Das Gift an Amors Pfeil

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Das Gift an Amors Pfeil
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Marnia Robinson

Das Gift an Amors Pfeil


Von der Gewohnheit zum Gleichgewicht in sexuellen Beziehungen

Aus dem amerikanischen Englisch von Sabine Bends


Arbor Verlag

Freiburg im Breisgau

Wichtiger Hinweis

Die Ratschläge zur Selbstbehandlung in diesem Buch sind von der Autorin und vom Verlag sorgfältig erwogen und geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei ernsthafteren oder länger anhaltenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt oder einen Heilpraktiker Ihres Vertrauens zu Rate ziehen. Eine Haftung der Autorin oder des Verlages für Personen-, Sach-, und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Die Endnoten im Text dieser Publikation sind nicht verlinkt. Um diese aufzurufen, navigieren Sie bitte auf die Seite „Endnoten“ im Inhaltsverzeichnis.

© 2009 Marnia Robinson

© 2010 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH, Freiburg,

by arrangement with North Atlantic Books, P.O. Box 12327, Berkeley, California 94712

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel: Cupid´s Poisoned Arrow: From Habit to Harmony in Sexual Relationships

Alle Rechte vorbehalten

E-Book 2021

Titelfoto: © 2010 andybahn / Quelle: photocase.com

© 2009 der Illustrationen: North Atlantic Books.

Lektorat: Lothar Scholl-Röse

Gestaltung: Anke Brodersen

Gestaltung Buchcover: Dirk Henn

www.arbor-verlag.de

ISBN E-Book: 978-3-86781-391-4

Dieses Buch widme ich in Liebe Gary Bruce Wilson, dessen Mut, Einsicht und offenes Herz es ins Leben gerufen hat

Inhalt

Ein paar einleitende Worte

Vorwort

„Wer ist hier der Boss?“

… und weiter geht’s

Kapitel 1

Die Biologie hat Pläne für Ihr Liebesleben

Der Coolidge-Effekt

Und wie funktionierte es in der Praxis?

Paarung und Bindung, die zwei Pedale

Warum jetzt?

Warum gerade ich?

Alte Weisheiten: Der Taoismus

Kapitel 2

Elefanten im Wohnzimmer

„Sei vorsichtig, worum du bittest … Es könnte dir gewährt werden“

Doña Quijote macht sich auf den Weg

Ein subtiles Gefühl von Mangel

Objekte im Spiegel können uns näher sein, als es scheint

„Aber ich fühle mich großartig nach dem Orgasmus!“

Im gleichen löchrigen Boot sitzen

Verräterische Zeichen?

Die Fallen der Selbstgenügsamkeit

Alte Weisheiten: Das Christentum

Kapitel 3

Die Spitze des Eisbergs

„Aber was ist mit den ganzen glücklichen Ehen?“

Das Bermudadreieck der Beziehungen

„Man muss einfach nur den Richtigen finden“

Weitere heikle Fragen

Ein Weckruf

An der Angel

Jenseits des Grolls

Sich paaren oder sich verbinden

Teambildung

Eine harte Lehre

Wo hatten wir uns vertan?

Alte Weisheiten: Der Hinduismus

Kapitel 4

Im Herzen des Trennungsvirus

Abnutzung inbegriffen

Lernen Sie Ihr Säugetiergehirn kennen

Gnadenlose Eugenik – unser Paarungsprogramm

Weitere Herausforderungen der Monogamie

Treu, doch reizbar

Feste Beziehungen in Frage gestellt

Die Verbindung zwischen Körper und Gehirn

Bedürfnisse sind Signale

Ihr innerer Kompass

Dopamin – Der schärfste Pfeil in Amors Köcher

Auftritt Amor

Alte Weisheiten: Cortezia

Kapitel 5

Der Zyklus der Leidenschaft

Der Anti-Liebestrank

Was aufsteigt, muss auch wieder herunterkommen

Dopamin – Der Dreh- und Angelpunkt

Sucht – Auf der Suche nach noch mehr Elend

Balance und Bindung

Wissenschaftliche Beweise für dauerhafte Veränderungen nach dem Orgasmus

Prolaktin

Testosteron und Co

Und was ist mit den Männern?

