Loe raamatut: «Frauen in der Kirche»
Margit Eckholt
Frauen in der Kirche
Zwischen Entmächtigung und Ermächtigung
Franziskanische Akzente
herausgegeben von Mirjam Schambeck sf und Helmut Schlegel ofm
Band 24
MARGIT ECKHOLT
Frauen in der Kirche
ZWISCHEN ENTMÄCHTIGUNG UND ERMÄCHTIGUNG
echter
Herzlicher Dank geht an Eva Kasper für die sorgfältige Zuarbeit bei den Korrekturen sowie an die Provinz Sankt Elisabeth der Franziskaner-Minoriten, OFM Conv. in Deutschland für die finanzielle Unterstützung.
„Wer es als Frau bis jetzt in der Kirche ausgehalten hat, sollte bleiben, denn jetzt wird’s erst richtig spannend.“
(Theresia Heimerl)
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über ‹http://dnb.d-nb.de› abrufbar.
1. Auflage 2020
© 2020 Echter Verlag GmbH, Würzburg
Umschlag: wunderlichundweigand.de (Foto: Shutterstock)
Satz: Crossmediabureau, Gerolzhofen
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05482-3
978-3-429-05088-7 (PDF)
978-3-429-06483-9 (ePub)
Inhalt
1. „Jetzt wird’s erst richtig spannend“ – warum wir nicht „müde“ werden sollten
2. „Ihr seid ein heiliges Priestertum“ – von Apostelinnen, Witwen, Jungfrauen und Diakoninnen
Die befreiende Reich-Gottes-Perspektive – Zeugnis vom Leben geben
Die Gemeinde aufbauen – neue Dienste und Ämter
Der Frauendiakonat in der alten Kirche – ein sakramentales Amt?
Und Maria?
3. Mystik – Mission – Diakonie
Von Gottes Geist getragene Aufbrüche in neue Räume
Aufbrüche in der Spannung von Ermächtigung und Entmächtigung
Mystik – befreiende Seelen-Räume
Mission – Aufbrüche in neue Welt-Räume
Diakonie – dem „Christus diakonos“ die Türen öffnen
4. Geöffnete Türen, neue Räume, kontroverse Debatten und Perspektiven für die Kirche der Zukunft
Mit dem 2. Vatikanischen Konzil geöffnete Türen
Kontroverse Debatten (1)
Die Enttabuisierung des Gender-Begriffs
Kontroverse Debatten (2)
Der Zugang von Frauen zu kirchlichen Ämtern
Neue Perspektiven – diakonische Kirche werden
5. Weitergehen – auf synodalen Wegen weltweit
Anmerkungen
Zum weiterlesen
Abkürzungsverzeichnis
1. „Jetzt wird’s erst richtig spannend“ – warum wir nicht „müde“ werden sollten
„Wer es als Frau bis jetzt in der Kirche ausgehalten hat, sollte bleiben, denn jetzt wird’s erst richtig spannend“1, so schreibt die österreichische Theologin und Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl am Ende ihres 2015 veröffentlichten und sehr lesenswerten Buches über Frauen als „andere Wesen“. Die 1971 geborene Theologin steht für eine jüngere Generation von Katholikinnen, die sich in den letzten Jahren auf kreative, frische, unbefangene, aber auch provozierende Weise mit der Frage von Frauen und Kirche auseinandergesetzt haben. Hier wird deutlich, dass Feminismus in der katholischen Kirche nicht „abgelegt“ ist und Publikationen auf diesem Feld keineswegs, wie es eine Zeitlang schien, zu einem „Ladenhüter“ geworden sind. Wenn kirchlicher Feminismus wieder stärker ins Bewusstsein rückt, so ist dies ein starkes Zeichen: Frauen lassen sich nicht die Hoffnung nehmen, dass es letztlich immer Gott selbst ist, der alles neu macht, eine Hoffnung, die im Glauben an den Gott Jesu Christi gründet, der an der Seite der „Armen“, der Kleinen, Schwachen und Ausgegrenzten Gottes rettende und befreiende Kraft verkündet und gelebt hat, der die „Mächtigen“ vom Thron stürzt und die „Niedrigen“ erhöht (Lk 1,52). Und diese Hoffnung und dieser Glaube gründen in einer Liebe, die den Mut nicht aufgibt, für Reform und Veränderung in der Kirche zu streiten. Der Geist Gottes, wie er im Leben von Frauen wirkt und in der Geschichte gewirkt hat, kann nicht ausgelöscht werden, und ohne ihre vielfältigen Beiträge, ihre Charismen, ihren Mut und ihre Kreativität wird es für die Kirche keinen Weg in die Zukunft geben.
