Ein Gefühl von Glück

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Ein Gefühl von Glück
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Deutsche Erstausgabe (ePub) Februar 2021

Für die Originalausgabe:

© 2014 by Nicole Dennis

Originally published in the English language as

»On the Green«

by Totally Entwined Group Limited, UK

The moral rights of the author have been asserted.

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag

Inh. Julia Schwenk

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Anne Sommerfeld

ISBN-13: 978-3-95823-868-8

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de


Aus dem Englischen

von Susanne Scholze

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Nach einer schwierigen Jugend auf der Straße hat Mal im „Southern Charm“ endlich ein Zuhause gefunden. Als extravaganter Souschef, der seine Haarfarbe je nach Lust und Laune wechselt, hat er sich im Restaurant des Hotels einen Namen gemacht. Und von Anfang an hatte er ein Auge auf Gärtner Reece geworfen, doch der scheint die Gesellschaft von Pflanzen zu bevorzugen und Mals Zuneigung nicht zu erwidern. Irgendwann beschließt Mal, seine dumme Schwärmerei aufzugeben und realistisch zu sein – und genau diesen Moment sucht sich Reece aus, um Mals Welt auf den Kopf zu stellen. Hat er sich rechtzeitig entschieden, diesen Schritt zu wagen, um Mal noch für sich zu gewinnen?

Widmung

Für diejenigen, die nach Malcolms Geschichte gefragt haben. Hier kommt sie.

Kapitel 1

Hochsommer, Georgia

Reece Simpson stand auf einem der höheren Hügel mit Blick auf den brandneuen Luxusgolfplatz, den er mit einem Profi-Golfer anlegte. Er rückte seine Baseballkappe zurecht und faltete dann die Pläne auf, um Loch elf und die drei verdammten Bunker zu überprüfen, die der Golfspieler unbedingt in den Biegungen haben wollte. Nachdem Reece das Walkie-Talkie von seinem Gürtel gelöst hatte, drückte er auf den Knopf, um Kontakt zum Vorarbeiter vor Ort aufzunehmen.

»Hier ist Sal«, meldete sich der Mann.

»Sal, verlängert den verdammten Bunker noch einen halben Meter nach rechts und macht ihn 1,20 Meter breiter. Stellt sicher, dass die Flussbirke und die Kastanieneiche eng beieinander gruppiert sind. Ich möchte, dass sie in der rechten Kurve wachsen und der Bunker und der Hügel vom Grün aus nicht zu sehen sind.«

»Kein Problem. Sollen die Zypressen links stehen?«

»In einer Reihe, ich will sie drei Meter vom Rand des Grüns entfernt haben.«

»Verstanden.«

Reece hakte das Funkgerät wieder an seinen Gürtel und überprüfte sein Handy, das während seines gesamten Aufenthalts hier verdächtig still gewesen war. Er war sich nicht sicher, ob sein Standort oder die Netzabdeckung der Grund dafür war. Woran es auch immer liegen mochte, er musste sich mit dem Büro in Verbindung setzen.

»Hey, Reece. Wie läuft es mit unserem Luxusgolfplatz?«

Als Reece den Besitzer des Hotels und des Golfplatzes nach ihm rufen hörte, rollte er die Pläne zusammen und ballte die Faust, als er den Mann ansah. »Es gibt einiges zu besprechen. Sie müssen Ihren verdammten Golfprofi in den Griff bekommen.«

»Warum? Ich dachte, er unterstützt Sie.«

»Er behindert jeden kleinen Fortschritt, den ich gemacht hab«, sagte Reece und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Wenn der verdammte Golfer aufhören würde, seine Meinung zu ändern, wären wir viel weiter. Im Moment hat er zwölf Änderungen vorgenommen, seit die ursprünglichen Pläne fertiggestellt und genehmigt wurden. Ich musste ihn heute Morgen bremsen, als er zusätzliche Änderungen andeutete. Sie passen nicht in den Zeitplan.«

»Er ist Spieler und Designer und sieht die Dinge anders. Könnten wir seine Ergänzungen integrieren?«

»Nicht, wenn Sie den Platz im September eröffnen wollen. Ich verlängere den Bunker auf Bahn elf, was bedeutet, dass ich die Bäume umsetzen muss. Jede Änderung zieht diverse Probleme und Umbauten nach sich, die er nicht sieht. Es tut mir leid, aber ich habe es abgelehnt.«

