Red Dirt Heart: Ungezähmte Erde

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Kapitel 5

Und dann ging etwas schief

Ein paar Wochen später, als sich der Herbst über die Farm legte, hatte ich gerade Texas' Sattelgurt festgezogen, als Charlie über den Hof auf mich zukam. Er hatte mit den Verantwortlichen des Austauschprogramms gesprochen – dem gleichen Programm, für das ich ausgewählt worden war – und die Einzelheiten der E-Mail besprochen, die er vor ein paar Wochen geschrieben hatte. »Was haben sie gesagt?«, fragte ich.

Charlie legte die Satteldecke auf Shelbys Rücken. »Sie meinten, dass der nächste Student erst nächstes Jahr kommt. Ungefähr zur selben Zeit wie du. Ich vermute, dass sie schon genug Farmen hatten oder ich die E-Mail zu lange nicht beantwortet habe oder so was.«

Ich beobachtete, wie er Shelby den abgewetzten Sattel auflegte und die Schnallen schloss. »Wirklich?«

»Wirklich. Sie haben sich bedankt und meinten, dass es nächstes Mal sicher klappen würde.« Er rieb Shelby über den Hals. »Vielleicht ist es gut so. In ein paar Monaten werden wir die Wintermusterung ohne anderweitige Hilfe überstehen und vielleicht haben wir stattdessen im Sommer einen verrückten Studenten für die Sommermusterung.«

Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Ich war ein wenig enttäuscht. »Na ja, ich hoffe, die Person mag die Hitze.«

Er richtete Shelbys Zaumzeug und rieb ihr über die Stirn, wofür sie ihn ein paarmal anstupste. Ich glaube, Charlie war auch enttäuscht. »Ja. Gott bewahre, dass wir noch einen Kerl aus Texas bekommen.«

Ich schnaubte. »Du solltest dich glücklich schätzen.«

»Einer reicht«, sagte er und lächelte mich endlich an. »Und glaub mir, dieses Mal werde ich den Bericht über die Vorgeschichte lesen.«

»Vorgeschichte?«, fragte ich. »So was wie den Studienverlauf oder so was?«

Er nickte. »Jap. Eine vollständige Überprüfung.«

»Hast du über mich eine bekommen, als ich mich beworben habe?«

Charlie lächelte. »Jap. Da stand männlich, groß, blond und kann hervorragend blasen.«

Am anderen Ende des Stalls erklang ein dumpfer Schlag. Es hörte sich an, als hätte sich jemand den Kopf an einem Metallstück gestoßen. »Gott, Charlie«, rief George. »Bleib jugendfrei, ja?«

Nun, Charlie wäre am liebsten auf der Stelle gestorben. Ich hingegen konnte nicht aufhören zu lachen. Und dann lachte ich noch weiter.

George kam über den Stallgang zu uns, lächelte und rieb sich den Kopf, während Charlie das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. »Entschuldige«, sagte er. »Ich hatte angenommen, wir wären allein.«

»Das dachte ich mir«, sagte George noch immer lächelnd.

Charlie, noch immer hochrot, sah mich an und zuckte zusammen. »Tut mir leid, dass ich das gesagt habe. Das war wirklich respektlos, entschuldige.«

Ich musste noch einmal lachen. »Lustig, respektlos und wahr.«

Charlie stöhnte und lehnte sein Gesicht an Shelbys Hals. »Hör auf.«

George lachte leise über uns, ehe er sich umdrehte und wieder an die Arbeit ging. »Ich wollte euch viel Spaß wünschen, Jungs, aber angesichts eurer Unterhaltung sage ich einfach: Kommt nicht zu spät nach Hause.«

Noch immer lachend setzte ich den Fuß in den Steigbügel und schwang mich in den Sattel. Charlie stieg mit vertrauter Leichtigkeit auf Shelby und grummelte den ganzen Weg über den Hof vor sich hin.

»Ich kann nicht glauben, dass ich das gesagt habe. Ich sag nie solchen Mist.«

»Vor niemandem außer mir«, korrigierte ich ihn.

Charlie seufzte und schüttelte den Kopf, aber nach ein paar Minuten im Sattel und in der Wüste lächelte er bald wieder.

