Loe raamatut: «Atropos»

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Atropos-Der Chrysanthemen-Fall.

titel: Atropos-Der Chrysanthemen-Fall

autor: Federico Betti

übersetzer: Cornelia Mercuri

Für alle, die es gar nicht erwarten können, diese Geschichten zu lesen

Der Mann stieg an der Piazza Bracci in San Lazzaro di Savena aus dem Bus der Linie 19, ging bis zum Zeitungskiosk, kaufte eine Ausgabe des Il Resto Del Carlino und begann, in den Seiten zu blättern.

Er setzte sich auf eine der Bänke an den Seiten des Platzes, um die Zeitung zu lesen, fand aber keine wichtigen Neuigkeiten: die ersten Seiten waren mit Nachrichten gefüllt, während die mittleren Seiten der Wirtschaft vorbehalten waren, gefolgt von den Seiten mit den Lokalnachrichten aus der Umgebung Bolognas, der Stadt selbst und der gesamten Provinz.

Er warf auch einen Blick auf die Werbeanzeigen, ohne jedoch irgendetwas Interessantes zu finden.

Er faltete die Zeitung zusammen, schob sie sich unter den Arm und ging auf der Via Emilia Richtung Imola entlang.

Am Eingang der Bank angekommen, ein paar hundert Meter hinter der Kreuzung mit der Via Jussi, drückte er die erste schwere Tür mit dem Metallrahmen auf, dann die zweite, und trat ein.

Zu dieser Morgenstunde waren nur sehr wenige Kunden anwesend, und nur ein paar Minuten, nachdem er eingetreten war, wurde er an dem ersten freien der drei geöffneten Kassenschalter bedient.

„Guten Tag“, begrüßte ihn die Angestellte, „was kann ich für Sie tun?“

„Ich würde gerne mit dem Direktor sprechen, wenn er gerade frei ist.“

„Ganz wie Sie wünschen. Stimmt etwas nicht?“, fragte die Frau, die ein fruchtiges, schweres Parfüm verströmte, so dass einem schon fast übel werden konnte.

„Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Ich war nur am Überlegen, wie ich mein Geld besser investieren könnte und wollte gerne mit ihm oder ihr, falls es eine Frau ist, darüber reden, bevor ich eine Entscheidung treffe.“

„Dafür stehen unsere Finanzberater zur Verfügung. Ich glaube, Sie können genauso gut mit einem von ihnen reden: sie sind alle sehr kompetent. Es sei denn, Sie wünschen ausdrücklich ein Gespräch mit dem Direktor oder haben besondere Gründe, um direkt mit ihm zu sprechen“, erklärte die Frau.

„Ich wünsche ausdrücklich, mit dem Direktor zu sprechen.“

I

An diesem Tag kehrte Davide Pagliarini gerade aus dem Fitnessstudio zurück, wo er jeden Nachmittag der Woche, außer am Wochenende, eine oder zwei Stunden verbrachte.

Er lebte allein in einer Eigentumswohnung in der Via Venezia in San Lazzaro di Savena.

Er hatte diese Entscheidung getroffen, nachdem er ein Jahr mit seiner Partnerin verlobt und ein weiteres Jahr mit ihr zusammengelebt hatte. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie doch nicht für immer zusammenleben konnten, weil sie, entgegen ihrer ursprünglichen Vorstellung, wahrscheinlich nicht wirklich füreinander bestimmt waren.

Ihre Lebensrhythmen und Standpunkte waren, wenn es um den Tagesablauf und den Umgang mit Geld ging, einfach zu unterschiedlich.

Am Ende hatten sie sich voneinander getrennt und jeder würde seinen eigenen Weg gehen.

An der Haustür des Gebäudes angekommen, stieg er die Treppe hinauf und betrat das Haus.

Seine Wohnung befand sich im ersten Stock eines eher niedrigen Gebäudes und lag mitten in einem privaten Garten mit verschiedenen Pflanzen und Bäumen sowie einer Hecke, die das Grundstück umgab.

Dieser Garten bot mindestens drei Vorteile: den Schatten der Bäume und somit Schutz vor der sommerlichen Hitze, er verlieh dem Haus einen Hauch von Vornehmheit und außerdem wurden in einer Eigentumswohnanlage mit Innengarten nicht so oft Werbeflyer verteilt.

