Im Bann von covid-19

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II Politik und Gesetz

07 - Corona-Management durch Bund und Länder

"Niemand von uns, die wir in einer Demokratie politische Verantwortung tragen, hat sich gewünscht je mit solchen Regelungen vor die Bürger treten zu müssen"

(Angela Merkel *17.07.1954, deutsche Bundeskanzlerin, am 22.03.2020)

Wenn in unserer Bevölkerung schon Verschwörungstheorien bezüglich der Covid-19-Pandemie und den Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung die Runde machen, macht es Sinn, sich einmal anzuschauen, wer die Regeln für den Umgang mit der Seuche überhaupt bestimmt.

Der Föderalismus ist das staatliche Organisationsprinzip in der Bundesrepublik Deutschland, 1949 wurde er im Grundgesetz verfassungsrechtlich verankert. Kennzeichen des deutschen föderalen Systems ist die enge Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Bundesstaat mit 16 Ländern als Gliedstaaten. Die Ausübung der Staatsgewalt ist durch das Grundgesetz zwischen Bund und Ländern aufgeteilt.

Sowohl die Länder als Gliedstaaten wie auch der Bund als Gesamtstaat besitzen eine eigene Staatsgewalt und können Gesetze erlassen. Die Länder sind Staaten mit eigenen Landesverfassungen, Parlamenten, Verwaltungsstrukturen und Zuständigkeiten.

Die Ausübung der Staatsgewalt ist durch das Grundgesetz zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Dabei geht das Grundgesetz grundsätzlich von einer Zuständigkeit der Länder aus (Art. 30, 70, 83 GG).

In den Bereichen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung besitzt der Bund nur dann Kompetenzen, wenn sie ihm im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen werden. Der Bund ist zudem dann zuständig, wenn sich durch die Auslegung der Verfassung eine ungeschriebene Zuständigkeit des Bundes ergibt.

Die im Grundgesetz realisierte föderale Ordnung ist in der Tendenz nicht auf Trennung, sondern auf Kooperation zwischen Bund und Ländern angelegt. Das Bundesstaatsprinzip des Grundgesetzes verpflichtet Bund und Länder zu wechselseitiger Rücksichtnahme und Hilfeleistung (Grundsatz der Bundestreue beziehungsweise des bundesfreundlichen Verhaltens).

Der kooperative Charakter des deutschen Föderalismus kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Länder durch den Bundesrat an der Bundesgesetzgebung, an der Verwaltung des Bundes sowie in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken (41).

Der Grundsatz der Bundestreue wird auch im „Corona-Management“ unserer obersten Politiker deutlich. So haben Bund und Länder die Leitlinien zur Bewältigung der Corona-Pandemie gemeinsam beschlossen. Sie gelten einheitlich in allen Bundesländern.

Nach dem föderalen Prinzip erlassen die Länder in ihrer Zuständigkeit die konkreten Regelungen. Für den Vollzug wiederum sind dann die örtlichen Verwaltungsbehörden zuständig. Regionale Besonderheiten und epidemiologische Lagen - nicht alle Regionen sind gleich stark vom Virus betroffen - machen es notwendig, dass die Länder und Landkreise bedarfsgerecht und zügig auf die jeweilige Situation vor Ort reagieren. Darum kann es in den verschiedenen Bundesländern unterschiedliche Regelungen geben.

Rechtliche Grundlage des Handelns ist dabei das Grundgesetz. Artikel 30 besagt, dass die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder ist, soweit das Grundgesetz keine andere Regelung trifft (42).

Das macht eine einheitliche Linie bei der Bekämpfung der Pandemie schwierig. So oft Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten überwiegend virtuell über weitere Schritte im Kampf gegen die Corona-Pandemie auch beraten – ein echter Konsens ist schwer zu erreichen.

Zu unterschiedlich ist die Herangehensweise in den einzelnen Bundesländern, als das von einer gemeinsamen Strategie gesprochen werden könnte.

