Loe raamatut: «§4253», lehekülg 4

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Wieder lugt er auf die Uhr: 5:10 a.m., in zwei Minuten muss er bei der Arbeit sein, wenn er es seinem Captain recht machen möchte. Seine Augen fliegen über die verstopften Straßenblöcke, die er noch abfahren muss, vor sechs Uhr würde er nie auf dem Department sein. Genervt schlägt er seinen Kopf ein paar Mal gegen das Lenkrad und verharrt so einige Sekunden, bevor er erneut zum Handschuhfach greift, dann aber doch den Kopf schüttelt und die Aufmerksamkeit zurück auf die Straße richtet. Vor ihn schiebt sich gerade ein Auto in den zu groß gewordenen Sicherheitsabstand, schulterzuckend wischt er sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn, zupft die Maske über Mund und Nase wieder gerade, lässt den Blick in die Fahrerkabinen der anderen Autos schweifen und versucht entspannt zu bleiben. Neben ihm, in einem uralt aussehenden Fiat Punto, schaut ihm die Fahrerin geradewegs in die Augen. Für einen flüchtigen Moment treffen sich ihre Blicke, für diesen Bruchteil eines Augenblicks betrachtet er sie. Die kurzen blonden Haare, die sie in einem dünnen Zopf aus dem Gesicht geflochten hat, die eine Strähne, die ihr immer wieder ins Gesicht rutscht und die sie dann, mit einer hastigen Handbewegung, wieder hinter ihr Ohr sperrt, und die frisch aussehende Prellung über ihrer Schläfe, die selbst das Make-up nicht verbergen will. Auch ihre Fenster sind geschlossen, trotzdem kann Philippe den älteren Song hören, der laut aus dem Innenraum schallt: „Brighter than the Sun“ singt sie dabei lautstark mit und als ihr und Philippes Blick sich treffen, grinst sie beschämt und sieht zu Boden. Lachend fliegen ihre Augen zurück auf den Mann im Jeep und mit ausgestrecktem Zeigefinger deutet sie auf das dritte Auto, das sich vor Philippes Wagen schiebt. Philippe, der ihrem Finger mit den Augen gefolgt ist, zuckt erneut mit den Schultern und lacht ihr entgegen. Sie lächelt mitleidig zurück und schießt sich mit einer Fingerpistole eine unsichtbare Kugel in den Kopf. Mit heraushängender Zunge simuliert sie dabei den Tod durch ihren Finger. Ein lautes Lachen schallt durch den Jeep, die Maske über Mund und Nase verrutscht dabei, so dass auch die Frau im Fiat Philippes Lachen sehen kann. Kopfschüttelnd wirft sie ihm noch ein Augenzwinkern zu, bevor sie die freie Lücke vor dem Jeep mit ihrem Fiat füllt.

Um 5:56 a.m. stellt er den Jeep endlich in der dunklen Tiefgarage ab. Erschöpft zieht er sich die Maske vom Gesicht und hustet einige Male den Feinstaub aus, den der Filter nicht auffangen konnte. Schnell beugt er sich zum Beifahrersitz und kurbelt das Fenster nach oben. Nachdem er auch das Fahrerfenster geschlossen und sich vergewissert hat, dass er auch wirklich den Autoschlüssel aus dem Wagen in seine Tasche gesteckt hat, wirft er die Autotür zu. Während er auf seinem Handy die vielen E-Mails beantwortet, für die er am Morgen keine Zeit gefunden hat, läuft er durch das Grau der muffigen, nach Abgasen riechenden, aber immerhin kühlen Tiefgarage. Bevor er die Tiefgaragentür mit dem Fuß aufschiebt, wirft er noch einmal einen flüchtigen Blick auf die für diese Uhrzeit erstaunlich volle Tiefgarage und schlüpft dann, die dunklen Augen wieder auf sein Handy gerichtet, durch sie hindurch. Die steile Treppe durch das enge Treppenhaus spurtet er nach oben, um den schmalen, fensterlosen, engen Wänden möglichst schnell zu entkommen. Am Treppenabsatz angekommen, fliegt er hastig durch die Tür zu den Büros hindurch und kann gerade noch bremsen, bevor er seinem Chef in vollem Lauf in die Arme stürzt. „Lafin! Dass ich Sie heute nochmal hier antreffen darf“, grob packt ihn der Captain an den Schultern und schiebt ihn zurück auf den Abstand, den man zu seinem Chef einzuhalten hat, „haben Sie mal auf die Uhr geschaut?“ Ein Ziffernblatt wird ihm ins Gesicht gehalten. Philippe blinzelt, um seine Augen auf die ungewohnte Nähe, in der das Ziffernblatt schwebt, einzustellen. Es gelingt ihm nicht. „Oh! Und Lafin, kommen Sie mir jetzt nicht mit losen Ausreden wie dem Verkehr, das will ich mir jetzt gar nicht anhören, das Einzige, was ich nämlich sehe, ist Ihre Unfähigkeit es mir recht zu machen.“ Philippe schnappt einige Mal verlegen nach Luft, bevor er sich entschließt seinem Chef nur mit einem knappen Nicken Verständnis vorzugaukeln. „Sehr gut Lafin, immerhin wissen Sie, wann es sich zu schweigen lohnt! Hier sind Ihre Aufgabenbereiche.“ Zwei dicke Ordner fallen in Philippes Arme. „Sir, ich bitte um Entschuldigung für meine Unwissenheit, aber was ist denn überhaupt passiert?“ Der Captain hält mitten in seiner wilden Gestikulation inne, streicht sich über den vollen grauen Schnäuzer, räuspert sich, schiebt sich näher an Philippe heran und spricht etwas leiser, weniger gestikulierend, weiter. „Haben Sie den § 4253 noch im Kopf.