»Verständlich. Liegen wir für die Eröffnung am Labor Day im Zeitplan?«

»Die Bäume werden noch ein paar Jahre brauchen, bis sie ihre volle Größe erreichen, aber der Platz und das Hotelgelände werden aussehen, wie Sie es sich vorgestellt haben. Die italienischen Zypressen, die Sie am Eingang haben möchten, wurden geliefert und werden heute angepflanzt. Nächste Woche werden wir den Rasen auf den restlichen Löchern verlegen. Bis der Rollrasen richtig angewachsen ist, muss er kontinuierlich bewässert werden. Eine Firma wird ihn am Wochenende vor dem Eröffnungstag auf die richtige Länge trimmen, wenn wir den Zeitplan einhalten.«

»Gut. Gut. Ich liebe diese schlanken Zypressen und sie passen gut zur Toskana-Atmosphäre des Hotels.«

»Mhm. Sie passen gut zum Hotel. Ich hab die Rot-Ahornbäume mitbestellt, die Sie haben wollten. Ihre leuchtend rote Farbe bildet einen Kontrast zum Gold der Spitzahornbäume.«

»Ausgezeichnet. Gehen wir in die Gärten?«

Reece drückte zweimal schnell hintereinander auf den Knopf seines Walkie-Talkies, um Sal zu warnen, dass er in die Gärten ging. Er erhielt einen dreifachen Piepton zur Bestätigung und folgte dem rundlichen Mann zu der außergewöhnlichen, von der Toskana inspirierten Rasenfläche. Um den roten Faden beizubehalten, hatte Reece mehrere Pflanzen ausgewählt, die in der Toskana zu finden waren und im hiesigen Klima wuchsen. Es war eines seiner Lieblingsdesigns geworden.

»Was haben wir hier vor?«

»Alles wird in Erdfarben und Naturtönen wie Oliv, Moos, Orangerot, Sonnenuntergang, Pfirsich, Terrakotta und Lavendel gehalten. Die Steine stammen aus Georgia, ergänzt werden sie durch Travertin und verwitterten Granit. Wir bleiben bei dieser Farbpalette.« Reece lenkte seine Aufmerksamkeit auf das andere Ende. »Es werden mehrere Wand- und frei stehende Springbrunnen für die Wasserspiele gebaut und die erweiterte Terrasse wird von Travertin- und Ionensäulen begrenzt. Mein Designer hat altmodische Eisenscharniere und Armillararbeiten sowie typische Statuen als Dekorationen gewählt.« Reece deutete auf die Bereiche. »In den gegenüberliegenden Ecken gibt es zwei Feuerstellen sowie Sitzgelegenheiten in aufeinander abgestimmten Holz- und Stoffarten. Dies ist eines meiner Lieblingsdesigns, steht ganz oben auf meiner persönlichen Favoritenliste.«

»Gut zu wissen. Das heißt, es wird auch allen anderen gefallen. Was ist mit den Pflanzen?«

»Wir stellen Lorbeerbäume, Zitronen- und Olivenbäume in kleineren Töpfen auf und alte knorrige Weinreben begrenzen die gesamte Terrasse und ranken an den Bögen und Balken hinauf. In den Pflanzgefäßen setzen wir Thymian, Rosmarin, Lavendel und verschiedene Sorten Salbei ein. Es wird eine bunte Mischung sein, die Ihre Köche für ihre Gerichte verwenden können.« Während sie sich durch den Garten bewegten, deutete er auf andere Strukturen. »Das werden Steinpflanzgefäße, um die Atmosphäre eines alten Gartens zu erzeugen. Wenn alles fertig ist, haben Sie Gehwege, bequeme Bänke und Tische, die die Gäste einladen, eine Pause zu machen.«

»Verdammt, das klingt perfekt.« Der Mann schlug Reece kräftig auf den Rücken, wodurch dieser ins Stolpern geriet.

