Hinterhalt

Talwärts

Ankunft des Landstreichers

Der ungeschriebene Brief

Der Galgen

Almar und der stumme Mann

Im Verlies

Das Geheimnis der Stadt

Die Heimkehr

Die Geisterstadt

Die Botschaft an die Königin

Der Sonnenbrunnen

Die Treppe

Tiefe Wunden

Der Alarm

Die blühende Stadt

Gebirgsreise

Der Steg

Der Empfang

Die Botschaft

Legarus' Geschichte

Impressum neobooks

Prolog

Ein rauer Wind strich über die tiefen Fugen der dicken Stein­mauern und ließ in der Burg ein unstetes Pfeifen ertönen. Regen klatschte gegen die Fenster, überflutete die Scheiben und ließ die im Dunkeln liegende Welt verschwimmen. Doch das Glas war zu dieser Stunde ohnehin kaum mehr als ein dunkler Spiegel.

Ein breites Himmelbett wurde von dem flackernden warmen Licht eines mannshohen Kamins beleuchtet, und jeder noch so kleine Gegenstand warf unheimliche Schatten.

Im Bett lag ein Kind, ein Junge, und hatte sich tief unter die zahlreichen Decken verkrochen. Die Wände der Burg strahlten eine Kälte aus, die bis tief in die Knochen zog. Längst verfügte nicht jedes Zimmer über einen Kamin und so schlich ein kalter Hauch über den steinigen Boden.

Besonders an Winterabenden wie diesem war der Junge froh, wenn er sich unter seinem Schutzwall aus Decken verstecken konnte und das Knistern seines Kamins gegen das Heulen des Windes kämpfte.

Leise, aber schleifende Schritte näherten sich dem Zimmer und hallten von den kalten Steinen des Flures wider. Wenig später hob sich das eiserne Schloss der massiven Tür. Die rostigen Scharniere wehrten sich gegen die Bewegung und stöhnten unter der Last.

Der spärlich beleuchtete Flur stahl dem Zimmer seine Wärme und ein kalter Luftzug ließ das Feuer lebhafter flackern.

Herein trat ein von den Jahren krumm gewordener Mann. Sein Kopf und der Buckel seines einst kräftigen Rückens waren auf gleicher Höhe. Kleine listige Augen lugten aus dem Dunkel hervor. Ein Grinsen verunstaltete sein altes Gesicht. Hätte der Junge den Eindringling zum ersten Mal gesehen, er hätte nicht gewusst, ob er sich fürchten sollte oder ob jene Grimasse der Freundlichkeit diente. Selbst die Narrenmütze auf dem Haupt des Alten war weit entfernt von der Farbenpracht der anderer Narren. Im Allgemeinen hatte er wenig an sich, womit er mit den übrigen Burgbewohnern vergleichbar gewesen wäre. Vielleicht mochte der Junge den Mann genau deshalb.

Mit lautem Knacken fiel die Tür ins Schloss. Schwerfällige, aber gleichmäßige Schritte näherten sich dem Kamin. Er stocherte mit dem Schürhaken in der Glut, bevor er wie jeden Abend vor dem Feuer stehen blieb, sich die Hände rieb und darauf wartete, dass die Kälte des Tages aus ihm zu weichen begann.

Ohne den geringsten Ton von sich zu geben, lugte der Junge über die Decken hinweg. Er kannte das Ritual und wusste, dass der Alte als Erster sprach. Natürlich hatte seine Ungeduld ihn schon oft diese Regel vergessen lassen, aber dann ging der eigen­sinnige Narr, ohne seine Geschichten zu erzählen. Aber auf eben jene Geschichten freute sich der Junge den ganzen Tag.

Das Zimmer hellte sich auf, als der Alte sich vom Kamin entfernte. Sein ritusähnlicher Weg führte ihn zu dem Fenster, gegen das der Regen klatschte. Mit dem Finger strich er über das Glas als suchte er einen unbekannten Ort auf einer riesigen Landkarte.

Dann endlich, als er sicher war, dass nirgends draußen mehr ein fremdes Licht leuchtete, zog er seinen Körper auf einen mächtigen Sessel neben dem Bett.

Der Junge wurde unruhiger. Seine Finger spielten mit dem ausgefransten Saum der obersten Decke.

Aber noch ließ der Narr sich Zeit mit seiner allabendlichen Geschichte.

„Weißt du, mein Junge“, erlöste der Narr das Kind schließlich. „Habe ich dir schon die Geschichte erzählt ...“ Der Alte sprach gedehnt und doch klang jedes Wort auf seine Art melodisch.

