Spannung zwischen Bäumen

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Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Spannung zwischen Bäumen
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa


Dieser Titel ist auch als Printausgabe erhältlich

ISBN 978-3-940 562-44-9

Sie finden uns im Internet unter

www.ziel-verlag.de

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Inhalt und Form des vorliegenden Bandes liegen in der Verantwortung des Autors.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-944 708-22-5 (eBook)


Verlag:ZIEL – Zentrum für interdisziplinäres erfahrungsorientiertes Lernen GmbH Zeuggasse 7– 9, 86150 Augsburg, www.ziel-verlag.de 2. überarbeitete Auflage 2010, Nachdruck 2014
Grafik und Layoutgestaltung:Petra Hammerschmidt, Vanessa Schnurre, Friends Media Group GmbH Zeuggasse 7, 86150 Augsburg
Gesamtherstellung:Friends Media Group GmbH www.friends-media-group.de
Zeichnungen:Philipp Strasser
Fotos:Philipp Strasser, Traude Steurer, Michael Katzler, Petra Schuster

© Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

eBook-Herstellung und Auslieferung:

HEROLD Auslieferung Service GmbH

www.herold-va.de

Mit besonderem Dank an Walter Siebert, der für zahlreiche Übungen die Standard Operating Procedures zur Verfügung gestellt und die sicherheitstechnische Endüberprüfung des Buches übernommen hat. Sein unermüdliches Streben nach Sicherheit und der Wille, diesbezüglich immer wieder alles zu hinterfragen – kombiniert mit der Offenheit, anderen Menschen zuzuhören und sich gegebenenfalls von deren Argumenten und Erfahrungen umstimmen zu lassen, sind beeindruckend.

Vielen Dank für die Unterstützung auch an …

… Petra Schuster, deren Anwesenheit und wunderschönes Haus im Ennstal die perfekte Umgebung zum Schreiben dieses Buches boten (und die auch das Foto von mir geschossen hat …)

… Anita Nemeth, Ursula Schürer, Traude Steurer, Veronika Wassertheurer, Andrea Obereigner, Rainer Kudrna, Andrea Pfeiffer, Barbara Tegtbauer, Sandra Wehowar und Thomas Wielander für die Mithilfe bei den zahlreichen Erstbauten

… Gert Schweiger, der über den besten Wald zur Errichtung von temporären Seilbauten verfügt und diesen zur Verfügung stellte

… Barbara Kleemair, Nora Schütz und Sigi van Bosche, Phillip Rehberger (Coverfoto) kletternde Fotomodells

… Michael Rehm, für’s Korrigieren, Änderungsvorschläge und für den „Tritt in den Hintern“ dieses Buch jetzt endlich rauszubringen

… Herbert Philipp, der sich unermüdlich auf die Suche nach Kommafehlern und sonstigen Ecken und Kanten im Text gemacht hat

… und an all jene, die durch Feedback und Anregungen über das Buch in der ersten Auflage mitgeholfen haben, diese nun vorliegende zweite Auflage noch verständlicher und praktischer zu gestalten

Philipp

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Risiken und Gefahrenhinweise

Redundanz, Zero Accident und andere Sicherheitsthemen

Was ist ein temporäres Seilelement beziehungsweise ein temporärer Seilgarten?

