Loe raamatut: «Weisheiten aus dem Herzen»
Inhalt
Impressum 4
Zitat 5
Widmung 6
1. Kuvvet und der Weise 7
Der Tümpel 8
Die Seifenblase 12
Lehrt mich das Weinen 16
Des Menschen Lebensweg 18
Wo wir stehen 20
Die Perle 22
Das Fernrohr 24
Das Leben und der Tod 26
Das Wissen 28
Ein Vogel 29
Der Grashalm 30
Der Kompass 31
Das Band zu Allah 32
2. Kuvvet 33
Der Sänger 34
Lohn und Strafe 39
So sprich zum Sonnenuntergang 43
Die Ameise 46
Wo bist du? 49
Die Sterne 51
Das Rotkehlchen 53
Sprich mit dem Baum 55
Brennende Meere 57
An den Schöpfer 58
Die Wahrscheinlichkeit 60
Der Traum 61
Die Straßenlaterne 63
3. Von Kuvvet 64
Das Eis 65
Komm herunter 69
Die Schwingen 73
Leidenschaftliches Brennen 77
Die stille Brust 81
Das Feuer 84
Die Sonne 87
Die Wand 90
Der reißende Strom 93
Versprichst du mir das? 96
Der Wandel der Perle 99
Der Untergang 101
Das seltsame Spiel 103
Der Schatten 105
Da hinauf 107
Das Meer 109
Nicht sie 111
Liebe dich 113
Der hastige alte Mann 115
Die Weisheit der Bäume 117
Liebst du? 119
Ich will 120
Helden im Verborgenen 121
Der Schneemann 122
Die Schnecke 123
Das Licht 124
Mut zusprechen 125
Das Wunderland 126
Wunder zulassen 127
Der einsame Baum 128
Monolog 130
Die Liebe 132
Seelenreich 133
Mein Islam 134
Der junge Knabe 135
Ruhe 136
Die Kraft, die in mir ruht 137
Liebe 138
Nachwort 139
Impressum
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© 2022 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99107-655-1
ISBN e-book: 978-3-99107-656-8
Lektorat: Laura Hiermann
Umschlagfoto: Absentanna, Anna Poguliaeva | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
Zitat
„Ich glaube daran, dass jede große Religion,
sei es Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus oder Buddhismus,
zu einer Vollkommenheit, Erleuchtung und Erlösung führen kann.
Ich glaube an Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Frieden und Menschenrechte.
Und ich glaube, trotz aller Hindernisse auf Erden, dass der Mensch edel, kostbar und Erbe der Tugenden ist.
Alle auf der Welt, die das Gute wählen und die Vollendung suchen, sind meine Schwestern und Brüder.
All denjenigen, die ‚Suchende‘ im Leben sind, sei dieses Werk gewidmet.“
Widmung
Im Namen des Guten, des Erhabenen, des Gerechten, des Tugendhaften, der Vollkommenheit …
… gewidmet sei dieses Buch Ihm, dem Schöpfer der Welten …
… Möge dieses Buch den Lesenden eine Stütze im Leben sein, ihm Kraft und Mut schenken; möge dieses Buch dem Leser neue Denkweisen vermitteln und kleine Denkanstöße geben, sodass dieses Werk einen kleinen Beitrag dazu leistet, dass der Zwiespalt auf Erden etwas gemildert werde …
1. Kuvvet und der Weise
Eine junge Frau namens Kuvvet suchte zeit ihres Lebens nach Wahrheiten.
Sie sammelte an allen Ecken der Welt kostbares Wissen und auch in ihren Glauben, den Islam, vertiefte sie sich, um Antworten auf ihre Fragen zu finden.
Und dann war die Zeit reif.
Die Schülerin war bereit.
Und sie begegnete dem Weisen.
Dieser erkannte das lichte Wesen in Kuvvet.
So beschloss der Weise, Kuvvet zu unterrichten in Wahrheiten und Weisheiten.
… Es begann die Belehrung, die Kuvvet fortan den Weg ebnen sollte.
Der Tümpel
Kuvvet und der Weise führten ein Gespräch.