So fordert Bayern ein zu Beginn der Krise Regelwerk für alle, das Saarland und Berlin wollen eine strengere Maskenpflicht, Sachsen und Sachsen-Anhalt lehnen das ab. Während Bayerns Ministerpräsident Söder im März 2020 "ein einheitliches, verbindliches, verhältnismäßiges und verlässliches Regelwerk, das dann in ganz Deutschland gelte", fordert, stellen manche seiner Kollegen klare verbale Stoppschilder auf.

Sowohl CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer aus Sachsen als auch sein Parteifreund, Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt, halten nichts von generellen Maßnahmen (43).

Und der Bundesgesundheitsminister? Jens Spahn kann nicht viel mehr als appellieren. Der nationale Pandemieplan seines Robert-Koch-Instituts liefert zuvörderst Empfehlungen und dient der Synchronisierung. Denn letztendlich- siehe oben- haben die Länder das Recht, selbst über die Absage von Veranstaltungen oder weitergehende Verbote zu entscheiden.

Die Bundesregierung hätte juristisch gar nicht die Möglichkeit dazu. Das föderale System überlässt die Ausführung des Krisenmanagements weitgehend den Ländern.

Direkt eingreifen könnte der Bund lediglich an den Grenzen. "Nach dem Schengener Abkommen können Kontrollen eingeführt werden, wenn das für Sicherheit und Ordnung nötig ist", sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Ähnlich wie Österreich, das Einreisen aus Italien nur noch mit ärztlichem Attest erlaubt, könnte auch Deutschland zusätzliche Dokumente bei der Einreise verlangen - theoretisch. Geplant sei dies derzeit aber nicht. "Das würde sehr viel Aufwand bedeuten", sagt der Sprecher.

Auch die Notstandsregelungen des Grundgesetzes greifen im Gesundheitskatastrophenfall nicht. Sie erlauben eine Einschränkung von Grundrechten - allerdings nur bei Krieg, inneren Unruhen oder einer Naturkatastrophe.

"Für eine Pandemie sind die Gesetze nicht ausgelegt", heißt es im Bundesinnenministerium. Einen Grund, das ändern zu müssen, sieht man bislang nicht. „Ich bin ein überzeugter Föderalist, aber ich glaube, dass der Föderalismus zunehmend an seine Grenze stößt“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Oktober 2020.

Er ist dafür, dem Bund dauerhaft mehr Rechte beim Infektionsschutz zu übertragen, um das Dilemma zu lösen (44).

Mit dieser Ansicht steht er sicher nicht alleine.

Noch ist es jedoch nicht so weit. Und so haben die Landeschefs nach wie vor die Möglichkeit, sich durch politische Alleingänge in ihren Bundesländern bundesweit zu profilieren. Die „Corona-Krise“ bietet hierfür beste Voraussetzungen. Ist sie doch für Politiker eine hervorragende Möglichkeit, sich als Krisenmanager zu profilieren.

So versuchen auch potenzielle Kanzlerkandidaten, sich ins rechte Licht zu rücken. Bisweilen hat es dabei den Anschein, als würden bestimmte Politikerinnen und Politiker im Frühjahr in den Bundesländern besonders nur deshalb eine harte Corona-Linie führen, um sich zu profilieren. Oder im Frühherbst eine auffallend weiche. Dabei sollte gerade in Krisensituationen wie der aktuellen der Eindruck vermieden werden, eine bestimmte politische Agenda stünde hinter den Maßnahmen“.

Stattdessen schwingt Machtpolitik bei den Corona-Maßnahmen mit. Das Rennen um den CDU-Vorsitz, wahrscheinlich gleichbedeutend mit dem um eine Kanzlerkandidatur, ist allgegenwärtig. Die politischen Kontrahenten beäugen sich – auch oder gerade in der Krise.

