Loe raamatut: «Die wichtigsten Biologen»

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Dr. Ralf Klinger, Jahrgang 1949, studierte Biologie und Biochemie in Frankfurt. Nach der Promotion arbeitete er zunächst mehrere Jahre als Wissenschaftler am Hessischen Landesmuseum in Darmstadt, am Senckenberg-Museum in Frankfurt und am Bishop-Museum in Honolulu. Danach wechselte er in den Tropenwaldschutz. Als Mitarbeiter einer Frankfurter Tropenwaldstiftung betreute er den Bereich Marketing und Medien. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Beiträge über die ökologische Bedeutung tropischer Ökosysteme und über konkrete Projekte zum Tropenwaldschutz. Seit 2003 arbeitet Ralf Klinger als Fachjournalist und Fotograf für Tageszeitungen und Magazine. In seiner Freizeit engagiert er sich aktiv für den Schutz der heimischen Fauna und Flora, hält Vorträge, leitet zoologisch-botanische Exkursionen und publiziert in Fachzeitschriften.

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Unsere Erde wird von mehreren Millionen Tier- und Pfl anzenarten bevölkert. Rund 1,8 Millionen Arten sind bisher wissenschaftlich erfasst, schätzungsweise weitere 20 Millionen Arten warten in der Tiefsee und in den tropischen Wäldern auf ihre Entdeckung. Dieser Band folgt in 53 anschaulichen Porträts den Spuren der Frauen und Männer, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese ungeheure Vielfalt des Lebens zu erforschen und verstehen zu lernen. Was auf den ersten Blick so beneidenswert faszinierend wirkt, ist das Ergebnis von harter und oftmals entbehrungsreicher Arbeit. Wie Biologen denken und arbeiten und auf welch verschlungenen Pfaden sie schließlich zu ihren epochalen Erkenntnissen gekommen sind, schildert dieses Buch. Über Aristoteles, Carl von Linné, Charles Darwin und Ernst Haeckel spannt sich der Bogen bis zu Dian Fossey und Jane Goodall.

Haupttitel

Impressum


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.
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Inhalt