Immer wieder hielt der Weise während dieses Gespräches inne und schmunzelte, bis er in fernen Gedanken versank.
„Du erinnerst mich an jemanden.“
Aus Neugierde schüttelte sie fragend ihren Kopf. „An wen erinnere ich Sie?“
„Willst du eine Geschichte hören?“
„Gerne.“
„So lass mich dir von dieser Person erzählen.“
Kuvvet stimmte dem bei: „Gerne höre ich Ihnen zu.“
Somit sprach der Weise.
Es ward die Geschichte über einen Erwachten.
„Vor langer Zeit, als das Leben noch weniger kompliziert, aber genauso turbulent - wenn nicht sogar noch turbulenter und gefährlicher war, lebte ein kleiner Junge. Er war ein ganz gewöhnlicher Junge. Hin und wieder blieb er an bestimmten Gedanken und Sinnfragen hängen, doch da er nun einmal so jung, unerfahren und mitunter gleichgültig war, schüttelte er diese ebenso schnell wieder ab und ging seinem Leben als ganz gewöhnlicher Junge nach.
Das Kind wusste ja nicht, dass es in Wahrheit schlief. Trotz allem … der Junge wuchs. Er wurde reifer, er lernte viel, er dachte viel nach … über Gott und die Welt … einfach über so ziemlich alles, worüber man nachdenken konnte … Und irgendwann wurde dieser junge Mann von einem Fluch gepackt. Wie besessen wollte er mehr erfahren, wollte noch mehr wissen, wollte noch viel mehr in sich aufsaugen über Gott und diese Welt. Und dann, eines Tages, wachte dieser Mann auf. Und das, was er sah, raubte ihm nahezu den Verstand … Er war nämlich gar nicht in der Welt, in der er zu sein glaubte. Stattdessen steckte er bis zur Hüfte in einem Sumpf. Seltsam ist, dass er von seinem Hals abwärts mit der schleimigen, brüheartigen Flüssigkeit beschmiert war … Etwas oder jemand musste ihn, als er sich dessen selbst nicht bewusst gewesen war, zur Hälfte daraus befreit haben. Immer noch ungläubig und verwirrt ließ er daraufhin seinen Blick über die nähere Umgebung schweifen. Und erneut traf ihn ein gewaltiger Schlag. Überall um ihn herum ruhten Menschen bis zu ihren Hälsen in dieser Brühe. Ihre Augen waren mit undurchsichtigen Brillen bedeckt und in ihren Ohren steckten Ohrenstöpsel. Wenn bei jemandem einer dieser Stöpsel herausfiel oder die Brille verrutschte, kreischte der Mensch sofort erschrocken auf, bis einige düstere Gestalten kamen und den Menschen mit einem flüchtigen Tritt zur Ruhe brachten, die Täuschungsmittel wieder anlegten und verschwanden … Der Erwachte war am Rande der Verzweiflung. Schließlich sah er nun alles klar und deutlich, doch war er noch gefangen, denn er steckte weiterhin in diesem dickflüssigen Sumpf … Anfangs zappelte er wie wild, wollte unbedingt raus aus diesem Tümpel, zerrte und zog mit aller Kraft … und merkte nicht einmal, dass er sich dadurch nur fester und gefährlicher in das Pflanzengewirr an seinen Beinen verstrickte. Zu allem Überfluss kamen irgendwann aufmerksam gewordene Tierchen dieses modrigen Gewässers. Alarmiert fingen sie an, ihn zu beißen und zu kratzen … In Panik geraten, wurde der junge Mann um ein Vielfaches hektischer und schrie um Hilfe, doch keiner hörte ihn … Später fand er heraus und wusste, dass ihn etwas oder jemand ein Stück befreit hatte und nun sehen wollte, ob er es wert war, diese Hilfe erhalten zu haben. Daher musste der Jüngling aus eigener Kraft aus dieser Situation herauskommen … Nach langer Zeit, als er schon fast am Ende seiner seelischen und physischen Kräfte angelangt war, blitzte es plötzlich in ihm auf … Die gefährlichen, giftigen Tierchen und später auch die seltsamen, teuflischen Gestalten, die allesamt mit geballter Macht auf ihn einschlugen und versuchten, ihn an seinen Platz zurückzumanövrieren, glaubten schon an ihren Sieg. Aber, wie gesagt, der Geistesblitz überkam den Mann und ein ruhiges Lächeln nahm von ihm Besitz … Dann änderte unser Held seine Strategie. Weißt du, was er gemacht hat? Gar nichts hat er mehr gemacht. Er ließ seine müden Beine, die trotz aller Mühe immer noch im Sumpf steckten, zur Ruhe kommen und ignorierte die