Loe raamatut: «Herz über ins Abenteuer»

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Herz über ins Abenteuer

was ein bayrischer Wirtschaftsjournalist

mit 33 Heilern in Indien erlebt

von Maximilian Medlitsch

Vorwort von Annette Müller

Nachwort von Prof. Dr. Prabhat Poddar


Erstausgabe 2020 Maximilian Medlitsch, »Herz über ins Abenteuer ›was ein bayrischer Wirtschaftsjournalist mit 33 Heilern in Indien erlebt‹« ® SAN ESPRIT VERLAG alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Manuela Herbert, Leon Seipel, Christian Schulz Umschlagfotos: Annette Müller, Werner Dück, Stock Foto Lektorat: Gotlind Blechschmidt, Barbara Decker Satz: BEHNISCHDESIGN, www.behnischdesign.de E-Book: 978-3-943099-29-4 Besuchen Sie uns im Internet www.san-esprit-verlag.de www.heiler-ohne-grenzen.de

Inhalt

Vorwort Einleitung Wie alles begann Samstag, 30. Dezember: Ein holpriger Start Montag, 1. Januar 2018: Die Welt auf dem Weg nach Pondicherry Dienstag, 2. Januar 2018: Niemals: Das lasse ich mir doch nicht entgehen! Mittwoch, 3. Januar 2018: Erste Eindrücke des Subkontinents Donnerstag, 4. Januar 2018: In Indien schreien die Eichhörnchen Freitag, 5. Januar 2018: Gewaltfreie Staatsgewalt? Samstag, 6. Januar: Es geht los! Sonntag, 7. Januar: Der vergessene Rollator Montag, 8. Januar: Serenity Beach, two figgs and math skills Dienstag, 9. Januar: Ein ereignisreicher Tag Mittwoch, 10. Januar: Ein Franzose will mehr Donnerstag, 11. Januar: Der letzte Tag Freitag, 12. Januar: Time to say goodbye Mittwoch, 17. Januar 2018: Abschließendes Interview mit Annette Müller Nachwort von Prof. Dr. Prabhat Poddar Interview mit Dr. med. Cordelia Schott

Vorwort

­­­­Ich lasse mich in den maroden Sitz fallen und atme richtig tief durch. Der Bus setzt sich in Bewegung, rund 40 übereinandergestapelte Reisende werden von den ersten Schlaglöchern durchgeschüttelt. Alle lachen! Dieser Moment im Bus ist für mich überwältigend. Die ersten sehr aufregenden Stunden des Camps liegen hinter mir und die enorme Anspannung fällt von mir ab. Endlich kann ich einmal an etwas anderes denken, als an den Ablauf des Camps oder an meine Mutter im Krankenhaus. Ich sehe mich um und blicke in strahlende Augen, höre fröhliches Lachen und das ein oder andere belustigte Kreischen, wenn es durch ein besonders tiefes Loch in der Straße geht, rundum freudestrahlende, gelöste und begeisterte Gesichter. In diesem Moment realisiere ich erst einmal so richtig: Wir sind 40 Leute in Südindien, in ›unserem‹ Bus, die gemeinsam zum Mittagessen chauffiert werden.

Zwick mich – ist das wirklich wahr? Ja, es ist kein verrückter Traum, sondern Realität. Ja! Aber ich kann es trotzdem kaum fassen. Während einer der englischsprachigen amazinGRACE Ausbildungen, die ich regelmäßig auf Mallorca durchführe, war eine Teilnehmerin aus Indien auf die Idee gekommen, ein paar Heiler von uns würden nach Indien reisen und dort kostenlose amazinGRACE Sitzungen geben. Toller Gedanke, hatte ich mir gedacht und einfach mal per E-Mail in unserem Netzwerk angefragt, wer von den Schülern und Absolventen der Heilerschule eventuell mitreisen wollte. Der Ansturm war geradezu überwältigend gewesen. Und am Ende konnten wir tatsächlich nicht alle mitnehmen, die gerne mit dabei gewesen wären.

