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Ein gutes Wort zu jeder Woche

P. Sascha-Philipp Geißler SAC (Hrsg.)


Inhalt



VorwortP. Sascha-Philipp Geißler SAC


WocheAutorTitel
01Christoph LentzNeues Leben, neuen Wind, neuen Mut
02Sascha HeinzeDie Zusage Gottes, geliebt zu sein
03Heribert NiederschlagDas 18. Kamel
04Helmut ScharlerUm Pallottis Geist ringen
05Jochen RuinerGlauben ist Herzenssache
06Alexander HolzbachKeine Sorge um den Sonntag
07Jörg MüllerWundersame Folgen der Ordnungsliebe
08Heribert NiederschlagHumus und Humor
09Heribert NiederschlagVersuchungen sind wie Vagabunden
10Bernhard PielerAbgeschminkt
11Siegfried ModenbachBloß verzichten?
12Jörg Müllervergeben
13Heribert NiederschlagUnser Herrgott ist nicht so!
14Norbert PossmannKonzentration auf das Notwendige
15Bernhard ScheloskeLiebt einander, wie Er uns geliebt hat
16Paul RheinbayVerlieren können
17Sascha-Philipp GeißlerVon alten Zweifeln und neuer Sicht
18Sascha-Philipp GeißlerOsteraugen sehen mehr
19Richard J. AltherrLebensgefühle
20Jürgen HeiteEinander Raum geben
21Reinhold MaiseDer Blick von oben
22Alexander DiensbergMütterliche Autorität und großer Mut
23Markus HauGrünkraft
24Richard J. AltherrBitte keine Einzelheiten
25Peter HinsenWieviele Brote habt ihr?
26Jörg MüllerTu was für dich
27Karl HeinenIst die Kirche noch gefragt?
28Hans-Joachim WinkensAuf uns alle kommt es an
29Sascha-Philipp GeißlerEinfach so
30Dirk GottwaldDer Segen
31Hubert LenzWeil ich dich gern hab
32Rainer SchneidersWohin segeln?
33Markus HauIch setzte meinen Fuß
34Sascha-Philipp GeißlerMach mal ein Päuschen
35Jörg MüllerKlugheit
36Rainer SchneidersSchicksal, Zufall, Fügung?
37Siegfried ModenbachSich entscheiden
38Peter HinsenGott ist parteiisch!
39Jörg MüllerDemut ist mein größter Stolz
40Sascha-Philipp GeißlerIm Schönen Gott entdecken
41Steffen BrühlDas gilt bis heute
42Jürgen HeiteAuf Gegenseitigkeit
43Steffen BrühlMensch, werde wesentlich
44Alois HofmannLichtzeichen am dunklen Erdenhimmel
45Horst LiedtkeLebe das Leben jetzt – ohne Angst
46Manfred ProbstAus der Hoffnung leben und sterben
47Peter HinsenGut christlich?
48Jochen RuinerChristkönigsfest
49Edward FröhlingWach auf, du verrotteter Christ!
50Björn SchackniesAn(ge)kommen!
51Peter HinsenEr hält bei uns an
52Sascha-Philipp GeißlerEin Kind verzaubert
53Björn SchackniesSeht, ich bin da


Vorwort

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Wer freut sich nicht über ein gutes Wort? Wie ein Blick, der mir lächelnd Ansehen schenkt; wie eine freundschaftliche Zuwendung, die mir neue Kraft gibt – ein gutes Wort, das mich aufrichtet und weiterbringt: Auch davon lebt der Mensch! Im Buch Jesus Sirach gilt das gute Wort eines weisen Menschen sogar mehr als seine Gabe (Sir 18, 16f.).

Beginnend im Frühjahr 2003 erschien auf den Internetseiten der Pallottiner in Deutschland und Österreich (www.pallottiner.org) wöchentlich ein „gutes Wort“ in Form einer Kolumne. Pallottinerinnen und Pallottiner, Männer und Frauen aus der pallottinischen Familie schenkten seitdem ihren Lesern einen Impuls auf dem Weg durch die Woche. Ob nahe am Zeitgeschehen, ob aus der Leseordnung des Gottesdienstes schöpfend, ob am Kirchenjahr und seinen Festen orientiert – immer galt das Ziel, mit einem Wort und einem Gedanken Menschen ein Stück zu bereichern, sie zu inspirieren und manchmal auch herauszufordern, Gott und dem Leben zu trauen. Eine große Vielfalt an Menschen und Themen tat sich im Lauf der Jahre dabei auf.

