Dein Herz lebe auf!

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Dein Herz lebe auf!
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FRANZ-JOSEF BODE

(HRSG.)

Dein Herz
lebe auf!

Tröstende Bibeltexte

erschlossen für

schwere Zeiten


1. Auflage 2020

© Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart, 2020

Alle Rechte vorbehalten.

Für die Texte der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift vollständig durchgesehene und überarbeitete Ausgabe

© Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart 2016

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Matthias Bumiller, Finken & Bumiller, Stuttgart

Umschlagsmotiv: Nathalie Wolff, Paris

Satz: Matthias Bumiller, Finken & Bumiller, Stuttgart

Hersteller gemäß ProdSG:

Druck und Bindung: Finidr s.r.o., Lípová 1965, 737 01 Český Těšín, Czech Republic

Verlag: Katholische Bibelanstalt GmbH, Deckerstr. 39, 70372 Stuttgart

ISBN 978-3-920609-93-5

eISBN 978-3-920609-94-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Herausgebers

Auf das Bleiben kommt es an

STEPHAN ACKERMANN

Dienen ist systemrelevant – das Beispiel Jesu

GEORG BÄTZING

Wie gut, dass es diesen Thomas gibt

FRANZ-JOSEF BODE

Die Frage nach dem Sinn unseres Daseins

STEPHAN BURGER

Der Herr ist nahe

HELMUT DIESER

Wachet und betet

GERHARD FEIGE

Siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt

GEBHARD FÜRST

Birg in deinen Wunden mich

FELIX GENN

Ostern: Hoffnung aus der Erschütterung

GREGOR MARIA HANKE

Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?

STEFAN HEßE

Loblieder in der Mitte der Nacht

WOLFGANG IPOLT

In der Gemeinschaft mit Gott verbunden

HEINER KOCH

Gottes Geschichte mit mir geht weiter. Er bleibt treu.

PETER KOHLGRAF

Habt Vertrauen!

REINHARD MARX

Von Bäumen und Menschen

BERTRAM MEIER

Wer im Schutz des Höchsten wohnt

ULRICH NEYMEYR

Corona und die Grabeshöhlen der Menschheit

STEFAN OSTER

Von lähmender Angst zu gläubiger Freiheit

FRANZ-JOSEF OVERBECK

Bleibe bei uns, denn es wird Abend

LUDWIG SCHICK

Auf nach Galiläa

HEINRICH TIMMEREVERS

Dass aus der Quarantäne eine wahre Quadragese werde

RUDOLF VODERHOLZER

Du hast mein Klagen in Tanzen verwandelt

KARL-HEINZ WIESEMANN

Wunderbar geschenkt: Licht und Leben. Mit der Schöpfungshoffnung dem Chaos trotzen!

HEINER WILMER

Verzeichnis der Bibelstellen

Vorwort des Herausgebers

Zurzeit ist es wirklich nicht leicht, aufrichtende und tröstende Worte zu finden, die nichts dramatisieren und nichts beschönigen. Die Coronakrise ist in aller Munde, und doch kommen einem angesichts von so unendlich viel Not, Krankheit und Tod – in der eigenen Familie und weltweit – Worte der Zuversicht nur schwer über die Lippen.

Worte gut geerdeter Hoffnung bieten uns die Schriften der Bibel. Sie beschreiben tiefe Erfahrungen der Menschen mit Gott durch die Jahrtausende und auch Erfahrungen Gottes mit seinen Menschen. Es sind durch Höhen und Tiefen des Lebens gereifte Worte, an denen wir uns in Gottesdienst und Besinnung orientieren können.

Da ist es ein besonderes Geschenk, dass viele deutsche Bischöfe in diesem Buch versuchen, tröstende Bibeltexte für die aktuell so herausfordernde Zeit und darüber hinaus zu erschließen. Wir wollen und dürfen nicht schweigen von der Hoffnung, die uns Christen erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Mögen diese Texte vielen zu „Quelle und Brot in Wüstennot“ werden, wie es im Lied heißt (GL 453).

Von Herzen danke ich meinen Mitbrüdern und dem Verlag für die zügige Bereitung dieses Buches.