Der Feminismus in der katholischen Kirche hat in den letzten Jahren aus sehr unterschiedlichen Gründen eine neue Dynamik erhalten. Innerkirchlich ist dies mit der erneuten Auseinandersetzung mit sexuellem und geistlichem Missbrauch von Klerikern an Kindern, Jugendlichen und Frauen verbunden. Die im September 2018 veröffentlichte „MHG-Studie“ (das Akronym MHG steht für die Orte, an denen die mit der Studie beauftragten Wissenschaftler tätig sind: Mannheim, Heidelberg und Gießen) verweist im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des sexuellen und geistlichen Missbrauchs ausdrücklich auf Klerikalismus, das Machtproblem und die Frauenfrage in der katholischen Kirche – Themen, die seit Ende der 1960er Jahre im Zuge der Entstehung eines kirchlichen Feminismus verhandelt und theologisch aufgearbeitet, jedoch an den Rand kirchlichen Geschehens gedrängt worden sind. In diesem zutiefst beschämenden Moment melden sich mit einer neuen Kraft und Stärke die Frauen in der Kirche: Frauenverbände, Frauenseelsorge, Theologinnen, und mit der im Mai 2019 in Münster initiierten und bald weit darüber hinaus tätigen Aktion Maria 2.0 oder der im Oktober 2019 von der Schweiz ausgehenden Junia-Initiative auch viele Frauen der „Basis“ – Frauen, die über Jahrzehnte kirchliches Gemeindeleben entscheidend mitgetragen haben, aber auch Frauen, die sich bereits vor Jahren aus Enttäuschung angesichts fehlender Umsetzung ihrer Anliegen aus einer aktiven Mitarbeit in der Kirche zurückgezogen haben. Hier „meldet“ sich Gottes Geist im Leben der Frauen, der nicht ausgelöscht werden kann, eine Liebe zur Kirche, die nicht will, dass das, was geliebt wird, um die Zukunft gebracht wird. Mit der Frage nach Frauen und ihrer Beteiligung in der Kirche, der Frage nach Klerikalismus und Macht in der Kirche steht viel mehr auf dem Spiel als die Auseinandersetzung um kirchliche Strukturfragen: Johannes XXIII. (1881–1963) hat in seiner Enzyklika „Pacem in Terris“ (1963) von der Frauenfrage als „Zeichen der Zeit“ gesprochen, und in einem „Zeichen der Zeit“ geht es um die Präsenz Gottes in der Geschichte, es geht um „Unterscheidung der Geister“ und Umkehr, um die Anerkennung der Herausforderungen, die mit diesem „Zeichen der Zeit“ verbunden sind. Frauen haben ein tiefes geistliches Gespür für die Tragweite dessen, worum es in der Kirche heute geht. Dieses geistliche Gespür ist nicht neu, Klara von Assisi, Katharina von Siena oder Teresa von Avila zum Beispiel haben die Notwendigkeit von Reformen in der Kirche ihrer Zeit erfasst, aber die Tragweite ist heute eine andere: die Zukunft von Kirche steht auf dem Spiel.