wutentbrannten Tierchen völlig. Und auch die seltsamen Gestalten, die oberhalb des Gewässers schwebten, ließ er unberücksichtigt weiter auf sich eindreschen. Er hatte sich schließlich daran gewöhnt. Er sah einfach über alles hinweg. Jeden Schmerz glich er mit der Vorfreude aus, eines Tages frei zu sein, eines Tages seinen gerechten Lohn zu erhalten, eines Tages dem freundlichen Helfer, der ihn so weit aus dem stinkenden, modrigen Gewässer geführt hatte, gegenüberzustehen … Ein unglaubliches Verlangen nahm, wie schon einmal zuvor, von ihm Besitz. Endlich wusste er, endlich verstand er, was wirklich um ihn geschah … Zunächst war er sehr glücklich, aber er war auch sehr naiv. Er glaubte nämlich fest daran, alle Menschen retten zu können. Daher fing er an, jedem in seiner Nähe die Brille zu entreißen und die Ohrenstöpsel herauszuziehen … Doch hatte er nicht daran gedacht, dass diesen Leuten noch andere Sicherungen angelegt worden waren: Man hatte sie vergessen lassen, dass sie ein Herz besaßen. Zwar sahen sie die Wahrheit, doch nahmen sie diese nicht an. Sie kniffen ihre Augen zusammen, drückten ihre Ohren zu und fingen an, lauthals zu schreien, bis die für die Betäubung verantwortlichen Wesen kamen und sie von ihren Qualen erlösten. Daher ließ er von ihnen ab und konzentrierte sich erneut auf seinen Weg durch den sumpfigen Ozean … Er wurde älter, wurde weiser, wurde stärker und wurde unnachgiebig. Über all die langen Jahre, die verstrichen, hörten die Tierchen und Dämonen nur sehr selten auf, ihn zu quälen, aber manches Mal griff wieder eine helfende Hand ein und verscheuchte diese Wesen, sodass er verschnaufen konnte. In diesen kurzen Momenten erholte er sich halbwegs und verbeugte sich unendlich dankbar vor seinem Helfer. Und manchmal … spürte er einen warmen, zarten Windhauch an sich vorbeiziehen, der ihn lieblich berührte und seine tiefen, brennenden Wunden kühlte. Der Mann wusste, jemand wollte ihm Mut zusprechen, ihm eindrücklich mitteilen, er solle nicht aufgeben. Denn täte er das so würde er bald schon wieder anfangen, in dem Dreck zu versinken. Das durfte nicht geschehen, unter keinen Umständen! Mit einer urgewaltigen Sehnsucht und Liebe hob er unendlich oft kurz vor dem Aufgeben mit einer unermüdlichen Entschlossenheit seinen Kopf, starrte geradewegs in die Augen der Teufel und machte ihnen klar, dass er sich nicht mehr einschüchtern lassen würde … Mit ruhigen Griffen suchte er von jener Zeit an in seiner unmittelbaren Umgebung nach festen, verlässlichen Gegenständen, wie aus dem Gewässer ragendem Felsgestein oder großen Pflanzen, und zog sich mit deren Hilfe vorsichtig voran … Oh ja, wie oft war er dabei zu ertrinken, und wie oft wiederum fand er später einen seichteren Weg, auf dem er sogar recht bequem voranschreiten konnte … Es ging immerzu hin und her. Manches Mal fühlte er sich wie ein Engel, frei und glücklich, und manches Mal wurde er gnadenlos auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und immer wieder ging er erneut seinem Weg nach … Denn er wollte seinem Helfer beweisen, dass er stark genug war, aus dem Tümpel herauszukommen. Er würde es schaffen. Das wusste er … All das machte ihn nahezu atemlos, weil der mittlerweile gereifte Mann merkte, wie unendlich schön, vollkommen, einzigartig und allumfassend der Unbekannte war … und um wie vieles diese Schönheit noch größer sein musste, als seine Vorstellungskraft zu fassen imstande war … Er musste ihn sehen! Er musste ihn finden. Irgendwie … Manchmal wollte er vor lauter Liebe nicht mehr aufhören, zu ihm zu sprechen… und manchmal senkte er beschämt wegen seiner Schuldhaftigkeit und Schlechtigkeit den Kopf. Und immer wieder flüsterte er seinem Helfer zu, dass er nicht aufgeben wolle, nur für ihn, für diese Sehnsucht wolle er die Leiden des Tümpels ertragen, um eines Tages für immer und ewig von seiner Liebe umschlossen zu werden …“
Die Seifenblase
Kuvvet und der Weise unterhielten sich.