Über den Autor

Zum Buch

Vorwort

Aristoteles

Marcello Malpighi

Antonio van Leeuwenhoek

Maria Sibylla Merian

John Ray

Carl von Linné

Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon

Conte Giovanni Antonio Scopoli

Hans Spemann

Jean-Baptiste Pierre Antoine de Monet, Chevalier de Lamarck

Karl Ernst von Baer

Matthias Jacob Schleiden

Charles Darwin

Theodor Schwann

Johann Gregor Mendel

Alfred Russel Wallace

Jean Henri Casimir Fabre

Karl August Möbius

Henry Walter Bates

Alfred Edmund Brehm

Ferdinand Gustav Julius von Sachs

Ernst Heinrich Phillipp August Haeckel

Iwan Petrowitsch Pawlow

Carl Joseph Schroeter

Karl Friedrich Theodor Dahl

Jakob Johann Baron von Uexküll

Carl Erich Franz Joseph Correns

Thomas Hunt Morgan

August Friedrich Thienemann

Otto Heinrich Warburg

Josias Braun-Blanquet

Karl von Frisch

Erwin Stresemann

Helmet Gams

Theodosius Grigorjewitsch Dobzhansky

Barbara McClintock

Konrad Zacharias Lorenz

Ernst Walter Mayr

Erwin Bünning

Nikolaas Tinbergen

Rachel Louise Carson

Bernhard Klemens Maria Grzimek

Melvin Calvin

Emil Hans Willi Hennig

Heinz Ellenberg

Martin Lindauer

James Deweney Watson

Edward Osborne Wilson

Thomas Eisner

Dian Fossey

Barebones Jane van Lawick Goodall

Werner Nachtigall

Wolfgang Friedrich Gutmann

Glossar

Kontakt zum Verlag

Vorwort

Don’t get it right, get it written. Dieses Motto sollte von Beginn an über dem Schreiben dieses Buches stehen. Alles richtig machen zu wollen, ist wohl ein unmöglicher Anspruch angesichts der Vielzahl an bedeutenden Entdeckungen auf dem Gebiet der Biologie. Sicher werden Sie einige Namen vermissen, die Aufnahme anderer Namen wird Sie überraschen. Natürlich stand am Anfang die Frage, welche Kriterien angewendet werden können und sollten, um die Auswahl möglichst nachvollziehbar zu gestalten. Dennoch spielen persönliche Affinitäten des Verfassers hierbei eine gewisse Rolle. Sie ergeben sich schon dadurch, dass Biografien von persönlichen Schicksalen handeln, von glücklichen Momenten des Triumphes und von schmerzhaften Begebenheiten, von unbeschwerter Jugend und von Alter, Krankheit und Tod. Sie handeln von persönlichen Zielen, und in dieser Auswahl überwiegend vom Erfolg und weniger vom Scheitern. Oft überrascht die Zielstrebigkeit der Persönlichkeit, vielfach der Fleiß, und nicht selten hat ein glücklicher Zufall entscheidend zum Erfolg beigetragen. Auch sind Personen stets ein Abbild ihrer Zeitepoche. Eine Sammlung von Biografien ist etwas grundsätzlich anderes als ein neutraler wissenschaftshistorischer Rückblick, und da bleibt es nicht aus, dass bestimmte Ereignisse mehr berühren als andere oder bestimmte, von den porträtierten Personen getroffene Entscheidungen mehr Verständnis erfahren konnten als andere.

Über 70 Namen waren mühelos gefunden, und so bestand die konzeptionelle Arbeit weniger darin, Namen zu finden, als zu entscheiden, welche Namen wieder aus der Liste zu streichen sind. Es musste eine Bewertung erfolgen, an deren Ende eine Art Rangliste der Biologen nach ihrer Bedeutung stand. Auf dieser Rangliste stehen die Nobelpreisträger ganz oben. Die Verleihung eines Nobelpreises ist in meinen Augen eine solch hohe wissenschaftliche Auszeichnung, dass Preisträger in jedem Fall dazugehören. Aber nicht jeder bedeutende Forscher und schon gar nicht jeder bedeutende Biologe wurde entsprechend ausgezeichnet, zumal es einen eigenen Nobelpreis für Biologie nicht gibt. Biologen erhalten in der Regel den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.

Der weitere Entscheidungsweg führte in die Geschichte der Biologie. Noch vor gut 200 Jahren hätte man noch nicht einmal die Frage, wer ein Biologe oder eine Biologin sei, beantworten können. Die Naturlehre war am Beginn des 19. Jahrhunderts noch keine eigene Wissenschaft und hatte die vielen Jahrhunderte zuvor den Charakter einer Naturphilosophie bzw. Naturtheologie. Ansonsten betrachtete man die Pflanzen- und Tierkunde als Teilaspekt der Medizin. Der Blick auf Kleintiere wie Insekten und Würmer galt als medizinisch bedeutungslos und wurde allenfalls als belustigender Zeitvertreib akzeptiert. Selbst die Konstruktion der ersten Mikroskope im 17. Jahrhundert, die Zugang zu einer, dem bloßen Auge bis dahin verborgenen Welt eröffneten, wurde zunächst nicht als Gewinn für die Heilkunde erkannt. Mikroskopieren wurde im Gegenteil als nutzlose Zeitverschwendung abgetan und der Begriff Mikroskopiker abfällig gebraucht.

Die wissenschaftliche Biologie ist eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts. Mit Maria Sibylla Merian, Carl von Linné und einigen anderen gab es zwar schon früher einzelne herausragende Persönlichkeiten, doch den Grundstein für eine eigenständige biologische Wissenschaft legten die beiden Forscher Matthias Schleiden und Theodor Schwann mit ihrer Zelltheorie. Sie erkannten, dass allen Lebewesen der Aufbau aus einzelnen, im Prinzip gleichartigen Körperzellen gemeinsam ist und überwanden damit die Trennung von Pflanzen- und Tierkunde. Alfred Wallace und Charles Darwin lieferten wenig später den theoretischen Unterbau für die gemeinsame stammesgeschichtliche Entwicklung aller Lebensformen, während Gregor Mendel fast zeitgleich die ersten Gesetzmäßigkeiten der Vererbung aufstellte.