Sicher, es geht heute auch um den Strukturwandel in der Kirche im Blick auf die stärkere Partizipation von Frauen auf den vielen Ebenen kirchlichen Geschehens, auch in Leitungspositionen und in kirchlichen Ämtern. Ohne den Einsatz der katholischen Frauenverbände in Deutschland – Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB) und Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) – hätte die Gemeinsame Konferenz von Deutscher Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) im Zusammenhang des im Frühjahr 2019 initiierten Synodalen Wegs der deutschen Ortskirche nicht ein viertes Forum zu Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche auf den Weg gebracht. Seit Beginn des neuen Jahrtausends haben die Frauenverbände das Thema der Ämter von Frauen aufgegriffen, vor allem wichtige Impulse für die kirchliche und theologische Debatte um den Frauendiakonat gegeben, so dass dieser zu einem – auch über die Frauenbewegung hinausgehenden – zentralen Thema des kirchlichen Erneuerungsprozesses und Strukturwandels geworden ist. Das wird an der Kommission sichtbar, die Papst Franziskus im August 2016 zum Frauendiakonat eingerichtet hatte, auch wenn diese Ende 2018 ohne Ergebnisse ihre Arbeit erst einmal eingestellt hat. Es sind Fragen und Diskussionen, die seit dem 2. Vatikanischen Konzil und im Zuge der Ausgestaltung der feministischen Theologien in den 1970er Jahren präsent waren und die auf den verschiedenen Ebenen von Kirche immer wieder neu verhandelt worden sind. Im Kontext der deutschen Ortskirche wurde der Frauendiakonat auf der Würzburger Synode diskutiert, ein Votum mit der Bitte um Einrichtung eines solchen Amtes wurde nach Rom gesandt, bis heute hat die deutsche Ortskirche keine Antwort erhalten.
In der Gegenwart sind insofern die Themen des „alten“ Feminismus präsent als die „Frauenfrage“, die seit den 1960er Jahren die mit dem 2. Vatikanischen Konzil verbundenen Aufbrüche begleitet hat, zur Ausgestaltung feministischer Theologie und theologischer Frauenforschung geführt und auch kirchlicher Pastoral neue Aufgabenfelder erschlossen hat. Es wurden und werden Debatten um eine geschlechtergerechte Sprache in der Liturgie geführt. Traditionen geistlicher Theologie, in denen männliche Gottesbilder aufgebrochen werden, wurden entdeckt und öffneten der Gottesrede weitere Horizonte. Diese Anliegen haben Christinnen und Christen aller Konfessionen neu miteinander verbunden. Dieser „alte“ Feminismus ist heute präsent, aber er zeigt sich auf eine neue Weise. Der „neue“ Feminismus ist vor allem daran festzumachen, dass ein Prozess der „Enttabuisierung“ der Auseinandersetzung mit Macht, Fragen von Sexualität und Beziehungskultur und Frauen in kirchlichen Diensten und Ämtern eingesetzt hat und dass die Anliegen des Feminismus nicht mehr allein von der kirchlichen Frauenbewegung getragen werden, sondern vom reformorientierten Episkopat und vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken mitverantwortet werden. Die vier Foren, die für die inhaltliche Ausgestaltung des Synodalen Wegs der nächsten Jahre in der deutschen Ortskirche von Relevanz sind, greifen zentrale Themen der kirchlichen Frauenbewegung der letzten Jahrzehnte auf und werden – so die Hoffnung im Blick auf die Entwicklung der Foren – zu dieser genannten Enttabuisierung beitragen. Dies ist der notwendigen – hoffentlich auch nicht wieder abbrechenden – Auseinandersetzung mit den gravierenden Problemen sexuellen und geistlichen Missbrauchs in der katholischen Kirche geschuldet, einer der vielleicht größten Krisen, in denen sich die katholische Kirche seit den Zeiten der Reformation befindet.