Er stellte die Sporttasche, die er für das Fitnessstudio benutzte und die in der Regel Kleidung zum Wechseln und seine Duschutensilien enthielt, auf den Boden, öffnete sie, um sie für den nächsten Tag vorzubereiten, und entschloss sich dann, ein wenig zu lesen.

Er liebte Abenteuerromane von Autoren wie Clive Cussler, auch wenn er bis vor einigen Monaten noch Thriller und generell spannungsgeladene Geschichten gelesen hatte. Aber nach dem Autounfall, in den er verwickelt gewesen war, hatte er sich entschlossen, bis auf unbestimmte Zeit auf sie zu verzichten.

Es war unbestreitbar seine Schuld gewesen und er konnte es sich einfach nicht verzeihen: dieses Ereignis hatte zweifellos seine Spuren in seiner Psyche hinterlassen.

Er versuchte in jeder Hinsicht, nicht mehr daran zu denken, und oft gelang es ihm auch, aber wenn er es am wenigsten erwartete, kam die Erinnerung zurück und hielt ihn gefangen.

Hätte er nur nicht diese Tablette genommen...

Aber er wurde von allem Neuen magisch angezogen. „Du wirst sehen, wie toll du dich dann fühlst.“ hatten sie ihm gesagt. „Du wirst im siebten Himmel sein. Versuche es mal: Du kannst sie auch mit einem Rabatt bekommen.”

Und so hatte er es ausprobiert, wobei er sich jedoch gesagt hatte, dass er es nie wieder tun würde. Es war reine Neugier gewesen, um zu sehen, wie es sich mit diesem Zeug anfühlen würde.

Nachdem er die Disco verlassen hatte, die er gelegentlich aufsuchte, um Abwechslung in seine Samstagabende zu bringen, und in der Hoffnung, vielleicht neue Freunde zu treffen oder sogar die Frau seines Lebens, obwohl er wusste, dass es Zeit brauchen würde, eine solche Beziehung aufzubauen, ging er zu seinem Auto und machte sich auf den Heimweg.

Nach der Einnahme dieser Brausetablette (nimm doch einen Schluck, wurde ihm zugeredet) war mindestens eine Stunde vergangen, als Davide auf den Alleen der Umgehungsstraße von Bologna Richtung Heimat unterwegs war und begann, richtig aufzudrehen und geradezu euphorisch wurde. Er trat das Gaspedal durch, weil er dieser Euphorie irgendwie Luft machen musste, wobei er auch das gewünschte Ergebnis erreichte. Allerdings hatte er die Möglichkeit irgendwelcher unvorhergesehener Ereignisse aufgrund der zu hohen Geschwindigkeit nicht mit einkalkuliert.

Als er den kleinen Jungen bemerkte, der auf dem Fußgängerüberweg die Straße überquerte, war es schon zu spät. Er erwischte ihn an der linken Seite, warf ihn zu Boden und riss ihn einige hundert Meter mit sich.

Er hatte überhaupt nicht auf die Eltern geachtet und hatte, den Körper noch voller Adrenalin, ohne stehenzubleiben die Flucht ergriffen.

Jedes Mal, wenn er sich daran erinnerte, schloss Davide Pagliarini die Augen, in der Hoffnung, diese furchtbaren Erinnerungen auszuschließen und oftmals, aber nicht immer, schaffte er es auch.

Als er merkte, dass es bereits Zeit zum Abendbrot war, schloss er den Roman, den er gerade las, legte ihn auf den Wohnzimmertisch und bereitete sich einen Teller Nudeln zu.

Der Abend verlief ruhig und vor Mitternacht lag er bereits in tiefem Schlaf.

II

Als er früh am Morgen aufwachte, um vor dem Weg zur Arbeit in aller Ruhe frühstücken zu können, wusste Stefano Zamagni noch nicht, dass ihn ein äußerst grauenvoller Tag erwartete.

Zuerst duschte er, dann bereitete er sich eine Tasse Kaffee zu, zu der er ein paar Scheiben Toast aß, und verließ dann das Haus.

Nach etwa einer halben Stunde Fahrt im dichten Verkehr der Via Emilia auf der Strecke, die San Lazzaro di Savena, wo er wohnte, mit Bologna verband, traf er um halb neun auf dem Polizeirevier ein.

Er hasste Staus, besonders wenn sie von einer Masse von Menschen verursacht wurden, die es eilig hatten, zur Arbeit zu kommen.