Es gab nichts Schöneres, als zu sehen, wenn Charlie frei war, und er war nirgends freier als in der Wüste auf Shelbys Rücken. Es war unsere Zeit, um auf andere Gedanken zu kommen, wie Charlie es ausdrückte. Weites Land, saubere Luft, blauer Himmel; die Wüste im Herbst war wunderschön. Die meisten Landschaften gingen ein und bereiteten sich auf den Winter vor, die Wüste schien sich ihm mutig und mit erhobenem Kopf entgegenzustellen.

Wie Charlie Sutton.

Ich war in Gedanken über ihn verloren gewesen, als mich seine Worte aufschreckten. »Trav? Bist du noch da?«, fragte er lachend.

»Oh ja, entschuldige. Ich war ganz weit weg.«

Er schüttelte den Kopf über mich. »Schon in Ordnung. Shelby hört mir zu«, sagte er und verdrehte die Augen. »Wenigstens eine.«

Ich schnaubte. »Was hast du gesagt?«

Er rutschte auf seinem Sattel herum, als würde es ihn ärgern, sich wiederholen zu müssen, aber er tat es trotzdem. Er sprach hitzig über den Klimawandel und dass die Politiker keine Ahnung davon hatten. »Wie sollen sie es wissen, wenn sie in klimatisierten Büros sitzen? Die Ironie des Ganzen ist sicher ein Witz.«

Er schüttelte den Kopf. »Sie sollten hier raus kommen und sehen, wie es wirklich ist. Sie sollten etwas über die Tiere und Jahreszeiten lernen; das sollten sie tun.« Er ereiferte sich weiter und weiter und als wir zwei Stunden später zum sechsten Bohrloch kamen, hatten wir den Klimawandel diskutiert und über die Vor- und Nachteile der Ziegen- anstelle der Rinderzucht gesprochen – es war nicht schwer zu erraten, welchen Standpunkt Charlie in dieser Sache vertrat. »Ziegenzüchter«, schnaubte er verächtlich, als wären sie die Pointe eines Witzes – was zu einem Gespräch über das Anpflanzen von Olivenbäumen und Diversifikation führte.

Wir hatten die Pumpen von Charlies Laptop aus überwacht und festgestellt, dass Nummer sechs auf der südöstlichen Weide Probleme hatte, also waren wir gekommen, um sie uns anzusehen. Nicht, dass wir abgesehen von der Kneifzange, der kleinen Drahtrolle und Isolierband, die Charlie wie üblich in seiner Satteltasche verstaut hatte, irgendwelches Werkzeug mitgebracht hätten. Und er hatte sein Gewehr im Sattelholster, falls wir uns um irgendwelche Plagegeister kümmern mussten, denen wir vielleicht begegnen würden. Ich trug den Rucksack mit Wasser, Sandwiches und dem Satellitentelefon und hatte eine kleine Tube Gleitgel hineingeworfen. Nur für den Fall.

Charlie hatte einen Check durchgeführt, den Kolben geschmiert und anschließend schien die Pumpe etwas runder zu laufen. Wir saßen im Schatten des Schuppens, die Pferde hatten ihr Wasser und wir genossen unser Mittagessen. Charlie wühlte im Rucksack und fand das Gleitgel, das er hochhielt. »Optimistisch?«

Ich lachte. »Pfadfinder.«

Er prustete, aber wir benutzten das Gleitgel nicht. Charlie hatte stattdessen Mas selbst gebackene Kekse gefunden. Nachdem wir alles aufgegessen hatten, packten wir zusammen, schwangen uns wieder in den Sattel und ritten nach Hause.

Ich fing an zu glauben, dass mit dem Bohrloch von Anfang an alles in Ordnung gewesen war und es verdammt schneller gewesen wäre, den Pick-up zu nehmen, aber Charlie hatte mit mir ausreiten wollen. Das konnte ich ihm schlecht übel nehmen. Es war ein perfekter Tag.

Auf dem Weg nach Hause erzählte mir Charlie, was er, Greg und Allan für das nächste Treffen vorbereiteten. Ich war in eine Art Tagtraum versunken, bei dem ich Charlie zwar zuhörte, aber gleichzeitig die Sonne auf meinem Rücken genoss, als Shelby plötzlich scheute.

Sie blieb abrupt stehen, grub ihre Hufe in die Erde und taumelte dann nach hinten. All das passierte sehr schnell und unerwartet.