Und als das Gespräch sich seinem Ende zuneigte, verstummte der Weise und blickte Kuvvet warmherzig an.
„Immer, wenn ich dich in letzter Zeit sehe, Kuvvet, kommt mir eine meiner alten Geschichten in den Sinn.“
„Um welche Geschichte handelt es sich?“
„Um eine Geschichte, die von einer ganz bestimmten Seifenblase erzählt.“
Verwirrt schaute Kuvvet auf. „Eine Geschichte über eine Seifenblase?“
Der Weise nickte sachte. „Willst du die Geschichte hören?“
„Ja. Gerne.“
„So erzähle ich sie dir.“
Und der Weise erzählte.
Es war die Geschichte über die Weiterentwicklung im Sein.
„Einst gab es eine schöne, strahlende Seifenblase.
Sie entzückte die Beobachter und entlockte ihnen ein fröhliches Lächeln.
Die Seifenblase dachte, ihre Schönheit und ihr einmaliges Erscheinen entzücke die Menschen. Dabei war es ihre Reinheit, die Unbeflecktheit und ihre Schutzbedürftigkeit, die den Menschen das Herz aufgehen ließ.
Dies erfuhr die Seifenblase von einem Besucher, aber sie verstand es noch nicht zur Gänze.
Doch die Seifenblase wurde älter.
Und der Glanz und die Reinheit ihres Selbst nahmen ab. Sie tauchte immer öfter in das Seifenwasser und stellte irgendwann fest, dass das Seifenwasser verbraucht war.
So machte sich die Seifenblase auf die Suche nach Seifenwasser.
Und sie fand bald eine schlammige Pfütze.
‚Hier muss ich eintauchen, wenn ich überleben will‘, dachte sie sich traurig.
Ein spazierender Mensch kam vorbei und sprach besänftigend zu der Seifenblase.
‚Auch wir Menschen müssen häufig leiden und brennende Meere überwinden, wenn wir weiterleben wollen.‘
‚Hab Dank!‘, rief die Seifenblase dem Menschen zu.
Und sie sprang in die Pfütze.
Als sie auftauchte, war sie nunmehr eine schlammige Kugel. Der Schlamm trocknete alsbald und die Kugel stellte fest: ‚Nach jenem Ereignis, nach jener Überwindung erhielt ich eine festere Hülle. Nun bin ich nicht mehr so zerbrechlich wie einst.‘
Und der Wanderer sprach:
‚Nun bist du anders als gewöhnliche Seifenblasen. Der Schöpfer gewährte dir eine zweite Haut aus Erde, die dich nun besser vor der Umwelt schützt.
Auch bei uns Menschen gibt es viele mit einer festeren Haut. Sie erlangten diese durch Leid und Schmerz.
Doch bei dieser stärkeren Haut gibt es ein Geheimnis.‘
‚Und was für ein Geheimnis soll das sein?‘
‚Komm und begleite mich‘, riet der Wanderer.