Das Wahrnehmungsspiel

Wenn Liebe sich mit Angst vermischt

Alte Weisheiten: Zurückhaltung des Mannes

Kapitel 6

Die Straße zum Exzess

Gene von gestern

Erinnerungen, die es in sich haben

„Wo ist mein Stamm?“

Die Qual des Exzesses

 

Vom Zuckern und Zittern

Die überraschende Lektion der Pornografie

„Zuviel des Guten … ist noch besser!“

Die Toleranzschwelle für Suchtmittel

Das plastische Gehirn

In der Spur

Trügerische Auslöser

Dopamin und verzerrte Wahrnehmung

Das Dopamin in die Höhe treiben

Ein überlasteter Belohnungskreislauf

Gehirntraining

Wie fühlt es sich an, ein Versuchskaninchen zu sein?

Alte Weisheiten: Karezza

Kapitel 7

Steuern lernen

Die überraschenden Geschenke der Bindung

Das Schlupfloch in unserem genetischen Plan

Bindungssignale

Selbstlose Berührung kontra hungrige Berührung

Einen Gang zurückschalten, wenn nötig

Tränen in der Kinderstube

Partner können einander stärken

Die andere Art, sexuelle Spannung zu lösen

Gleichgewicht geht vor

Entspannung kontra Leistung

Die Geburt der ekstatischen Austauschübungen

Geschlechtsverkehr

Tango tanzen

Wiederholt sich die Geschichte?

Alte Weisheiten

Von Urbantschitsch, Reich

Rudolf Urban von Urbantschitschs Ehetherapie

Reichs vergessenes Wissen

Kapitel 8

Bindendes Wissen

Die Neurochemie der Monogamie

Den Gewöhnungsblues abwehren

Wie schützt Partnerschaft unsere Gesundheit?

Alte Gehirne + Moderner Beziehungsstress = Schlechte Gesundheit

„Achtung – Amygdala aktiviert“

Die Rettung – Oxytocin

„O“ wie Orgasmus und Oxytocin?

Oxytocin ist keine „Liebesdroge“

Ist es Liebe, ist es Orgasmus oder ist es Geschlechtsverkehr?

Forschung in der Sackgasse

Was brauchen wir wirklich vom Sex?

Die Gesundheit der Prostata

Grenzenlose Bindung kontra grenzenlose Paarung

Alte Weisheiten: Der Buddhismus

Kapitel 9

Den Abgrund überbrücken

Der Säugetierschmerz im Gehirn – ein Fall für Karezza

Neuer Lebensstil, neue Zwänge

Von der Pfanne ins Feuer

Sucht und Zivilisation

Die ideale Stimmungsmedizin

Auftrag zur Paarbindung

Karezza und Monogamie

Was ist zu tun?

Seien Sie ehrlich

Erkenne dich selbst, befreit vom Zyklus der Leidenschaft

Erkenne dich selbst im Zyklus der Leidenschaft

„Was mache ich mit dem Überschuss?“

Wertschätzen Sie Ihren Partner, ermutigen Sie Ihre Freunde, urteilen Sie nicht so schnell

Schauen Sie hinter das Frosch-Kostüm

Weniger ist mehr

Innere Arbeit

Eine neue Beziehungsbedürftigkeit

Denken Sie groß

Alte Weisheiten: Die Tradition der Regenbogenschlange

Kapitel 10

Der Weg der Harmonie

Unschuldige Fehler

Kein Wunder, dass die Welt verrückt spielt

Karezza, nochmals aufgegriffen

Nehmen Sie es leicht

Subtile Harmonie

Höchste Freuden

Fliegen im Glas

Alte Weisheiten

Transorgastischer Sex

„Wie erkläre ich dieses Buch meinen Freunden?“

Paarung – Das „Gewöhnungspedal“

Bindung – Das „Harmoniepedal“

Die ekstatischen Austauschübungen

Struktur

Details

Orgasmen

Lernen ist Lernen, auf welche Art auch immer es geschieht

Vorschläge

In Dankbarkeit

Über die Autorin

Endnoten

Ein paar einleitende Worte

Dieses Buch, das Sie hier in den Händen halten, ist für mich sehr wertvoll. Im Grunde ist es das wertvollste Buch meines Lebens. Ich möchte Ihnen kurz schildern, warum.