Einen kleinen Ausschnitt davon bietet das Buch, das Sie in Händen halten. Ich danke meinen Mitbrüdern – allesamt Mitglieder der deutsch-österreichischen Provinz der Pallottiner –, dass ihre „guten Worte“ auch an dieser Stelle erscheinen können. Als Begleiter durch das Jahr ist dieses Buch gedacht; Woche für Woche ein gutes Wort, mit einem 53. als Klammer und Brücke, das gleichsam zusammenfasst und weiterführt.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Sinnieren und reichlich Segen beim Leben Ihrer Zeit!

Ihr P. Sascha-Philipp Geißler SAC (Hrsg.)


01 Neues Leben, neuen Wind, neuen Mut

Wie sieht es mit Ihren guten Vorsätzen für das neue Jahr aus? Schon manches Mal habe ich mir am Anfang eines Jahres viel vorgenommen: In dem und dem Punkt will ich mich verändern, ich will während des Jahres ein bestimmtes Pensum an Aufgaben erfüllen, ich will Schwerpunkte setzen, und, und, und.

Es war immer gut gemeint, aber nur selten von Erfolg gekrönt. Und da hilft mir dann der alte Cicero-Spruch: „Fange nie an aufzuhören und höre nie auf anzufangen!“ Denn jeder Tag kann ein neuer Anfang, kann eine neue Chance sein. Von Tag zu Tag zu leben und jeden Morgen neu anfangen, nicht weit für die Zukunft planen, ist das nicht so ähnlich wie das Wort Jesu: „Sorgt euch nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selbst sorgen“?

Mir scheint, es ist für das persönliche Leben wichtiger, als wacher und aufmerksamer Mensch und Christ durch den Tag zu gehen und seine Herausforderungen anzunehmen, als große Pläne auf lange Sicht zu schmieden. Jeder Tag eine neue Chance, jeder Tag ein Neubeginn, jeder Tag ein neuer Aufbruch.

Wandel und Erneuerung.

Wachstum und Neubeginn.

Weitergehen und neu anfangen.

Leitworte, die über jedem neuen Tag stehen könnten.

Oft sind wir aber festgefahren im zähen Schlamm unserer Gewohnheiten. Wir kommen von den eingefahrenen Gleisen nicht weg. Wir sind zu träge, manchmal auch zu ängstlich, etwas zu ändern. Lieber alles so lassen wie es ist, als sich auf Neues einzulassen, von dem ich eh nicht weiß, was es bringt. So denke ich leider Gottes viel zu oft.

Aber zum Glück bekommen wir immer wieder Impulse und Anstöße zu einem neuen Aufbruch, zu einem neuen Anfang, zu einem Neubeginn. Auch das Kind in der Krippe kann für uns so ein Anstoß sein. Die Geburt dieses Kindes unterbricht den Lauf der Welt. Nicht sofort, nicht schnell. Es ist ein Anfang mit Langzeitwirkung. Mit diesem Kind kommt etwas ganz Neues in die Welt. Ein Kind, das die Welt verändert. Ein Kind, das uns zeigt, was ein neuer Anfang ist. Nichts ist mehr so, wie es vorher war.

Obwohl manche Angst und Zweifel bleiben, ist es doch ein Neuanfang. Und zu solchen „Neu-Anfängen“ ermutigt uns das Kind in der Krippe immer wieder. Das Kind im Stall ist das Zeichen Gottes dafür, dass es für uns einen Anfang gibt, der uns beschützt vor Resignation und Stillstand, und der uns hilft, anders zu leben.

Neu anfangen heißt: Bei sich selbst anfangen. Aufstehen aus der Müdigkeit. Mit Überraschungen rechnen. Auf leise Töne hören. In den kleinen Zeichen des Lebens schon das Große sehen: Im Kind das Wachsen des Lebens, im Älterwerden das Reifen, hinter der Maske von Menschen den Hunger nach Zuwendung erspähen. In der Kälte von Beziehungen schon den Wärmestrom des Lebens spüren.

Ich glaube, dass unser Leben immer wieder aufs Neue Wachstum und Wandel braucht. Neues Leben, neuen Wind, neuen Mut. Es liegt an uns, immer wieder mit dem Neuen anzufangen!

Ich lade Sie ein, in dieser Woche jeden Tag als einen bewussten „Neu-Anfang“ zu sehen. Jeden Morgen ein Zeichen des Neubeginns mit Gott zu setzen und im Vertrauen auf IHN Neues zu wagen. Gerade der Beginn eines neuen Jahres ist eine gute Zeit dafür.