Materialbelastungen in der temporären Seilarbeit

Teilnehmersicherung in Bodennähe

Low V

Der Wickelknoten

Der externe Flaschenzug

Expressflaschenzug, Kreuzklemmknoten, Schleifknoten, Mercedesknoten

Schraubglied oder Verschlußkarabiener

Postman’s Walk

Anbringen von Aktionselementen am gespannten Seil

Low Buckets

Pizzeria, Autoreifen, Wobbly Logs

Anbringen eines Seiles in der Höhe ohne Beklettern des Baumes

Sanduhr und Ship’s Crossing

Anbringen einer Baumschlinge in der Höhe ohne Beklettern des Baumes

Multivine Traverse

Pulleywalk, Deep Buckets

Der Mohawk Walk

Der Waldspielplatz

Low Wobbly V

Der Schmetterlingsknoten

Achterknotenschlinge versus Schmetterlingsknoten

Niedere Zugbrücke

Schritte auf dem Mond

Hohe temporäre Elemente

N Sicherung für einen Teilnehmer

Das Sicherungsdreieck

Teilnehmer-sichern-Teilnehmer

Der Elevator

Langer Weg zum Himmel

Beko N Sicherung für zwei oder mehr Teilnehmer

Die Riesenleiter

Der Kastenbund

Das vertikale Labyrinth

Stationäre Toprope mit Canopee über Element

Das Kistenklettern

Der interne Flaschenzug

Der Elevator mit internem Flaschenzug

Feuerleiter

Mitlaufende Toprope für einen Teilnehmer

Wolf im Schafspelz

Fertig zum Beamen

Assisted Wobbly Logs

Mitlaufende Toprope mit Canopee über Element für zwei Teilnehmer

Hohe Zugbrücke

Quellenverzeichnis

Der Autor

Vorwort

Vor ungefähr 20 Jahren habe ich den Begriff „Zero Accident“ auf den Bereich Hochseilgarten/Ropes Courses übertragen. Als Bergführer war ich bei meiner Tätigkeit immer mehr in die Zwickmühle geraten: Ich konnte einerseits meinen Kunden tolle Erlebnisse ermöglichen, andererseits war ich alljährlich mit schweren Unfällen konfrontiert. Umso begeisterter war ich, als ich von meinem Freund Bill Daniels das Konzept „Zero Accident“ lernte. Meine Begeisterung wollte ich mit anderen Kollegen teilen – und erntete großteils Ablehnung.

 

Umso erfreulicher, dass Philipp Strasser mit diesem Buch ein oft vorgebrachtes Argument widerlegt: Es ist tatsächlich möglich, unzählige Übungen nach diesem Konzept zu bauen.

Allerdings wird er sich damit nicht nur Freunde machen.

Ein Beispiel: Er empfiehlt, den Mohawk Walk und ähnliche Low Elemente durch 4 Sicherer pro übende Person zu sichern (spotten, wie es im englischen heißt). Nun ist bekannt, dass diese Übung häufig völlig ohne Sicherung gemacht wird. Wie geht es so einem Trainer, der dieses Buch liest? Das Logische wäre, das Sicherheitskonzept zu verändern und fortan mit Vierer-Sicherungsteams zu arbeiten. Doch meine Erfahrung ist leider eine andere. Obwohl Unfälle passieren, wird darauf oft nicht reagiert. Wenn sich ein Kind einen Arm bricht, „gehört das einfach dazu“.

Dieses Buch könnte ein Beitrag sein, dass es einfach nicht mehr dazugehört, und dass dennoch das Erlebnis nicht leidet. Es sind übrigens immer nur Trainer, die mit „so viel Sicherheit“ ein Problem haben (abgesehen von undisziplinierten Gruppen, die sowieso mit jedem System ein Problem haben, egal ob redundant oder nicht).

Philipp Strasser hat nur bewährte Konstruktionen und Prozesse aufgenommen. Somit besteht die Hoffnung und Chance, dass sich in diesem Bereich etwas verändert: Tolle Erlebnisse mit lediglich erlebtem Risiko.

Walter Siebert

Einleitung

Die Nutzung der Natur als Raum für Erholung und Abenteuer hat lange Tradition. Zunächst wurde sie genau so verwendet wie sie sich selber gestaltet, lediglich Wege verschafften Zugang. Erst im zwanzigsten Jahrhundert entwickelte sich der Trend, die Natur weitläufig zu verändern, um sie noch besser und vor allem für die breite Masse und damit für die Freizeitwirtschaft nutzbar zu machen. Die Errichtung von Liftanlagen und das Anlegen von Skipisten sind eines der am deutlichsten sichtbaren Beispiele für diese Art der Eingriffe.

In den letzten Jahren wird diese Entwicklung auch im Sommerfreizeitbereich immer deutlicher sichtbar, der Bau von Sommerrodelbahnen aber ebenso Waldseilparks boomt. Diskussionen über die Verwendung von Beton im Wald oder die Notwendigkeit von Kernbohrungen in Bäumen sind in Fachkreisen in der Zwischenzeit an der Tagesordnung. Wie weit ist es ethisch vertretbar, die Natur zu verändern, um sie besser für Freizeitzwecke nutzen zu können?

Auch die temporäre Seilarbeit nutzt primär die Natur als Raum für Abenteuer und Erlebnis. Sie bietet jedoch die Möglichkeit, jeden verwendeten Ort genau so zu verlassen, wie er vorgefunden wurde. Natürlich ist es unvermeidbar, dass alleine durch die Anwesenheit von Menschen die Tiere des Waldes gestört werden können, der Boden sich verdichten kann und auch trotz der Verwendung von Baumschonern jede Berührung eines Baumes leichte Spuren hinterlassen kann.