Und sie kehrten zurück zu den Seifenblasen.
Die Seifenblasen standen vor ihrem Seifenwasser und beglückten die Zuschauer.
Als sie die Erdkugel sahen, grüßten sie diese.
Die Erdkugel war verwirrt.
‚Sie denken, ich sei nach wie vor eine einfache Seifenblase.‘
‚Sie sind nicht so weit gekommen wie du, daher wissen sie nicht darum. Ihre Augen sehen nur, so weit sie sehen können. Ebenso verhält es sich bei den Menschen.
Sie sehen, so weit sie sehen können, und erkennen nur das, was sie selbst sind.‘
Die Kugel bedankte sich bei dem Wanderer und zog nun durch die Lande.
Und sie merkte bald: ‚Ich mag eine festere Hülle nun mein Eigen nennen, doch bin ich innen nach wie vor hohl.‘
Und die Kugel holte sich Blumen, Gras, Holz und Gestein. Und sie füllte ihr Innerstes.
Bald fühlte sie sich voll genug und ging weiter.
Sie begegnete erneut dem Wanderer.
Dieser erkannte, dass die Kugel auch innen gefüllt war, und er sprach:
‚Du hast dir nun innerlich Fülle und Sicherheit angeeignet. Bei uns Menschen geschieht dies durch das Aneignen von Wissen und die Ansammlung von Lebenserfahrung. Dies gibt uns mehr Gewissheit und Standfestigkeit in unserem Sein.
Und die Kugel ging weiter voran.
Und sie dachte sich: ‚Ich erreiche die Reife. Aber dachte ich, ich hätte sie erreicht, wäre das Unreife. Ich sehe nunmehr eine Kugel. Manche sind und bleiben einfache Seifenblasen. Das sind die meisten von uns. Andere haben wie ich festere Hüllen. Wir erkennen uns sogleich. Doch sehen sie meine innere Fülle nicht.
Sie sehen nur so weit, wie sie selbst sind.
Dann begegne ich Seifenblasen, die ebenso festere Hüllen und ein befülltes Inneres haben.
Wir erkennen uns.
Und heute weiß ich: Es gibt auch solche Kugeln, die weiter sind als ich. Sie erstrahlen, wenn ich sie sehe. Woher dies kommt, verstehe ich nicht.
Ich sehe so weit, wie ich bin.‘
Und die Kugel ging weiter durch das Land, als sie zu überlegen anfing.
All die Reife gab ihr noch kein Strahlen.
Also fehlte das Wichtigste.
Und sie dachte:
‚Ich bin einmalig. Warum ist das so? Ich denke. Wie funktioniert das ohne Hilfe? … Ohne Hilfe? … Oder gar mit Hilfe? Gibt es jemanden, der mich schuf? Und mich so weit brachte? Wer ist er? Wie finde ich ihn?‘
Und es kam ein Mensch vorbei, hörte sich ihre Leiden an und lächelte anerkennend.
‚Du suchst den Schöpfer, kleine Kugel. Er härtete deine Hülle, gab dir ein reiches Innenleben und führte dich zu sich.‘
Die Kugel bedankte sich bei ihm und lernte von ihm, dem Schöpfer zu dienen.
Und nach und nach fing sie an zu erstrahlen.
‚So bin ich nun am Ende meiner Wanderschaft angelangt. Mehr braucht es nicht.‘
Und ich sage dir, Kuvvet:
Gut ist von dem Schöpfer auferlegte Schwere, gut ist notwendige Schwere, töricht hingegen erzwungene, selbst auferlegte Schwere.
Was dir der Schöpfer gab, ob gut oder schlecht, ward letztlich gut für dich.
Was du dir selbst aufbürdetest, wenn es gut war, ward gut.
Und was du dir selbst aufbürdetest, wenn es schlecht war, war schlecht für dich.“
Lehrt mich das Weinen
Kuvvet und der Weise unterhielten sich.
Alsbald kam ein Mann vorbei, leer und voll zugleich.
Er bat um ihre Aufmerksamkeit und sie ward ihm zuteil.