Mein ganzes Leben lang hat mich eine Frage bewegt: Warum bleiben Liebespaare nicht zusammen? Ich wuchs in einem liebevollen Elternhaus auf, meine Eltern waren einander ganz offensichtlich sehr zugetan. Doch warum wurde die Harmonie immer wieder von unschönen Streiten unterbrochen? Und warum trennten sie sich nach vielen Jahren dann doch? Ich war schon als kleines Mädchen davon überzeugt: Ich mache es anders. Wenn ich jemanden liebe, dann für immer.

Und so ist es auch geblieben, all die Menschen, die ich einst liebte, liebe ich noch heute. Doch auch mir gelang es nicht, eine Liebesbeziehung länger als einige Jahre ungetrübt aufrechtzuerhalten. Und selbst, wenn wir zehn Jahre zusammenblieben: Spätestens nach vier Jahren kam die erste Krise. Warum verliebte ich mich alle Jubeljahre neu? Warum war ich nicht in der Lage, meinen größten Wunsch zu leben und eine stabile, liebevolle sexuelle Beziehung zu einem Mann ein Leben lang oder zumindest ein paar Jahrzehnte aufrechtzuerhalten? Nach der Trennung von meiner ­Jugendliebe und der Scheidung meiner darauffolgenden Ehe war mir eines klar: An dem jeweiligen Mann und seinen Charaktereigenschaften kann es nicht liegen. Mein Potential zu lieben endet nicht, weil jemand diese oder jene Eigenschaft hat oder nicht hat. Es endet im Grunde überhaupt nicht! Die Liebe zu den Männern, mit denen ich einst zusammen war, hat nie aufgehört. Doch warum verliebte ich mich dann neu? ­Warum gab es immer wieder diesen Schmerz der Entscheidung? Warum nur war das alles so schwierig?

Ich wähnte mich zu den glücklichen Menschen zu gehören, die frei von belastenden Hemmungen und unsinnigen Verboten aufgewachsen waren, auch und gerade im sexuellen Bereich. Für mich gehörten Liebe und Leidenschaft in einer Beziehung zusammen. Je leidenschaftlicher, so dachte ich, umso besser. Doch das Leben lehrte mich, dass ich da einem großen Irrtum unterlag! Je leidenschaftlicher die Beziehung begann, umso schmerzhafter verlief sie und umso schneller endete sie auch wieder.

Mit meinem wachsenden spirituellen Interesse lernte ich, der Leidenschaft kritischer gegenüberzustehen. War sexuelles Begehren am Ende gar ein Hindernis? War der Weg der Abstinenz, den viele spirituelle Lehrer empfehlen, der gesündere? Auch sexuell enthaltsame Phasen durchlief ich im Laufe der Zeit. Mein Leben war in dieser Zeit zwar ruhiger und konzentrierter, doch war ich damit glücklich? Nicht wirklich. Ich konnte einfach nicht glauben, dass etwas so Lebensbestimmendes wie unser sexueller Trieb einfach übergangen werden und möglicherweise ungenutzt verstreichen sollte. Und ich ahnte auch, dass etwas viel Tieferes darin verborgen lag, das nicht nur in sublimierter Form in Kunst, Kreativität, Sport, Spiri­tualität und anderen Aktivitäten seinen Ausdruck finden kann.