Als die Infektionszahlen steigen und es um die Beschränkungen des öffentlichen Lebens zur Eindämmung der Neuinfektionen geht, fällt vor allem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als Antreiber auf. Er hält langanhaltende Einschränkungen für notwendig, um das Virus dauerhaft in die Schranken zu weisen. Seien es Schulschließungen oder Kontaktbeschränkungen – Söder prescht vor, spekulierend darauf, dass die anderen Bundesländer folgen werden. Als omnipräsenter Coronabekämpfer steigen seine Beliebtheitswerte auf ungeahnte Höchststände. Und prompt wird nicht nur in der Union wieder gemunkelt, ob nicht Söder der beste Kanzlerkandidat sei, auch wenn dieser stoisch wie eh und je jede Ambition von sich weist.

Sinken die Infektionszahlen, geht es nicht mehr um Beschränkungen, sondern dann stehen Lockerungen zur Debatte.

Hier gibt NRW-Chef Laschet den Ton an. Er drängt auf Lockerungen, will „verantwortungsvolle Normalität“ installieren.

„Wir brauchen einen klaren Fahrplan, durch den das öffentliche und wirtschaftliche Leben wieder ins Laufen kommt.“, macht er seine Position im April deutlich

Die Söder gerne umgehend kontert: „Bayern war und ist vorsichtiger als andere Bundesländer“. Man führe keine „schnellen und überstürzten“ Exitdebatten wie „der ein oder andere“. Ein deutlicher Seitenhieb in Richtung Laschet.

Das Geplänkel zwischen den Antipoden Söder und Laschet bleibt den anderen Parteien nicht verborgen. Die Sozialdemokraten kritisieren die Nickligkeiten beim Koalitionspartner heftig. Der „Wettbewerb zwischen München und Düsseldorf“ laufe so langsam aus dem Ruder, so SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Das wirkt manchmal wie ein Hahnenkampf um das Merkel-Erbe, bei dem sich die Beteiligten gegenseitig belauern und beinahe zwanghaft versuchen, schneller zu sein als der andere (45).

Und der Wettstreit der Gockel um Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur, ausgetragen auf dem Rücken des Corona-Virus, zeigt tatsächlich Wirkung.

Im Politiker-Ranking des RTL/ntv-Trendbarmeters gewinnt Markus Söder über die Monate deutlich an Zustimmung. Im Vergleich zur letzten Untersuchung, die im Januar und damit vor Beginn der Pandemie stattfand, ist das Vertrauen im August 2020 um stolze 17 Punkte gewachsen.

Im vom Forschungsinstitut Forsa ermittelten Ranking gehört NRW-Ministerpräsident Armin Laschet mit einem Verlust von 6 Punkten zu den größten Verlierern (46).

 

Auch, was die „K-Frage“ betrifft, die Frage nach dem neuen Bundeskanzler, erhält der bayerische Ministerpräsident Söder konstant gute Noten. In der Sonntagsfrage vom 03.09.2020 können sich 56% den gebürtigen Nürnberger als zukünftigen Bundeskanzler vorstellen, der Aachener Armin Laschet muss sich mit 24% begnügen (47).

Ehre, wem Ehre gebührt. Dadurch, dass er sich quasi als „Frontmann“ der „Corona-Fraktion“ etabliert, hat sich Markus Söder meiner Meinung nach diese Pole-Position durchaus verdient.

08 - Shutdown und Lockdown – die Ultima Ratio zur Pandemiebekämpfung?

Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert“

(Albert Einstein, *14.03.1879, + 18.04.1955, deutscher Physiker)

2020 wird als das „Corona-Jahr“ in die Geschichtsbücher eingehen – so viel steht fest.

Und im März wie im Oktober des Jahres dreht sich in Alemannia dabei beinahe alles nur um zwei Begriffe, die beinahe das Gleiche meinen: „Shutdown“ oder, mittlerweile fast immer benutzt, „Lockdown“. Menschen und Medien nutzen seit Ausbruch der Corona-Seuche fast inflationär die beiden englischen Begriffe, gern auch als deckungsgleiche Synonyme.

Auch, wenn sich Politiker, wie wir im vorigen Kapitel 07 gesehen haben, alles anderes als stets „coronakonform“ verhalten – sie entscheiden letztendlich darüber, wie wir der Seuche entgegentreten. Dabei bedienen sie sich vor allem des Instruments mit den zwei Namen, bei dem es eigentlich nur um eine Strategie geht.