Der berühmte Bergsteiger Edmund Hillary brachte dieses Thema auf den Punkt: „Nichts mitnehmen außer Fotos – nichts hinterlassen außer Fußspuren“.

Die temporäre Seilarbeit ermöglicht es, herausfordernde Seilelemente in die verschiedensten Örtlichkeiten zu zaubern. Bäume, Felsen, Brücken oder Häuser können ebenso integriert werden wie Beton- und Stahlkonstruktionen in Sporthallen oder Einkaufzentren.

Die Seilelemente können bodennah konstruiert werden oder Teilnehmer in Schwindel erregenden Höhen den Atem stocken lassen. In der Abgeschiedenheit von Wäldern und Bergen oder im Tumult der Städte, für temporäre Seilelemente ist (fast) überall Platz.

Doch nicht nur von den Räumlichkeiten her bietet die temporäre Seilarbeit unendliche Möglichkeiten. Auch die einzelnen Elemente bieten Variationen für alle Arten von Zielgruppen. Kleinkinder oder Fünfzig-Plus, Rollstuhlfahrer oder Menschen mit anderen besonderen Ausgangslagen, Kletterer oder Büroangestellte, einzelne Personen oder große Gruppen, in der temporären Seilarbeit gibt’s für jede Zielgruppe das passende Element. Teambildung, Kommunikation, Aggressionsbewältigung, das Kennen lernen und möglicherweise Überschreiten eigener Grenzen oder einfach nur Spaß am Klettern, an der Bewegung und an der Höhe – auch die Motive und Ziele verschiedener Übungen lassen sich mannigfaltig aufbereiten.

Das verwendete Material wie Seile, Verschlusskarabiner, Abseilgeräte oder Rollen stammen ursprünglich zum Großteil aus dem Alpinismus, jedoch gerade bei stark frequentierten Elementen empfehlen sich teilweise besser geeignete Gerätschaften aus dem Industrieklettern und aus der Arboristik. Gerade im bodennahen Bereich, insbesondere bei der Verwendung von Schwerlastgurten, kann die Belastungsgrenze von herkömmlichen Klettermaterialien oftmals nicht mehr ausreichen.


Weiters lassen sich Rundlinge und andere Hölzer ebenso integrieren wie Autoreifen, Luftballons, Stoffe und so weiter – solange die Regeln der Sicherheit befolgt werden, sind der Phantasie nahezu keine Grenzen gesetzt.

In diesem Buch werden zahlreiche neue Elemente vorgestellt, herkömmliche Elemente wurden überarbeitet und auf den neuesten Stand der Technik und Sicherheitsanforderungen gebracht. Der Schwerpunkt dieses Buches liegt beim Bau und bei der Konstruktion dieser Elemente.

Für diese zweite Auflage wurden einige Tipps und Tricks verbessert und Darstellungen leicht adaptiert. Aufgrund einiger Hinweise von Lesern, wurde der unterschiedliche Gebrauch von Schraubgliedern und Verschlusskarabinern in der temporären Seilarbeit in einem eigenen Kapitel herausgearbeitet.

Zunächst werden niedrige Elemente ohne Seilsicherung vorgestellt. Mithilfe zahlreicher hier vorgestellter Tricks können etliche niedere Elemente errichtet werden, ohne während des Baus den Boden zu verlassen. Dies kann besonders für Personen relevant sein, die im Zuge ihrer Arbeitstätigkeit aus rechtlichen Gründen nicht in der Höhe arbeiten dürfen.

Im Anschluss werden hohe Elemente beschrieben, die an den Erbauer noch relativ geringe Anforderungen stellen, so ist etwa beim Kistenklettern lediglich eine Toprope-Sicherung zu verlegen. Weiters werden Elemente mit aufwändigeren Konstruktionen gezeigt, wie etwa die hohe Zugbrücke oder die Feuerleiter, die sowohl klettertechnisch als auch architektonisch den Erbauer vor weit höhere Anforderungen stellen. Passend zu den jeweils besprochenen Übungen werden zahlreiche Tricks und Sicherungshinweise erläutert.

Das Buch baut insgesamt chronologisch auf. Sie erhalten Tipps und Tricks zur Konstruktion eines Elements, aber auch zu dessen Betrieb und Sicherung und jeweils im Anschluss die Elemente, bei denen das Gelernte Anwendung findet.