Das ausgehende 19. Jahrhundert markiert den Beginn einer großen Zeit bedeutender Entdeckungen in der Biologie. Sie führten zu einer immer weiteren Aufspaltung in Teildisziplinen und Forschungsrichtungen. Immer deutlicher zeichnete sich ab, dass die junge Wissenschaft eigentlich aus zwei methodisch unterschiedlich arbeitenden Teilbereichen besteht. Die funktionale Biologie, die weitgehend mit physikalischen und chemischen Methoden arbeitet, analysiert und physiologische Prozesse – wie es Jakob von Uexküll ausgedrückt hat – »unbekümmert von ihrem Verwandtschaftsgrad zum Menschen und ihrem Nutzen für die Medizin« vergleichend betrachtet, während sich die Evolutionsforschung im Wesentlichen aus dem Verlauf der Stammesgeschichte erschließt und eigene biologische Methoden entwickelte. Sie steht den Geisteswissenschaften in vielerlei Hinsicht recht nahe, so dass die Grenze zwischen den exakten Wissenschaften und den Geisteswissenschaften mitten durch die Biologie zu verlaufen scheint.

Was die beiden methodisch unterschiedlichen Teilbereiche jedoch wiederum zur Biologie vereint, ist, dass Organismen maßgeblich vom genetischen Code bestimmt werden und die Forschungsergebnisse folglich auf einem gemeinsamen Wissenschaftsverständnis gründen.

Biologen denken in Populationen, die aus äußerlich wie auch genetisch recht unterschiedlichen Individuen bestehen. Das in den anderen naturwissenschaftlichen Disziplinen vorherrschende typologische Denken ist mit der Evolutionstheorie nicht vereinbar und in der Biologie nicht sinnvoll. Außerdem kann es, wie die Geschichte gezeigt hat, zu gefährlichen Ideologien verleiten, wie etwa zum absurden Bild vom idealen Menschen. Wo die Abweichung vom statistischen Mittelwert die Regel ist und wo der Einzelfall niemals Allgemeingültigkeit besitzt, können entsprechend die von Karl Popper für Chemie und Physik aufgestellten Basissätze nicht gelten, nach der bereits eine einzige Ausnahme die Widerlegung einer ganzen Theorie bedeutet. Biologische Theorien beruhen, wie es Ernst Mayr formuliert hat, auf biologischen Konzepten, die eine individuelle Bandbreite voraussetzen und beinhalten.

Auf der anderen Seite kennt die Biologie als exakte Wissenschaft weder die vis vitalis der Vitalisten noch andere physikalisch nicht messbare Kräfte, die angeblich einen lebenden Organismus von einem unbelebten Gegenstand unterscheiden sollen. Unbiologisch ist auch die Vorstellung, die noch auf den griechischen Universalgelehrten Aristoteles zurückgeht, dass die stammesgeschichtliche Entwicklung einem fernen Ziel zustrebt. Aristoteles nennt dieses Prinzip causa finalis. Sie ist aus der Embryonalentwicklung abgeleitet, bei der aus einer befruchteten Eizelle zielgerichtet ein neuer Organismus entsteht, dessen Aussehen bereits im Keim angelegt ist. Diese Vorstellung wurde auf die Entwicklung des Lebens auf der Erde übertragen. Der denkende Mensch als selbst ernanntes Ebenbild Gottes stehe am Ende einer zwangsläufig auf dieses Ziel zusteuernden Entwicklung. Diese als kosmische Teleologie bekannte Ansicht wurde durch Charles Darwin widerlegt, der stattdessen den Zufall in die stammesgeschichtliche Entwicklungslehre eingeführt hat. Die Entwicklung des Lebens führt, das ist die Quintessenz aus Darwins Lehre, keinesfalls über kurz oder lang zu immer intelligenteren Lebensformen. Der Mensch ist vielmehr das Ergebnis einer von vielen Zufällen geprägten Evolution. Es ist nach Meinung vieler Biologen daher nicht nur unwahrscheinlich, sondern sogar fast ausgeschlossen, auf anderen erdähnlichen Planeten ähnlich intelligentes Leben zu finden wie auf unserer Erde.

Bei der Auswahl der Biologen musste ich mich auf den Kernbereich der Biologie beschränken. Teildisziplinen, die eigentlich auch der Biologie zugerechnet werden, wie Anthropologie, Paläontologie, Biochemie, Biophysik, Genetik, Nutzpflanzen- und Nutztierforschung, der Bereich Garten und Gartenbau ebenso wie Tier- und Pflanzenzucht und andere angewandte Bereiche blieben weitgehend oder gänzlich ausgeklammert. Dagegen war es ein persönliches Anliegen, Forscherpersönlichkeiten wie Rachel Carson, Bernhard Grzimek, Dian Fossey und andere, die sich große Verdienste um den Erhalt der biologischen Vielfalt erworben haben, unbedingt mit aufzunehmen.