Höchste Zeit also, die Frage zu klären: was ist das eigentlich genau, ein Lockdown? Und wie grenzt er sich ab vom Shutdown, jenem Synonym für Verhaltensmaßregeln, welches zu Beginn der Corona-Krise häufig ins Feld geführt wurde, inzwischen, so hat man den Eindruck, aber vom Lockdown beinahe verdrängt wurde?

Eines vorweg: Die beiden Begriffe Lockdown und Shutdown haben in ihrem ursprünglichen Sinne mit der Bekämpfung einer Pandemie rein gar nichts zu tun.

Das Wort Shutdown bezeichnet „die Schließung einer Fabrik, eines Geschäftes oder anderen Unternehmens, entweder für kurze Zeit oder für immer“. So steht es im renommierten Wörterbuch „Collins Dictionary“. Das Wort bezieht sich nach dieser Deutung also allein auf die Wirtschaftswelt – oder das Herunterfahren eines Computers.

In den USA beschreibt das Wort Shutdown zudem das Herunterfahren von Politik und öffentlicher Verwaltung, wenn sich der US-Präsident und das Repräsentantenhaus im Streit um einen neuen Haushalt wieder einmal hoffnungslos emotional verkantet haben und hunderttausenden Behördenmitarbeitern Lohnausfälle drohen.

Lockdown hingegen bedeutet im Englischen einen „Zustand der Isolation, Eindämmung oder des eingeschränkten Zugangs, der normalerweise als Sicherheitsmaßnahme eingeführt wird“, lesen wir im „Oxford English Dictionary“. Mithilfe dieser Sicherheitsmaßnahmen werden bestimmte Zonen abgeriegelt, sodass die Bevölkerung sich dort nicht mehr frei bewegen kann.

Als Beispiel mag die Absperrung eines Gebiets nach einem Anschlag oder einer Naturkatastrophe zum Schutz der Menschen dienen. Es ist im Wortsinne also eher eine Grenzziehung, eine Barriere um eine definierte Zone herum als eine Stilllegung des öffentlichen Lebens in einer Zone.

In der Corona-Pandemie erhielt Lockdown im englischen Sprachraum zusätzlich die Bedeutung einer „Ausgangssperre“ (48).

Solch eine Bewegungseinschränkung durch Zwangsmaßnahmen gibt es beim „Shutdown“ nicht (49).

Wir rekapitulieren: Am 11. März 2020 ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie aus.

Als am 22. März der erste Lockdown in der Corona-Krise verkündet wird, beginnt die Zeit des Reproduktionswertes (R-Wert). Haben wir nicht alle wie gebannt jeden Tag auf die Entwicklung des Wertes, vor allem in unseren Heimatstädten und -dörfern, geschaut?

Der R-Wert sagt aus, wie viele Personen eine infizierte Person im Schnitt ansteckt.

Liegt er über 1, werden die Infektionen von Tag zu Tag mehr. Ist er gleich 1, bedeutet dies, dass die Zahl der Neuinfektionen ungefähr gleichbleibt.

Ein Wert kleiner 1 ist verbunden mit der erfreulichen Erkenntnis, dass es von Tag zu Tag weniger Neuinfektionen gibt.

Die Reproduktionszahl liegt zu Beginn des ersten Lockdowns bei 1,0. Es gibt an diesem Tag 2509 Neuinfektionen, und 18610 bestätigte Fälle. 55 Menschen sterben am Corona-Virus (50).

Hierzulande einigen sich Bund und Länder auf strenge Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes wird ein „Lockdown“ verkündet. Millionen Deutsche können nicht mehr arbeiten oder arbeiten im Homeoffice. In den meisten Bundesländern werden Schulen und Kitas bereits geschlossen, andere folgen. An den Grenzen zu Frankreich, Österreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz setzt die Bundesregierung umfassende Kontrollen und Einreiseverbote in Kraft.