BISCHOF FRANZ-JOSEF BODE

VORSITZENDER DER PASTORALKOMMISSION

DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ

Auf das Bleiben kommt es an

BISCHOF DR. STEPHAN ACKERMANN

1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater ist der Winzer. 2 Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. 3 Ihr seid schon rein kraft des Wortes, das ich zu euch gesagt habe. 4 Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt. 5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. 6 Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer und sie verbrennen. 7 Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. 8 Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet. 9 Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. 11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. 12 Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. 13 Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. 14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. 15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. 16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. 17 Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.Joh 15,1–17

Schon oft habe ich über diese Verse meditiert, die mir über Jahre zum Teil dunkel und verschlossen vorkamen. Heute gehören gerade die eher sperrigen Passagen zu meinen Trostworten für schwere Zeiten.

Die Verse gehören zu den sogenannten Abschiedsreden Jesu im vierten Evangelium. Nach dem Zeugnis des Evangelisten spricht Jesus diese Worte im Abendmahlssaal nur wenige Stunden, bevor er aus dem eigenen Kreis verraten wird und seine Leidensgeschichte beginnt. Auch wenn der Text als solcher natürlich erst nach Ostern niedergelegt wurde und in ihn schon die Erfahrung eingeflossen ist, dass Jesus auferstanden ist und lebt, so atmen die Worte dennoch die Schwere der ursprünglichen Situation, die geprägt ist von den großen Themen Freundschaft, Liebe, Verrat, Abschied und Auftrag. Insofern eignet sich der Text unbedingt als biblischer „Notproviant“ für schwere Stunden.

Aus den dichten Versen möchte ich nur drei Schlüsselworte herausgreifen, an die ich – manchmal unwillkürlich – immer wieder denken muss. Ich beginne am Schluss:

Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt … (Vers 16).

Diese Worte klingen aufs erste Hören nicht gerade wie ein wohltuendes Trostwort. Sie klingen autoritär und belehrend, gerade so, als ob Jesus an diesem letzten Abend seinen Jüngern noch einmal sagen wollte, wer der eigentliche Chef ist. Gerade für uns Heutige, die wir in einer so freiheitsliebenden Welt leben, wirken die Worte Jesu befremdlich. Wir wollen nicht einfach das Vorbestimmte und Vorgestanzte wählen. Andererseits spüren wir, dass die Freiheit nicht selten umkippt; sie wird ein Zwang zum Wählen. Dann ist sie eine Belastung und wir erkennen: Ich werde nicht automatisch glücklicher, je mehr ich wählen darf. Nein, das tiefste Glück besteht darin, erwählt zu werden. Ob nicht die Depression vieler Zeitgenossen ihren Grund darin hat, dass sie sich zwar vor viele Wahlmöglichkeiten gestellt sehen, aber nicht erleben, dass sie erwählt werden, das heißt, dass jemand sich für sie interessiert und sie erwählt als Lebenspartner/-in, als Freund/-in, als Ratgeber/-in oder schlicht als Arbeitnehmer/-in …

 

Wenn Jesus sagt: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt, dann beschreibt er damit das eigentliche Glück eines jeden Jüngers, eines/-r jeden Getauften, letztlich eines jeden Menschen. Es besteht in der Erfahrung: Da ist einer, der mich sieht, der mich kennt, der mich will. Entspricht diese Schrittfolge, Gewählt-Werden – Selbst-Wählen, nicht auch der konkreten Geschichte unseres persönlichen Glaubens? Lange bevor wir uns bewusst für den Glauben entscheiden konnten, kamen der Glaube und die Botschaft und damit Jesus Christus selbst auf uns zu. Wann immer ein Mensch den Glauben wählt, ist diese Wahl letztlich „nur“ Antwort und Reaktion auf Gottes Wahl.

Für mich haben die Worte Jesu deshalb etwas sehr Entlastendes, gerade auch in den Zeiten, in denen mich Zweifel befällt, ob die Botschaft des Glaubens tatsächlich so stark und so wahr ist, wie wir es mit der ganzen Kirche bekennen. Dann denke ich an Jesu Satz „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.“ Er sagt mir: Jesus selbst übernimmt die Verantwortung für die Wahrheit seiner Worte. Ich habe mir sie nicht selbst ausgedacht. Sie sind nicht das Ergebnis meines Nachdenkens. Es sind seine Worte. Deshalb kann ich mich ihnen anvertrauen.