»Whoa, whoa, Mädchen«, sagte Charlie und versuchte, sie zu beruhigen, während er sich festhielt. Shelby stand beinahe senkrecht auf der Hinterhand und Charlie tat gut daran, sich nicht abwerfen zu lassen.

Es gab nur eine Sache, die das bei Shelby auslösen konnte. Ich sollte es wissen, denn sie hatte es bei mir auch schon getan. Texas war ebenfalls nervös und ich hielt die Zügel straff, um ihn ruhig zu halten, während er sich drehte und dann sah ich es.

Eine Schlange.

Sie hatte eine rotbräunliche Färbung, ähnlich wie die Erde unter ihr, hatte sich aber im Angriffsmodus aufgerichtet und war bereit zuzuschlagen. Charlie und Shelby waren beinahe direkt über ihr.

»Charlie, Schlange!«, rief ich.

Irgendwie gelang es ihm, Shelby nach hinten zu dirigieren, und als sie endlich wieder auf allen vieren stand, zog er sie herum und zwang sie, die Schlange zu umrunden, indem er ihr fest die Fersen in die Flanken drückte. Ich zerrte heftig an den Zügeln, stupste Texas mit den Stiefeln an und wir jagten hinter den beiden her, während Adrenalin durch meine Adern pumpte und mein Herz hämmerte.

In der einen Minute ritten wir friedlich und entspannt nebeneinander und in der nächsten Sekunde donnerten wir in vollem Galopp dahin, sodass mir das Blut in den Ohren dröhnte.

Charlie brachte Shelby ruckartig zum Stehen und stieg schnell ab. Als ich zu ihnen stieß, lagen seine Hände auf ihrem Hals und ihrer Brust, während er beruhigend auf sie einredete. Er drückte ihre Stirn an seine Brust und flüsterte: »Alles gut, Mädchen, alles gut.«

Ich stieg ebenfalls ab und führte Texas an den Zügeln zu Charlie. Shelby hatte den Kopf gesenkt und Charlies Hände lagen an ihrem Maul. Sie knabberte oft an seinen Händen, doch dann zog Charlie seine Hand zurück und betrachtete sie.

Sie war mit etwas verschmiert, das wie flüssiger Rost aussah, und Shelby lehnte sich nach vorn, als würde sie schwanken.

»Nein«, rief Charlie. »Nein, nein, nein, nein. Wag es bloß nicht.«

Er zog ihren Kopf nach oben. Sie blutete aus den Nüstern.

»Shelby, nein«, flüsterte er. »Nicht du, Mädchen.«

Offensichtlich wusste Charlie sofort, was los war. Ich brauchte eine Sekunde, um es ebenfalls zu begreifen. Die Schlange musste sie gebissen haben…

Oh gütiger Gott, nein.

»Trav, nimm ihr den Sattel ab«, befahl Charlie. »Sofort.«

 

Ich gehorchte. Ich fummelte an den Verschlüssen und sobald sie den Sattel los war und ich ihn auf den Boden warf, schien sie zu schwanken.

Shelby lehnte sich erneut nach vorn und Charlie versuchte, sie aufrecht zu halten. Ihre Augen wirkten falsch und an ihren Nüstern bildeten sich blutige Luftblasen. Sie stolperte und ihre Vorderbeine knickten ein und Charlie versuchte, versuchte, versuchte, sie auf den Beinen zu halten.

Sie brach zusammen, er hielt sie fest und ging neben ihr auf die Knie. Er hielt ihren Kopf, berührte weinend ihr Gesicht, ihren Hals, ihre Mähne. »Nein, nein, nicht du, Shelby. Bitte, nicht du.«

Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich und mir das Herz brach. Sie starb, in diesem Moment, in seinen Armen, und wir waren hilflos, konnten nichts dagegen tun. Ich ließ mich neben Charlie auf die Knie sinken, als er seine Stirn an Shelbys legte und schluchzte.

Als Shelby anfing zu zucken und sich zähflüssiger Schaum in ihren Mundwinkeln bildete, legte Charlie den Kopf in den Nacken und schrie voller Qual auf.

Ich legte eine Hand auf seinen Rücken. Ich wollte, dass er wusste, dass ich da war, dass er nicht allein war. Ich wollte nicht, dass er allein leiden musste.

Ich wollte auch nicht, dass Shelby litt.