Wieso fahren sie nicht ein wenig früher los, fragte er sich manchmal, ohne jedoch jemals eine vernünftige Antwort zu finden.

Als er im Büro ankam, erwarteten ihn verschiedene Nachrichten, die auf diverse Zettel gekritzelt waren und seinen Schreibtisch füllten, von denen er einige am Vorabend zur Erinnerung selbst geschrieben hatte.

Er überflog sie schnell und warf sie dann in den Papierkorb.

„Wie geht‘s Ispettore?“, fragte ihn ein Polizeibeamter im Vorübergehen.

„Gut, danke“, antwortete er höflich. „Und selbst? Alles in Ordnung? „

„Ja, danke.“

„Perfekt. Dann wünsche ich Ihnen einen guten Tag und hoffen wir mal, dass es bis heute Abend weiterhin so ruhig bleibt.“

„Ja, hoffentlich“, nickte der Polizist und ging fort.

Ein paar Minuten später tauchte der Polizeihauptkommissar der Mordabteilung in Zamagnis Büro auf und so wie es aussah, schien es kein Höflichkeitsbesuch zu sein.

„Guten Tag Zamagni, ich brauche Sie.“ erklärte er ohne Umschweife.

„Muss ich mich auf das Schlimmste gefasst machen?“, fragte der Ispettore.

„Ich hoffe, es ist nichts Kompliziertes, aber es wird sicher etwas Unangenehmes sein. Wir haben einen Anruf von jemandem erhalten, der sagt, dass er bei seiner Tochter angekommen ist und sie leblos in ihrer Wohnung vorgefunden hat."

„Ich hätte den Tag lieber anders begonnen.“ meinte Zamagni, „Gibt es ein paar Informationen mehr?“ Ich meine, zu dem Anrufer.“

„Die Dame sagte, dass sie bei ihrer Tochter ankam und die die Tür nicht aufmachte, obwohl sie mehrmals geklingelt hatte. Also ist die Dame, die anscheinend die Schlüssel zur Wohnung hat, nach Hause gegangen, um die Schlüssel zu holen, und als sie die Tür geöffnet hatte, hat sie ihre Tochter auf dem Wohnzimmerboden liegend gefunden.“

„Ich verstehe.“ sagte Zamagni, und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Warum sollte es ein Mord sein? Könnte sie nicht eines natürlichen Todes gestorben sein? Ein Unfall?“

„Keine Ahnung.“ antwortete der Hauptkommissar, „Ich denke, es ist das Beste, hinzufahren und zu versuchen, mehr darüber herauszufinden... Die Dame, die den Anruf getätigt hat, wartet auf uns und ich sagte ihr, sie solle sich zur Verfügung halten."

„In Ordnung.“ stimmte Zamagni zu. „Dann gehe ich mal kontrollieren.“

Das Mädchen lag noch genauso da, wie sie die Mutter gefunden hatte, und zwar auf dem Fußboden.

„Ich versichere Ihnen, dass ich nichts angefasst habe.“ beteuerte die Dame, nachdem sie den Polizeiausweis gesehen hatte, so als wolle sie sich sofort für irgendetwas rechtfertigen, was sie gar nicht getan hatte.

„Das haben Sie richtig gemacht.“ lobte Zamagni. „Darf ich Ihren Namen wissen?“

„Chiara. Chiara Balzani.“ stellte sie sich vor. „Und das ist meine Tochter.“ fügte sie hinzu, wobei sie sich dem Körper ihrer Tochter zuwandte, als ob sie noch leben würde.

„Ich verstehe. Könnten Sie mir bitte auch den Namen Ihrer Tochter nennen?“

„Oh...aber sicher. Entschuldigen Sie bitte. Ich stehe immer noch unter Schock wegen dem, was passiert ist. Sie heißt... hieß... Lucia Mistroni.”

„Vielen Dank.“ sagte Zamagni, dann fügt er hinzu: „Darf ich wissen, weshalb Sie ohne zu zögern die Polizei gerufen haben? Ich meine, es könnte sich ja auch um einen Infarkt oder eine andere natürliche Ursache gehandelt haben, oder?“ Er wandte sich an den Polizisten Marco Finocchi, der ihn begleitete: „Notiere alles.“

Der Polizist nickte.