 

Ich war mittlerweile freiberufliche Übersetzerin und Astrologin und beriet Klientinnen und Klienten, auch in partnerschaftlichen und sexuellen Fragen. Doch hatte ich wirklich befriedigende Antworten für sie? War ich nicht genauso unwissend wie so viele andere auch oder sogar noch unwissender, weil ich ja so offensichtlich scheiterte? Ich spürte den Schmerz umso deutlicher, je mehr Menschen zu mir kamen, in deren Beziehungsleben Chaos statt Ordnung herrschte. Und der Prozentsatz dieser Menschen ist unglaublich groß. Wie konnte ich denen helfen, denen es so ging wie mir? Und was war mit den Paaren, die leidenschaftslos, bestenfalls freundschaftlich nebeneinanderher lebten, um ihr Haus und ihre Kinder zu behalten und zu versorgen? Wohin mit all ihrer Sehnsucht nach mehr? An einem bestimmten Punkt meines Lebens war es wie ein Schrei meiner Seele, endlich die Antwort auf die Frage zu finden, was unsere Partnerschaften zerstört und was sie erhält.

Und sie kam. In ungewöhnlicher und zutiefst intuitiver Form. Ich hatte von Marnias erstem Buch Peace Between The Sheets von einer meiner ­Astrologiekursteilnehmerinnen zwar schon gehört, doch das war noch nicht der entscheidende Moment. Dieser kam völlig unerwartet während eines Kongresses, den ich besuchte. Wie aus heiterem Himmel erschien Marnias Buch vor meinem inneren Auge und damit verbunden die dringliche Aufforderung: „Lies Marnias Buch. Es enthält die Antwort auf deine Frage.“

Und das tat ich. Ich verschlang es. Und ich verstand es. Ich war tief ­berührt und höchst aufgewühlt. Mein erster Impuls war, Kontakt zu ­Marnia aufzunehmen und ihr Buch zu übersetzen. Diese Botschaft durfte ich nicht für mich allein behalten. Neben einer ausgesprochen weisen Autorin traf ich über meine E-Mails auf eine liebevolle, mitfühlende, spontane und dynamische Frau, die mich auf wunderbare Weise unterstützte, all meine Fragen beantwortete und mir gestattete, ihr Buch zu übersetzen.

Auf mein Privatleben hatte dies immense Auswirkungen. Zunächst machte ich noch einmal alles „falsch“, was man nur falsch machen kann, wenn man sich Ruhe und Stabilität in Beziehungen wünscht. Ich fand es schwer, den von Marnia vorgeschlagenen Weg zu gehen, weil ich ihn einem Partner gegenüber noch nicht richtig vertreten konnte und mich immer wieder von meinem Ziel abbringen ließ. Es dauerte, bis ich selbst so gefestigt war, dass ich es auch entsprechend vermitteln konnte. Doch schon das veränderte Bewusstsein über mein Tun und Lassen machte mich zuversichtlich. Und langsam, ganz langsam, kehrte endlich Ruhe in mein Beziehungsleben ein, und jeder Druck, den ich vorher in Bezug auf ­Sexualität und Partnerschaft empfunden hatte, verschwand. Als hätte sich endlich ein Knoten gelöst.

Heute fühle ich mich frei. Frei, in liebevoller, sexueller Partnerschaft zu leben und meinen Idealen zu folgen, und sogar frei, sexuell enthaltsam zu leben, so paradox dies klingen mag. Auch andere mehr oder weniger „zwanghafte“ Verhaltensmuster, wie wir alle sie kennen, verblassen mehr und mehr. Leichtigkeit und Entspannung nehmen stattdessen wachsenden Raum in meinem Leben ein. Ich habe außerdem gelernt, meiner Intuition mehr zu vertrauen. Vieles, was Marnia durch Erfahrung herausgefunden und wissenschaftlich sowie spirituell untermauert hat, wusste ich eigentlich früher schon, rein intuitiv. Doch ich ließ es zu, dass meine eigenen Rationalisierungen und die gängigen gesellschaftlichen Ansichten meine Intuition immer wieder überdeckten. Und ich bin sicher, so geht es vielen von uns.