Er sprach:
„Ich will weinen lernen. Was ich auch tue, keine Tränen wollen von mir weichen.“
Der Weise unterzog ihn einer sorgfältigen Beobachtung.
„Lerne zu empfinden.“
Der Verzweifelte raunte: „Ich empfinde doch, ich empfinde doch. So vieles empfand ich. Gar vieles wütete in diesem Leib.“
„So leide.“
Der Fremde presste seine Faust gegen seine Brust. „Vor Schmerz zerbarst mein Herz mir fast.“
Nun verstand der Weise.
„Also fehlen Liebe und Wärme.“
Verwundert schaute der Gebeugte auf. „Was ist Liebe? Gibt es etwas dergleichen noch?“
Da schaute der Weise zu Kuvvet.
Sie sprachen schweigend.
Kuvvet sagte:
„Was wir uns nehmen lassen, können wir uns erneut zurückholen. Was man uns entreißt und stiehlt, können wir nach unserem Erstarken gemeinsam wieder zurückerobern.“
Und der Weise sprach:
„Der Mensch schwindet und geht ein, wenn ihm die Liebe fehlt.
Zu leiden ohne Liebe ist wie der Rauch eines Feuers.
Er schwindet und keine Flammen können sich ausbreiten und brennen.
Zu empfinden ohne Liebe ist wie der Frühling ohne Sonne.
Die Natur bringt ihre Pracht nicht hervor.
Zu leben ohne Liebe ist wie zu leben ohne Luft.
Das Blut fließt leer und bringt den Organen kein Leben mehr.
So suche die Liebe, armer Freund, dem diese ward genommen oder entrissen worden von anderen oder von sich selbst.“
Wehmütig schaute der Berührte auf.
„Wo finde ich sie?“
Traurig rieb der Weise des Fremden Schulter. „In dir selbst.“
„Dort finde ich sie nicht.“
Kurz verstummte der Weise und bedacht deutete er auf das Herz des Erloschenen.
„Dieses Herz muss erneut zum Leben zurückkehren.“
„Wie geht das?“
„Es muss auftauen und den eisigen Fels sprengen.“
„Zeige mir den Weg dazu.“
Lächelnd fing der Weise nun an, aus dem Koran zu rezitieren.
Und der Fremde weinte. Weinte herzzerreißend.
Und er lachte. Lachte seelenerfrischend.
„Der Koran?“, fragte der Fremde.
„Allahs Buch. Ja.“
Voll neuem Leben stand der Entschlossene auf.
„Viel habe ich gelitten. Ich musste hart werden. So will ich nun von Allah lernen, wieder Mensch zu werden.
Er gibt mir Wert.
Er wird mich nicht allein oder im Stich lassen.
Ich will wieder Mensch sein.
So selten wohl wahrhafte Menschen noch sind.
So lasst mich erneut Mensch werden.
Habt Dank.
Und nun werde ich hasten in die Seligkeit.
Und nun werde ich trinken das Wasser des gleißenden Lichtes der Erhabenheit.
Macht es gut und seid gewiss:
Mich vergräbt man in des Feuers Gluten so einfach nicht.
Nur ein kurzer Lichtblick, habe ich gebraucht,
Fortan ich mir selbst mit Allah Frieden eingehaucht.
Ich werde wieder zu mir finden
Und fortan soll all mein Leid schwinden.“
Des Menschen Lebensweg
Kuvvet und der Weise unterhielten sich.
Der Weise sprach.
„Kennst du den Pfad des Menschenlebens?“
Kuvvet verneinte. Der Weise hob belehrend seine Hand.
„Der Mensch geht durch das Leben auf einem Wege, der so dünn ist wie ein Haar, aber so fest, dass er eisern und unzerbrechlich ist.
Der Mensch lernt im Laufe des Lebens, auf diesem Pfad einigermaßen sicher zu laufen.
Kommt ein Windzug, so kommt er womöglich aus dem Gleichgewicht.
Erzittert der Pfad, kommt er womöglich aus dem Gleichgewicht.