„Ihre Frage ist berechtigt, aber es scheint, dass meine Tochter seit einiger Zeit Drohanrufe erhalten hat. Deshalb dachte ich sofort an einen unnatürlichen Tod und habe Sie gerufen.“

„Drohanrufe? Und weiß man, wer der Anrufer war?“

„Nein, obwohl ich immer den Verdacht hatte, oder vielmehr überzeugt war, wenn Ihnen das lieber ist, wie auch meine Tochter, dass es ein Ex-Freund von ihr war.“ erklärte die Frau. „Ihre Beziehung ist recht heftig auseinandergegangen, sie hatten einen großen Streit gehabt. In der letzten Zeit ihrer Beziehung haben sie sich oft gestritten."

„Ich verstehe.“ nickte Zamagni. „Wir müssen alles über Ihre Tochter wissen. Alter, Beruf, Hobbies, Adressen und Namen ihrer Freunde. Und dieser Ex-Freund? Können Sie uns sagen, wie er heißt? Alles, was Sie über ihn wissen. Und... noch etwas: war Ihre Tochter zurzeit verheiratet? Verlobt? Alleinstehend? Wissen Sie, wir können keine Spur ausschließen."

„Soweit ich weiß, war Lucia momentan Single.“

Der Ispettore legte eine kurze Pause ein, um sich ein wenig umzusehen.

Die Wohnung, die sich im ersten Stock eines neu errichteten Gebäudes am Stadtrand von Bologna befand, war elegant, modern, mit einer eher minimalistischen Einrichtung und dazu passenden Accessoires. Es gab keine Vorhänge an den Fenstern und tagsüber wurde jeder Raum perfekt vom Sonnenlicht erhellt.

„Gehörte die Wohnung Ihrer Tochter?“ fragte der Polizist Finocchi.

„Ja, sicher.“ Es schien, als ob Frau Balzani diese Frage als überflüssig empfand.

Die Wohnung war vollständig von der Tochter bezahlt, hatte die Mutter erklärt.

Sie hatte auch erklärt, dass Lucia Mistroni eine ziemlich wichtige Rolle in der Firma inne hatte, in der sie arbeitete, obwohl ihre Tochter ihr nie wirklich gesagt hatte, um was es sich dabei handelte.

„Also? Können Sie uns den Namen des Ex-Freundes Ihrer Tochter nennen?" fragte Zamagni.

„Ja, entschuldigen Sie.“ sagte Frau Balzani, „Die Person, die Sie suchen, heißt Paolo Carnevali. Wenn er nicht umgezogen ist, wohnt er in der Via Cracovia, neben dem Parco dei Cedri, Hausnummer... 10 glaube ich.“

„Perfekt. Also erst einmal vielen Dank. Denken Sie daran, dass jede Information, die Sie uns geben können, für die Ermittlung nützlich sein könnte. Und noch etwas: Die Spurensicherung wird jeden Zentimeter dieser Wohnung überprüfen müssen, in der Hoffnung, dass dies dazu beiträgt, den Täter dieses Verbrechens zu finden, so dass es in den nächsten Tagen absolut nicht möglich sein wird, die Wohnung zu betreten. Wir werden sie gleich versiegeln.“

Die Frau nickte verständnisvoll.

„Ich werde mein Möglichstes tun, um den Mörder zu finden.“

Sie verabschiedeten sich und, wieder auf der Straße, kehrten Ispettore Zamagni und der Polizist Finocchi in die Büroräume der Einsatzzentrale zurück.

III

Viel war es nicht, aber vielleicht hatten sie jetzt eine Spur gefunden, der sie folgen konnten, während sie auf die Ergebnisse aus der Wohnung von Lucia Mistroni warteten.

Gegen Mittag suchte Ispettore Zamagni in Begleitung von Marco Finocchi das Haus in der Via Cracovia Nr. 10 auf, um mit Paolo Carnevali zu sprechen.

Sie läuteten an der Tür, ohne eine Antwort zu erhalten, warteten ein paar Minuten und schafften es, zusammen mit einer alten Dame, die von einem Spaziergang mit ihrem Hund zurückkam, das Gebäude zu betreten.

„Dürfen wir eintreten?“ fragte Zamagni.

„Hausierer sind hier unerwünscht, tut mir leid. Wenn Sie Beide also zu dieser Sorte gehören, können Sie sich die Mühe sparen und lieber woanders Ihr Glück versuchen.“

„Wir suchen Herrn Carnevali. Kennen Sie ihn?“

„Und wer sind Sie?“ wollte die Frau wissen, die offensichtlich nicht viel von Fremden hielt.