“ Philippe wirkt verwirrt. „Sie meinen den unausführbaren Umweltparagrafen?“ Der Captain scheint erleichtert, nicht auf vollkommene Ahnungslosigkeit zu treffen. „Ja genau den. Leider hat sich herausgestellt, dass der gar nicht mal so undurchführbar ist, wie man sagt.“ Der volle Schnäuzer rückt noch ein wenig näher an sein Ohr und Philippe kann das Rasierwasser riechen, das sein Chef schon seit er ihn kennt benutzt. „Sie haben diesen Paragrafen nun verabschiedet. Zunächst wird nur der erste Absatz bekannt gemacht, aber glauben Sie mir Lafin, da kommt noch sehr viel mehr, da kommen Dinge, die wir nicht unter Kontrolle haben werden. In einer Kleinstadt in Deutschland hat es gestern Abend deswegen eine Massenschlägerei in der Spätschicht eines Autokonzerns gegeben. Lafin, es gab achtzehn Verletzte und sechs Tote, wovon vier verbrannt sind. Ich meine es ernst, ich brauche Sie hier. Was der erste Artikel ist und welche folgen werden, steht alles in den Unterlagen, aber bitte,“ sein Chef sieht sich verstohlen um, bevor er weiterspricht, „bitte behalten Sie die anderen Artikel erstmal für sich, diese Informationen sind nicht für alle Ohren hier bestimmt. Wenn die Öffentlichkeit zu früh davon erfährt, bricht eine Massenhysterie los, die keiner von uns aufzuhalten vermag.“ Mit diesen Worten wendet sich der Captain von Philippe ab und hastet in die Richtung, aus der er gekommen ist. Bevor er hinter seiner Bürotür verschwindet, ruft er dem immer noch verloren im Flur stehenden Philippe noch zu: „Ah und Lafin, vergessen Sie Ihre Waffe nicht, die werden Sie heute sicher brauchen!“ Dann zieht er die Milchglastür hinter sich ins Schloss und lässt Philippe mit den vielen Informationen zurück, die sich hinter den Deckeln der schweren Ordner verbergen.

Als Philippe die Ordner auf seinen schmalen Schreibtisch fallen lässt, kommt es ihm vor, als würde mit dem dumpfen Schlag, den die schwarzen Deckel beim Aufprall auf die glatte Oberfläche erzeugen, auch in seinem Kopf ein dumpfer Schlag gegen seine Schläfen drücken und so unheilvolle Informationen ankündigen, die besser hinter den dicken Pappdeckeln versteckt geblieben wären. Beim Herabbeugen, um die Papiere aufzuheben, die durch den Aufprall vom Tisch geweht worden sind und zu deren Abarbeitung er vor dem eigentlich geplanten freien Tag nicht mehr gekommen ist, tritt einer seiner Kollegen in das winzige Büro. Geübt schiebt er sich an den Aktenschränken vorbei, auf denen immer noch unsortierte Papiere und Beweisfotos darauf warten zu ihren passenden Akten sortiert zu werden, und bringt hie und da einen zu hoch gewordenen Turm zum Schwanken. Mit einem schelmischen Lächeln sieht er auf Philippe herab, der nun gerade auf allen Vieren krabbelnd dabei ist unter seinem Schreibtisch zu verschwinden, um auch noch das letzte Blatt an seine Stelle zurückzulegen. „Na, suchst du auf dem Boden nach deinem geraubten Urlaubstag?“ Erschrocken springt Philippe auf, funkelt seinen Kollegen wütend entgegen und schlägt das wiedergefundene Blatt mit solcher Wucht zurück auf den Schreibtisch, dass die zuvor zusammengeklauten Papiere wieder vom Tisch segeln, gerade so, als wollten sie vor der Brutalität fliehen, die sich so rasant über das winzige Büro ausgebreitet hat. Sein Kollege, der nicht mit dieser Reaktion gerechnet hat, zuckt erschrocken zusammen, schlägt die Fersen aneinander und verschränkt demütig die Arme hinter dem Rücken. Für einen Moment ist es ruhig, die beiden Männer schweigen, ohne einander in die Augen zu sehen. Dann nach schier endlosen unangenehmen Sekunden, die mit der Langsamkeit vergehen, die Philippe sich am Morgen gewünscht hätte, räuspert er sich, um seiner Stimme die Härte zu nehmen, und erhebt das Wort. „Dorian, ich habe heute echt eine ganze Menge Arbeit vor mir.“ Dabei stellt er die Fingerspitzen auf einen der Ordnerdeckel, so, als vermeide er einen zu engen Kontakt zu den Geheimnissen, die sich darunter verbergen. „Die beiden Ordner muss ich unbedingt und schnellstmöglich durcharbeiten, bevor ich heute irgendetwas anderes machen kann. Sie kommen vom Captain.“ Der rothaarige Mann, der eingeschüchtert im Raum steht, redet leise und sehr viel distanzierter und respektvoller als zuvor. „Wenn er dich extra reinholt, um Akten zu bearbeiten, scheint es ihm aber wirklich wichtig zu sein. Ich verstehe das auch, Philippe, aber du bist immer noch für uns zuständig und wir würden alle gerne wissen, was da draußen los ist und warum wir heute in aller Herrgottsfrühe im Department sein sollten.“ Auf den fragenden Ausdruck, den Philippe anscheinend als ungewollte Antwort entgegnet, hält ihm der Mann sein Funkgerät hin und dreht es am Regler lauter, damit Philippe den Sturm in voller Stärke hören kann, der sich in seinem Büro sofort ausbreitet und wütend, ohne eines der Blätter aufzuwirbeln, verbreitet.