»Ich mache, worum Sie gebeten haben, Sir.«

»Sie machen bei Weitem mehr als das, worum ich gebeten habe, und ich wusste, dass es Wunder bewirken würde, jemanden von außerhalb des Bundesstaates einzustellen. Sie wurden mir wärmstens empfohlen, Junge, und ich werde die Empfehlung an andere weitergeben.«

»Das weiß ich zu schätzen, Sir. Es war mir eine Freude, hier zu arbeiten. Sie haben gutes Gartenbaupersonal eingestellt, das sich um das gesamte Gelände kümmert. Ich kann mich auf sie verlassen, wenn wir die Pflanzen im Boden haben. Sie haben meine Garantie, dass ich, wenn innerhalb von sechs Monaten nach dem Pflanzen etwas eingeht, jemanden schicke, der nach den Ursachen sucht und umpflanzt oder ersetzt.«

»Verstehe. Ich verstehe und hab meinem Chef-Platzwart eine Kopie gegeben, um sie abzuzeichnen und für seine Unterlagen aufzubewahren.«

»Gut zu wissen. Ich sollte das mit all meinen Kunden tun.«

»Freut mich, Fortschritte zu sehen. Bleiben Sie, bis alles gepflanzt ist?«

»Ich kann nicht. Ich muss noch zu einem Projekt in Louisiana und einem anderen in Mississippi, bevor ich nach Florida zurückkehre. Sal und Clayton sind erstklassig. Sie kümmern sich um die restlichen Bauarbeiten und Pflanzungen. Ich sag's noch mal, der Golfer kann nichts mehr ändern, egal, wie viel er rumjammert und sich beschwert.«

 

Der rundliche Mann lachte und hob eine Hand. »Ich verspreche es, Reece, keine Änderungen mehr. Ich werde mit ihm sprechen, damit er sich abregt und Ruhe gibt. Sehe ich Sie bei der Eröffnung?«

»Wenn ich kann, wäre es mir eine Freude, an der Eröffnung teilzunehmen.«

»Haben Sie sich für eine Abschlagszeit eingetragen?«

»Nein, Sir, ich hatte keine Möglichkeit, Golf zu spielen oder es zu lernen.«

»Nun, lieber Junge, Sie müssen sich auch mal ein bisschen entspannen.«

Viel zu glücklich damit, im Dreck zu wühlen, schüttelte Reece lächelnd den Kopf. Als Kind war es für ihn sicherer gewesen, draußen im Garten zu sein und sich um die Pflanzen zu kümmern. Er wollte nicht in der Nähe seines trinkenden Vaters und seiner Mutter sein, die seine jüngeren Geschwister wie Kleinkinder behandelte. Er unterdrückte angesichts der ungebetenen Erinnerung einen Schauer. »Ich buddle lieber im Dreck, als einen weißen Ball über den Rasen zu schlagen. Es tut mir leid, Golf hat mich nie interessiert. Ich hoffe, Sie werden den fertigen Kurs genießen.«

»Nicht jeder mag Golf. Man liebt es oder man hasst es.«

Nachdem sie sich die Hand geschüttelt hatten, machte sich Reece auf die Suche nach Clayton, um die letzten Papiere, Unterlagen und Entwürfe abzuzeichnen. Sie besprachen alle noch vorhandenen Probleme oder Bedenken, bevor er das Projekt an Clayton übergab. Dann stieg er in den fürchterlichen Golfwagen und fuhr zu den weiter entfernt gelegenen Löchern, wo Sal mit den nervigen Bunkern beschäftigt war, und gab die Informationen weiter. Zufrieden, dass Hotel, Gelände und Golfplatz in guten Händen waren, kehrte Reece ins Hotel zurück, um zu packen und sich auf seinen Flug nach Louisiana vorzubereiten. Er genoss die Vorstellung, sich ein wenig zu entspannen und während des Fluges oder auf dem Flughafen ein Nickerchen machen zu können, um Kraft für das nächste Projekt zu tanken.

***

Am späten Nachmittag hatte Reece die fürchterliche Warteschlange an der Sicherheitskontrolle hinter sich gelassen und sein Abfluggate im geschäftigen Flughafen Atlantas gefunden. Er überprüfte auf dem Bildschirm den Status seines Flugs und zog sein Handy heraus, um nachzusehen, ob er Zeit für ein Mittagessen hatte. Stattdessen entdeckte er eine Nachricht, dass er kein Netz hatte.

»Okay, nicht mein Handy ist das Problem, sondern der Anbieter. Großartig. Was zum Teufel ist da los?«

Er sah sich um, entdeckte mehrere Münztelefone und suchte in seinem Portemonnaie nach der Telefonkarte für Notfälle, von der er nie gedacht hatte, dass er sie jemals benutzen würde. Erstaunt, dass es hier ein Telefonbuch gab, suchte er die Nummer seines Mobilfunkanbieters heraus.