Mein besonderer Dank gilt Professor Dr. Werner Nachtigall für seine Autobiographie, die er als Beitrag zu diesem Buch verfasst hat. Den Herren Dr. Heinz Schröder und Dr. Manfred Grasshof vom Forschungsinstitut Senckenberg danke ich sehr für ihre wertvollen Anregungen. Allen anderen nicht namentlich genannten Personen, die auf die eine oder andere Weise zum Gelingen des Buches beigetragen haben, schulde ich meinen besten Dank. Hervorheben möchte ich die überaus angenehme Art und Weise, mit der die Geschäftsführerin des Marix Verlages, Frau Miriam Zöller, das Werden dieses Buches begleitet hat. Herzlichen Dank. Zu guter Letzt geht ein ganz besonders lieber Dank an meine Frau Christine, die mir immer als kompetente und geduldige Gesprächspartnerin zur Seite gestanden hat.

Usingen, den 12. November 2007

Aristoteles

(384–322 v. Chr.)

Der griechische Arzt, Philosoph und Universalgelehrte setzte sich, im Gegensatz zu seinem Lehrer Platon, mit der realen Welt auseinander. Er beobachtete die ihn umgebende Natur genau und schuf ein Erklärungsmodell, das in Europa rund 1.500 Jahre, bis zum Ende des Mittelalters, unangefochten galt.

Aristoteles wurde 384 v. Chr. in dem unscheinbaren Ort Stagira in Makedonien geboren. Sein Vater Nichomachos war Leibarzt am Hof von König Amyntas von Makedonien. Da Aristoteles’ Eltern früh starben, wuchs er bei Verwandten auf. Mit 18 Jahren ging er nach Athen und wurde Schüler Platons. Nach dessen Tod verließ der nunmehr 37-Jährige Griechenland und reiste nach Assos in Kleinasien zu seinem Freund, dem Tyrannen Hermeias. Er heiratete dessen Nichte Pythias. Als Hermeias knapp drei Jahre später gestürzt wurde, floh Aristoteles nach Mythilene auf Lesbos.

342 v. Chr. wurde er von König Philipp von Makedonien an dessen Hof gerufen. Aristoteles übernahm die Ausbildung des 13-jährigen Prinzen Alexander, der später als Alexander der Große in die Geschichte eingehen sollte. Nach der Ermordung Philipps 336 v. Chr. wurde Prinz Alexander neuer Herrscher von Makedonien. Aristoteles verließ den jungen König, ließ sich in Athen nieder und gründete mit Unterstützung des Makedonischen Königshauses das Lyzeum. Es war Schule, Forschungsinstitut und Bibliothek zugleich. Aristoteles sammelte Tiere, Pflanzen und Mineralien, befasste sich mit Physik, Politik und Ethik und entwickelte seine naturphilosophische Lehre. 12 Jahre später starb Alexander und Aristoteles musste nach formeller Anklage seiner Gegner 324 v. Chr. Athen fluchtartig verlassen. Die beiden letzten Jahre seines Lebens verbrachte er auf dem mütterlichen Landgut in Chalkis auf Euböa. Hier erlag er 322 v. Chr. im Alter von 62 Jahren einem Magenleiden.

Keines der Werke von Aristoteles ist im Originaltext erhalten geblieben. Bei den überlieferten Texten handelt es sich wahrscheinlich um Mitschriften, die seine Schüler bei seinen Vorlesungen verfassten.

Das naturphilosophische Weltbild des Aristoteles ist streng hierarchisch nach dem Grad der Vollkommenheit gegliedert und unterscheidet vier Stufen. Auf der untersten Stufe stehen die Mineralien. Sie dienen der nächsthöheren Stufe, den Pflanzen, diese wiederum den Tieren und die Tiere dem vollkommensten Wesen, dem Menschen, der auf der höchsten Stufe steht.