Während ich gemeinsam mit der Kursteilnehmerin, die Marnias Buch entdeckt hatte, noch einen Verlag suchte, um die deutsche Übersetzung zu veröffentlichen, nahmen die Dinge bei Marnia in den USA ebenfalls eine rasante Entwicklung und sie legte ihr Buch ganz neu auf, wenn auch mit den gleichen Kernaussagen. Als der Arbor-Verlag mit der Frage an mich herantrat, ob ich das neue Buch von Marnia gern übersetzen würde, war der Kreis endlich geschlossen. Es bedarf immer des richtigen Zeitpunktes und der richtigen Beteiligten, um eine Neugeburt zu begleiten. Dies ist so eine wunderbare Geburt.

Ich wünsche Ihnen, dass dieses Buch Ihr Leben so zum Positiven verändert, wie es meines verändert hat. Und dass es Ihre drängenden Fragen so beantwortet, wie es meine beantwortet hat. Möge es ein Schlüssel für Sie sein, der Ihnen die Tür zum Glück aufschließt. Mein tief empfundener Dank geht an Marnia und ihren Mann Will, an Lienhard Valentin vom Arbor-Verlag und alle Beteiligten der Gegenwart und der Vergangenheit, die uns diesen Schlüssel in den Schoß gelegt haben.

Sabine Bends

Köln, August 2009

Vorwort

Meine Eltern und Großeltern blieben bis zu ihrem Lebensende verheiratet. Ich dagegen schaffte es nicht, meine Beziehungen mehr als ein paar Jahre aufrechtzuerhalten, und ich stand damit nicht alleine da. Die Ehen von allen drei Freundinnen, auf deren Hochzeit ich Brautjungfer gewesen war, endeten auch mit Scheidung. Warum? Die Soziologin Kelly Musick sagt, es läge an der finanziellen Unabhängigkeit der Frau. „Was die Menschen zusammenhält, ist ihre Liebe und ihr Engagement füreinander, und die sind zerbrechlich.“1

Aber warum wurden Liebe und festes Engagement füreinander auf einmal so zerbrechlich? Wie konnte die Tatsache, dass ich meinen eigenen Lebensunterhalt verdiene, für Disharmonie sorgen? Es ergab für mich keinen Sinn. Ich war zu sehr Romantikerin, um die Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, dass sexuelle Verbindungen vielleicht schon immer zerbrechlich waren, und dass die zunehmende finanzielle Unabhängigkeit der Frauen es den Partnern schlicht ermöglichte, sich leichter zu trennen.

Statt dessen probierte ich all die üblichen Empfehlungen aus, um die fehlende Harmonie in intimen Beziehungen herzustellen: bessere Kommunikation, einen „idealeren“ Partner zu finden, mehr Leidenschaft, Liebe für mein inneres Kind, Verhandlungsgeschick usw. Doch all diese Rezepte halfen nicht, meine Beziehungen zu verbessern, wenn die Schwierigkeiten losgingen. Schließlich merkte ich, dass die Methoden sich zum Teil lediglich den Symptomen eines viel grundlegenderen Problems widmen. Das Problem liegt genau vor unserer Nase. Es war schon immer da, doch jetzt, wo wir unsere Ehen leichter auflösen können, ist es noch viel offenkundiger. Wenn wir das Problem einmal richtig anerkennen, wird die Lösung offensichtlich.

Die Schwierigkeiten fangen mit dem Sex an. Und zwar nicht mit langweiligem Sex im Vergleich zu aufregendem Sex oder zu wenig Sex im Vergleich zu zu viel, wie die meisten von uns schlussfolgern, sondern mit unserem Fortpflanzungsverhalten überhaupt. Denn schließlich funktionieren platonische Freundschaften zwischen Männern und Frauen ja ganz gut. Die Probleme fangen im Allgemeinen erst an, wenn wir ein Liebespaar werden. Und was fängt dann noch an? Für jeden? Die Suche danach, unsere sexuellen Bedürfnisse so weit wie eben möglich befriedigt zu bekommen.