Eine frustrierend lange Wartezeit und verschiedene Kundendienstmitarbeiter später wurde er endlich mit jemandem verbunden, der in der Lage war, ihm zu helfen. Er erfuhr, dass sein Handy aufgrund nicht eingegangener Zahlungen abgestellt worden war. Da er nicht wusste, warum Sharon, seine Büroleiterin, die Rechnung nicht bezahlt hatte, ließ er die Zahlung von einer Kreditkarte abbuchen. Es nahm noch mehr Zeit in Anspruch, den Bestätigungsprozess hinter sich zu bringen und seinen Account wieder zu aktivieren.

Er suchte sich einen Sitzplatz, setzte sich und ging seine Nachrichten durch. Einige Leute wunderten sich über sein Schweigen, andere wurden mit der Zeit wütend, weil er sich nicht meldete.

Während er die Nachrichten durchsah, klingelte sein Handy.

»Na klar, jetzt funktionierst du wieder«, grummelte er und wischte über das Display. »Southern Haven Landscape and Design, Sie sprechen mit Reece Simpson. Was kann ich für Sie tun?«

»Simpson, wo zum Teufel haben Sie gesteckt? Ich versuche seit Wochen, Sie zu erreichen. Hier ist Davis Klower von DK Dirt«, fauchte Davis. »Ich schicke keine Laster mehr raus, bevor die ausstehenden Rechnungen nicht bezahlt sind. Sie sind einer meiner besten Kunden, aber ich bin kurz davor, Sie wegen Nichtbezahlung fallen und Ihren Arsch pfänden zu lassen. Was zur Hölle geht in Ihrem Büro vor? Ich werde nicht länger zulassen, dass die Rechnungen nicht bezahlt werden.«

»Hey, ganz langsam. Moment, Davis, reden Sie mit mir. Ich war die letzten Monate nicht im Lande.«

»Haben Sie Ihre Nachrichten nicht angeschaut? Ich hab nichts von Sharon gehört und sie ist, was die Zahlungen angeht, immer zuverlässig.«

»Ich hab eben erst herausgefunden, dass es ein Problem mit meinem Handy und dem Mobilfunkanbieter gab. Nun, ich bin sicher, dass Sharon es wissen würde, wenn mit Ihrem Konto irgendwas nicht stimmt. Was meinen Sie damit, Sie haben nichts von ihr gehört?«

»Sie hat keinen einzigen meiner Anrufe entgegengenommen. In Ihrem Büro geht niemand ans Telefon und bei Ihrem Handy ist immer direkt die Mailbox angesprungen.«

Reece beugte sich vor, rieb sich über den Nasenrücken und dachte sich, dass was auch immer mit dem DK-Konto passiert war, auch der Grund war, dass sein Handy abgeschaltet wurde. »Ich finde raus, was passiert ist und bringe es in Ordnung, Davis.«

»Ich gebe Ihnen eine Woche.«

»In Ordnung, ich melde mich bei Ihnen, wenn ich etwas Neues weiß.«

»Eine Woche, Simpson, oder unsere Geschäftsbeziehung ist beendet.«

»Ich verstehe, Sir.«

Als er auflegte, war Reece klar, dass er nicht nach Louisiana fliegen konnte. Er musste zurück nach Florida und herausfinden, was vor sich ging. Er nahm sein Handgepäck und eilte zum Kundendienstschalter, um seinen Flug zum Flughafen von Pensacola umzubuchen, der seinem Wohnort Shore Breeze am nächsten lag. Zeitgleich wählte er die Nummer seines Büros und landete direkt beim Anrufbeantworter. Frustriert rief er auf der privaten Nummer seiner Büroleiterin an und schickte einen Dank an alle möglichen Götter, als der Anruf durchging.

»Hier ist Sharon«, sagte eine Frau.