„Nein“, antwortete der Knabe prompt.

Der Mann lächelte gutmütig. Der Kleine hatte recht. Noch nie hatte der alte Mann eine Geschichte zweimal erzählt. Und im ganzen Reich würde man keinen finden, der diese Geschichten einem Jungen verraten würde. Eigentlich wäre es schwierig genug einen zu finden, der sie überhaupt kannte. Es waren Erinnerungen aus Büchern, die längst nicht mehr gelesen wurden.

Für sich genommen war keine davon unsagbar böse oder gar gefährlich. Nein, eigentlich war jede Erzählung, wie sie in einem Geschichtenbuch hätte stehen können – aber dem war nicht so. Zusammen ergaben sie das, womit alles anfing, oder womit alles einmal anfangen würde – die Wahrheit. Eingraviert in die ver­schlungenen Pfade all derer, die gescheitert waren. Es zeigte, wie Verrat Mitleid belohnte. Dass Schmerz der Preis der Gefühle war. Vor allem zeigte es, dass der Friede deshalb verwehrt blieb, weil keiner den Mut und das Opfer aufzubringen in der Lage war, den Weg zu Ende zu gehen, den schon so viele begonnen hatten. Ein Leben voller Qual und der Bann wäre durchbrochen. Ein Jahr­hundert voller Finsternis und die Welt wäre befreit.

Mal erzählte der Narr von dem alten König, der starb, weil er keine Angst hatte. Von dem Thronbesteiger, der sein Reich verlor, weil sein Volk den Glauben an seine Güte verloren hatte. Von Magiern, die ihrer Gier nach Macht erlagen. Von Freunden, die zu Feinden wurden, weil der eine den Weg nicht zu Ende gehen wollte.

Alles in allem, so befand das Prinzenkind, konnte er viel von dem Narren lernen. So etwa, dass Wissen und Unwissen jeweils Fluch und Segen sein konnte. Hoffnung und Wut ebenso Gift wie Heilung versprechen konnte.

Die Stimme des Alten verebbte und das Knistern des Kamins und das Prasseln des Regens erfüllte von Neuem den Raum. Der Junge lag schweigend da und stierte gegen den Baldachin seines Bettes.

„Ich habe Angst davor“, hauchte das Kind.

„Wovor?“ Die Stimme des Narren klang einfühlsam und warm.

„Davor, dass ich zu schwach sein werde.“ Er suchte nach einer Antwort in dem über ihm hängenden Stoff.

„Wenn deine Zeit gekommen ist, mein Junge?“

„Ja, wenn ich König bin.“

„Du kennst dein Schicksal. Genauso kennst du die Gefahren.“ Der alte Mann strich über die Decke des Jungen. „Das Volk braucht dich. Es wird dir vertrauen.“

„Aber, wenn ich dieses Vertrauen nicht verdiene?“ Die Sorgen des Jungen waren groß für jemanden seines Alters.

„Du weißt, was ich dir erzählt habe.“

„An allem zweifeln, aber niemals an mir!“ Der Junge betete den Satz hinunter, ohne ihn wirklich zu glauben.

Er liebte das Volk seines Vaters. Er liebte sein Volk und er wollte alles tun, damit es diesem gut erging. Alles!

„Du weißt, es kommen dunkle Zeiten.“ Das Gespräch nahm altbekannte Züge an. Der Junge würde nicht aufhören die gleichen Fragen wieder und wieder zu stellen, genauso, wie der Narr niemals müde wurde, ihm zu antworten.

 

„Aber mein Vater sagt doch, dass das Hirngespinste sind!“

„Dein Vater sieht es nicht, weil er es nicht sehen will! Die Zeichen der dunklen Mächte bleiben ihm verborgen, weil er in seinem tiefsten Inneren weiß, dass er ihnen nicht gewachsen sein würde. Vor langer Zeit hat er eine Entscheidung getroffen – und was immer auch geschieht, er wird nie etwas tun, was diese nichtig werden lässt.“

Wie immer an dieser Stelle, so schwieg der Junge auch diesmal.

„Und mir verbietet er dieses Wissen, da er mich schützen will.“ Der Junge klang nachdenklich.

Der Narr konnte ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken. Diese Wendung war neu und es hatte ihn beinahe einen ganzen Winter gekostet, bis der Gedanke sich bei dem Jungen hatte ein­nisten können.