In Deutschland bricht im März die Industrieproduktion ein. Sie sinkt um 9,2% gegenüber dem Februar.

Die Umsätze vieler deutscher Unternehmen halbieren sich, fast jedes fünfte Unternehmen sieht sich akut von der Insolvenz bedroht.

Die deutschen Exporte sinken im März gegenüber dem Vorjahresmonat um 7,7%, die Importe um 4,4% (51).

Streng genommen handelt es sich beim ersten Maßnahmepaket der Bundesregierung gar nicht um einen wirklichen Lockdown.

Denn anders als in Spanien oder Italien gibt es keine Ausgangssperre. Es findet keine flächendeckende Einstellung des öffentlichen Nahverkehrs statt, und man beklagt keine ausnahmslos geschlossenen Unternehmen und Fabriken.

Die Landwirtschaft, die Paketdienste, Busse und Bahnen, Feuerwehr und Polizei, die Medien, Ärzte wie Krankenhäuser, Speditionen und Millionen Mitarbeiter im Homeoffice – sie alle blieben aktiv.

Aber was war es denn dann, diese Mischung aus Kontaktbeschränkung, Schließung kommerzieller Betriebe mit erhöhtem Publikumsverkehr und direktem Körperkontakt, Stilllegung zwar vieler, aber eben nicht aller Betriebe, Schließung des Einzelhandels, Einstellung des Kulturtreibens, Verbot von Veranstaltungen, Verzicht auf Begegnungen und ortsgebundener Maskenpflicht? Es gibt bislang im deutschen Sprachgebrauch kein Wort, welches das, was Deutschland im März erstmals erlebt, wirklich zutreffend beschreiben kann (52).

Und somit werden wir uns an den „Lockdown“ bzw. „Teil-Lockdown“, der die Nachrichtensendungen anno 2020 so beherrscht wie der FC Bayern München die Fußballbundesliga, gewöhnen müssen.

Im Zuge der Covid-19-Pandemie wird im Frühjahr 2020 in vielen Ländern das wirtschaftliche Leben weitgehend heruntergefahren. Gastronomiebetriebe und Ladengeschäfte werden weltweit geschlossen.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des sogenannten „ersten Lockdowns“ vom März 2020 lassen nicht lange auf sich warten.

In der Folge brechen die Börsen ein, sinkt weltweit die Wirtschaftsleistung, steigt die Arbeitslosigkeit, und zahlreiche Staaten bitten um internationale Kredithilfe.

Die Corona-Wirtschaftskrise, auch Corona-Rezession genannt, hält die Welt im Griff. DIHK-Präsident Eric Schweitzer warnt vor wirtschaftlichen „Schäden von historischem Ausmaß“ (53).

Anfang April 2020 dürfen rund ein Drittel der Beschäftigten weltweit nicht mehr arbeiten.

Der IWF erwartet „vermutlich die schlimmste Rezession seit der Großen Depression in den 1930er Jahren“. Die Krise sei „wie keine andere bisher.“ Die Weltwirtschaft werde 2020 um etwa 3% schrumpfen (54).

Gründe genug eigentlich, um alles dafür zu tun, um einen zweiten Lockdown unter allen Umständen zu verhindern. Aber die weltweiten Corona-Maßnahmen reichen nicht aus, um das Virus entscheidend einzudämmen. Nach einer vorübergehenden Beruhigung in den Sommermonaten, steigt die Zahl der Neuinfektionen im Herbst 2020 wieder dramatisch an, die Welt befindet sich in einer zweiten Welle der Pandemie.

Am 28. Oktober startet die Bundesregierung den zweiten Versuch, mittels eines Lockdowns das Corona-Geschehen in den Griff zu bekommen. An diesem Tag beklagt Deutschland 14964 Neuinfektionen, 464239 bestätigte Fälle und 10183 Todesfälle. Der R-Wert liegt bei 1,17 (55).