P. Christoph Lentz SAC


02 Die Zusage Gottes, geliebt zu sein

Die wohltuende Nähe lieber Menschen und die liebenden Worte Gottes können uns durch manch dunkle Situation des Lebens tragen. Diese Erfahrungen schildert uns auch die Bibel und andere Weisheitsliteratur. Ein afrikanisches Sprichwort zum Beispiel sagt: „Das Wort, das dir hilft, kannst du dir nicht selber sagen.“

Ein gutes Wort zugesprochen zu bekommen kann für uns heilsam und erlösend sein. Gott spricht uns immer wieder aufs Neue zu, dass wir seine geliebten Söhne und Töchter sind. Die Bibel berichtet uns, dass Jesus bei seiner Taufe im Jordan eine Stimme vernimmt, die zu ihm sagt: „Du bist mein geliebter Sohn“. Und das Evangelium des zweiten Fastensonntags weist uns auf die Begebenheit am Berg Tabor hin, in der Jesus als der „geliebte Sohn Gottes“ bezeugt wird.

Die Zusage des Geliebtseins – als Sohn, als Tochter – ist etwas sehr Notwendiges für uns Menschen. Es ist ein Wort, eine Gewissheit, die uns Selbstvertrauen, Gelassenheit und Kraft fürs Leben geben kann. Bei jeder Taufe ist diese Zusage Gottes das zentrale Wort, an das uns dieses Sakrament erinnern möchte.

Wir alle dürfen uns immer wieder an diese Zusage Gottes, die jedem Menschen gilt, erinnern: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter.“ Es ist eine Zusage des Lebens selber; eine Zusage, die uns von innen her reinigen und lebendig machen möchte. Es ist ein Wort, das wir uns nicht selber geben, uns aber immer wieder bewusst machen können.

Dieses Wort Gottes ist eine Botschaft – an einen jeden und eine jede von uns –, die wir immer wieder hören und einatmen dürfen. Jeder Atemzug kann dieses Wort Gottes „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter“ ein Stück tiefer in uns hineinsenken. Diese Atemübung kann eines unserer einfachsten Gebete werden. Ein Gebet, das uns uns selber und somit Gott näher bringen kann.

Wenn wir diese Liebe verinnerlicht haben und sie fast unwiederholt glauben können, dann kann sie uns Vertrauen ins Leben geben und uns Kreativität und Phantasie schenken, die uns lebendig bleiben lässt.

„DU bist mein geliebter Sohn, Du bist meine geliebte Tochter!“ Eine Botschaft, an jeden und jede von uns, die wir uns nicht selber geben können. Aber eine Botschaft, welche die innigste Botschaft Gottes an uns Menschen ist.

P. Sascha Heinze SAC

03 Das 18. Kamel

„Wer möchte ich geworden sein, wenn ich gewesen bin?“ Dieser Frage können wir uns nicht früh genug stellen. Sie zielt auf den Sinn unseres Lebens und motiviert, einen Lebensstil zu entwerfen, den man auf dem Sterbebett nicht zu bereuen braucht. Der Rückblick auf das Leben kann beglücken, aber auch belasten. Als ich zwei Jahre als Novize im Osterseifen bei Olpe verbrachte, lernte ich den Mitbruder Johannes Jünger kennen. Er war Missionar in Kamerun gewesen und danach lange Jahrzehnte in Südamerika als gefragter Architekt tätig. Er hatte es verstanden, erdbebensichere Häuser zu bauen. Inzwischen war er alt geworden. Eines Tages musste er sich an beiden Augen einer Staroperation unterziehen. Drei Wochen waren die Augen verbunden. Weil mir die Aufgabe eines Krankenwärters zugewiesen war, habe ich ihm jeden Tag das Essen gebracht und ihn mit Medikamenten versorgt. Eines Tages fragte ich ihn, ob es ihm nicht langweilig sei, den Tag zu verbringen, ohne sehen, lesen und spazieren gehen zu können. Er lachte und sagte: „Endlich habe ich einmal die Zeit, mein ganzes Leben Revue passieren zu lassen und bei den einzelnen Stationen zu verweilen, – und es war manchmal schwer, aber überall schön.“ Er blickte froh und dankbar zurück. Nicht jeder empfindet eine solche Freude, wenn er auf sein Leben zurück schaut. Es ist eine sinnvolle Aufgabe, schon früh damit zu beginnen, das Leben so zu gestalten, wie man sich auf dem Sterbebett wünschen wird, so gelebt zu haben.

Wer möchte ich sein? Wer soll ich sein? Was erwarten die anderen von mir? Was erwarte ich selbst von mir? Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind.