Wenn sich kirchlicher Feminismus wieder neu meldet und Frauen sich auf den unterschiedlichsten Ebenen von Kirche – in Verbänden und Bewegungen ehren- und hauptamtlich tätig, in Pfarreien und Vereinen engagiert, Theologinnen und Ordensfrauen – heute auch international vernetzen, wie es das Anliegen der Organisation Voices of Faith ist, so ist dies ein hoffnungsvolles Zeichen. Darin kommen Kräfte zum Ausdruck, die getragen sind von einer tiefen geistlichen Überzeugung, die wiederum gestärkt wird von den die Geschichte der Kirche seit Jahrhunderten begleitenden Erfahrungen, Gebeten, theologischen und mystischen Werken der Frauen. Dies alles gründet in der Überzeugung, dass im Leben von Frauen und in ihren vielfältigen Geschichten Gottes Geist in der Geschichte gewirkt hat und auch heute weiterwirkt. In diesem Sinn ist die aktuelle Entwicklung im kirchlichen Feminismus Frucht der feministischen Bewegung und der Grundlagen des theologischen Feminismus und der Frauenforschung, die „Pionierinnen“ wie Elisabeth Gössmann, Elisabeth Moltmann-Wendel, Catharina Halkes, Elisabeth Schüssler-Fiorenza oder Anne Jensen gelegt haben. Die theologische Reflexion, die den Synodalen Weg und andere Reformbewegungen begleitet, muss auch heute von befreiungstheologischen und kritisch-feministischen Impulsen geprägt sein und muss sich mit interdisziplinären gender-theoretischen Analysekriterien auseinandersetzen. Sie kann gerade darum nicht eine „Theologie der Frau“ sein, von der Papst Franziskus in seinen – sicher wertschätzenden – Anmerkungen zu Frauen und Kirche immer wieder spricht, sondern eine frauenbefreiende Theologie, die nicht an das Geschlecht gebunden ist, vielmehr die Geschlechterbeziehung problematisiert.2
Neu ist heute die öffentliche Wahrnehmung. Es rückt etwas in das Zentrum kirchlicher Debatten, was viele Jahre nur am Rande wahrgenommen worden ist, was als „Feminismus“ abgetan und an den Rand gedrückt worden ist und was auch nicht in der theologischen Ausbildung, im „main-stream“ pastoraler Arbeit oder im Religionsunterricht präsent gewesen ist. Feministisch-theologische Literatur der „alten“ Generation ist in den letzten Jahren kaum rezipiert worden, Feminismus war „out“ für die jüngere Generation, er war nicht „attraktiv“, weil er an den Rand gestellt und nicht ernst genommen worden ist. Der gegenwärtige Moment der Krise hat dies zu ändern begonnen. Von „Feminismus“ zu sprechen bzw. sich als „Feministin“ zu bezeichnen, wird heute für jüngere Frauen wieder attraktiv. Dieser Feminismus der jungen Generation ist plural, nicht einlinig, nicht „dogmatisch“. Die jungen Frauen gehören einer selbstbewussten Generation an, die wahrgenommen werden will, die es versteht, mit den sozialen Medien und neuen Formen der Öffentlichkeit umzugehen. Sie positionieren das Thema der Priesterweihe für Frauen auf eine „frische“ Art und Weise, wie es die Schweizer Theologin Jacqueline Straub (Endlich Priesterin sein. Keine Frage der Macht, sondern des Herzens, 2017) oder die deutsche Journalistin Christiane Florin (Der Weiberaufstand. Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen, 2017) tun. Der „neue“ Feminismus verbindet sich mit der ökologischen Bewegung. Er setzt sich in gleicher Weise für Ehe und Familie wie für die Gleichberechtigung homosexueller Lebensformen ein. Er vernetzt sich international, verstärkt die Menschenrechts- und Gerechtigkeitsperspektive im Feminismus und weist auf die weltweite Gefährdung durch das Wachsen des politischen und religiösen Fundamentalismus hin. Die Gender-Perspektive, die den „alten“ Feminismus seit den 1990er Jahren zu verändern begonnen hat, ist hier präsent und verbindet sich – Soziologinnen sprechen von „Intersektionalität“ – mit anderen sozialen, ökonomischen und kulturellen Kategorien, die auf den Ausschluss von Menschen aufgrund von Klasse, ethnischer Zugehörigkeit, geschlechtlicher Ausrichtung hinweisen. Die Soziologin Myra Marx Ferree weist in ihrer Studie zur Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland auf die bleibende politische Relevanz des Feminismus hin, auch wenn im Vergleich zum „alten“ Feminismus pragmatischer mit den anstehenden Fragen umgegangen wird und viele neue Koalitionen eingegangen werden zur Unterstützung der feministischen Ziele. Eine „ausschließlich auf die Frauenbewegung ausgerichtete Strategie alter Schule“ sei „kontraproduktiv“.3 Diese Perspektive im Blick auf den säkularen Feminismus ist sicher auch zutreffend für den innerkirchlichen Feminismus. Der Synodale Weg in Deutschland wird zeigen, welche „Koalitionen“ mit gemischt-geschlechtlichen Bewegungen des Laienkatholizismus, mit Orden, mit Bischöfen und Kolleg*innen in der Wissenschaft möglich sein werden. Und gerade darum ist es heute wieder spannend, so Theresia Heimerl, als Frauen in der Kirche mitzuwirken. Wir sollten nicht „müde“ werden und weiter auf die in der Kraft des 2. Vatikanischen Konzils liegenden Erneuerungen vertrauen, wie eine ältere Verbandsfrau, die die konziliaren Aufbrüche mit vorangetragen hatte, derjüngeren Generation im Zuge der 50-Jahr-Feier des großen Reformkonzils zurief.