Aus dem Blickwinkel der heutigen biologischen Wissenschaft ist die Lehre des Aristoteles allenfalls noch wissenschaftshistorisch von Bedeutung. Aristoteles war zweifelsohne ein guter Beobachter, beispielsweise wenn er beschrieb, dass neues Leben von Insekten, Schalentieren und Fischen im Schlamm oder bei der Zersetzung von Tier- und Pflanzenresten entstünde. Die aus heutiger Sicht richtige Deutung konnte er für seine Beobachtungen allerdings nicht liefern, da ihm die Möglichkeiten fehlten, die Eiablage dieser meist sehr kleinen und oft auch sehr flüchtigen Tiere direkt zu beobachten. Dies gelang ihm erst bei Reptilien und Vögeln, deren Fortpflanzung er sehr wohl vom Gebären lebender Jungtiere bei Säugetieren unterschied. Es glückte ihm sogar, die Entwicklung eines Hühnerembryos im Ei zu verfolgen. Auch unterschied er die ihm bekannten Tiere danach, ob ihr Körper mit Haaren, Federn oder Schuppen bedeckt ist, ob sie warmblütig sind und ob sie rotes Blut besitzen. Als genauer Beobachter erwies er sich ferner, wenn er die Form der Organe mit ihrer Funktion in Verbindung brachte und von zweckmäßiger Anpassung sprach. Eine Evolution im Sinne von Darwin und Wallace kannte Aristoteles freilich nicht. Seiner Meinung nach verändern sich Arten im Laufe der Zeit nicht.

Er erklärte dies alles mit dem Zusammenwirken verschiedener Prinzipien, die er als causa formalis (Formprinzip bzw. Konstruktionsentwurf), causa efficiens (Wirkprinzip oder Entwicklungskraft) und causa finalis (Zweckprinzip oder Funktion) unterschied. Die causa formalis wurde später von der Kirche zum göttlichen Schöpfungsplan umgedeutet, obwohl dies so bei Aristoteles nicht angelegt war. Aus der Verteilung dieser Wirkprinzipien auf ein oder zwei Individuen konnte er weiterhin erklären, warum sich manche Arten zweigeschlechtlich fortpflanzen. In diesem Fall seien die Wirkprinzipien auf ein männliches und ein weibliches Geschlecht verteilt. Sich ungeschlechtlich vermehrende Arten vereinten alle Prinzipien in einem Körper.

Die Methodik des Aristoteles, durch dichotome Teilung zu einer immer feineren Unterteilung zu gelangen, hat Carl von Linné im 18. Jahrhundert für sein binominales System im Prinzip unverändert übernommen. Das Ergebnis ist die heutige Systematik, die einen Stamm in Klassen, Klassen wiederum in Ordnungen, Ordnungen in Familien, Familien in Gattungen und Gattungen in Arten gliedert. Im Unterschied zu Aristoteles wird heute jedoch nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben gegliedert. Das heißt, es werden mehrere Arten zu einer Gattung zusammengefasst, mehrere Gattungen zu einer Familie und so weiter. Auch wenn die Lesrichtung umgekehrt wurde, lebt das methodische Konzept des Aristoteles in der modernen Systematik im Grundsatz unverändert fort.

Werke

Physik

Metaphysik

Marcello Malpighi

(10.3.1628–29.11.1694)

Am Ende des 16. Jahrhunderts öffnete sich für die Naturkunde eine neue Tür. Es war ein Holländer, Zacharias Janssen, der um 1590 eine Sammellinse und eine Zerstreuungslinse zum ersten Mikroskop zusammensetzte. Die neue Technik verbreitete sich rasch in Europa, so dass Mikroskope bald auch in Italien gefertigt wurden. Die Bildqualität litt unter noch ungenau geschliffenen Linsen, die Vergrößerung erreichte kaum mehr als das 150-Fache. Vor allem aber war die Zeit wenig aufgeschlossen gegenüber neuen Erkenntnissen. Dies sollte Malpighi ebenso zu spüren bekommen wie sein Landsmann und Zeitgenosse, der Physiker und Astronom Galileo Galilei (1564–1642).