Und nun sind wir hier, zusammen in diesem Bus. Der Journalist Maximilian Medlitsch und Autor dieses Buches, steht bestens gelaunt und scherzend in der Tür und muss aufpassen, dass er wegen der Schlaglöcher nicht mit dem Kopf an das Dach knallt. Das Camp hat bereits begonnen. Ich frage mich, was er wohl erfahren und schreiben wird. Die ersten Wunderheilungen sind bereits geschehen. Die Rührung und die Freude vonseiten der Heiler, Menschen auf diese Weise zu helfen und zu heilen, innerhalb eines solch unbeschreiblichen Abenteuers, eingebettet in eine förderliche Gemeinschaft, ist für mich überwältigend spürbar. Die Freude und das Staunen gehen mir sprichwörtlich unter die Haut. Ich fühle mich, als wäre ich inmitten Gottes eigener Familie.

Ein ganzer Bus voller bunt gemischter Heiler in Hochstimmung! Wir sind keine normalen Touristen, sondern Abenteurer, die im Außen helfen und dadurch sich selbst im Inneren unglaublich nahekommen. Jeder Einzelne hat an diesem ersten Vormittag schon eine Heilung bewirkt und dadurch den eigenen Wert unmittelbar erlebt und erfahren. Dankbarkeit ist spürbar. Eine Dankbarkeit, die berauscht, mit dabei zu sein bei dieser Reise – einer heiligen, heilenden Reise. Es sollte eine lebensverändernde Reise werden, in der der Gebende zum Empfangenden wird. Wir sollten wohl die größte Dankbarkeit und Achtung von den Menschen empfangen, die uns zur Heilung aufsuchten. Doch das wussten wir an diesem Mittag alles noch nicht. Abenteurer auf einem Road Trip in die Dankbarkeit.

Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich dieser »Schnapsidee« gefolgt bin, dass ich leichten Sinnes genug war, dieses Wagnis einzugehen und für all die ungeahnten Belohnungen die ich dafür erhalten habe. Mein Dank an alle Unterstützer, ganz besonders an jene, die wir heilen durften, wird mich für immer begleiten.

Die Geschichten in diesem Buch sind Tatsachenberichte. Es sind die Beobachtungen eines Journalisten, der selbst kein Heiler ist und deshalb eine neutrale Sicht auf die Dinge hat, nur das ein oder andere Mal durch die Brille der Begeisterung und seiner phänomenal guten Laune eingefärbt.

Es macht mir sehr viel Freude, mittels dieses Tagebuchs die ereignisreiche Zeit im Camp rückblickend nochmals zu erleben und zwar durch die Augen eines weitgehend objektiven Beobachters. Max´ Eindrücke berühren mich zutiefst, weil dadurch meine eigene Wahrnehmung bestätigt und fundierter wird.

Was bleibt zu sagen? Herzlichen Dank für diesen wundervollen Bericht. Dieser spiegelt unsere große Freude, Euphorie und Dankbarkeit wider.

Gemeinsam haben wir viel Licht in viel Dunkles gebracht und für so manch einen eine endlose Nacht in helllichten Tag verwandelt.

Annette, Neti Müller

Max gut gelaunt im Bus

Einleitung

Als ich das erste Mal mit Annette Müller in Kontakt kam, konnte ich mir im Traum nicht vorstellen wohin das alles führen würde. Meine Tätigkeit als Journalist umfasste zu diesem Zeitpunkt überwiegend die Ressorts Politik und Wirtschaft. Trotzdem schrieb ich einen Artikel über einen befreundeten Unternehmer, der eine gemeinnützige Initiative in Indien starten wollte. Anlass für ihn war seine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Er selbst hatte das Glück in einem Land aufzuwachsen, dessen medizinische Versorgung ihm einen operativen Eingriff ermöglichte und diese angeborene Fehlbildung behoben werden konnte. Dieses Glück haben Kinder in vielen Teilen der Welt nicht, darunter Indien, wie er mir im Rahmen des Interviews mitteilte. Für sie wollte er sich starkmachen. Ich muss vermutlich nicht darlegen, wie berührend diese Geschichte ist. Zumindest für mich persönlich, und sie ist definitiv emotionaler als der Bericht über die neuen gesetzlichen Regelungen zur gewerblichen Drohnennutzung den ich im Anschluss verfasste.