In seiner Studentenzeit hat ein Freund folgenden Satz formuliert und an die Wand gehängt: „Es ist nicht schwer, ein Kamel zu sein. Aber es ist schwer, das 18. Kamel zu sein.“ Hintergrund dieses Satzes war ein Rätsel. Ein Kamelbesitzer hatte drei Söhne. Er verfügte, dass bei seinem Tod einer die Hälfte, der andere ein Drittel und der dritte ein Neuntel von seinem Besitz an Kamelen bekommen soll. Als er starb, hatte er 17 Kamele. Die Söhne waren ratlos. Wie sollten sie die 17 Tiere nach der Vorgabe des Vaters aufteilen?

 

Da fragten sie einen weisen Mann. Der sagte: Ich gebe euch eines von meinen Kamelen dazu und dann könnt ihr teilen. Der eine bekam die Hälfte, das heißt 9 Kamele, der andere 6 Kamele und der dritte 2. Die Summe ergibt 17. Das 18. Kamel blieb übrig. Das nahm der Weise wieder mit.

Das 18. Kamel diente dazu, eine schwierige Situation zu lösen. Dann war es wieder überflüssig. Deshalb hatte mein Freund geschrieben: Es ist schwer, das 18. Kamel zu sein. Er wollte damit zum Ausdruck bringen: Es ist schwer, in einer schwierigen Situation zu helfen und sich dann wieder überflüssig zu machen. Sich nicht für unentbehrlich zu halten, sondern für einen Dienst zur Verfügung zu stehen. Ähnliches hinterließ der heilige Vinzenz von Paul: „Wenn wir unsere Aufgabe erfüllt haben“, sagte er, „dann ziehen wir die Tür zu, schließen sie ab, legen den Schlüssel unter die Fußmatte und gehen.“

Aber es braucht auch ein Gegengewicht. Wir brauchen auch bleibende Beziehungen, die Freundschaft mit Menschen, bei denen wir immer wieder gern verweilen und gleichsam zuhause sein können. Wo wir uns nicht nach getaner Tat sofort verabschieden, sondern noch eine Weile bleiben. Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, erinnere ich mich an Menschen, mit denen ich ein Stück Weg gegangen bin. Aber dann haben wir uns aus den Augen verloren. Es bleibt jedoch die Erinnerung an eine wohltuende und wichtige Wegstrecke. Aber es ist auch wichtig, loslassen zu können, um für neue Aufgaben offen und gewachsen zu sein. Doch es braucht auch tragende Beziehungen, die bleiben und aus denen ich lebe – in innerer Freiheit und im Wissen, füreinander da zu sein und sich aufeinander verlassen zu können.

„Wer möchte ich geworden sein, wenn ich gewesen bin?“ Jemand, der da ist, um zu helfen. und der auch loslassen kann. Und jemand, der sich über Menschen freut, auf die er sich verlassen kann und mit denen er gern unterwegs ist.

P. Heribert Niederschlag SAC


04 Um Pallottis Geist ringen

„Das Orginal stirbt in den Epigonen.“ Dieser Satz eines polnischen Schriftstellers begleitet mich schon einige Zeit. Das Wort „Epigone“ bedeutet ursprünglich „Nachgeborener“, ist aber in unserem Sprachgebrauch heute negativ geworden und bezeichnet einen „Nachmacher“. Einen, dem nichts Neues einfällt und der so das Vergangene ohne eigene Gestaltungskraft imitiert.

Wir Pallottiner lieben den heiligen Vinzenz Pallotti – mit seinen Eigenheiten, mit seinen Stärken und mit seiner Leidenschaft. Wir schätzen sein offenes Kirchenbild und seine Liebe zu Gott. Wir lieben ihn für seine Weite und für seine unendliche Sehnsucht nach Gott. – Zumindest lieben wir ihn so, wie wir glauben, dass er war und wir ihn zu erkennen meinen. Denn: Nie haben wir den ganzen Menschen, nie alle seine Dimensionen und seine Vielschichtigkeit; wir wählen aus. Manches in der Biographie des Heiligen zieht unsere Aufmerksamkeit stärker auf sich, und für manches haben wir nur einen blinden Fleck übrig.

Manchmal, scheint mir, legen wir auch etwas in die Person und in das Leben unseres Heiligen hinein, weil wir gar zu gerne hätten, dass er so denke wie wir. Nie haben wir den „ganzen“ Menschen, den „ganzen“ Heiligen. Wir leben in einer anderen Zeit und haben einen anderen Lebenshintergrund. Unsere Lebenssicht färbt ab auf unser Bild von Pallotti.

Und das ist erlaubt. Es ist auch gut so; es geht auch gar nicht anders.