Die Unglücksnachrichten reihen sich dicht an dicht aneinander, die Zentrale kommt kaum hinterher die vielen Streifenwagen an die Einsatzorte zu schicken und viele der Funkrufe, die von den Kollegen auf Streife zu hören sind, die Verstärkung bei Raubüberfällen, Bränden und Plünderungen brauchen, gehen in den vielen neuen Meldungen und Einsatzorten zumeist einfach unter. Philippes Augen sind zusammen mit denen seines Kollegen auf das Funkgerät gerichtet, wieder schweigen beide Männer, diesmal aus Entsetzen, und starren, von Meldung zu Meldung, von Funkspruch zu Funkspruch, besorgter auf das Funkgerät. Erst als Philippe es nicht mehr ertragen kann, schnappt er sich das Gerät, dreht es mit bebenden Fingern aus und beugt sich, ohne dabei ein Wort an Dorian zu richten, zu dem kleinen grauen Safe herunter. Flink tippt er den Code ein, lässt eine Hand in den Innenraum gleiten und greift respektvoll zu dem Gegenstand, der sich hinter den dicken Wänden versteckt hält. Das schwere Metall der Pistole ist kalt. Geübt lädt er eine Patrone nach der anderen in das leere Magazin und befestigt Holster und Waffe an seinem Gürtel, vergewissert sich noch einmal nach dem richtigen Halt und lässt dann erst die Schnalle über den kühlen Griff schnalzen. Anschließend sieht er zum ersten Mal an diesem Morgen in die hellbauen Augen seines Freundes. „Dorian, wir müssen einen Sturm aufhalten, die Bevölkerung hat den ersten Absatz erfahren und wer weiß, was uns da draußen heute erwartet. Die Ordner müssen warten.“ Nachdem Philippe das ausgesprochen hat, klopft er auf den Deckel der dicken Ordner, ganz so, als würde er den Geheimnissen dahinter den Kampf ansagen, bevor er mit dem noch immer verwunderten Dorian das staubige Büro verlässt.