Weitreichende Folgen sollte der Artikel bewirken, als ihn Annette Müller las. Über den befreundeten Unternehmer suchte sie den Kontakt zu mir und ich war neugierig, worauf das hinauslaufen würde. Bereits wenige Wochen nach unserem ersten Treffen berichtete sie mir von ihrem ambitionierten Vorhaben, ein Healing Camp in Indien durchzuführen. Schon früher hatte mich die Internationalität von Annette Müllers Unternehmensgruppe beeindruckt. Herausragend ist ihr Werdegang.

Annette Müller wurde 2004 bei einem Unfall unheilbar verletzt. Durch das energetische Heilen fand sie zu neuer Lebenskraft und entwickelte ihre eigenen Heilmethoden. Auch gründete sie die erste stationäre Klinik für energetisches Heilen und die daran angeschlossene Heilerschule École San Esprit. Annette Müller gilt als Deutschlands erfolgreichste Botschafterin für das energetische Heilen und bemüht sich erfolgreich um ein Miteinander von moderner Schulmedizin und energetischem Heilen. Im September 2019 wurde sie für diesen Brückenbau mit dem Mind Change Award ausgezeichnet.

Ihre Heilmethoden unterrichtet sie auch in englischer Sprache auf Hawaii, in Kalifornien und auf Mallorca. Doch mit einer so großen Gruppe von Heilern nach Indien zu reisen, sollte definitiv ein neuer Höhepunkt sein, selbst für Annette Müller. Als sie mich dann auch noch fragte, ob ich mitkommen wolle, um die Reise dokumentarisch zu begleiten, musste ich nicht lange überlegen. Was für eine großartige Gelegenheit! So weit weg zu fliegen und dort ein Reisetagebuch über das Wirken von 33 Heilern schreiben. Das klang doch mal spannend, wenngleich ich mir in keiner Weise vorstellen konnte, was mich erwartete.

Ich selbst bin ja weder Geistheiler noch hatte ich je mit dem energetischen Heilen in meinem bisherigen Leben als Wirtschaftsjournalist irgendwelche Berührungspunkte gehabt und musste zunächst recherchieren, was darunter überhaupt zu verstehen war. Inzwischen bin ich absolut überzeugt, auf der Basis von Ergebnissen die ich beobachtet habe. Ich habe gesehen wie Menschen - zuvor gekrümmt und langsam laufende, über Neunzigjährige, plötzlich einen Stepptanz hinlegten und Treppen in Windeseile bestiegen. Dabei bin ich unglaublich froh, dass ein Kameramann all das Unglaubliche für einen Dokumentarfilm festgehalten hat. Niemals hätte ich ansatzweise gedacht, meine Sichtweise derart zu verändern. Ich glaube an wissenschaftliche Fakten. Doch was ist Wissenschaft eigentlich? Fragt man einen Experimentalphysiker, so wird dieser antworten: »Alles, was ich messen kann.«

Nun, ich kann die Heilerfolge sehen und ich kann sie auch messen. Genau das hat eine Studie vor Ort gemacht, die Ergebnisse gemessen und das bisweilen mit einem sehr guten Ergebnis. Ist der Zeitpunkt also nicht mehr weit, bis energetisches Heilen auch wissenschaftlich anerkannt ist? Und sind Annette Müller, das großartige San Esprit Team und die vielen Schüler und Absolventen demnach nicht eigentlich Pioniere im Auftrag der Wissenschaft? Das wird die Geschichte in den kommenden Jahrzehnten zeigen. Solch ein Paradigmenwechsel wäre nicht der erste in der Historie der Medizin. Ich für meinen Teil konnte mir meine fundierte Meinung an den Hunderten von Heilerfolgen bilden, die ich mit eigenen Augen sah, und ich bin bei weitem kein leichtgläubiger Mensch. So ganz verstehe ich noch nicht, wie es funktioniert, aber ich weiß, dass es funktioniert.