„Wir müssen mit ihm reden. Es ist nicht unsere Absicht, ihn zu belästigen oder ihm körperlich zu schaden“, erklärte der Ispettore und zeigte seinen Ausweis.

„Oh, um Himmels willen...“ war die Reaktion der alten Dame, „Was hat der junge Mann denn angestellt? Er scheint mir eine anständige Person zu sein.”

„Keine Sorge“, beruhigte sie Finocchi, „wir wollen nur mit ihm reden.“

„Jedenfalls glaube ich, dass er um diese Zeit bei der Arbeit ist.“ erklärte die Frau.

„Und wann können wir ihn antreffen? Wissen Sie, wann er zurückkommt?“

„Wenn er keine besonderen Verpflichtungen nach der Arbeit hat, begegne ich ihm normalerweise täglich zwischen sechs und viertel nach sechs. Ich gehe für meinen Abendspaziergang mit Toby aus, und wenn ich zurückkomme, parkt er oder steigt die Treppe hoch.“

„Können Sie uns sagen, was Herr Carnevali für ein Auto hat?“

Damit hätte Sie keine Erfahrung, erklärte die Dame, denn sie sei absolut keine Autoexpertin. Die einzigen Verkehrsmittel, die sie gut kennen würde, seien die Busse, mit denen sie sonntagnachmittags in die Innenstadt fahren würde.

„Trotzdem vielen Dank.“ sagte Zamagni, „Wir werden heute Abend nochmal vorbeischauen.“

Die beiden verabschiedeten sich von der Dame und Toby, der ihr erst folgen wollte, nachdem er wenigstens von einem der beiden Männer gestreichelt worden war, und kehrten dann zu ihrem Auto zurück.

Es hätte keinen Sinn gehabt, so viele Stunden auf Paolo Carnevali zu warten, weshalb sie beschlossen, in die Einsatzzentrale zurück zu gehen und Zamagni die Zeit nutzen würde, um alle Neuigkeiten von der Spurensuche und dem mit der Autopsie beauftragten Pathologen in Erfahrung zu bringen.

Seine Eltern hatten sich sehr für ihn gefreut, sie sahen, dass er glücklich war und bei Verwandten und Freunden der Familie waren sie sehr stolz auf ihn.

Neben der Schule würde er auch etwas Nützliches tun und sich ein wenig dazu verdienen.

Es mag zwar nicht viel sein, aber für einen Jungen, der studiert, war es immerhin besser als nichts.

So sprachen sie von der Arbeit, die ihr Sohn gefunden hatte.

Anscheinend ist er nicht der einzige, und so hat er auch andere Gleichaltrige getroffen, mit denen er manchmal spazieren geht. Sie treffen sich am Samstagnachmittag im Park Giardini Margherita oder auf der Piazza Maggiore, haben Spaß, und manchmal gehen sie sogar zusammen zum Abendessen.

Mit dem bisschen, das er verdient, kann er es sich sogar leisten, ohne dass wir ihm Geld geben müssen.

Es war eine einfache Arbeit, bei der er Werbung austragen musste Und wer hätte nicht gewusst, wie man so etwas macht? Es genügte, Flugblätter zu verteilen. In Eigentumswohnungen, auf öffentlichen Plätzen oder auch nur auf der Straße, und das war's. Es war sonst nichts weiter erforderlich, also keinerlei Verpflichtungen.

Ein Kinderspiel.

Und das tat er nun jeden Nachmittag, höchstens ein oder zwei Stunden pro Tag und nur an Wochentagen, wenn er aus der Schule kam und seine Hausaufgaben gemacht hatte. Am Wochenende würde er sich ausruhen, sich amüsieren und einen kleinen Teil des verdienten Geldes ausgeben. Fleißig wie er war, hatte er mit seinen Eltern vereinbart, dass sie die Hälfte behalten sollten; nun, da er die Möglichkeit hatte, wollte er zum Haushaltsgeld beitragen und so viel geben, wie er konnte.

So setzte er seine Arbeit mit der für sein Alter typischen Leichtigkeit fort, ohne sich zu fragen, wofür er überhaupt warb.

IV

Am Abend desselben Tages, um 18.30 Uhr, kehrten Ispettore Zamagni und Finocchi in die Via Cracovia zurück, um mit Paolo Carnevali zu sprechen.