8. Rügen, Deutschland

Ein stechender Schmerz. Er blinzelt. Einmal. Zweimal. Eine leichte Drehung zur Seite. Wieder ein stechender Schmerz. Was war passiert? Da sind keine Geräusche, eine schreiende Stille oder ist da doch etwas? Da ist doch ein Klopfen? Oder ist es nur sein eigenes Herz, das er hört? Nein, da ist es wieder, viel zu unregelmäßig für einen Herzschlag. Vorsichtig versucht Paul seine Augen zu öffnen, doch irgend­etwas hält ihn davon ab. Oder hat er die Augen offen und ist es nur dunkel, so dunkel, dass er es nicht unterscheiden kann? Wo ist er überhaupt? Liegt er oder steht er? Wieso kann er da keinen Unterschied machen? Wieder ein Klopfen, nun unterstützt durch ein Beben. Bebt er? Oder ist es der Boden? Dann plötzlich und vollkommen unerwartet löst sich etwas von ihm, etwas sehr Schweres scheint sich von seinem Körper zu entfernen, es scheint fast so, als würde jemand einfach ein Teil von Paul wegnehmen und es mit sich nehmen. Es folgt eine Erleichterung, er fühlt sich leicht und endlich so, als würde er wieder Luft bekommen. Gierig saugt Paul die Luft um ihn in seine Lungen, doch anstelle des erhofften Sauerstoffs atmet er nur den heißen Rauch ein, der sich um ihn herum auszubreiten scheint. Dem Schmerz durch die Hitze, dem panischen Versuch den heißen Rauch wieder auszuhusten und dem darauffolgenden verzweifelten Ringen nach frischer Luft folgt die Erinnerung, die sich wie eine Explosion in seinem Kopf Platz zu machen versucht. Die Firma, ein Feuer, der § 4253, das Produktionsende, der Schlag auf seinen Hinterkopf und die darauffolgende Dunkelheit. Die Erkenntnis über seinen Aufenthaltsort lässt Paul panisch werden, verzweifelt versucht er Helligkeit zu erlangen, doch mehr als das rote Licht der Flammen dringt nicht durch Pauls geschlossene Lider. Wieso bekommt er seine Augen nicht auf? Hustend und nach Luft ringend rollt er auf dem heißen Boden hin und her und versucht panisch seine Beine auf den Boden zu stellen und sich zu erheben, doch sein Kopf will es nicht zulassen. Alles dreht sich, er kann einfach nicht herausfinden, wo oben und wo unten ist. Wenn er nur endlich Luft bekommen würde. Da, wieder dieses Klopfen, aber das ist kein Klopfen, da ist Paul sich mit jedem Mal sicher, es ist eine Stimme, eine tiefe schreiende Stimme. Sie muss zu einem Mann gehören. Da war doch jemand. Wieder ein Rufen, jemand ruft seinen Namen. Dann hebt er vom Boden ab, für einen Moment scheint es, als würde er fliegen, doch dann spürt er die zwei Hände unter seinen Axeln, die an ihm zerren. „Paul, Paul, Paul, Paul, bitte, bitte, komm doch zu dir, ich bekomme dich nicht hoch, Paul, bitte.“ Er kennt diese Stimme, langsam wie in Zeitlupe versucht er die Lippen voneinander zu lösen und etwas zu sagen. „Peeelix?“ ist das Einzige, was er herausbekommt, bevor er wieder hustend zu Boden fällt. „Ja Paul, ich bin es. Oh bitte, bitte, wir müssen hier weg, die Stahlträger können das Gebäude nicht länger aufrecht halten, noch ein paar Sekunden und wir sind zerquetscht, bevor wir verbrannt sind.“ Zerquetscht. Verbrannt. Hier weg. Die Worte schallen in Pauls Gehörgang. „Ugen, Ugen, nicht psehen.“ „Ugen? Oh Paul, ich versteh dich nicht.“ Unter all seiner Kraftanstrengung versucht Paul, seine Hände vor sein Gesicht zu halten, der Bewegung folgen jedoch nur weitere Schmerzen, die ihn zusammenzucken lassen. Felix, der die Andeutung, jetzt endlich verstanden hat, reagiert nur mit noch mehr Panik in seiner Stimme. „Ah, deine Augen, du kannst nichts sehen! Bitte Paul, das ist jetzt erst mal egal, ich führe dich, aber bitte erhebe dich doch.“ Wieder ein Zerren unter seinen Axeln. Noch einmal versucht Paul seine Kraft zu bündeln. Warum ist nur alles so anstrengend? Unter entsetzlichen Schmerzen hilft er seinem Freund ihn vom Boden zu stemmen. Es kostet ihn all seine Kraft den Boden zu verlassen, doch diesmal gelingt es den beiden Männern. Leicht auf seinen Freund gestützt, setzt Paul einen Schritt vor den anderen und sie setzen sich endlich in Bewegung.

Es ist das Einzige, auf das er sich konzentrieren kann. Immer wieder wird das rot-gelbe Licht hinter Pauls Lidern intensiver, hier und da ist die Hitze, die an Haut und Haaren leckt, kaum aushaltbar, aber egal was, Paul setzt immer wieder einen Schritt vor den anderen. Manchmal krallen sich Felix’ Finger fester in seinen Arm und hier und da wimmert Felix neben ihm unverständliche Wortfetzen. Irgendwann scheint es Paul, als würden die Schritte leichter, als würde die Hitze um ihn herum einer angenehmen Wärme weichen, und der Wärme folgt, wieder ein wenig später, eine Kühle. Ja, es wird fast schon kalt um ihn, auch das rote Licht hinter seinen Lidern weicht schlagartig der Dunkelheit. Felix Fingernägel lösen sich aus seinem Arm und Pauls Stütze klappt abrupt darauffolgend nach unten. Durch den plötzlichen Stützverlust bricht auch Paul zusammen, seine Knie schlagen auf dem Boden auf, sein Oberkörper kippt nach vorne und zum zweiten Mal an diesem Tag verliert er das Bewusstsein.