„Er liebt dich, vergiss das nie!“ Der Alte beschwor tiefe Falten der Sorge auf seine Stirn. „Wenn es etwas gibt, das der König mehr liebt als sein Volk, dann ist das seinen Sohn.“ Eine Pause setzte ein. „Lass niemals zu, dass er sich zwischen dir und deinem Volk entscheidet.“

Stille.

„Aber die Feinde von denen du sprichst, Großvater, warum habe ich noch nie einen von denen zu Gesicht bekommen?“

„Dunkles weilt, wo es dunkel ist. Böses graust im Verborgenen. Wären sie gut, warum sollten sie sich verstecken?“

„Vielleicht sind sie schwach. Vielleicht haben sie Angst!“ Der Königssohn konnte es nicht lassen, in jedem etwas Gutes zu sehen.

„Glaubst du, Hochgeborener, dass du einem Feind der Krone gewachsen bist?“

„Nein.“

„Denkst du, Prinz, du könntest einen Verräter überwältigen, bevor er dir sein Messer in den Rücken rammt?“

„Nein.“

„Ah, siehst du!“ Der Alte setzte eine gutmütige Miene auf. „Und doch zeigst du jeden Tag dein Gesicht in der Öffentlichkeit. Du begibst dich auf die Straßen, auf denen dich Gesindel jederzeit ermorden könnte.“

Der Knabe wollte eben ansetzen, Widerspruch zu geben, doch der Alte unterbrach ihn.

„Und das alles bloß, weil dein Herz rein ist, weil du bereit bist, in jedem das Gute zu sehen.“

Der Junge schluckte. Seine Gegenwehr brach zusammen.

„Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen, Großvater. Es war ein langer Tag.“

„Sehr wohl mein Kind.“

Der Junge drehte sich um und zog die Decken eng an sich.

„Großvater?“

„Mein Kind?“ Ein Lächeln stahl sich dem Mann ins Gesicht, da er die Frage bereits ahnte.

„Warum bist du eigentlich Narr, wenn doch mein Vater König des ganzen Reiches ist?“

„Angst, mein Junge!“ Der Alte lachte verlegen, als versuchte er seine Trauer zu überspielen. „Auch ich war König einst.“ Zwischen jedem Satz fügte er eine Pause ein. „Genauso wie dein Vater jetzt, genauso wie auch mein Vater vor mir.“

Sein Atem wurde hörbar. Es schien ihm viel Anstrengung abzuverlangen, dies alles zu erzählen. „Damals als alles sich entscheiden sollte, waren von mir die Armeen aus dem ganzen Reich zusammengezogen worden. Selbst unsere Nachbarn hatten ihre Söldner unter meinen Befehl gestellt. Gemeinsam waren wir gegen die Zwerge und Zentauren in den Krieg gezogen. Es waren grausame Zeiten damals. Aber ...“ Die Erinnerung drückte schwer gegen die Brust. „Aber es musste getan werden, wenn wir Freiheit für die Menschen wollten. Frei von den dunklen Verschwörungen, frei von den Flüchen jener Wesen, die glaubten, über allen anderen zu stehen. Und wir hatten sie beinahe besiegt. Sie hatten sich zurückgezogen. Nur aus dem Hinterhalt haben sie wie Feiglinge kleinere Gruppen von uns abgeschlachtet.“

Der Junge zog verängstigt die Decke über das Gesicht, sodass nur die Augen hervorlugten.

„Ihre Verhexungen haben uns getötet, ohne dass wir einen von ihnen zu Gesicht bekamen.“ Der Narr lächelte dem Jungen zu und drückte sein Bedauern aus, ihm das alles erzählen zu müssen. „Du kannst dir die Grauen nicht vorstellen!“ Eine bedrückende Pause setzte ein. „Und da kam dein Vater ins Spiel. Er hat den Anblick der Leichen unseres Volkes nicht mehr ertragen. Dabei kann ich ihn nur allzu gut verstehen. Auch mich hat es geschmerzt, dies alles ertragen zu müssen, aber mir war auch bewusst, dass es keinen anderen Weg gab. Wir waren dem Sieg so nahe. Nur noch wenige Wochen oder Monate und es hätte auf ewig Frieden geherrscht. Stell dir das nur vor, aufzuwachen und zu wissen, dass jeder deines Volkes, sich frei bewegen könnte und keine Angst um sein Leben haben müsste.“ Ein Stöhnen des Schmerzes ertönte. „Aber das Böse durfte überleben. Alles, weil das Herz deines Vaters die Schreie nicht länger erdulden konnte.“ Eine längere Pause setzte ein, während der Alte schwer atmete. „Deshalb war er ins verborgene Reich gestiegen – glaub mir, allein für diesen Mut verdient er große Bewunderung – und er hat einen Pakt ausgehandelt. Ihr Reich würde nie wieder von einem Menschen betreten werden und einem jedem sollte es gar verboten sein, von ihnen zu erzählen. Sie sollten vergessen werden. Keiner durfte wissen, wer sie wirklich waren.“