Knoten, Bünde oder Bauweisen, die besonders in der temporären Seilarbeit Anwendung finden, werden detailliert und mit zahlreichen Darstellungen erklärt, Anwendungen, die auch in anderen Bereichen angewandt werden, wie etwa der Achterknoten oder der Halbmastwurf, werden in diesem Buch nicht näher erörtert.

Besonders erfreulich ist, dass der Outdoorbereich keine reine Männerdomäne mehr darstellt. Frauen am Berg, egal ob Bergführerinnen oder Skilehrerinnen, waren noch bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts eine Ausnahmeerscheinung. Heute dürfte die Zahl der Frauen beziehungsweise Männer, die im Outdoorbereich tätig sind, annähernd gleich hoch sein. Trotzdem wird aus Gründen der leichten Lesbarkeit auf genderneutrale Formulierungen in diesem Buch verzichtet. Eine Formulierung wie „Der (Die) Trainer/Trainerin ist dafür zuständig, den jeweiligen aktiven Teilnehmer/die jeweilige aktive Teilnehmerin bzw. die Spotter/Spotterinnen auf diese Gefahren hinzuweisen und das richtige bodennahe Sichern bereits „im Trockenen“ solange zu üben, bis es ohne Diskussion und Trainer/Trainerinnenintervention funktioniert.“ stellt durch die Unverständlichkeit eher ein Sicherheitsrisiko dar.

Dieses Buch soll nicht nur vorhandene Elemente und neue Ideen präsentieren, es soll zur Diskussion über Technik, Sicherheit, Bauweisen und das rechtliche Regelwerk rund um die Seilarbeit anregen – und es soll aufzeigen, dass Kreativität und Sicherheit kein Widerspruch sind, im Gegenteil, sie gehen Hand in Hand.

Risiken und Gefahrenhinweise

1 Dieses Buch richtet sich an Ropes Course Trainer und andere Fachkräfte, die bereits über eine fundierte Ausbildung und Praxis in der Seilarbeit verfügen. Diese sind Grundvoraussetzung für den Bau und Betrieb der hier beschriebenen Elemente.

2 Das Buch ersetzt nicht eine fundierte Ausbildung im Bereich der Seilarbeit.

3 Wissensbereiche wie Arboristik (Baumkunde), Seil- und Materialkunde, Wetterkunde, rechtliche Aspekte der Outdoorarbeit, Sicherungs-, Rettungs- und Bergetechniken, Knotenkunde und Leitung von Gruppen werden in diesem Buch nicht vollständig behandelt und als bereits gegeben vorausgesetzt.

4 In diesem Buch werden lediglich Konstruktionspläne temporärer Seilelemente und nur peripher deren Bau und Betrieb behandelt. Das Wissen über Standortauswahl, Eigensicherung, Teilnehmersicherung (mit Seilen, spotten etc.), Teilnehmereignung für die jeweiligen Übungen und so weiter wird vorausgesetzt.

5 Dieses Buch ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung auf aktuellem Stand. Es entbindet den Erbauer beziehungsweise den Betreiber der jeweiligen Anlage nicht, sich über Änderungen beim Bau, beim Betrieb, beim Material, bei der Gesetzgebung, bei Normen und Standards und so weiter zu informieren. Weiters sollen Erfahrungen weitergegeben und die Elemente eigenständig auf Fehler überprüft und diese gemeldet werden.

6 Eine fundierte Ausbildung und Erfahrung im Bau von Seilelementen ermöglicht es dem Erbauer beziehungsweise dem Betreiber der hier beschriebenen Elemente und Übungen, Fehler beim Material, in den Beschreibungen oder mögliche missverständliche Formulierungen eigenständig festzustellen, daraus mögliche Risikoquellen zu erkennen und Schäden zu vermeiden.

7 Der Autor haftet nicht für Schäden, die im Zusammenhang mit dem Bau und dem Betrieb der hier beschriebenen Elemente auftreten.

8 Es sollen nur Übungen angewandt werden, die die psychische und physische Sicherheit der TeilnehmerInnen gewährleisten.

9 Lesen Sie vor dem Bau beziehungsweise dem Betrieb einer der hier beschriebenen Übungen den gesamten Kommentar und berücksichtigen Sie den chronologischen Aufbau dieses Buches.

Redundanz, Zero Accident und andere Sicherheitsthemen

Die in diesem Buch vorgestellten Übungen und Elemente sind nach bestem Wissen und Gewissen nach dem neusten Stand der Sicherheit ausgesucht und aufbereitet. Die Übungen sind in der Regel redundant gebaut.