Es ist schwer gewesen. Felix kann im Nachhinein auch gar nicht sagen, wie die Situation in der Werkshalle so plötzlich außer Kontrolle geraten konnte. In einem Moment hatte Paul mit seiner Rede alles im Griff und im anderen Moment brannte ein großer Teil der Werkshalle lichterloh in Flammen. Das Einzige, was er noch weiß, ist, dass, nachdem die Arbeiter die Treppe gestürmt haben und in die oberen Stockwerke eingedrungen sind, nichts mehr so ist, wie er es kennt. Er ist auch mehr als nur entsetzt über das Bauverbot und den damit zusammenhängenden Produktionsstopp, er ist auch sauer und hätte am liebsten die ganze Welt dafür verantwortlich gemacht, er hätte genauso gerne irgendetwas Greifbares kleingehackt, aber dass es so weit kommen würde, nein, damit hat niemand rechnen können. Die Meute, die die Treppe stürmt, sind alles Menschen, mit denen Felix jahrelang zusammengearbeitet hat, und von einem Moment auf den anderen verwüsten sie die Einrichtung, prügeln, stehlen und zündeln. Ist es das, was Unwissenheit und Ungerechtigkeit mit Menschen macht? Felix weiß es nicht. Nachdem er aber nach dem groben Sturz auf die Treppe zu sich kommt, sieht er genau das überall um sich herum.

Er reibt sich seinen schmerzenden Ellbogen, Kopf und Rücken, streckt die Gelenke und versucht die Verspannung aus seinem Nacken zu lösen, die sich durch das Nach-hinten-Fallen und den harten Aufprall festgesetzt haben. Dann steht er auf und beäugt die komplett leere Werkshalle. Keiner ist da. Das hat Felix noch nie gesehen, normalerweise laufen die Maschinen und Roboter Tag und Nacht und selbst während des Schichtwechsels alle neun Stunden bleiben die Maschinen nicht stehen. Doch jetzt läuft keine einzige Maschine und kein Einziger seiner Kollegen bevölkert die Halle. Hinter ihm zerspringt eine Glasscheibe, dem Klirren folgen ein freudiges Lachen und der dumpfe Schlag eines größeren Gegenstands. Als hätte dieses Geräusch seine Sinne geschärft, hört er jetzt auch die Rufe der anderen, die aus den oberen Büroräumen kommen. Hastig und mit großen Sprüngen eilt er mit seinen langen Beinen die Stufen nach oben und betritt das Stockwerk, in dem auch Paul zuvor verschwunden ist. Vor seinen Augen tobt das reinste Chaos, angsterfüllt über die Situation bleibt er in dem Gang stehen und erstarrt durch den Schock des Anblicks. Das große Kopiergerät liegt neben der Kaffeemaschine in einem Scherbenhaufen, der wohl von der Glasscheibe des Aufenthaltsraums kommt. Zwei Männer, die normalerweise zwei Stationen vor Felix arbeiten, treten auf den Kopierer ein, der als solcher kaum noch zu erkennen ist. Unter seinen Schuhen knirscht das Glas, das überall im Flur liegt. „Mending! Komm her und hilf uns die Faxgeräte zu holen“, ruft ihm einer der Männer zu. Felix, der sich erschrocken aus seiner Erstarrung löst, starrt angeekelt in Richtung der Männer, dreht sich auf dem Absatz um und rennt wortlos die zweite Treppe zu den Büros nach oben. Hier ist es fast noch schlimmer als im Gang zuvor, offenbar hat die Meute am Flur zuvor ihren Spaß verloren und begonnen die oberen Büroräume zu zerfetzen. Einige der Frauen, die sonst in der Lackiererei arbeiten, tragen den schweren, klobigen Schreibtisch aus Pauls Büro und versuchen ihn, unter tosendem Beifall, die Treppe hinunterzuschieben, die Felix gerade nach oben gekommen ist. Schnell weicht er dem schweren hölzernen Schreibtisch aus, der mit einem gewaltigen Poltern die Treppe heruntersegelt. In Felix beginnt Hass zu brodeln. Es ist purer Hass, der sich in Felix’ Körper ausbreitet. Sollten die sich doch an ihren eigenen Sachen vergreifen. Wütend packt er eine der Frauen, um sie zur Rede zu stellen, doch noch bevor er seinem Ärger Luft machen kann, segelt eine Faust gegen seine Schläfe. Er taumelt. Der Schmerz, den sein Körper vorausschickt, tritt schneller ein als die Erkenntnis, was gerade geschehen ist. Die Frauen und Männer um ihn herum schreien und jubeln, als er zu Boden geht. „Das hast du jetzt davon, Felix, wenn du immer mit den Obrigkeiten in die Pause gehst.“ Ein heftiger Tritt fährt in Felix’ Magengrube und lässt ihn sich auf dem Boden krümmen. „Na Felix, wie gefällt dir das? Jetzt ist nicht mehr der große, starke Paul Barens da, der dich beschützen wird, was?