„Natürlich war ich nicht damit einverstanden. Ich sah den endgültigen Frieden zum Greifen nah. Unser Volk hätte im Vergleich zu dem, was es erleiden musste, nur noch wenig Schmerz ertragen müssen. Dein Vater aber fand viele, die seiner Meinung waren, und so musste ich abdanken. Üblich wäre gewesen, dass er mich getötet hätte, doch dein Vater hat ein großes Herz. Damit mir aber niemand glauben würde, was ich zu erzählen hatte, machte er mich am Tag seiner Krönung zum Hofnarr.“

„Großvater?“

„Mein Kind?“

„Aber das ist schon lange her. Vielleicht sind sie nicht mehr böse. Vielleicht bleibt der Frieden uns erhalten.“

„Das wäre schön, mein Junge.“ Ein aufmunterndes Lächeln erfasste das Gesicht des Alten. „Nichts würde ich lieber glauben als das!“

Ein Stöhnen der Erschöpfung.

„Aber die Schmieden des Bösen rüsten von Neuem. Mit jedem Frühling werden sie mächtiger. Und es gibt einen viel mächtigeren Feind. Vergiss den nicht, auch wenn andere ihn vergessen haben.“ Er kniff die Augen zusammen und sah zur Wand. „Legenden sind nichts weiter als verblasste Erinner­ungen. Sie wirst du nicht mit Schwertern töten können.“

„Mein Vater ist stark.“ Es klang etwas trotzig, so wie der Junge es aussprach. „Wenn sie angreifen, wird er sie besiegen!“

Ein gütiges Lächeln sollte das aufbrausende Gemüt beruhigen.

„Noch sind wir alle sicher. Was den Pakt angeht, so werden sie ihn nicht brechen.“

Stille.

„Wenn der König aber stirbt und du die Krone erbst, werden sie sich nicht länger an den Pakt gebunden fühlen. Dann werden die Grauen von Neuem beginnen. Dann wird es nicht die Aufgabe deines Vaters sein und meine längst nicht mehr. Es ist dein Schicksal, der Weg, der seit deiner Geburt für dich bestimmt ist.“

„Aber mein Vater...?“ Der Junge wollte den Alten unterbrechen.

„... will nicht, dass du das weißt! Deshalb darfst du ihm dies nie erzählen. Er glaubt an den Pakt, er muss es, ansonsten würde er wahnsinnig vor Sorge, was er dir aufbürdet – und selbst darf er nichts tun, da sonst er es wäre, der den Pakt bricht. Tief in seinem Innern weiß er das. Dass er es aber weder aussprechen noch hören muss, ist die einzige Möglichkeit für dich, es ihm erträglich zu machen.“ Der Narr legte seine Hand auf die Decke des Kindes. „Junge, versprich mir eines, kein Wort zu niemandem! Es würde das Herz deines Vaters brechen.“

„Versprochen.“ Eiseskälte ergriff den Jungen.

„Nun schlaf, Triton, mein Junge.“

Der alte Mann stand auf und ließ den Jungen mit seinen verwirrten Gedanken allein.

Eine ganze Weile noch starrte der Junge in den Baldachin.

„Ich werde nicht zulassen, dass mein Volk nochmals leiden muss“, hauchte der Prinz, kurz bevor der Schlaf ihn überwältigte.

Die große Halle

In der großen Halle öffnete sich ein schwerer Flügel der mächtigen Tür. Herein trat ein einzelner Mann, gehüllt in seinen langen dunkelblauen Mantel. Sein Gesicht trotz des warmen Lichtes der zahlreichen offenen Kamine ganz bleich, schien er zu blinzeln, da er noch an das gedämpfte Licht der Tunnel gewöhnt war. Aber ansonsten war sein Gesicht völlig ausdruckslos. Nicht die kleinste Sorgenfalte belastete seine Stirn. Er wirkte beinahe entspannt, missachtete man die Gleichgültigkeit in seinem Blick. Die Kälte, die sich mit seiner Ankunft in dem großen Thronsaal ausbreitete, konnte die Unzahl an Feuern rechtfertigen.