Bleibt noch die Frage, ob ich diese Worte überhaupt als Worte Jesu auf mich anwenden darf? Hat Jesus sie im Abendmahlssaal nicht zu den Zwölf, also zum engsten Jüngerkreis gesprochen? Was berechtigt dazu, diese Worte auf alle Christen hin auszudehnen? Es ist Jesus selbst. Erinnern wir uns nur, wie er den Menschen begegnet, mit denen er zusammentrifft. Er hat nicht nur einen Blick für diejenigen, die er in die unmittelbare Nachfolge berufen will. Er sieht voll Liebe auch diejenigen, die sich nicht trauen, sich ihm vorzustellen: Zachäus (Lk 19,1–6), die an Blutfluss erkrankte Frau (Mk 5,25–34), die Kinder, die nicht zu ihm vorgelassen werden (Mk 10,13–16), den Gelähmten, der die Hoffnung auf Heilung längst aufgegeben hat (Joh 5,2–8) … Sie alle lässt er durch die Art, wie er mit ihnen umgeht, wissen: Du bist nicht irgendwer, sondern du bist eine geliebte Tochter, ein geliebter Sohn Gottes.

Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er [mein Vater, der Winzer,] ab und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. (Vers 2)

Auch diese Sätze klingen herb und schmerzhaft, selbst für die Reben, die nach Jesu Verständnis Frucht bringen. Denn so gut es der Winzer auch mit dem Weinstock meinen mag: Reinigung heißt nicht Streicheln. Reinigung meint Bearbeitung, Hochbinden (nicht selten in eine Richtung, in die die Reben von selbst nicht wachsen würden) und Beschneiden. Damit ist der Schmerz offen angekündigt. Wundern wir uns also nicht, wenn uns der Glaube nicht vor Schmerz bewahrt, ja vielleicht sogar dazu führt, dass wir manches in unserem Leben noch schmerzlicher wahrnehmen als Menschen, die nicht gläubig sind, oder solche, die sich über so manches in unserer Welt weniger Gedanken machen.

Ein Exerzitienbegleiter hat mir einmal die Anregung gegeben, die schmerzlichen, die schwierigen Phasen des Lebens als Phasen der Reinigung und des Wachstums zu sehen. Nach dieser Lesart wäre dann in Schwierigkeiten und im Schmerz Gottes harte, aber positive Botschaft enthalten: „Du bist kein toter, vertrockneter Zweig. Du bist lebendig. Mit dir kann ich etwas anfangen. Bei dir ist noch mehr drin! Deshalb reinige ich dich.“

Gott, dem Winzer, und Jesus, dem Weinstock, geht es eben nicht darum, dass wir, die Reben, nur eine kurze Blütezeit erleben. „Ich will, dass ihr Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“, sagt Jesus zu den Jüngern. Damit aus einer Blüte Frucht wächst, braucht es aber nicht nur Sonnentage. Es braucht auch die Kühle der Nacht. Es braucht Trockenheit und Regen. Reifung, auch menschliche Reifung, geschieht durch verschiedene Lebensumstände hindurch.

So verstehen wir die bildliche Rede. Sie gilt übrigens nicht nur für den Glauben. Sie gilt für das menschliche Leben insgesamt. Oder würden wir jemanden als einen reifen Menschen bezeichnen, von dem wir wüssten, dass er nie mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, immer auf der Sonnenseite des Lebens gehen durfte, nie Zweifel empfunden hat, nie in menschliche Abgründe – eigene und fremde – geschaut hat, keine Angst kennt und keine Dunkelheiten …? Nur ein Leben, das durch Höhen und Tiefen hindurch gereift ist, wird Frucht bringen, und zwar die Frucht, von der Jesus spricht: Sie ist kein schneller, oberflächlicher Erfolg, sondern Frucht, die bleibt. Papst Benedikt XVI. hat in der Messe zur Papstwahl 2005 wunderbar ausgedrückt, worin diese Frucht konkret besteht: „Das einzige, was ewig bleibt, ist die menschliche Seele, der von Gott für die Ewigkeit erschaffene Mensch. Die Frucht, die bleibt, ist daher das, was wir in die menschlichen Seelen gesät haben – die Liebe, die Erkenntnis; die Geste, die das Herz zu berühren vermag; das Wort, das die Seele der Freude des Herrn öffnet.“

Bleibt in mir, und ich bleibe in euch. – Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht. – Bleibt in meiner Liebe! (Vers 4.5.9)