Die Leidenschaft erscheint uns als unser bester Freund, häufig das einzig Gute an einer ansonsten dysfunktionalen Beziehung. Doch sexuelle Übersättigung – dieses „Ich bin fertig!“-Gefühl nach dem Sex – stellt sich im Laufe der Zeit als ein unbewusstes, überraschend überzeugungsstarkes Signal aus Säugetierzeiten heraus. Es bringt uns dazu, uns aneinander zu gewöhnen und die Nase voneinander voll zu bekommen. Weil wir uns dieses Signals nicht bewusst sind, schreiben wir die Reibung in unseren Beziehungen anderen Ursachen zu.

Je unzufriedener wir werden, umso weniger wahrscheinlich ist es, dass wir eine andere Art und Weise finden, unsere sexuelle Spannung zu lösen: durch entspannten, sanften Geschlechtsverkehr, der unsere sexuelle Frustration völlig auflöst.

„Wer ist hier der Boss?“

Es herrscht die allgemeine Überzeugung, dass wir nur das tun müssen, was unser Körper entsprechend seiner Entwicklung von uns verlangt, damit es uns gut geht und wir glücklich sind. Beispielsweise wären die meisten Menschen gesünder, wenn sie zu einer Ernährung wie in der Altsteinzeit aus ganzheitlicher Nahrung und Proteinen zurückkehren würden, ohne raffinierten Zucker und Stärke. Die gleiche Logik bedeutet: Wenn wir eben dazu geschaffen sind, sexuelle Sättigung zu verfolgen, wann immer sich die Gelegenheit dafür bietet, sollten wir dann nicht am glücklichsten sein, wenn wir unser Intimleben entsprechend einrichten?

Diese Logik setzt voraus, dass wir zu unserem eigenen Vorteil programmiert sind. Doch die Evolution hat uns nicht für unser individuelles Wohlergehen ausgestattet, sondern für den Erfolg unserer Gene. Und was dient Ihren Genen? Zwei Dinge. Zum Ersten: viele Befruchtungsversuche. Das erleben Sie als den Drang, sich sexuell zu erschöpfen, wann immer Sie die Möglichkeit dazu haben. Zum Zweiten: unterschiedliche Eltern für Ihren Nachwuchs. Sie erleben dies als Desillusionierung vom Mythos der sexuellen Exklusivität.

Und was dient Ihnen selbst am meisten? Ein stabiles emotionales Band mit einem Partner, Harmonie, viel Zuneigung, großzügige Berührung und ein verlässlicher Weg, um sexuelle Frustration zu erleichtern. Eine Handvoll von glücklichen Paaren finden ihren Weg zu diesem Gleichgewicht auf natürliche Art und Weise, doch die meisten von uns sind aufgrund unserer genetischen Programmierung keine monogamen Schwäne.

Wie schaffen es unsere Gene, uns dazu zu bringen, unser sexuelles Begehren aneinander zu erschöpfen, anstatt für Harmonie zu sorgen? Neue Vorstöße in der Gehirnforschung (insbesondere in der Neuroendokrinologie) zeigen, dass die Desillusionierung zwischen Liebenden möglicherweise weniger mit Kommunikation oder Kompatibilität zu tun hat als wir dachten, und mehr mit einer primitiven Nervenbahn, die durch unser Säugetiergehirn (das limbische Gehirn) läuft und die wir unter dem Begriff Belohnungskreislauf kennen. Diese Gruppierung von Strukturen stellt sicher, dass wir große neurochemische „Belohnungen“ erhalten, wenn wir einen neuen Partner suchen und uns mit heißem Sex befassen oder auch nur an das eine oder andere denken.

Der neurochemische Gewinn im Moment des Orgasmus fühlt sich an, als würde er die Bindung unterstützen. Doch diese Art von Bindung ist fragiler als wir gern zugeben. Beim Höhepunkt löst eine neurochemische Explosion für ungefähr zwei Wochen weitere Ereignisse aus. Diese Fluktuationen tief im Gehirn treiben uns zu sexueller Sättigung und subtilen Stimmungswechseln, die häufig für emotionale Spannung zwischen Liebenden sorgen (Amors Gift). Resultierende Unruhe lässt uns außerdem sehr anfällig für jedes Versprechen schneller Erleichterung werden – ein anderer potentieller Partner (real oder virtuell) ist eine der verlockendsten Varianten. Auf diese Art und Weise stellt sich der Orgasmus als etwas heraus, das wir mit der Zeugung von Kindern in Zusammenhang bringen, und damit, sie mit verschiedenen Partnern zu zeugen.