Die Situation ist also noch um einiges prekärer als jene, die im März Anlass zum ersten Lockdown war. Trotzdem fallen die Beschränkungen, die Verbote der politischen Entscheidungsträger, dieses Mal glimpflicher aus, ein „Lockdown light“ wird ausgerufen, der Einzelhandel darf weiter seine Geschäfte offenhalten, Schulen und Kitas werden dieses Mal nicht geschlossen. Ein Stufenplan, der recht komplex und für viele Menschen in unserem Lande nur schwer nachvollziehbar ist, tritt in Kraft.

Da fragt man sich unweigerlich: Alles diesmal nur halb so schlimm?

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich Merkel. Söder und Co. dem zunehmenden Druck aus Bevölkerung und Wirtschaft beugen. Jetzt, wo, bedingt durch die zunehmenden Lockerungen und die neuen, aggressiveren Virusmutationen die Zahl der Neuinfektionen und die 7-Tage-Inzidenz wieder leicht ansteigen, werden, wenn auch von mehreren Landesvätern offenkundig nur widerwillig, erste Fesseln gelöst.

Dass der ein' oder andere die Lockdown-Maßnahmen der Bundesregierung, so nötig sie auch sein mögen, mehr als kritisch sieht, wird zunehmend nachvollziehbar.

Es hat den Anschein, als wäre in Deutschland nicht früh, nicht konsequent genug gehandelt worden.

Wäre man im Frühjahr ein wenig rigider gewesen, ginge es unserem Land im Frühjahr 2021 womöglich um einiges besser.

Die Ansicht, dass es besser gewesen wäre, direkt für einen längeren Zeitraum „alles dicht“ zu machen, anstatt die Bevölkerung durch stets von neuem verlängerte Lockdown-Perioden einem monatelangen Wechselbad zwischen Hoffnung und Ernüchterung auszusetzen, darf man durchaus vertreten.

Die Kanzlerin hätte einen von Beginn an längeren Lockdown dem Vernehmen nach wohl bevorzugt, die Länderminister lehnen dies infolge der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten jedoch ab.

Auch fragt sich manch einer: Ist das, was die Staatsoberen da beschließen, wirklich geeignet, um das Ziel zu erreichen? Sind die Gebote und Verbote in sich stimmig?

Vielleicht sollten die „Corona-Entscheider“ hier und da noch einmal nachjustieren. Denn die Akzeptanz von Maßnahmen, die nicht ausgewogen erscheinen, ist in der Bevölkerung erfahrungsgemäß durchaus überschaubar.

Möglicherweise liegt der eigentliche Sinn des "Lockdowns" letztlich auch nicht allein darin, das Virus zu bekämpfen, sondern zudem darin, die Krise wieder für jedermann sichtbar zu machen.

Denn die Angst vor Corona hat Umfragen zufolge in den Sommermonaten deutlich nachgelassen.

Die Langzeit-Studie „Cosmos“ von Uni Erfurt und Robert Koch-Institut aus dem Oktober 2020 zeigt, das "gefühlte Risiko" sei der wichtigste Anhaltspunkt dafür, ob und wie diszipliniert sich Menschen an Corona-Regeln halten (56).

Geschlossene Kneipen könnten dieses Risikobewusstsein möglicherweise steigern.

Nicht vergessen sollte man bei aller Kritik am Lockdown aber auch, dass wir im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn noch ziemlich gut dastehen.

Bayern Ministerpräsident Söder wird nicht müde zu betonen, dass wir uns anno November 2020 durchaus glücklich schätzen dürfen, weil wir uns in Deutschland im November 2020 im „mildesten Lockdown, den es derzeit in Europa gibt“, befinden (57).

Die fürchterlichen Impressionen aus anderen Teilen der Welt haben wir wohl alle noch im Kopf. Glück im Unglück sozusagen. Wir tun gut daran, uns dies regelmäßig ins Bewusstsein zu rufen.

Tun wir das nicht, indem wir die Corona-Verhaltensregeln ignorieren oder vernachlässigen, kann es schnell dazu kommen, dass das, was so „weit weg“ scheint, schon bald unsere eigene tagtägliche Realität wird.