»Sharon, hier ist Reece. Was ist im Büro los?«

»Reece, wo hast du gesteckt?«

Reece rieb sich den Nasenrücken und stöhnte, als seine Frustration wuchs. »Ich hatte während des Auftrags das Handy wegen eines nervigen Designers abgeschaltet, der mir ständig auf den Wecker ging. Ich hatte nicht bemerkt, dass es abgestellt wurde, weil die Rechnung nicht bezahlt war.«

»Was?«

»Mir wurde gesagt, dass die Rechnung nicht beglichen wurde. Warum wird nichts bezahlt?«

»Okay, okay. Du musst dich beruhigen, Reece. Bitte«, sagte Sharon. »Du wusstest vor deinem Abflug, dass ich schwanger war.«

»Ja, aber… Moment. Warum höre ich ein Baby weinen? Ich dachte, der Geburtstermin wäre erst nach meiner Rückkehr aus Louisiana.«

»Auf die Art merkst du dir den Termin?«

»Hey, ich bin ein schwuler Mann.«

»Das Baby kam zu früh und ich bin eher in den Mutterschutz gegangen, um auf der Neugeborenenintensivstation und dann zu hause bei ihr zu sein.«

»Scheiße. Uhm. Geht's dir gut? Ist mit dem Baby alles okay?«

»Ja, es geht uns allen gut. Die Umstände ihrer Geburt haben mir nur etwas Angst gemacht.«

»Gut zu wissen, aber Sharon, im Büro geht irgendwas vor. Ich muss das klären.«

»Ich war seit ihrer Geburt nicht mehr im Büro. Was ist los?«

»Ich weiß es nicht. Ich habe keine verdammten E-Mails, Voicemails oder Ähnliches erhalten, bis ich das Resort verlassen habe. Aufgrund des Baus muss es ein Funkloch gegeben haben. Ich glaube, sie haben auf einen neuen Sendemast gewartet.«

»Vielleicht ist etwas mit der Überweisung der Rechnung schiefgelaufen. Was haben sie beim Anbieter noch gesagt, als du angerufen hast?«

»Ich hab die Zahlung mit meiner Kreditkarte getätigt. Zum Glück hat es geklappt und ich bin wieder online, aber das darf nicht noch mal vorkommen.« Reece fuhr sich mit der Hand durch die dunklen Haare. »Hör mal, ich steh hier völlig im Wald. Ich hab einen Anruf von DK Dirt bekommen und bei ihm sind keine Zahlungen eingegangen.«

»Unmöglich, ich habe das Büro einer kompetenten Aushilfskraft von einem seriösen Unternehmen übergeben, die sich während der letzten Monate um alles kümmern sollte. Sie heißt Trixie Wiggins und kommt von Pensacola Temp Hire.«

»Trixie? Was zum…? Raus damit.«

»Ich habe eine fähige Zeitarbeiterin eingestellt und eingearbeitet, die sich um alles kümmern sollte. Ich hatte nicht erwartet, so lange weg zu sein, aber das Baby kam zu früh und ich konnte die Intensivstation nicht verlassen. Trixie wusste, was zu tun war. Für den Fall, dass sie etwas nicht weiß, hab ich ein detailliertes Handbuch und meine Handynummer hinterlassen. Sie hat nie angerufen und gesagt, dass es Probleme gibt.«

»Nichts ist bezahlt. Wie kann sie mit irgendetwas klarkommen, wenn mein Handy abgestellt wird und ein Kunde mich anschreit? Wer unterschreibt die Schecks?«

»Ich lass alles von unserem Account-Manager bei der Bank erledigen. Ich hab ihm ein offizielles Schreiben auf unserem Briefpapier zukommen lassen, dass sie ihm die Rechnungen schickt und er die Schecks von der Bank ausstellen, unterschreiben und verschicken lässt. Das Gleiche gilt für die Einzahlungen – sie reicht die Schecks bei ihm ein und er wickelt die Einzahlung ab. Ich wollte nicht, dass ein Zeitarbeiter etwas bei unserer Bank unterschreibt oder einzahlt.«

»Irgendwo gibt es ein Problem, entweder mit dieser Zeitarbeiterin oder bei der Bank.«

»Wo bist du?«

»Am Flughafen in Atlanta. Ich bin unterwegs zum Schalter, um meinen Flug nach Pensacola umzubuchen.«

»Soll ich ins Büro gehen?«

»Nein. Nein. Bleib beim Baby. Mit diesem Problem befasse ich mich.«

»Vielleicht solltest du anstelle einer Zeitarbeitskraft einen zweiten Büroleiter anstellen, Reece. Im Büro ist genug zu tun, dass ein zweites Paar Hände gerechtfertigt ist. Ich schaffe nicht alles, besonders wenn du monatelang auf Baustellen bist.«