Redundanz bedeutet, dass alle sicherheitsrelevanten Bereiche mit doppelter Sicherheit ausgelegt sind. Sie bezieht sich jedoch nicht nur auf das Material und die Bauweise, Redundanz ist gerade dort besonders wichtig, wo menschliches Versagen zu einem Unfall führen kann. Das Vier-Augen-Prinzip und klare Kommunikation zwischen zwei Verantwortlichen, zum Beispiel beim Überprüfen des Sicherungsgurtes oder beim Einhängen eines Teilnehmers in die Sicherung, stellen einen wesentlichen Punkt der Redundanz dar – auch wenn dieser Aspekt in diesem Buch nur oberflächlich behandelt wird.

Ob ein Element tatsächlich redundant gebaut ist, lässt sich am besten prüfen, indem man fragt: „was würde passieren, wenn dieser Karabiner versagt“ oder „… ich dieses Seil zerschneide“ oder „… dieser Ast bricht“. Ein tatsächliches Versagen der ersten Sicherungskette muss es in diesem Sinne ermöglichen, den betroffenen Teilnehmer immer noch sicher auf den Boden zurück zu bringen – die zweite Sicherungskette hat daher nicht unbedingt den Anspruch, das Wesen der Übung zu erhalten, sondern lediglich, den betroffenen Teilnehmer weiterhin abzusichern. Es ist daher nicht unbedingt nötig, dass erste und zweite Sicherungskette identisch gebaut werden. Überall dort, wo menschliches Versagen zu einem Absturz führen kann, also etwa Karabiner, die bei Teilnehmerwechseln ein – und ausgehängt werden, ist die Redundanz ein Muss.

Es gibt jedoch auch Bereiche, wo die Redundanz an ihre Grenzen stößt oder sich selber ad absurdum führt. Nicht redundante Teilbereiche in diesem Buch werden klar gekennzeichnet und es wird erklärt, warum gerade hier auf Redundanz verzichtet werden musste. Dort, wo Redundanz sinnvoll nicht geboten werden kann, sollte stattdessen eine angemessene Materialüberdimensionierung verwendet werden, also etwa doppelte Bruchlast wie bei redundanter Bauweise.

 

Fazit

Redundanz überall dort, wo sie sinnvoll möglich ist, ein Weglassen der Redundanz verursacht Erklärungs- und Handlungsbedarf.

Neben der Redundanz ist auch die Kontinuierlichkeit der Sicherheit ein wesentliches Thema. Daher werden in diesem Buch keine aufeinander folgenden Übungen gezeigt, bei denen sich der Teilnehmer eigenständig mit Hilfe eines Klettersteigsets umhängen muss und sich damit im schlimmsten – aber leider immer wieder auftretenden Fall – eigenständig entsichern und damit in Lebensgefahr bringen kann.

Auch beim Zero Accident Prinzip sind die Redundanz und die kontinuierliche Sicherung ein wichtiges Thema. Der von Walter Siebert geprägte Begriff „Zero Accident“ bedeutet nicht, dass es niemals zu einem Unfall kommen kann – es bedeutet lediglich, dass kein Unfall oder Vorfall unberücksichtigt bleiben soll1. Kommt es bei einem Material, einer Bau- oder Vorgehensweise zu einer tatsächlichen Gefahr oder zu einem Unfall, so muss ergründet werden, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Schaden und der angewendeten Methode gibt – wenn ja, so muss diese verbessert oder weggelassen werden. Weiters ist es auch wichtig, dieses Gefahrenpotential anderen Betroffenen zugänglich zu machen, hier bieten sich besonders fachspezifische Internetforen an, z.B. www.rcforum.cc.

Verschiedene Errichter und Betreiber von Seilkonstruktionen entwickeln jeweils ihre eigenen Bauweisen und erarbeiten sich im Laufe der Zeit viel Know How. Selbstverständlich ist dieses Know How ein Vorsprung gegenüber konkurrierenden Anbietern und wird teilweise nur ungern oder gar nicht weitergegeben – das ist verständlich. Beim Aspekt der Sicherheit muss diese Abschottung ein Ende haben, hier ist es eine Frage der Ethik, nicht nur Unfälle und Vorfälle zu veröffentlichen, sondern auch Neuentwicklungen dem gesamten Markt zugänglich zu machen.

1 Walter Siebert: Zero Accident. Qualitätsstandards für erlebnisorientierte Wirtschaftstrainings

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