Mein Blick glitt zum Sattel, der auf dem Boden lag, und ich stand auf, nahm das Gewehr aus dem Holster und ging langsam zu Charlie zurück. Erneut kniete ich mich neben ihn und legte das Gewehr neben mir auf den Boden. »Charlie«, flüsterte ich. »Sie sollte nicht leiden.«

Er sah erst das Gewehr und dann mich an. Auf seinem Gesicht zeigten sich rote, schmutzige Tränenspuren und Verzweiflung. »Ich mache es.«

Ich schüttelte den Kopf. Niemand sollte jemals sein eigenes Pferd erschießen müssen. »Nein. Nein, ich mache es.«

Charlie setzte sich auf die Fersen und sah hinauf in den Himmel. Ich glaube, er versuchte, sich zusammenzureißen und seine Gedanken zu ordnen. Schließlich nickte er und nahm Shelby das Zaumzeug ab. Er beugte sich hinunter und küsste ihren Kopf. »Ich werde dich niemals vergessen«, sagte er unter Tränen.

Charlie stand auf und mit Shelbys Zaumzeug in der Hand nahm er Texas' Zügel und führte ihn weg.

Ich kniete neben ihrem Kopf. Mehr Blut sprudelte aus ihrer Nase und Schaum quoll aus ihrem Maul. Ihr Atem ging schwer und rasselnd, als hätte sie Wasser in den Lungen, und ihre Beine zuckten. Ich strich ihr die Mähne aus der Stirn und streichelte ihr Ohr, wie Charlie es tausendmal getan hatte. »Niemand hat ein Pferd je so geliebt wie er dich, Mädchen. Ruh dich aus, Shelby«, sagte ich. Mit dem Gewehr in der Hand stand ich auf.

Ich löste die Sicherung und lud durch. Das Geräusch wirkte so verdammt laut in der Stille der Wüste. Es war, als wäre die Welt verstummt, ein Hauch von Frieden für ein sterbendes Pferd.

Ich legte die Gewehrmündung an Shelbys Schläfe und flüsterte: »Bitte vergib mir.« Dann schloss ich die Augen und zog den Abzug durch.

Kapitel 6

Der schwerste Teil

Charlie war stehen geblieben. Er hatte mir den Rücken zugewandt, den Kopf gesenkt und hielt die Zügel meines Pferdes. Ich hatte seinen Sattel und das Gewehr getragen und als ich zu ihm kam, legte ich den Sattel über meinen Sattel auf Texas' Rücken, schob das Gewehr wieder ins Holster und zog Charlie an mich.

Ich hielt ihn, während er weinte, und ich weinte mit ihm. Shelby war für Charlie nicht nur ein Pferd. Sie war seine beste Freundin. Er hatte Stunden mit ihr in der Wüste verbracht und sich mit ihr über alles unterhalten, was ihm durch den Kopf ging. Bevor ich auf die Sutton Station gekommen war, war sie jahrelang das einzige Lebewesen gewesen, dem er seine Ängste gestanden hatte. Wenn er sich mit seinem Dad gestritten hatte, war er zu Shelby gegangen und sie hatte ihn weggebracht.

Und gerade hatte er zugesehen, wie sie starb.

Wir standen da, umgeben von flacher roter Erde und Salzbüschen, die sich bis zum Horizont erstreckten, während sich Charlie fest an mich klammerte, bis er keine Tränen mehr hatte.

Ich strich mit den Daumen über seine Wangen und küsste seine geschlossenen Lider. Ohne ein Wort zu sagen, nahm ich ihm die Zügel ab, ergriff seine Hand mit meiner anderen und dann liefen wir die sechzehn Kilometer nach Hause.

Wir mussten George nicht sagen, was passiert war. Er sah uns kommen, zwei Männer zu Fuß und nur ein Pferd. Er sah Shelbys Sattel über Texas' und den Ausdruck auf Charlies Gesicht. Mit einem traurigen Nicken nahm er mir Texas' Zügel ab und führte ihn in den Stall, während Charlie und ich zum Haus gingen.

Ma war auf der Veranda, sie hatte uns kommen sehen. Sie hielt uns die Tür auf und Charlie blieb einen Augenblick vor ihr stehen. Er hatte den Kopf gesenkt, sagte aber kein Wort. Sie legte seine Hand an seine Wange und dann ging er hinein. Ma lächelte mich unter Tränen an und ich folgte Charlie ins Badezimmer.