»Ich denke drüber nach.«

»In Ordnung. Es tut mir leid, Reece, ich dachte, dass die Zeitarbeitskraft alles im Griff hat, hab mich auf meine Tochter konzentriert und bin nicht mit ihr in Kontakt geblieben.«

»Nein. Nein. Es ist meine Schuld, dass ich alles dir überlassen und nicht eingegriffen habe, als es nötig war. Ich werde mir einen neuen Ablauf oder etwas anderes überlegen, damit solche Probleme in Zukunft nicht noch mal auftreten. Danke, Sharon, und nochmals herzlichen Glückwunsch zum Baby.« Reece legte auf und schlug die Stirn gegen den Schalter des Kundendienstzentrums.

»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte die hübsche Dame hinter dem Schalter.

Er zog sein bestätigtes Ticket heraus und schob es ihr zusammen mit seinem Ausweis und einer Platin-Kreditkarte zu. »Hoffentlich. Ich muss meinen Flug nach New Orleans auf Pensacola umbuchen. Den frühestmöglichen, wenn es geht, und mein Gepäck muss umgeleitet werden.«

»Lassen Sie mich sehen, was ich tun kann, Sir.« Die Dame nahm sein Ticket, seinen Ausweis und seine Karte und tippte auf der Tastatur herum. »Okay. Sie waren auf dem Nonstop-Flug nach New Orleans um vierzehn Uhr fünfundfünfzig, erster Klasse mit zwei eingecheckten Gepäckstücken. Sie sind ein Premium-Vielflieger bei unserer Fluggesellschaft, Mr. Simpson.«

»Ja, und ich muss alles auf Pensacola umbuchen.«

»Möchten Sie wieder Nonstop und erster Klasse?«

»Wenn möglich.«

»In Ordnung. Lassen Sie mich sehen, was verfügbar ist.« Wieder waren Tippgeräusche zu hören, als sie die Datenbank nach einem Flug durchsuchte. »Der früheste Nonstop-Flug nach Pensacola mit einem Sitzplatz in der ersten Klasse geht um fünfzehn Uhr. Für die Umbuchung fällt eine Gebühr an.«

»Ich nehm ihn. Wird mein Gepäck auf dem neuen Flug an Bord sein?«

»Ich werde sicherstellen, dass die Gepäckabfertigung benachrichtigt wird. Auf die Gebühr für das Gepäck verzichte ich, da Sie Vielflieger sind.«

»Ich danke Ihnen«, erwiderte Reece.

Als die Dame alles geändert hatte, gab sie ihm seine Karten zurück und reichte ihm eine neue Quittung. Nachdem er alles unterschrieben hatte, änderte sie die Bordkarte für den neuen Flug.

»In Ordnung. Sie müssen zu einem anderen Gate und dann ist alles erledigt.« Sie strich das ursprüngliche Gate durch und schrieb das neue darauf. Dann beugte sie sich vor und wies ihm die Richtung dorthin. »Wenn Sie dort ankommen, wenden Sie sich bitte an die Mitarbeiter, um die Änderung zu bestätigen. Wenn es Probleme gibt, kommen Sie entweder hierher zurück oder gehen zu einem anderen Kundendienstschalter.«

 

»Vielen Dank.«

»Gern geschehen. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug, Sir, und vielen Dank, dass Sie mit uns fliegen«, sagte sie.

Er nahm das Ticket, schlang sich den gepolsterten Riemen seiner Umhängetasche über die Schulter und schlängelte sich durch die Menge, um zu seinem neuen Gate zu gelangen. Dort stand er einige Minuten in der Schlange und sprach dann mit einem der Angestellten, um sich zu vergewissern, dass die Umbuchung stattgefunden hatte. Reece seufzte erleichtert auf, ging in ein anderes Restaurant und bestellte sich ein Mittagessen, holte sein Tablet heraus und loggte sich in seinen Büro-PC ein. Er öffnete das Buchhaltungsprogramm, konnte aber keine Einträge über Rechnungen, Zahlungen oder Quittungen entdecken.

»Was zum Teufel…?« Er wählte erneut die Büronummer, landete jedoch wieder direkt beim Anrufbeantworter. Während der fünfundvierzigminütigen Wartezeit versuchte er immer wieder, Kontakt mit der Aushilfskraft, dieser Trixie Wiggins, aufzunehmen.