Der König jedoch bemerkte dies nicht, denn seine Miene hellte sich auf, als die stöhnende Tür den Blick auf seinen treuesten Diener freigab.

Noch an der Tür stehend, deutete der Eintretende eine leichte und doch huldvolle Verbeugung an, bevor er, ohne ein Zeichen abzuwarten, auf den Thronsässigen zuging. Obwohl dieser offensichtlich auf ihn wartete, ließ sich der Heranschreitende nicht zur Eile bewegen, noch zögerte dieser. Jeder seiner Schritte wirkte gemessen und unbeirrbar.

„Thanatos, treuester aller Diener, mächtigster aller Freunde, welch Unheil bringt dich so früh in meine einsamen Hallen“, begrüßte Triton den Ankömmling und ließ es sich nicht nehmen, aufzustehen und die letzten Schritte selbst zu bewältigen.

„Herr, meine Hoheit, die Finsternis wird bald über uns ziehen und unsere Feinde verschlingen“, verkündete der Diener mit seiner gefühllosen Stimme und küsste den Ring auf der Hand seines Königs, die dieser ihm darreichte. „Die Jahre der Vorbe­rei­tung haben sich gelohnt. Alles ist fügt sich zusammen.“

Triton nickte und wirkte auf einmal niedergeschlagen.

„Ach, dass diese dunklen Tage die meinen sein müssen.“ Der König wandte sich mit gesenktem Haupt zur Seite. Langsam schritt er auf eines der nahen Feuer zu und begann mit dem Schürhacken darin herum zu stochern. „Von Woche zu Woche werden die Berichte aus den Außenbezirken schlimmer.“ Funken stoben aus dem Kamin, als ein Scheit zur Seite kippte.

Der Diener sah dem Monarchen mit leicht gekräuselten Lippen zu. „Herr, ich verstehe nicht, es war euer Plan“, drang er mit seinen schmucklosen Worten durch die Gedanken seines Herrn bis zu dessen Bewusstsein durch.

„Und an diesem halte ich fest! Es gibt nur diesen einen Weg, um die Fehde zu Ende zu bringen. Aber es wird viele Opfer geben.“

„Ihr seid der König, mein Herr, ihr werdet die Menschen zu glorreichen Zeiten führen. Wenn sie bis alle unter einem Banner vereint sind.“

„Du hast recht.“ Der König seufzte leise. „Du bist so mächtig alter Freund. Manchmal hoffte ich, ein anderer wäre an meiner statt König.“ Er senkte den Blick vor seine Füße. „Du wärest der Richtige.“

„Danke Herr“, verneigte sich der Diener mit einem leicht belustigten Anzeichen eines Lächelns. „Ich zweifle auch nicht an meiner Macht, Herr, aber um König zu sein, bedarf es anderer Größe, mein König. Ich würde die Bürde nicht annähernd so gut tragen wie ihr. Es ist nicht die Krone, die den König schmückt. Es ist der König, der ihr Glanz verleiht. Ich fürchte mein bleiches Antlitz würde mehr Angst als Ehrfurcht verbreiten. Ihr seid der wahre König, mein Herr.“

„Und wieder hast du recht. Verzeih mir! Diese politischen Debatten ermüden mich und machen mich weich.“ Im Gegensatz zu seinem Diener war die Stimme des Königs wohlklingend und sein Ton so rund und voll, dass man ihm ergeben zuhören musste. Selbst, als die Worte seine Sorgen mit sich trugen. Die Sorgen, die er vor keinem anderen jemals würde aussprechen. Er hatte ein Königreich voller Diener aber einzig Thanatos vertraute er blind. Dabei war er nicht einmal einer seiner Untertanen, sondern Mitglied des Blauen Turms und somit zur Neutralität verpflichtet.

„Der neutrale Ring kann den Druck nicht mehr halten. Ich erhalte Berichte, dass die Stadtherren nicht mehr Soldaten aufnehmen können und doch schlüpfen immer mehr Flüchtlinge durch unsere Netze. Ich fürchte das Bündnis der Türme kann auch nicht mehr tun.“

„Der Bogen ist gespannt, mein Gebieter. Ihr habt recht, im nächsten Winter würde die Situation nicht mehr zu kontrollieren sein. Alles ist auf Messerschneide, aber zur rechten Zeit. Wir können die nächste Phase einleiten.“

„Dann stehen die Zwerge bald mit uns im Krieg?“, wollte der König wissen und klang so entschlossen, wie es sich für einen König gehörte.