Doch auch jenseits dieser bewusstseinserweiternden Momente war das Healing Camp eine außerordentliche Erfahrung. Es ist eine Geschichte von 33 Helden, pardon, ich meine natürlich Heilerinnen und Heilern. Ihr selbstloser Einsatz und ihr Glaube an das Gute sind für mich wahrhaftig inspirierend, so wie dies für viele Hundert Menschen in Pondicherry lebensverändernd war. Hatte ich zunächst noch Bedenken, wie die Heiler wohl auf einen Journalisten reagieren würden, der sie auf Schritt und Tritt begleitete, nahmen sie mich ab dem ersten Tag in ihrer Mitte auf. Dafür danke ich euch! Wir haben gemeinsam Wundervolles erlebt, gelacht, geweint und an so manchem Abend zusammen getrunken und getanzt.

Wenn ich zurückblicke, denke ich an die vielen wundervollen Gespräche, den Spaß, den wir hatten und welche Ehre es mir war, euch zu begleiten! Ihr seid unglaublich und ich danke jedem Einzelnen für die inspirierende Zeit.

Wir Abenteurer am Flughafen

Wie alles begann

Seinen Anfang nimmt das ambitionierte Projekt im Mai 2016 während Annette Müller auf Mallorca amazinGRACE, ihre Methode des energetischen Heilens, in englischer Sprache unterrichtet.

Eine Inderin, extra aus Mumbai angereist, bringt den Stein ins Rollen. Von ihren Heilerfolgen inspiriert, entsteht in ihr der Wunsch, die Heilmethode zurück nach Indien, zu den Wurzeln, zu bringen und mit zwei oder drei Heilern dort Kranke zu heilen. Als sie diesen Vorschlag Annette Müller unterbreitet, ist diese hellauf begeistert. Die San Esprit Gründerin hat seit jeher ein besonderes Verhältnis zu Indien, studierte dort die vedischen Schriften und bezeichnet den Subkontinent als ihre spirituelle Heimat. Noch am selben Abend fragt sie innerhalb ihres Netzwerks von Schülern und Absolventen an wer Interesse an einer solchen Reise hätte. Die Resonanz ist überwältigend. Innerhalb kürzester Zeit erhält sie 53 Anfragen für die Indienreise. Aus organisatorischen Gründen muss jedoch die Anzahl der Interessenten reduziert werden, denn Annette Müller weiß, dass die indische Infrastruktur den Anforderungen der Logistik nicht gewachsen ist und die unzureichenden Strukturen das Projekt gefährden können.

Schon im Februar des darauffolgenden Jahres reiste die Gründerin von San Esprit nach Pondicherry um das Projekt vorzubereiten. Dort lernte sie Prof. Dr. Prabhat Poddar kennen. Der berühmte Architekt, der unter anderem den bekannten Oneness-Tempel in Varadaiahpalem geplant hat, bekundete seine Unterstützung. Ein wunderbarer Mentor für das Unterfangen! Vor Ort erkundete Annette Müller zunächst die Umgebung, besichtigte Hotels für die Heiler und Hallen für das Camp. Auch das Einholen erster Genehmigungen bei Ämtern und Ärzten stand auf dem eng getakteten Zeitplan der Initiatorin.

Im Mai 2017 zeigte sich, dass das Projekt unter einem guten Stern stand. Die renommierte Wirbelsäulenexpertin Dr. med. Cordelia Schott, die zu diesem Zeitpunkt die Ausbildung absolvierte, kündigte ihre Zusammenarbeit mit Annette Müller an. Gemeinsam sollte eine Schmerzstudie während des Healing Camps durchgeführt werden, um die Wirksamkeit der amazinGRACE Methode zu erforschen.

Inzwischen hatte auch Hollywood-Regisseur Emmanuel Itier, mit dem Annette Müller seit 2016 Filmprojekte durchführt, sein Interesse an einer dokumentarischen Filmbegleitung bekundet. Vor Ort ist Filmer Werner Dück im Einsatz, der von seiner Freundin Isabella Hayder begleitet wird. Sie und Annette Müllers Tochter, die Schauspielerin Gwenn Wunderlich alias Anya Gwenn Müller, unterstützten ihn.