Kurz gesagt, unsere Ränke schmiedenden Gene haben den menschlichen Willen ihrem eigenen Ziel unterworfen. Wenn Sie jedoch einmal die Mittel verstehen, die unsere Gene dabei einsetzen, ihre unerwarteten Auswirkungen auf Sie selbst und Ihre Beziehungen und eine praktikable Alternative kennenlernen, um sexuelle Spannung aufzulösen und Zufriedenheit zu finden, dann werden Sie besser in der Lage sein, sich zu entscheiden, ob Sie unter ihrem Zauberbann bleiben möchten.

Wir Menschen sind insofern einzigartig unter den Säugetieren, als wir die Fähigkeit haben, unser unbewusstes Paarungsprogramm zu durchschauen und uns entscheiden zu können, es bewusst zu steuern. Dies ist ein Segen, weil es uns in harmonischen Beziehungen mit einem hohen Maß an Vertrauen besser geht als in einem sinnlosen Paarungstanz, der choreografiert wurde, um das Spermium zum Ei zu bekommen, uns lang genug miteinander zu verbinden, dass zwei Elternteile sich mit ihrem Nachwuchs verbinden, und uns dann zu einem neuen Partner treiben.

Die meisten von uns fühlen, dass der Gewinn aus dem Empfinden tiefer Fürsorge für einen anderen Menschen, dem wir vertrauen, sehr wertvoll ist. Als Säugetiere mit Paarbindung sind wir in der Tat dazu geschaffen, solche Verbindungen als sehr vorteilhaft zu empfinden. Vertraute Partnerschaft und liebevolle Berührung verändern nicht nur unseren Blick auf das Leben zum Positiven, sondern sie verbessern auch unsere physische Gesundheit und reduzieren Stress.

Sexuelle Intimität, die all dies kann, ist wirklich großartiger Sex. Und um dies dauerhaft zu erleben, ist alles, was wir tun müssen, verliebt zu bleiben. Wenn die Logik die Herrschaft hätte, wäre das auch so. Die Probleme entstehen, wenn unsere Gene die Herrschaft haben und die Nachwirkungen ihres Prämiensystems (ungezähmte Leidenschaft) Liebende trennt, weil sich ihre Begierde füreinander erschöpft. Wie mein Mann Will es ausdrückt: „Der Evolution ist es scheißegal, ob wir glücklich, treu und lebenslang zusammen sind.“ Aus diesem Grund erben wir eine ungute Spannung zwischen unserem „Noch-ein-Partner“-Programm und unserem Paarbindungsprogramm.

Um mit dieser Situation umgehen zu können, empfahlen unter anderen die chinesischen Taoisten, sich dem ruhigen Liebesspiel ohne ­Orgasmus zuzuwenden, es sei denn, eine Empfängnis ist erwünscht. Dieser ungewohnte Zugang löst nämlich nicht unsere unbewussten Paarungspro­gramme mit dem „Noch-ein-Partner“-Untertitel aus. Das Geschenk dieses Zugangs besteht nicht allein darin, dass er es den Liebenden erlaubt, häufig Geschlechtsverkehr zu haben, ohne dass sich sexuelle Frustration aufbaut. Sondern er macht sich auch den Vorteil eines weiteren eingebauten Säugetierprogrammes zunutze: das Bindungsprogramm. Es hat sich entwickelt, um uns an unsere Kinder und Eltern zu binden, kann aber auch unsere romantischen Beziehungen stärken und schützen. Es in Gang zu halten, ist mühelos, wenn wir eine Reihe von einfachen Auslösern beherrschen bzw. eigentlich uns nur wieder daran erinnern. Die Ergebnisse davon sind mehr Harmonie und Wohlbefinden und, bemerkenswerterweise, weniger sexuelle Frustration.