Der Gedanke, sich etwas Zeit zum Ausruhen und Entspannen zu nehmen, löste sich mit jedem weiteren Problem, das er fand, mehr in Luft auf.

***

Pensacola, Florida

Nachdem er gelandet war und sein Gepäck abgeholt hatte, kontaktierte Reece den günstigen Langzeitparkplatz, auf dem er seinen Jeep abgestellt hatte, und ließ sich abholen. Nur eine halbe Stunde später fuhr er bereits mit seinem geliebten, ramponierten Cherokee über die Brücke zur kleinen Halbinsel südlich der Stadt. Am anderen Ende lag Sea Breeze, wo er seit zehn Jahren lebte. In der kleinen Stadt wandte er sich nach Süden in Richtung der Küste und seiner Firma. Reece hatte sich entschieden, sich südlich des großen Einkaufszentrums an der Ecke Zephyr und Seacoast niederzulassen, seine Firma auf dem großen Eckgrundstück aufgebaut und die zwei daran anschließenden Grundstücke gekauft. Um ein Statement abzugeben, hatte er sogar kleine Gärten in verschiedenen Stilen kreiert, damit potenzielle Kunden eine Vorstellung seiner Arbeit bekamen.

Reece fuhr am Blumenladen und der Tierhandlung vorbei und bog in die Einfahrt des Hauses mit drei Schlafzimmern und zwei Bädern ein, das er in seinen Firmensitz umgewandelt hatte. Es hatte eine weitläufige Vorderveranda mit klassischen Ionensäulen, die die Ecken stützten. Das Gebäude war nicht so wichtig wie das Land, das es umgab. Er hatte sich Zeit genommen, die Details des Gartens auszuarbeiten und alles zu zeigen, was er für einen anderen Hausbesitzer oder Geschäftsmann gestalten konnte.

Nachdem er auf seinen Parkplatz gefahren war, griff Reece nach seiner Umhängetasche und stieg aus. Als er die gravierte Glastür aufstieß und das Büro betrat, bemerkte er, dass außer dem Fernseher nichts zu hören war – die meisten Lichter waren aus, der Raum abgedunkelt und eine Staubschicht lag auf dem Gebälk um ihn herum. Es war nicht richtig. Das Büro war immer geschäftig und voller Menschen, Gespräche und Pflanzen.

Er sah sich um. Pflanzen! Wo waren all seine Zimmerpflanzen?

Hinter dem halbrunden Schreibtisch saß eine junge Frau, die nackten Füße hatte sie auf die Tischplatte gelegt, plauderte am Handy und lackierte ihre langen Nägel in einem scheußlichen Orangeton. Die Bürotelefone klingelten mehrmals, im Fernseher lief eine Nachmittags-Talkshow. Stapel ungeöffneter Briefe waren auf dem Empfangstresen verteilt, einige davon grau vom Staub.

Reece stürmte hinüber und schaltete den Fernseher aus, dann ging er um den Tresen herum, stieß ihre Füße vom Schreibtisch und schnappte sich ihr Handy. Er hämmerte mit dem Daumen auf den Knopf, um aufzulegen und schaltete das verdammte Ding aus. Er wollte ihre volle Aufmerksamkeit. Verärgert wegen des Nagellacks schnappte er sich den Papierkorb und schaufelte den ganzen Kram hinein.

»Wer zur Hölle bist du? Mistkerl! Das war eine neue Flasche und mein neuer Freund war am Handy. Du Stück Scheiße, ich ruf die Bullen«, brüllte die junge Frau und rappelte sich auf.

Er richtete sich zu seiner vollen Größe von knapp zwei Metern auf, verschränkte die Arme vor der Brust und hob eine Augenbraue. »Ich bin Reece Simpson. Mir gehört diese Firma. Ich nehme an, Sie sind Trixie.«

Sie kaute lautstark auf einem Kaugummi herum und wickelte sich eine Haarsträhne um einen Finger, während sie ihn mit einem hinterhältigen, sinnlichen Blick von den schlammigen Stiefeln bis zu seiner unordentlichen Frisur taxierte.

»Machen Sie sich nicht die Mühe zu flirten. Ich bin schwul.«

Ihr koketter Blick wurde schlagartig verärgert und gelangweilt.