Mit dabei sind Robin Johnson, die Managerin für Annette Müllers englischsprachige Einsätze und Melanie Endres supported die Administration. Im Herbst 2017 wird das Team noch um mich als Journalisten ergänzt, der die Erlebnisse in einem Reisetagebuch festhält.

Um einen reibungslosen Ablauf der Indienreise zu gewährleisten, reiste Annette Müller bereits am 20. Dezember 2017 nach Indien und traf abschließende Vorbereitungen. Hilfreich zur Seite stand ihr Annette Bokpe, die am 27. Dezember anreiste. Zur besseren Unterscheidung der beiden Annettes findet Annette Müllers spiritueller Name Neti Verwendung.

Der Rest der Delegation reiste in der darauffolgenden Woche an. Offizieller Beginn des Camps war der 6. Januar 2018.

Samstag, 30. Dezember: Ein holpriger Start

In wenigen Tagen ist es also so weit, die große Indienreise steht an, zusammen mit den ›Heilern ohne Grenzen‹. Noch empfinde ich alles als surreal. Indien, die Heiler, ein Healing Camp. Ich kann es kaum erwarten, doch noch sind es einige Tage bis zur Abreise. Annette Müller ist bereits dort. Heute um 20 Uhr, sind wir zum Telefon-interview verabredet. Ein Blick auf die Uhr verrät, dass der Zeitpunkt gekommen ist. Es klingelt pünktlich.

»Hallo Max! Grüß dich! Na, wie geht es dir, bist du schon aufgeregt?«, eröffnet sie mir enthusiastisch das Gespräch. Das schätze ich sehr an der San Esprit Gründerin. Sie hat stets ansteckend gute Laune.

»Hallo Neti, schön von dir zu hören. Mir geht es gut, ich bin schon sehr neugierig auf unsere Reise. Wie laufen die Vorbereitungen in Indien, hattest du eine gute Anreise?«, frage ich sie.

Neti hält kurz inne, dann antwortet sie: »Eine Katastrophe. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit um drei Uhr nachts in Chennai gelandet bin, sollte mich eigentlich ein Fahrer abholen und in das wenige Stunden entfernte Pondicherry bringen. Leider war der Fahrer nicht vor Ort, als ich ankam. Ich wartete, aber er kam einfach nicht. Am nächsten Tag habe ich dann erfahren, dass er dachte, ich würde erst um 15 Uhr ankommen und hat die Nacht stattdessen im Bett verbracht«, scherzt Neti gewohnt locker.

Das bewundere ich an ihr. Sie denkt positiv und ist optimistisch, bleibt in stressigen Situationen entspannt und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

»Wie ging es weiter?«, frage ich neugierig.

»Naja, irgendwie habe ich mir dann doch noch eine Fahrgelegenheit besorgt. Allerdings war es eine recht abenteuerliche Autofahrt. Sei gespannt auf Indien, Max!«, entgegnet sie mir und ich spüre, dass sie am anderen Ende der Leitung gerade schmunzelt.

»Wie meinst du das?«, hake ich etwas verunsichert nach. »Sagen wir so, ich habe mir selbst verboten, aus dem Fenster zu sehen«

»Bitte was!?«, frage ich verwirrt.

Dann beginnt die reise- und lebenserfahrene Annette Müller damit, mir die indische Infrastruktur zu schildern. Das Straßenbild ist von Hunderten von Menschen erfüllt, die sich chaotisch ihren Weg bahnen, und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit. Marode Straßen. Wellblechhütten. Absolutes Verkehrschaos ohne erkennbare Regeln.

»Und dann war da noch dieser Mann, der mitten auf der Autobahn an der Leitplanke stand. Plötzlich kam ihm ein verbeulter, alter Bus entgegen, der kurz langsamer wurde. Dann ist der Mann einfach in das fahrende, nennen wir es Vehikel, reingesprungen. Unfassbar!«, bringt sie die Situation auf den Punkt.