Er beugte sich über das Waschbecken und wusch sich mit kaltem Wasser das Gesicht. Als er den Wasserhahn zudrehte und es vermied, sich im Spiegel zu betrachten, hielt er sich mit gesenktem Kopf am Waschbeckenrand fest.

Ich rieb über seinen Rücken. »Charlie, sag mir, was ich tun soll.«

Er schüttelte den Kopf, richtete sich aber auf und drehte sich zu mir. Er wirkte am Boden zerschmettert. »Bin gerade nicht in der Stimmung zu reden«, sagte er. »Ich leg mich einfach hin, wenn das in Ordnung ist?«

Er ging an mir vorbei und verließ den Raum. Ich wollte ihm folgen, doch als er zu unserem Zimmer kam, schloss er die Tür hinter sich. Was sollte ich sagen? Er brauchte Raum und Zeit und ich musste reden. Ich hatte gerade sein Pferd erschossen, verdammt noch mal. Ich war derjenige, der ihr die Waffe an den Kopf gehalten und ihr Leiden beendet hatte, und ich litt ebenfalls.

Bevor ich mich bewegen konnte, bevor ich auch nur versuchen konnte, darüber nachzudenken, was ich tun konnte, und als ich gerade fürchtete, dass der alte Charlie zurück war, der alle ausschloss, öffnete sich die Schlafzimmertür. Charlie hatte wieder Tränen in den Augen und er trat zur Seite, um mich stumm hineinzubitten. »Bitte.«

Ich war kaum durch die Tür, als er die Arme um mich schlang. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht ausschließen.« Dann zog er sich zurück und legte seine Hand an meine Wange. »Geht's dir gut?«, fragte er und erneut stiegen ihm Tränen in die Augen. »Ich hab nicht einmal gefragt. Es tut mir leid. Ich hätte fragen müssen.«

Ich nickte. »Mir geht's gut. Aber ich musste es tun, Charlie. Sie hatte Schmerzen.«

Er nickte und atmete tief und zittrig ein. »Es tut mir leid, dass du es tun musstest. Aber ich bin dankbar dafür. Ich glaube nicht, dass ich…«

Ich wischte ihm eine Träne aus dem Gesicht. »Ich konnte es nicht dir überlassen.«

»Sie war…« Er versuchte, etwas zu sagen, brachte die Worte aber nicht heraus.

»Ich weiß«, sagte ich und zog ihn an mich. »Sie war für dich mehr als nur ein Pferd.«

Er nickte an meinem Hals und begann zu weinen. »Das war sie.«

»Ich weiß, Babe. Ich weiß.«

Als er sich schließlich von mir löste, setzte ich ihn auf die Bettkante und zog ihm die Stiefel aus. Dann öffnete ich seinen Gürtel und zog ihm das Shirt über den Kopf. Ich schlug die Decke zurück und klopfte auf das Bett und als er sich hingelegt hatte, schlüpfte ich ebenfalls aus meinen Stiefeln und kroch zu ihm. Er hielt sich an mir fest und ich schlang meine Arme so fest ich konnte um ihn.

Es hatte nichts Sexuelles an sich. Aber es war warm und vertraut, emotional und herzzerreißend und beruhigend. Aber Charlie weinte sich schließlich in den Schlaf.

Eine Weile später, als er tief und fest schlief, drückte ich ihm einen Kuss auf die Schläfe und stand auf. Es war Zeit zum Abendessen, aber ich war nicht wirklich hungrig. Als ich ins Esszimmer kam, wurde es still und alle Blicke richteten sich auf mich. »Charlie isst heute Abend nicht mit uns«, sagte ich. »Ich bringe ihm später was.«

Trudy nahm Gracie aus ihrem Kinderstuhl und setzte sie auf ihr Knie. »Trav, was ist passiert?«

»Ein Schlangenbiss«, sagte ich und bestätigte, was sie sich sicher schon gedacht hatten. »Wir sind einfach geritten, Charlie hat über das nächste Treffen der Beef Farmers gesprochen und Shelby ist gestiegen.«

George nickte. »Sie hatte schon immer fürchterliche Angst vor Schlangen.«

Ich erwiderte sein Nicken. »Ja, das hatte sie. Als sie mich abgeworfen hat, hatte sie sich auch vor einer Schlange erschreckt. Aber Charlie hat sich auf ihr gehalten. Die Schlange hatte sich da praktisch unter ihr zusammengerollt und schon den Kopf gehoben.«

»Braunnatter?«

»Glaube schon. Aber sehr lang.«

»Königsbraunschlange«, sagte Billy. »Mulgaschlange. Sie hätte es nicht lange geschafft.«

Dieses Mal schüttelte ich den Kopf. »Nein. Charlie hat sie nach hinten dirigiert und ist ein paar Hundert Meter weggeritten. Er ist abgestiegen und ihre Nase hat schon geblutet. Dann hat sich Schaum an ihrem Maul gebildet…«

Alle sahen auf ihre Teller hinunter.