Zieht ein Unwetter auf, kommt er womöglich aus dem Gleichgewicht.
Erschwert sich der Weg durch Regen oder Eis, kommt er womöglich aus dem Gleichgewicht.
Und immer wenn er aus dem Gleichgewicht kommt, leidet er.
Krankheit, Schmerz, Leid, Unglück, Trauer und vieles mehr … eben alles, was das Leben dir zufügen kann.
Und dabei wird jedem eine Strecke vom Schöpfer zugeteilt, wie er zu gehen imstande ist.
Sehr viele haben einen relativ ungefährlichen Weg vor sich.
Doch kommt ein tobendes Unwetter, fallen sie womöglich von ihrem Weg.
Und fällt man einmal, findet man kaum zurück.
Man erholt sich schwer davon.
Dann gibt es solche, die von Anfang an hin und her geschüttelt werden.
Diese lernen: Nicht nur mit den Füßen, sondern auch mit den Händen muss ich mich manchmal an meinen Lebensweg klammern.
Und kommt dann ein großes Gewitter, so kommen sie nicht von ihrem Weg ab.
Diese sind hart im Nehmen.
Und was ist mit wahrhaft Gläubigen?
Auch hier gibt es verschiedene Lebenswege.
Aber wenn ein Gewitter sie prüft, wissen sie:
Ich darf die Hoffnung auf bessere Zeiten nicht aufgeben.
Ich weiß, der Schöpfer gibt dem Leid, der einen starken Rücken hat.
Ich weiß, der Schöpfer gibt nur so viel Leid, wie man zu tragen imstande ist.
Ich muss geduldig ausharren, bis bessere Zeiten kommen.
Ich muss kämpfen, mit mir und der Welt.
Und ich weiß, der Schöpfer wird mich für meine Mühe belohnen.
Mit diesen Grundgedanken vermag der Gläubige, welchen Weg er auch ging, geht oder gehen wird, niemals aufzugeben.
Weder die Hoffnung noch den Willen zu siegen.
Aber manche Menschen gewöhnen sich nie an den schmalen Lebenspfad, da sie keine argen Schwierigkeiten durchlebt haben.
Und andere werden zu Akrobaten, da sie hart trainiert wurden.
Sie wissen: Dieser Pfad ist ein Spiel und prüft ihr Aushaltevermögen. Und am Ende des Weges werden sie entweder belohnt oder bestraft.
Und du selbst weißt, weshalb.“
Kuvvet nickte. „Je nachdem ob ich nun das Gute wählte oder den Pfad des Bösen. Denn hin und wieder kommen Verzweigungen und ich muss mich zwischen dem besseren oder schlechteren Weg entscheiden.“
„Wahrlich, demnach sei bedacht bei deinem Tun und gehe immer auf den richtigen, lichten Weg zu.“
Kuvvet lächelte. „Wohin sonst? Könnte ich denn ohne das Licht leben oder atmen? Sie sind mein Lebensinhalt geworden.“
Der Weise lachte warm. „Was würdest du über solche sagen, deren Lebensinhalt dieser dünne Pfad ist? So verwunderlich das auch sein mag, bei sehr, sehr vielen Menschen ist das so. Und wahrlich erkennen werden sie ihre Torheit erst im Jenseits.“
Wo wir stehen
Kuvvet und der Weise spazierten an einem Berg vorbei.
Der Weise deutete darauf und sprach zu Kuvvet: „Sag mir, wo steht wohl der Mensch?“
Kuvvet überlegte nicht lange. „Auf der Spitze steht der Mensch …“ Doch dann hob sie verwirrt ihr Haupt an.
„… oder in der Mitte … oder ganz weit unten.“ Sie schaute zum Weisen. „Sagen Sie, wo steht der Mensch nun wirklich?“
Der Weise lachte. „Er steht ganz oben … und gleichzeitig ganz unten.“ Er faltete die Hände hinter dem Rücken und blickte, leicht den Kopf schüttelnd, zum Berg.