»Am Hotel angekommen«, fährt sie fort, »keine Reaktion seitens der Belegschaft. Also musste ich erst einmal vor der verschlossenen Türe warten. Nach weiterem Hin und Her konnte ich dann gegen sechs Uhr morgens ins Hotel, aber nicht in mein Zimmer. Das klappte dann erst gegen Mittag. Alles in allem … typisch Indien. Aber halb so wild, ich habe es mir am Pool gemütlich gemacht und dort eine Runde gedöst.«

Bunt, chaotisch, laut! So in etwa habe ich mir Indien immer vorgestellt. Die Vorstellung ist eine Sache, die Realität allerdings eine andere. Ich weiß noch genau, wie schockiert ich im Alter von etwa fünf Jahren war, als mein Vater mich zu meinem zweiten Auslandsurlaub mitnahm, abgesehen von Österreich. Wir waren auf Kreta und die Zustände dort haben mich zumindest einmal verwirrt.

Zugegeben, ich kannte zu diesem Zeitpunkt nur München, Tegernsee und Wien, da war Kreta schon etwas anderes. Trotzdem war es ein toller Urlaub. Aber genug des gedanklichen Abschweifens. Wie denn nun der erste Eindruck ist, möchte ich von Neti wissen.

»Indien ist unglaublich laut«, setzt sie ihren Bericht fort. »Ernsthaft, es ist einfach immer ohrenbetäubend laut. Warte …«, sagt die San Esprit Gründerin, während sie ihr Hotelzimmer verlässt.

Beim Betreten des Balkons vernehme ich sofort laute Hupgeräusche, krächzende Vögel und viele weitere Eindrücke, die ich nicht so recht einzuschätzen vermag.

»Wow, das ist wirklich sehr laut!«, bestätige ich.

»Und dabei bin ich noch in einer der ruhigeren Gegenden«, scherzt sie trocken.

Ob man sich daran gewöhnt? Damals hatte ich noch keine Vorstellung davon, dass die wahre Herausforderung nicht der Lärm, sondern der Geruch sein würde.

»Wie laufen denn die Vorbereitungen?«, möchte ich von ihr wissen.

»Gut, aber es ist sehr viel zu tun. Die Hotels der Delegation checken, Gespräche mit Ärzten vor Ort, Treffen mit den ortsansässigen Schreinern, um die benötigten Massagebänke zeitgerecht in Empfang zu nehmen, Besprechung mit Star-Architekt Prabhat Poddar, der uns vor Ort unterstützt, und das ist nur die Agenda für morgen. Aber ich bin mir sicher, dass hier alles gut organisiert sein wird, wenn ihr ankommt!«

Egal was sie macht, sie macht es hundertprozentig und mit vollem Engagement. Das konnte ich in dem Jahr, dass ich Neti nun kenne, beobachten.

»Ja und wie ist es sonst so, die Landschaft, die Architektur?«, frage ich sie neugierig.

»Es ist auf jeden Fall ein echter Kulturschock. Hier fühlst du dich wie auf einem anderen Planeten, auch wenn Pondicherry sehr gepflegt ist. Es ist eine ehemalige französische Kolonie. Für indische Verhältnisse ist es hier relativ modern und man trifft viele westliche Ausländer. Das wesentliche Problem in Indien ist die Infrastruktur, es gibt kaum sichere Wege und Straßen. Das ist teilweise sehr gefährlich. Zudem gilt es, den Linksverkehr zu beachten«, erklärt die auslandserfahrene Heilerin, nicht ohne auch noch über das herausragende Essen zu schwärmen: »Die Küche hier ist übrigens phantastisch. In deinem Hotel gibt es jeden Tag ein hervorragendes französisches Frühstück, mittags und abends wirst du mit Köstlichkeiten der indischen Küche verwöhnt. Das wird dir gefallen. Außerdem wird die ›Tea Time‹ in Indien geradezu zelebriert. Hier wachsen fantastische Sorten.«

Nach diesem Gespräch habe ich Feuer gefangen. Ich lasse die Bedenken hinter mir und möchte mich überraschen lassen. Zum Abschied bringt die Initiatorin der ›Heiler ohne Grenzen‹ noch einmal zum Ausdruck wie sehr sie sich auf das Projekt sowie meine Teilnahme freut. Mir geht es genauso. Ich kann es kaum mehr erwarten. In ein paar Tagen ist es endlich so weit.

Das Tor zur Stadt