“ Ein zweiter Tritt folgt und dem ein dritter und vierter. Felix’ Kopf dröhnt und irgendetwas in ihm schaltet auf Automatik. Er schließt die Augen und lässt es geschehen. Doch nachdem der fünfte Tritt sein Schienbein trifft, hören die Schreie plötzlich auf, es scheint, als wäre einer aus der Meute hervorgetreten, um für Felix einzuspringen, als wäre einer gegen das, was da gerade geschieht, und würde nicht nur zusehen und es geschehen lassen. Die Kerle, die zuvor noch auf Felix eingedroschen haben, lassen von ihm ab und drehen sich in die Richtung, aus der der Einwand gekommen ist. Es folgen einige hitzige Worte, die Felix über das Dröhnen in seinem Kopf nicht verstehen kann. Dann ein wildes Wortgefecht und ehe er sich versieht, liegt er inmitten einer riesigen Schlägerei. Panisch beginnt er sich zwischen der trampelnden Horde nach vorne zu ziehen, immer ein kleines Stück weiter, ganz langsam, ganz vorsichtig. Hier und da tritt ihm jemand auf die schmerzenden Finger oder fällt versehentlich über ihn, aber irgendwann, nach einer schieren Ewigkeit, hat Felix die blaue Tür erreicht, durch die Paul früher am Tag mit dem zerknüllten Brief von Dukjon gerauscht ist. Mit zitternden, gekrümmten Fingern lässt er sie vorsichtig und so leise wie möglich ins Schloss fallen, lehnt sich mit pochendem Gesicht gegen sie, um sie wenigstens mit seinem Gewicht zuzuhalten, und hofft, so stark er kann, dass er als Einziger dieses Versteck wählen wird. Ihm wird schwarz vor Augen, der Raum um ihn herum beginnt sich zu drehen, schneller und schneller, bis er es nicht mehr schafft seinen Magen zurückzuhalten. Er lehnt sich zur Seite, eine Hand in der Magengegend, die andere zur Stütze auf den Boden, und erbricht sich. Nach der kurzen Erleichterung, die darauffolgt, überkommt ihn die Müdigkeit. Eine Müdigkeit, die so bleiern auf seine Augenlider drückt, dass es unmöglich scheint sich gegen den Drang zu wehren, die Augen nicht doch für einen kurzen Moment zu schließen. Kurz bevor sein Körper sich krampfhaft nimmt, nach was er verlangt, denkt Felix noch das Adrenalin lässt nach, doch dann ist er bereits zur Seite gekippt und fällt in einen unruhigen Schlaf, der wenig Erholung bringen soll.

Ist es der stechende Qualm oder dieses erschreckend laute Geräusch? Er kann es nicht sagen, aber irgendetwas reißt ihn aus seinem Schlaf. Abrupt stemmt er sich vom Boden hoch und stellt sich auf seine Beine. Sein Körper, der auf das unsanfte Erwachen und das damit einhergehende plötzliche Erheben nicht vorbereitet ist, schickt Felix sogleich die Quittung. Seine Augen rollen nach oben, ihm wird wieder schwarz vor Augen, sein Magen krampft sich schmerzend zusammen und versucht sich erneut zu entleeren. Felix hustet die Galle auf den Boden des Büros, mit einer Hand hält er sich an der Kleiderstange fest, die ohne Pauls Jacke erstaunlich viel Stabilität bietet. „Scheiße!“, ruft er. „Verdammte Sch…“ Er verstummt, irgendetwas stimmt nicht, im Flur ist es still, viel zu still für Felix’ Geschmack. Er stolpert leicht hinkend auf den mit Rauch gefüllten dunklen Flur und fällt beinahe über den Körper, der regungslos vor der Tür am Boden liegt. Schockiert beugt er sich zu ihm herunter. Auf den ersten Blick sieht er unverletzt, beinahe schlafend aus, wenn da nicht das viele Blut wäre, das aus seinem Rücken dringt und von einer Wunde stammen muss, die Felix nicht lokalisieren kann. Vorsichtig tippt Felix dem Mann mit seinem Zeigefinger auf die Wange und fährt erschrocken zur Seite. Die Wange des Mannes ist trotz der Hitze des Flurs eiskalt. Felix, der sich konzentriert versucht zusammenzureißen, schiebt den Arm des auf dem Rücken liegenden Mannes unter seinen Bauch und zieht dann von der anderen Seite kraftvoll an seinem Handgelenk. Dank Hebelwirkung rollt der Bewusstlose erst zur Seite, dann auf seinen Rücken. Seine Augen sind merkwürdig aufgerissen. Einer Vorahnung folgend schiebt Felix Zeige- und Mittelfinger unter das Kinn des Mannes und tastet nach seinem Puls. Vergebens greift er auch nach Schläfe und Knöchel, doch auch dort fühlt er nicht das erhoffte Pochen. Die Erkenntnis seiner Informationen folgt sogleich und lässt Felix gefrieren. Der Mann hat keinen Puls und der Körpertemperatur nach ist das schon eine ganze Weile so. Wieder krampft sich Felix’ Magen unangenehm zusammen, dieses Mal widersteht er aber dem Bedürfnis sich zu übergeben und presst sich stattdessen eine Hand auf den Mund. „Hilfe! Hilfe, ich brauche Hilfe!