»Er hat versucht, sie auf den Beinen zu halten«, sagte ich leise. »Es hat mir das Herz gebrochen, ihm dabei zuzusehen.«

»Oh Mann«, flüsterte Bacon mehr zu sich selbst als zu den anderen.

Trudy umarmte die kleine Gracie. »Geht's Charlie gut?«, fragte sie leise.

Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er wird ein oder zwei Tage brauchen. Er ist ziemlich aufgewühlt.«

»Wir können morgen mit dem Traktor rausfahren und ein Loch graben«, sagte George leise. »Sie anständig beerdigen.«

»Ich glaube, das würde ihm gefallen. Nur, damit ihr es wisst, wenn ihr rausfahrt: Ich konnte sie nicht leiden sehen. Charlie hatte sein Gewehr dabei, also hab ich…« Ich sah Gracie an. »Na ja, ich konnte nicht zusehen, wie sie leidet.«

George nickte mir zu. »Du hast das Richtige getan.«

Das wusste ich. Es fühlte sich nur nicht so an. »Ja.«

Später an diesem Abend, nachdem ich nach Charlie gesehen hatte, der immer noch schlief, kuschelte ich mit Nugget auf dem Sofa – obwohl er sich beschwerte, weil ich nicht Charlie war – und Ma saß auf ihrem Lieblingssessel. »Wie geht's dir, Liebling?«, fragte sie.

»Gut. Ich mache mir nur Sorgen um Charlie, das ist alles.«

»Er hat dieses Pferd geliebt«, sagte sie.

»Das hat er wirklich. Er hat Stunden mit ihr in der Wüste verbracht. Wusstest du, dass er die ganze Zeit mit ihr geredet hat? Die ganze Zeit, als sie da draußen waren, hat er mit ihr geredet. Wahrscheinlich hat sie oft dafür gesorgt, dass er zur Vernunft kommt«, sagte ich lächelnd. »Sie war seine beste Freundin, Ma. In den Jahren, als er niemanden zum Reden hatte, hat er mit ihr gesprochen.«

Und als ich dachte, dass ich sie vielleicht beleidigt hatte, als ich sagte, dass Charlie niemanden zum Reden hatte, nickte sie. »Nicht nur das, Trav. Sein Vater hat ihm dieses Pferd geschenkt.«

Oh Mann. Daran hatte ich nicht mal gedacht.

Sie lächelte traurig. »Es war das Beste, was er je für Charlie getan hat.«

Ich stimmte ihr absolut zu.

»Ma«, flüsterte ich und schüttelte den Kopf. »Du hättest ihn da draußen sehen müssen, als sie zusammengebrochen und gestorben ist… Na ja, ich hab ihn noch nie trauriger gesehen.« Ich blinzelte die Tränen weg und atmete tief ein, während ich eine Weile Nugget zusah, der sich unter den Sofakissen vergrub.

Ich konnte Ma nicht ansehen, denn wenn sie weinte, würde ich auch anfangen und um ehrlich zu sein, hatte ich für einen Tag genug Tränen gesehen.

»Er wird wieder«, sagte Ma. »Er braucht nur etwas Zeit.«

Ich nickte, sah sie aber immer noch nicht an. »Ich glaube, ich gehe duschen und dann ins Bett.«

»Natürlich.« Als ich an der Tür war, hielt sie mich noch einmal auf. »Travis?«

Ich riskierte einen Blick auf sie. Sie weinte nicht, aber ihre Augen glänzten feucht. »Er wird dich brauchen«, sagte sie.

Ich sah auf den Boden und nickte. »Er hat mich schon.«

»Und ich danke Gott dafür«, antwortete sie sanft. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie er diesen Tag überstehen würde, wenn er dich nicht hätte.«

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