„Der Schöpfer machte den Menschen zum höchsten Geschöpf und gleichzeitig zum Niedersten. Du kannst selbst Engel überholen oder deinen Wert anhand einer Stechmücke bemessen. Es kommt dabei auf eine Sache an: Wer dein Freund und Weggeselle ist. Hältst du fest am Schöpfer, so kannst du in große Höhen emporwachsen, doch ist der Teufel dein Freund, so bist du nah dran, alles an Wert zu verlieren, und stehst im anderen Reich allein auf dem Wege zu den Flammenwogen. Und die, die dem Schöpfer nahestehen, werden auf ewig belohnt im Paradies. Und wisse: Du wirst nur bekommen, was du auf dich geladen und verdient hast. Dort wird es keine Ungerechtigkeit geben.“
Kuvvet deutete auf den Berg. „Und was, wenn man in der Mitte stünde?“
Der Weise lächelte. „Die meisten Menschen sind im Grunde gut, doch begehen sie viele Sünden. Sei es aus Schwäche, aus Unbelehrbarkeit oder Torheit.
Es gibt wenige wirklich Gute.
Und wenige wirklich Schlechte. Die Menschen, also die Gewöhnlichen, stehen zwischen gut und schlecht.
Und sie sollen sich immer zum Guten wenden und versuchen das Böse von sich fernzuhalten.
Und bedenke: Nur mit dem Gebet zu dem Schöpfer und deiner Dankbarkeit Ihm gegenüber kannst du deine Seele und dein Herz sättigen und zufriedenstellen. Denn so wie dein Körper Nahrung braucht, braucht auch deine Seele Nahrung.
Somit vertiefe dich in die Huldigung deines Schöpfers.“
Die Perle
Der Weise sprach belehrend zu Kuvvet:
„Wisse, Kuvvet, ein jeder Mensch besitzt eine Perle.
Dabei gibt es zweierlei Menschenarten, die sich im Umgang mit der Perle unterscheiden … wobei es eigentlich drei Menschenarten geben sollte und gerade die kostbare dritte Art ist heute noch äußerst rar.“
Kuvvet ließ diese Worte in Ruhe auf sich wirken und sprach dann: „Mögen Sie genauer erläutern, welche Weisheit hinter dieser Aussage steht.“
Der Weise blickte kurz auf und suchte in der Ferne, bis er antwortete: „Heute lassen die meisten die Perle verstauben und verkennen ihren Wert.
Einige andere hingegen setzen die Perle auf eine unglaublich ausgeschmückte Brosche.
… Betrachte nun beide Perlen.
Beide sind nicht mehr das, was sie waren.
Die einen nehmen ihr ihren Wert, wie sie meinen.
Die anderen geben ihr den gebürtigen Platz, wie sie vermuten.
Doch merken beide nicht: Die Perle bleibt, was sie ist.
Die einen sehen sie staubig und veraltet.
Die anderen prachtvoll und die Sinne raubend.
In beiden Fällen sehen sie die Perle nicht mehr als das, was sie ist. Und die dritte Gruppe versucht, die Perle anzunehmen, wie sie ist. Rein, wahrhaftig und ehrenvoll – die größte Tugend und Güte.
Sie pflegen und ehren sie und nehmen sie als Begleiter an jeden Ort mit. Das ist wahrhaftig.
Die Perle in ihrer natürlichen Form ist rar geworden, Kuvvet … sie wird entweder verkannt oder vergöttert auf prachtvollste Art.
… Diese Perle jedoch strebt weder nach dem Tod noch nach Überheblichkeit. Diese Perle ist einfach und rein, eine Kostbarkeit für sich.
Warum nur beließ man ihr nicht ihre Natur?
Unsichtbar machen kannst du sie nicht.
Und je mehr du ihr hinzufügst, um ihre Pracht unübertrefflich zu machen nach deiner Vermutung, desto mehr entfremdest du ihren Schein; umgeben von atemberaubender Pracht von ihrer wahren Natur.
Somit musst du, Kuvvet, lernen, beim Umgang mit dieser kostbaren Perle ein sensibles Gleichgewicht zu bewahren, und sie einfach sein lassen, wie sie ist.
Tasuta katkend on lõppenud.