“, schreit er in den dunklen Rauch hinein, so laut, dass er fühlt, wie seine Stimmbänder beben. Er schreit weiter, noch lauter als zuvor, aber keiner kommt die schmale Treppe nach oben, keiner wird ihm helfen. Keiner. „Okay Felix, behalte die Nerven, es wird keiner kommen, aber hey, egal, wer braucht schon Hilfe? Ich? Nein. Ich brauche …, ich brauche …, ja ich brauche Licht“, wispert er hysterisch zu sich selbst. Vorsichtig erhebt er sich und läuft mit dem Blick zum Boden gerichtet den Flur entlang, bis er die schmale Treppe erreicht. Mit zitternden Knien, die bei jedem Schritt drohen unter seinem Gewicht nachzugeben, nimmt er Stufe für Stufe, bis ihn der klobige Schreibtisch am Weitergehen hindert. Der untere Flur ist noch dichter vom Rauch durchzogen und schickt immer wieder dicke Rauchwolken über Felix’ Kopf hinweg den Treppenaufgang nach oben. Mit seinen Händen stützt er sich bedacht auf den Schreibtisch und rüttelt einige Male fest an ihm. Er bewegt sich keinen Zentimeter, er bleibt fest eingekeilt zwischen Holzgeländer und Wand. Langsam und immer noch skeptisch zieht er seine Knie auf die schräge Tischplatte und lässt sich langsam über die akten- und papierlose Platte gleiten. Auf der anderen Seite angekommen, versucht er auf den letzten Stufen Halt zu gewinnen und betet inständig zu einem Gott, an den er nicht glaubt, dass Paul seine seit Jahren gleiche Ordnung nicht geändert hat. Mit schweißnassen Fingern und halbwegs stabilem Stand greift er zu der schweren Holzschublade und zieht sie mit einem kräftigen Zug zu sich heran. Mit einem Scheppern folgt sie dem Zug und kracht, dank Felix’ flinken Reflexen, nicht auf seine Füße, sondern auf die letzte Treppenstufe. Schnell, als könne ihm der Inhalt entkommen, beugt sich Felix zu ihr herunter und kramt einige Sekunden lang in der Unordnung der Schublade, bis er findet, wonach er gesucht hat. Die kleine schwarze Taschenlampe, die er zum Vorschein bringt und die den Sturz von der Treppe glücklicherweise überlebt hat, klemmt er sich zwischen die Zähne, um die Hände weiter frei zu haben. Mit Bedacht klettert er zurück über den Schreibtisch und folgt dem Treppengeländer nach oben.

Am Absatz angekommen schaltet er die Taschenlampe ein und seine Augen folgen dem kegelförmigen Lichtstrahl durch den Raum. Da liegt doch noch jemand im Flur? Gebannt kneift er seine Augen zusammen und blinzelt durch den Rauch hindurch. Ja, da liegt noch jemand im Flur. Mit sicheren, aber hastigen Schritten springt er über den reglosen Körper, den er zuvor untersucht hat, und krabbelt auf allen Vieren zu der bewegungslosen Person, die er am Boden entdeckt hat. Es ist eine Frau, Felix leuchtet ihr ins Gesicht, sie ist bewusstlos. Ihre Nasenlöcher sind durch den Ruß der Luft dunkel gefärbt, das heißt, dass sie atmet oder es zumindest vor wenigen Minuten noch getan hat. Felix’ Finger wandern diesmal direkt an ihren Hals. Sie spüren den leichten Puls ihrer Adern. Erleichterung. Hektisch schreit Felix die am Boden liegende an und rüttelt an ihren Schultern. Er ist nicht allein, hier ist noch jemand. „Hallo, hallo, hören Sie mich? Sie müssen aufwachen, ich brauche ganz dringend Ihre Hilfe, bitte kommen Sie, werden Sie wach!“ Nichts rührt sich. Felix wird immer nervöser, eine Träne rollt ihm über sein mit Ruß gefärbtes Gesicht. „Ganz ruhig Felix, denk nach, denk einfach nach, was machst du jetzt? Oder, was würdest du machen, wenn du nicht völlig in Panik ausbrechen würdest?“ Eine kleine, über das Dröhnen in seinem Kopf kaum hörbare Stimme schreit in ihm leise, aber stetig: „Renn weg! Rette deinen eigenen Arsch, du hast zwei Kinder und einen Partner zu Hause, keiner würde es dir übelnehmen.