Seit seinem ersten Blick durch ein Mikroskop war Malpighi von den neuen Möglichkeiten fasziniert. Durch seinen Eifer, vor allem aber durch seine Vielseitigkeit und die sorgfältige Interpretation seiner Befunde gelangen ihm herausragende Entdeckungen. Einige der von ihm erstmals beschriebenen Strukturen in der Milz, in der Niere und in der Haut sowie das Exkretionsorgan der Insekten tragen heute seinen Namen. Außerdem kann er durch seine Untersuchungen als Begründer der Embryologie und zusammen mit Nehemia Grew (1641–1712) der Pflanzenanatomie gelten.

Marcello wurde am 10. März 1628 als erstes Kind der Familie Malpighi in Crevalcuore in der Nähe von Bologna geboren. Mit 17 Jahren begann er sein Studium an der ehrwürdigen Universität von Bologna, das er nach dem Tod seiner Eltern und seiner Großmutter für einige Jahre unterbrechen musste, um seine fünf jüngeren Geschwister zu versorgen. Daneben fand er die Zeit, an anatomischen Sektionen teilzunehmen, um die Methode der Heilkunst zu erlernen. Am 26. April 1653 wurde er zum Doktor der Medizin und der Philosophie promoviert. Er heiratete im darauffolgenden Jahr die jüngere Schwester seines Mentors an der medizinischen Fakultät, Francesca Massari. Noch ein weiteres Jahr musste er dann warten, bis der Senat der Stadt Bologna ihm, der weder selbst noch dessen Vater in Bologna geboren waren, durch prominente Fürsprache doch noch einen Lehrauftrag erteilte, aber Neid und Missgunst belasteten den jungen Arzt. Erleichtert nahm er daher bald das Angebot des toskanischen Großherzogs Ferdinand II. an und wurde Professor für Theoretische Medizin im wesentlich liberaleren Pisa. Hier fand er Aufnahme in die fortschrittliche Accademia del Cimento. Im Beisein des Großherzogs pflegten die Mitglieder der Akademie die Kunst physikalischer Experimente und Messungen. Hier begegnete er dem Mathematiker Giovanni Alfonso Borelli (1608–1679), einem Verehrer der Lehren Galileis, der mit seinen Arbeiten großen Einfluss auf den deutlich jüngeren Malpighi haben würde. Vor allem aber erhielt er hier sein erstes Mikroskop und begann, leidenschaftlich zwar aber zunächst recht wahllos, zu mikroskopieren.

Im Frühsommer 1659 kehrte er notgedrungen in die geistige Enge Bolognas zurück, hielt Vorlesungen und beschäftigte sich mit dem Feinbau der Lunge. Als erste Entdeckung notierte er, dass die gesamte Lunge aus sehr kleinen, kugelförmigen Lungenbläschen aufgebaut sei. Anschließend verfolgte er den Weg des Blutes durch die Lunge und entdeckte mit seinem Mikroskop die feinen Haargefäße (Kapillaren), durch die das Blut von den Arterien in die Venen und zurück zum Herzen strömt. Damit war die Hypothese des Engländers William Harvey bewiesen, dass das Blut im Körper zirkuliere. Zudem konnte Malpighi detailliert darlegen, welchen Weg es dabei nimmt.

Im Oktober 1662 konnte er erneut seiner ungeliebten Stadt den Rücken kehren. Diesmal führte ihn der Weg nach Sizilien. Auf Vermittlung seines väterlichen Freundes Borelli wurde er vom Senat der Stadt Messina zum Professor für Praktische Medizin berufen. Es begann eine Zeit zahlreicher neuer Entdeckungen, die ihm mit Hilfe seines Mikroskops gelangen. Malpighi untersuchte den Feinbau der Haut, entdeckte die Geschmackspapillen auf der Zunge, beschrieb die Tastsinnesorgane an den Händen, Füßen und Lippen und konnte die in diesen Sinnesorganen endenden feinen Nervenfasern über das Rückenmark bis zum Gehirn zurückverfolgen. Bei einer Reihe von Tieren beschrieb er zudem die Lage und den Verlauf des Sehnervs vom Auge zum Gehirn. Dann wandte er sich wieder dem Blutkreislauf zu. Er entdeckte die roten Blutkörperchen und fand Wasser, Salze und eine eiweißartige Substanz als Bestandteile des farblosen Blutserums.

Vier Jahre später arbeitete er wieder in Bologna. Er beschrieb den Aufbau des Knochens, klärte die Herkunft der Gallenflüssigkeit als Sekret der Leber und befasste sich dann mit den Strukturen in der Niere, wo er die später nach ihm benannten Malpighi-Körperchen entdeckte.