Sie drückten die Klingel und standen wenige Minuten später in seiner Wohnung.

„Mir wurde gerade gesagt, dass Sie kommen würden.“ erklärte der Mann. „Ich habe Sie erwartet. Kommen Sie doch bitte ins Wohnzimmer.“

Sie setzten sich an einen mittelgroßen rechteckigen Tisch, und, nachdem sie sich vorgestellt hatten, begann Zamagni zu sprechen.

„Sie müssen uns für die späte Stunde entschuldigen. Ich weiß nicht, ob Sie normalerweise früh zu Abend essen, aber wir haben vor, Ihnen ein wenig Zeit zu rauben."

„Ach, machen Sie sich keine Sorgen.“ entgegnete Carnevali. „Vielmehr würde ich gerne den Grund für Ihren Besuch erfahren.“

„Wir möchten über Lucia Mistroni reden.“

„Was hat sie angestellt? Ist ihr etwas passiert?“

Anscheinend wusste er nicht, was mit seiner Ex-Freundin passiert war, oder wenn doch, dann wusste er es gut zu verbergen.

„Ihre Mutter hat sie heute Morgen tot in ihrer Wohnung gefunden."

Paolo Carnevali schloss für einen Moment die Augen, öffnete sie dann wieder und sagte: „Das tut mir sehr leid. Wie ist es passiert? Haben Sie schon etwas entdeckt? Ich schätze, wenn Sie hier sind, haben Sie noch nicht herausfinden können, wer der Schuldige ist."

„Wir arbeiten daran.“ erklärte Zamagni, „Bis jetzt wissen wir nur, dass ihre Mutter zu ihr nach Hause gegangen ist und, als sie keine Antwort bekam, zurückging, um ihren Zweitschlüssel zu holen. Als sie die Wohnungstür öffnete, lag Lucia Mistroni auf dem Boden.“

Über die Drohanrufe wollte er zumindest vorerst nichts sagen.

„Ich hoffe, dass Sie den Schuldigen bald finden werden. Weshalb wollten Sie mich sprechen? Ich habe Lucia nicht mehr gesehen, seit wir uns vor ein paar Monaten getrennt haben.“

„Wir müssen jeder Spur folgen, und die des Ex-Freundes ist eine.“

„Wie ich schon sagte, ich weiß nichts darüber. Ich habe Lucia seit ein paar Monaten nicht mehr gesehen.“

„Wir wissen, dass Sie in letzter Zeit viel miteinander gestritten haben.“ stellte der Kommissar fest.

„Hat Ihnen das die Mutter gesagt?“

„Ja.“

„Ich verstehe. Gut, in der letzten Zeit unserer Verlobung haben wir viel gestritten, aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich der Schuldige bin."

„Das wollten wir auch nicht sagen. Wie ich schon sagte, müssen wir allen Spuren nachgehen, die uns zu dem Schuldigen in dieser Sache führen können. Warum stritten Sie?“

Es gab eine kurze Pause, in der Paolo Carnevali überlegte, bevor er antwortete: „Man könnte sagen, dass jeder Vorwand gut genug war, um eine lebhafte Diskussion zwischen uns zu beginnen. Aus irgendeinem Grund hatte die Beziehung in den letzten Monaten diese Wendung genommen. Wir haben selbst über die banalsten Dinge gestritten.“

Finocchi machte sich Notizen und schrieb jede Kleinigkeit auf.

„Verstehe.“ sagte der Kommissar. „Frau Mistroni scheint seit einiger Zeit Drohanrufe erhalten zu haben. Haben Sie eine Ahnung, wer das getan haben könnte? Gibt es, soweit Sie wissen, jemanden, der so weit gehen kann? Jemand, der Lucia kannte und mit dem etwas besonders Unangenehmes passiert war.“

„Da kann ich Ihnen nicht helfen. Tut mir leid.“

So wie es aussah, würden sie nichts aus Herrn Carnevali herausbekommen, zumindest noch nicht.

„Gut. Falls Ihnen noch irgendetwas zu Fräulein Mistroni einfallen sollten, rufen Sie uns bitte an und fragen Sie nach mir.“

Der Mann nickte.

„Ah, noch eine letzte Sache." sagte Ispettore Zamagni, kurz vor der Treppe. „Halten Sie sich zur Verfügung.“

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