Im Vergleich zur Konzilszeit wird heute nicht mehr von der „Frauenfrage“ gesprochen, weil es um einen weitergehenden Strukturwandel in der katholischen Kirche geht. Der Gender-Begriff, eines der „Tabus“ in breiten kirchlichen Kreisen, hat dies offengelegt. Aber das bedeutet nicht, dass die „alte“ Frauenfrage nicht doch immer noch zu den großen „Zeichen der Zeit“ gehört. Die Frauenfrage hat mehr als andere „Zeichen der Zeit“ aufgedeckt, dass das „Innen“ der Kirche nicht mehr in einem Passungsverhältnis zum „Außen“ steht. Das trifft heute noch in gleicher Weise zu wie vor über 50 Jahren. Die Geschlechterrollen in der Gesellschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten in radikaler Weise geändert und es ist zu einem „epochalen Umbruch“ im Blick auf die Frauenbiographien gekommen. Der Dekulturationsprozess, den das Christentum im Westen, den Kernländern des Christentums durchmacht, hat auch mit dieser Frauenfrage zu tun. Wenn Frauen beides sein wollen – Katholikin und engagierte Bürgerin einer demokratisch verfassten Gesellschaft –, werden sie auch heute noch mit der Kluft zwischen Tradition und Moderne konfrontiert: Mittlerweile haben sich Frauen zumindest in unserem kulturellen Kontext weitreichende Rechte erkämpft, auch wenn Geschlechtergerechtigkeit immer noch nicht in vollem Umfang verwirklicht ist. Hier sind – um nur einige Bereiche anzusprechen – etwa das Problem der ungleichen Bezahlung gleicher Arbeit zu nennen oder die vergleichsweise immer noch geringe Zahl von Frauen in Leitungspositionen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Ebenso betrifft die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie nach wie vor insbesondere Frauen. Und auch die sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist nach wie vor ein erschreckendes Thema. In der katholischen Kirche spitzen sich gerade in der Gegenwart die grundlegenden Strukturfragen wie die Frage nach Partizipation und Mitbestimmung, nach der Ausübung und der Funktion des Amtes mit Blick auf die Position der Frauen noch zu. Aber auch von anderen Konflikten zwischen kirchlicher Tradition und moderner Gesellschaft sind Frauen in besonderem Maße betroffen, etwa wenn es um die Lebensentwürfe und Lebensformen geht, die nicht mehr dem tradierten Leitbild der Ehefrau und Mutter entsprechen, sondern um eine Lebensführung jenseits überlieferter Rollenmuster und Geschlechternormen, die in einer plural und liberal gewordenen Gesellschaft möglich geworden ist.
Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen tangiert Fragen der Macht und rührt an Tabus. Das zeichnet die neue Bewegung im Feminismus aus, und Aufgabe theologischer Arbeit, die diese Bewegung begleitet, ist es, zu dieser Enttabuisierung intellektuell verantwortet beizutragen. Jüngere Frauen lehren die ältere Generation einen entkrampfteren Umgang mit dem Begriff Feminismus. Sie machen auf humorvolle und ironische Weise deutlich, dass wohl die meisten der aktuellen Debatten dem Kampf von Don Quijote mit den Windmühlen gleichen, ein Bild, mit dem Miguel Cervantes (1547–1616) auf unvergleichliche Weise den Abschied von einer Zeit des Feudalismus und den Beginn der Moderne gezeichnet hat. Die neue Bewegung im kirchlichen Feminismus ist ein Zeichen der Hoffnung, dass der Aufbruch, den das 2. Vatikanische Konzil für die katholische Kirche und ihr „Ankommen“ in der Moderne bedeutet hat, nicht abzubrechen ist: Frauen – und Männer – haben ihre „Macht“ entdeckt, ihre je eigenen Vermögen und Charismen, zu denen Gott sie ermächtigt hat, um so für eine moderne Kirche als Teil wie Korrektiv einer modernen Gesellschaft zu streiten. Genau das bedeutet ein Ende des Klerikalismus und einen Weg, einen neuen Umgang mit Macht zu finden. So wirkt in der aktuellen Bewegung, im „neuen“ kirchlichen Feminismus, Gottes Geist. Die „Frauenfrage“ – um den „alten“ Begriff aufzugreifen – ist auch heute ein „Zeichen der Zeit“, in dem es um die Zukunft von Kirche geht. Das Verhältnis der Kirche zur Welt ist nicht „beliebig“, sondern die Zeichen der Zeit wirken als Zeichen der Zeit Gottes immer auch zurück auf das, was Kirche als „Volk Gottes“ und auf ihrem Weg zum Reich Gottes zu sein hat.
Frauen erfahren sich dabei als von Gott „ermächtigt“. In der Taufe ist ihnen – das ist die zentrale ekklesiologische Leitperspektive des Konzils – ein empowerment geschenkt, das sie, aller erfahrenen Ohnmacht zum Trotz und angesichts bestehender kirchlicher Strukturen und – teils unbewusster – machistischer Reaktionen und Mentalitäten, immer wieder neu drängt, Kirche als Volk Gottes mit den vielen anderen zu gestalten und gerade der jüngeren Generation einen Zukunftshorizont von Kirche zu erschließen. Die US-amerikanische Konzilsauditorin Schwester Mary Luke Tobin, zu Konzilszeiten Vorsitzende der Ordensoberinnenkonferenz in den Vereinigten Staaten, sprach davon, dass das Konzil die Tür so weit geöffnet habe, dass sie nicht wieder verschlossen werden könne. Die Konzilstexte bergen den Schlüssel, um im Blick auf die Frage nach Frauen in der Kirche neue Wege zu ermöglichen und die notwendigen Strukturreformen mit Mut und Vertrauen anzugehen. Das ist dabei – zum Glück – kein neuer Weg, sondern Frauen und Männer stellen sich in die von Gottes Geist bewegte Tradition von Menschen, die in der Begegnung mit dem lebendigen Christus, ohne den sie nicht zu leben vermögen, eine „Macht“ erfahren, die sie begnadet und erlöst leben lässt, „ermächtigt“ zum Leben mit anderen und „entmächtigt“ von Unterdrückung, von Gewalt und Unfreiheit. Wenn Frauen sich heute wieder auf den Weg machen, um für eine stärkere Partizipation in der Kirche zu streiten, um Beteiligung an Leitung und Diensten und Ämtern, so hat dies seinen tiefsten Grund in einem Glauben, der auf das befreiende Evangelium Jesu Christi setzt. All dies gründet in einer Liebe, die wie Maria von Magdala am leeren Grab „umkehren“ lässt, um in der „Sendung“ durch Jesus Christus die Neuheit und Faszination des Evangeliums zu erschließen. All dies ergibt sich aus der Hoffnung auf den Gott, der alles neu macht und auch seine Kirche in die Zukunft tragen wird.
Tasuta katkend on lõppenud.