Längst war man auch im Ausland auf seine bahnbrechenden Arbeiten am Mikroskop aufmerksam geworden. Man nahm ihn im Jahr 1668 als Ehrenmitglied in die berühmte wissenschaftliche Royal Society of London auf, eine besondere Ehre und wichtige Bestätigung für ihn. Zugleich wurde er gebeten, auch am Seidenspinner und an dessen Larvenstadium, der Seidenraupe, sowie an Pflanzen seine mikroskopischen Untersuchungen vorzunehmen. Neue Erkenntnisse lassen nicht lange auf sich warten: er beschreibt erstmals die Tracheen, die Luftröhren der Insekten, das Herz, die Ausscheidungsorgane, die als Malpighi’sche Gefäße in die Wissenschaft Eingang gefunden haben, und zahlreiche weitere Details über den Feinbau der Spinndrüsen, des Nervensystems und der Fortpflanzungsorgane dieser Schmetterlingsart.

Im Laufe seiner pflanzenanatomischen Studien beschrieb er anhand von Längs- und Querschnitten recht genau und umfassend den Aufbau eines Pflanzenstängels und begründete damit die Pflanzenanatomie.

Die Vielseitigkeit dieses Mannes zeigt sich darin, dass er sich einerseits mit so unterschiedlichen Organismen wie Säugetieren, Insekten und Pflanzen gleichermaßen erfolgreich beschäftigte, andererseits neben der sorgfältigen Beschreibung morphologischer Details auch deren Bedeutung und Funktionsweise durch physiologische Experimente meist absolut richtig erkannte. Sogar auf die Embryonalentwicklung lenkte er seinen forschenden Blick durch das Mikroskop. Er fand einen Weg, die Entwicklung des Hühnerembryos im Ei von Beginn an zu verfolgen. Die anfänglichen Zellstadien liegen in Form einer sogenannten Keimscheibe auf dem Dotter. Malpighi öffnete die Eischale, löste die Keimscheibe verschieden lang bebrüteter Eier vorsichtig heraus und konnte nun unter dem Mikroskop erkennen, wie sich allmählich die einzelnen Organe herausbildeten. Er beschrieb die Ausbildung von Herz und Kreislauf, die Entstehung der Augen und des Gehirns und entdeckte den embryonalen Harnsack, die Allantois.

Dieser von Malpighi skizzierte Verlauf der Hühnchenentwicklung war in seiner Zeit keinesfalls akzeptierte Lehrmeinung, das sollte erst drei Jahrhunderte später kommen. Er widersprach vielmehr der im 17. Jahrhundert gängigen Vorstellung, nach der die spätere Gestalt bereits im Samen des Mannes angelegt sei. Nicht einmal das Naheliegende geschah, nämlich mit eigenen Augen die Richtigkeit des Beschriebenen nachzuprüfen. Die Methode des Mikroskopierens wurde als Spielerei abgetan, jeder Nutzen für die Heilkunst verneint. So musste der seiner Zeit vorauseilende Malpighi immer wieder erfahren, dass die alten Dogmen hochgehalten wurden. Er wurde schikaniert, in Streitschriften und öffentlichen Diskussionen lächerlich gemacht und sogar des Diebstahls bezichtigt, weil er seine bezahlte Arbeitszeit auf solch sinnlose Beschäftigungen verwendete. Sogar davor, seine Manuskripte zu verbrennen und seine Mikroskope zu zerstören, schreckte man nicht zurück.

Malpighi, der als gütig, freundlich und bescheiden beschrieben wurde, versuchte sich zu verteidigen, zog sich aber schließlich verbittert zurück. Er wurde Leibarzt bei Papst Innozenz XII. und verbrachte seine letzten drei Lebensjahre in Rom. Sein Grab befindet sich in Bologna.

Werke

Malpighi, M., 1669: Dissertatio epistolica de Bombyce, societati regiae. London, 100 S.

Malpighi, M., 1675: Anatome Plantarum idea. London, 159 S.

Malpighi, M., 1687: Marcelli Malpighii Opera omnia: seu, Thesaurus locupletissimus botanico-medico-anatomicus, viginti quatuor tractatus complectens et in duos tomos distributus. London, 2 Bde., ca. 370 S.