„Schon bald Herr. Unser Informant hat gute Dienste geleistet. Es ist uns gelungen den Hauptmann der königlichen Wache gefangen zu nehmen. Er wird in diesem Moment nach Sanyna gebracht. Ich selbst breche gleich dorthin auf. Sobald er zurück­kehrt, wird der Krieg unausweichlich sein.“, verkündete Thanatos. „König Momos kommt mit seinen Kriegs­vorbe­rei­tung­en gut voran, und freut sich, dass ihr ihm eure Truppen als Unterstützung entsenden werdet, wenn es so weit ist.“

 

Triton musste leise lachen. Es klang eher bedrückt als belustigt. König Momos war in vieles eingeweiht, und war in die Vorstellung vernarrt, das Volk der Zwerge auszulöschen. Aber er kannte nicht den großen Plan.

„Dann wirst du ihn laufen lassen?“ Der König klang überrascht.

„Nein, er wird fliehen“, erklärte Thanatos in seinem nüchternen Tonfall.

„Was macht dich da so sicher?“, wunderte sich der König, obwohl er es doch hätte besser wissen müssen.

„Verrat, mein Herr. Ein wahrlich treuer Diener. Mächtiger gar als Angst.“ Der Vertraute des Königs brachte schließlich doch noch ein schwaches Lächeln zustande.

„Wahrlich finster diese Zeiten“, wandte sich der König dem Feuer zu, sodass der Magier seine Sorgenfalten nicht sehen konnte. „Die Feuer sind gelegt, damit der Schatten unseren Weg erhellt?“, sprach der König zu den Flammen. „Hoffnung und Liebe sind der Grundstein aller Kraft.“

„Es ist alles vorbereitet.“

„Er muss verletzlich werden. Wir müssen ihn wieder lehren zu hoffen. Ich fürchte er hat vergessen, wie das geht.“ Der König stocherte gedankenvertieft in den Flammen. Er muss sich der Rebellion anschließen, sonst war all die Vorbereitung umsonst.“

„Wir wissen von zwei Windreitern unter den Rebellen. Der Schatten hält sich derzeit im Norden auf und er scheint unseren Spuren zu folgen. Masborn wird ihn schließlich in die Berge treiben.“

„Dann wird es Zeit unsere Bündnisse zu erneuern. Ich höre schreckliche Berichte aus den anderen Königreichen. Jeder Funke könnte einen Flächenbrand entzünden. Wir müssen Zeichen setzen und ihnen Hoffnung schenken.“

„Der neutrale Ring ist darauf vorbereitet. Ihr selbst könnt bald die frohe Kunde verkünden. Bereitet alles für eine lange Reise vor.“ Thanatos reichte ihm eine winzige Pergamentrolle und verneigte sich. „Ich entsende euch zwei meiner Meister, damit sie bei den Vorbereitungen helfen. Sie werden euch treue Dienste leisten. Es ist in letzter Zeit still geworden, es ist jetzt wichtig, dass wir in Kontakt bleiben.“ Abermals verneigte sich der Magier, ohne dass der König es sah, und verließ mit gemessenem Schritt die Halle.

Selbst als die Tür geschlossen und der Herrscher dieser Hallen und eines großen Reiches alleine war, blieb dieser am Feuer stehen.

Nach einer Weile öffnete er das Pergament und überflog eine lange Liste. Es waren allesamt Städtenamen, die mit einem Datum versehen waren. Plötzlich lief es dem König eiskalt den Rücken herunter, als ihm bewusst wurde, dass der Tag gekommen war. Er ließ das Pergament sinken. Es würde in der Tat eine lange Reise werden. Unterwegs würde er viel Leid sehen, und nur der Glaube an den großen Plan, schenkte ihm die Kraft, die er dafür würde aufbringen müssen. Es wurde Zeit, dass sein Volk neue Hoffnung schöpfte und in bessere Zeiten geführt wurde. Doch aus irgendeinem Grund, wollte ihn dieser Gedanke nicht trösten. In letzter Zeit ergriff ihn ständig das Gefühl zu frieren, und nun gar war es, als würde eine kalte Vorahnung nach ihm greifen. Noch nie hatte er sich so alleine gefühlt, wie in eben diesem Moment, da er dem gierigen Spiel des Feuers zusah.

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