„Das Original stirbt in den Epigonen.“ Würden wir Pallotti imitieren, kopieren, ihn „nachmachen“, so wie wir ihn uns vorstellen, hätte er uns und unserer Zeit wenig zu sagen. Wir würden im 19. Jahrhundert stehen bleiben. Wir würden die Antworten für damals finden, unsere Zeit und unsere Nöte aber gingen leer aus.

Wer Vinzenz Pallotti und seinem Ideal, seinem Traum treu bleiben will, muss sich in gewisser Hinsicht auch vom Blick in die Vergangenheit lösen. Er braucht die Zwiesprache mit den Menschen, die heute leben, mit den Nöten, die heute nach Antwort schreien. Was einen Heiligen frisch und lebendig hält, ist, wenn sein Geist in seinen „Geisteskindern“, in seinen Nachfolgern, lebendig bleibt. Wenn die Größe seiner Liebe, seiner Menschenzugewandtheit, seines Opfergeistes und seiner Gottesleidenschaft auch unser Kennzeichen ist.

Die „Übersetzungsarbeit“ eines Heiligen, ihn in der Sprache der Jetztzeit, der Gegenwart, zu übertragen, ist wesentlich schwieriger und mühseliger. Es braucht Gestaltungskraft, Mut und eine gute Portion Vertrauen in den Heiligen Geist. Leichter ist es, zurück zu schauen und „historische Studien“ zu betreiben.

Wer sich noch an den Mathematikunterricht erinnert, kennt das „Parallelverschieben“: Eine geometrische Figur wird von einem Ort zu einem anderen (parallel) verschoben. Dabei bleibt die Gestalt der Figur unverändert, aber sie befindet sich in einem neuen Umfeld.

Es ist die Aufgabe in der pallottinischen Familie, dass wir um Pallottis Geist ringen: Wie würde seine Person und sein Handeln in der heutigen Zeit, an unserem Ort, an diesen Menschen, sichtbar werden: die Größe seines Geistes, seine Liebe zu den Menschen, seine Weite und Offenheit, seine mutige Tatkraft, seine unendliche Sehnsucht nach Gott, sein Ergriffensein von Gottes Barmherzigkeit …

Wie würde es unser Leben verändern? Zu welchen Taten würde es uns anspornen? Welche Spuren würden wir hinterlassen?

Das „Orginal“ soll leben. Sein Geist soll erfahrbar werden in den „Nachgeborenen“.

P. Helmut Scharler SAC


05 Glauben ist Herzenssache

Als ich in den 90er Jahren Theologie studierte, lag in den ersten beiden Studienjahren der Schwerpunkt auf der Philosophie. Ich muss gestehen, dass mich dies damals überfordert hat. Es wurden in der Philosophie denkerische Leistungen gefordert, die oft über meinen Horizont hinausgingen.

Ich fragte mich, ob das denn alles wirklich nötig sei und zweifelte an der Struktur des Theologiestudiums, genauso aber auch daran, ob ich dem allem gewachsen sein werde.

Innerlich regte sich bei mir aber auch Widerstand: Es könne doch nicht sein, dass es so schwer und „verkopft“ sein müsse, wenn man Theologie studieren wolle. Wieso sollte es nur mit intellektuellen Höhenflügen möglich sein, etwas von Gott zu verstehen beziehungsweise zumindest zu erahnen?

Es war in dieser Phase meines Studiums, als wir Studenten von einem Professor nach unserem Lieblingsbibeltext gefragt wurden.

Spontan fiel mir dabei die Stelle ein: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast.“ (Mt 11, 25)

Dies war für mich ein Trost, und bis heute ist mir dies ein ganz wichtiger Bibeltext.

Der Glaube kommt nicht zuerst vom Verstehen und hat schon gar nichts mit dem Intelligenzquotienten zu tun. Ich habe manchmal sogar den Eindruck, dass es überhaupt nicht hilft, „sich einen Kopf zu machen“, also zu viel zu grübeln und nachzudenken.

Glauben ist zutiefst eine Herzenssache.

Wenn auch das Nachdenken über den Glauben mit dazu gehört und es auf jeden Fall vernünftig ist, zu glauben, so ist dies für mich doch erst der zweite Schritt. Dieser kann nicht gegangen werden, wenn der erste fehlt, der da lautet: Ergreife Gott mit deinem Herzen!

So wünsche ich allen Christinnen und Christen, dass sie sich von Herzen auf diesen Gott der Liebe einlassen und immer mehr lernen, Ihm zu vertrauen.

P. Jochen Ruiner SAC