“ Felix schüttelt den Kopf. Nein, das ist keine Alternative, er würde, wenn er das tut, nie wieder in den Spiegel sehen können, das ist ihm trotz des Chaos der Situation wohl bewusst. Angespannt packt Felix den Kopf der Frau, dreht ihn zur Seite und greift instinktiv mit der freien Hand in ihren Mund. Wie zur Bestätigung fühlt er etwas Schleimiges an seinen Fingern. Er formt seine Hand zur Schaufel und schiebt das kühle Erbrochene aus dem Hals der Frau. Sein Magen krampft, aber die Konzentration der Situation lässt ihn den Würgereflex unterdrücken. Als er den Atemweg der Frau befreit hat, zieht er ihren Kopf nach oben und drückt ihre Nase mit zwei Fingern so zu, dass beim Beatmen über den Mund, die Luft nicht entweichen kann. Dabei versucht er möglichst wenig durch seine Nase zu atmen, um dem süßlichen Geruch des Erbrochenen zu entgehen. Diesmal fruchten seine Wiederbelebungsversuche. Hustend und röchelnd kommt die Frau zu sich, sie würgt einige Male und keucht nach Luft, bevor ihre Augen sich scharf stellen und sie Felix, der immer noch über ihr kniet, erblickt. Immer noch ein wenig dämmrig drückt sie Felix’ Hand mit der Taschenlampe zur Seite und der Lichtkegel wandert von ihrem Gesicht auf die fast schwarze Flurwand. „Was ist passiert? Wo ist … egal … sind Sie alleine?“, stammelt sie, während sie mit der freien Hand ihren blutenden Kopf hält. „Ich weiß es nicht so wirklich, ich bin auch gerade erst wieder zu mir gekommen, aber da im Flur liegt ein Mann, er hat keinen Puls, ich glaube er ist, …, ich glaube er …“ Felix bekommt es nicht über die Lippen. Die Frau blickt ihn fast genervt an, zieht eine Augenbraue nach oben, stößt Felix zur Seite und robbt über dem Boden zu dem leblosen Körper. Sie beugt sich über ihn, legt ihren Kopf auf seine blutgetränkte Brust und schüttelt seinen Kopf hin und her, bevor sie sich wieder zu Felix umdreht und nickt. „Er ist tot“, beendet sie Felix’ Satz. „Oh Gott, oh Gott.“ Felix schlägt, nach Luft ringend, die Hände über den Kopf zusammen und lehnt sich wimmernd gegen die Flurwand. Doch noch bevor Felix’ Verstand der Panik weichen kann, rasselt eine glatte Handfläche gegen seine Wange. Schockiert sieht er die Frau an, die vor ihm kniet. „Aua! Sagen Sie mal, geht es noch?“ Die Frau wirkt gefasst. „Ja danke, alles bestens, noch geht es, aber wenn das Feuer noch länger an den Stahlträgern leckt, geht es für uns beide nur noch in eine Richtung und das ist nicht die nach draußen. Also wenn Sie nicht heute schon in den himmlischen Express einsteigen wollen, dann reißen Sie sich endlich am Riemen. Fühlen Sie das?“ Er folgt der Bewegung ihrer Finger, die sie gespreizt auf den Boden gedrückt hält. Ja, sie hat recht, der Boden unter Felix wird heiß, das kann nur eins bedeuten, auch ohne dass er besonders viel von Gebäudetechnik versteht, heißt das, dass sie genau über den Flammen sitzen und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Stahlträger im Boden einsacken wird und sie mit dem gesamten Flurboden in die Flammen stürzen. „Kommen Sie, Mann, wir müssen hier weg! Den da nehmen wir mit. Hier, fassen Sie mal mit an!“ Die Frau packt die Beine des Toten und winkt hektisch Felix zu sich heran, der immer noch auf dem immer heißer werdenden Boden sitzt. Entsetzt sieht er noch einmal zu ihr herüber, bevor auch er aufspringt, die Schultern des Mannes packt und sie sich gemeinsam auf den Weg die Treppe hinunter machen. Der Schreibtisch stellt eine weitere Herausforderung dar; während die Frau, die vorangegangen ist, bereits über die Tischplatte gerutscht ist und nun grob an den Beinen des Mannes zieht, steht Felix mit dem Oberkörper in den Händen immer noch auf der anderen Seite. „Jetzt kommen Sie schon!“, zischt ihm die Frau entgegen. „Sie verletzen ihn doch nur noch weiter“, äußert sich Felix unsicher. Die Frau schaut ihm verständnislos entgegen, dann klettert sie über den Mann hinweg zu Felix hinüber. „Hören Sie, dieser Mann spürt keine Schmerzen mehr, da, wo er jetzt ist, bekommt er das alles hier gar nicht mit, vertrauen Sie mir.“ Die sanfte Stimme, die sie offenbar unter ihrem schroffen Auftreten verborgen hat, beruhigt seine Nerven, trotzdem stört ihn etwas an der Art, wie professionell die Frau die Situation angeht, und obwohl er sich in diesem Moment nicht fragt, warum es ihn so stört, läutet doch ein kleines Glöckchen ganz hinten in seinem Kopf Alarm. Es ist nur ein winziger Gedanke, den Felix später vergessen soll, etwas an dieser Frau ist komisch. Felix greift ein wenig fester unter die Schultern des Toten und hilft seiner Begleitung beim Überqueren der Schreibtischplatte, bevor auch er über den Mann hinweg auf die andere Seite klettert und ihr hilft, an den Beinen ziehend, den Körper über die Tischplatte zu wuchten.

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