»Sind Sie Trixie? Wurden Sie von meiner Büroleiterin Sharon eingestellt?«

»Ja, sie hat mich über meine Zeitarbeitsfirma eingestellt«, sagte sie und blies auf die feuchten Fingernägel.

»Was zum Teufel haben Sie hier gemacht?«

»Hier gesessen und gearbeitet, was denn sonst?«

Reece griff sich einen Teil eines Papierstapels und hielt ihn ihr unter die Nase. »Warum wurden diese Briefe nicht geöffnet und sortiert? Warum wurden meine Lieferanten nicht bezahlt? Sie haben keinen einzigen Scheck eingereicht. Was zum Teufel haben Sie getan?«

»Gearbeitet. Ich sitze hier und gehe ans Telefon–«

»Bockmist, ich hab über ein Dutzend Mal angerufen und es ging niemand ans Telefon. Ich hab Sie am Handy erwischt, während meine Telefone klingelten.«

»Hören Sie. Sharon sagte, ich soll hier sitzen, ans Telefon gehen, Pakete annehmen, Laufkundschaft anweisen, sich per Handy mit Ihnen in Verbindung zu setzen, und abschließen. Das mach ich.«

»Das bezweifle ich.«

»Die Dame sah aus wie eine Tonne und war kurz davor zu werfen. Das Letzte, was sie wollte, war, mich einzuarbeiten.« Das Mädchen wedelte mit der Hand und ließ eine Kaugummiblase platzen.

»Würden Sie den verfluchten Kaugummi in den Papierkorb spucken?«

»Verdammt nein, das ist mein letzter.«

»Wo sind die Zimmerpflanzen?«

»Was?«

»Hier standen überall Pflanzen. Wo sind sie?«

»Sie sind vertrocknet und wurden braun. Ich hab sie hinten rausgeworfen. Igitt.«

»Was?« Reece fuhr sich mit den Fingern durch die Haare.

»Übrigens, Sie müssen meine Gehaltsabrechnungsformulare unterschreiben.«

»Wie bitte?«

Sie griff sich einige Formulare und legte sie mit einem Stift auf den Schreibtisch.

Reece nahm eines und sah, dass sie nicht nur volle vierzig Wochen angegeben hatte, sondern auch versuchte, Überstunden geltend zu machen. Er entschied sich für einen schwarzen Edding, strich alle Einträge durch, schrieb Stunden nicht akzeptiert, Zeitarbeiterin entlassen darauf und setzte seinen Namen darunter.

»Was zum Teufel? Sie sollen die Scheiße unterschreiben. Ich muss bezahlt werden.«

»Sie werden nicht dafür bezahlt, auf dem Arsch zu sitzen und nichts zu tun. Packen Sie Ihren Kram zusammen, Trixie. Sie sind gefeuert. Ich werde mit Ihrem Vermittlungsbüro sprechen, dass man dort in Erwägung ziehen sollte, Sie von der Liste der potenziellen Mitarbeiter zu streichen. Legen Sie den Schlüsselring auf den Schreibtisch. Sofort.«

»Ich bin nicht gefeuert. Sie waren nicht hier, Sie können nicht wissen, was ich getan habe. Sie können nichts belegen.«

»Ich kann belegen, dass Anrufe nicht beantwortet, Briefe nicht geöffnet, Rechnungen nicht bezahlt und gestellt wurden und Kunden und Lieferanten Amok laufen. Ja, ich kann alles belegen, was Sie nicht getan haben. Schlüssel auf den Schreibtisch, auf der Stelle.« Reece schlug mit der Faust auf den Schreibtisch und sie zuckte zusammen.

»Okay.« Trixie schnappte sich eine Handtasche und warf sie auf den Schreibtisch, riss den Schlüsselring heraus und ließ ihn mit einem Scheppern auf die Tischplatte fallen. »Sonst noch was?«

»Verschwinden Sie.«

»Fein. Dummes Stück Scheiße«, murmelte sie, als sie ihre Füße in Schuhe mit schwindelerregend hohen Absätzen schob. Sie stolzierte davon und schlug die Tür fester als nötig hinter sich zu.

»Und wie zum Teufel geht's jetzt weiter?« Reece ließ sich auf den Stuhl fallen, senkte den Kopf und schlug dann seine Stirn gegen den Schreibtisch.

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