In acht Versen spricht Jesus neunmal vom Bleiben! Wie ein Refrain zieht sich dieses Wort durch seine Rede hindurch. Immer wieder: Bleiben. Sooft ich den Text lese und meditiere, hat diese Aufforderung aus dem Mund Jesu auf mich eine beruhigende Wirkung. Denn sie klingt so wohltuend einfach: Der Herr fordert nicht zu irgendwelcher Aktivität auf, erst recht nicht zu irgendwelchen Großtaten. Ich muss nach seinem Willen nicht mehr tun als bleiben …

Natürlich ist dieses Bleiben kein Synonym für Trägheit. Es ist auch kein Ausdruck von Sturheit oder Trotz („Jetzt bleibe ich erst recht!“), und es ist keine Ausrede für Unbeweglichkeit. Vielmehr meint dieses Bleiben ein Sich-Festmachen in, ein Sich-Festhalten an Jesus. Schon dieses bloße Bleiben kann Kraft kosten. In jedem Fall braucht es eine Entscheidung, manchmal in einem bewussten Akt. In der Regel aber meint das Bleiben die Treue in der Alltäglichkeit eines gläubigen Lebens.

Dabei hilft es, sich zu erinnern, dass Jesus nicht gesagt hat: „Bleibt in eurer Liebe zu mir!“ Auch hat er nicht abstrakt gesagt: „Glaubt an die Macht der Liebe und bleibt in ihr!“ Nein, er sagt: „Bleibt in meiner Liebe!“ Mit anderen Worten: „Bleibt in der Liebe, die ich zu euch habe. Glaubt fest daran, dass diese Liebe da ist und dass sie gilt, auch wenn ihr es momentan nicht spürt und es euch schwerfällt, daran zu glauben. Bleibt und glaubt, auch dann, wenn eure eigene Liebe schwankt, zu verschwinden droht oder erkaltet.“

GEBET

Herr, du hast zu deinen Jüngern gesagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Rebzweige.

Lass mich mit dir verbunden bleiben, damit du in mir bist und ich in dir.

Was auch geschehen mag, lass nicht zu, dass ich jemals von dir getrennt werde,

und bringe du in mir Frucht, die bleibt. Amen.

DR. STEPHAN ACKERMANN

BISCHOF VON TRIER

Dienen ist systemrelevant – das Beispiel Jesu

BISCHOF DR. GEORG BÄTZING

1 Der HERR sprach zu Mose und Aaron im Land Ägypten: 2 Dieser Monat soll die Reihe eurer Monate eröffnen, er soll euch als der Erste unter den Monaten des Jahres gelten. 3 Sagt der ganzen Gemeinde Israel: Am Zehnten dieses Monats soll jeder ein Lamm für seine Familie holen, ein Lamm für jedes Haus. 4 Ist die Hausgemeinschaft für ein Lamm zu klein, so nehme er es zusammen mit dem Nachbarn, der seinem Haus am nächsten wohnt, nach der Anzahl der Personen. Bei der Aufteilung des Lammes müsst ihr berücksichtigen, wie viel der Einzelne essen kann. 5 Nur ein fehlerfreies, männliches, einjähriges Lamm darf es sein, das Junge eines Schafes oder einer Ziege müsst ihr nehmen. 6 Ihr sollt es bis zum vierzehnten Tag dieses Monats aufbewahren. In der Abenddämmerung soll die ganze versammelte Gemeinde Israel es schlachten. 7 Man nehme etwas von dem Blut und bestreiche damit die beiden Türpfosten und den Türsturz an den Häusern, in denen man es essen will. 8 Noch in der gleichen Nacht soll man das Fleisch essen. Über dem Feuer gebraten und zusammen mit ungesäuertem Brot und Bitterkräutern soll man es essen.

11 So aber sollt ihr es essen: eure Hüften gegürtet, Schuhe an euren Füßen und euren Stab in eurer Hand. Esst es hastig! Es ist ein Pessach für den HERRN. 12 In dieser Nacht gehe ich durch das Land Ägypten und erschlage im Land Ägypten jede Erstgeburt bei Mensch und Vieh. Über alle Götter Ägyptens halte ich Gericht, ich, der HERR. 13 Das Blut an den Häusern, in denen ihr wohnt, soll für euch ein Zeichen sein. Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen und das vernichtende Unheil wird euch nicht treffen, wenn ich das Land Ägypten schlage. 14 Diesen Tag sollt ihr als Gedenktag begehen. Feiert ihn als Fest für den HERRn! Für eure kommenden Generationen wird es eine ewige Satzung sein, das Fest zu feiern!Ex 12,1–8.11–14

1 Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. 2 Es fand ein Mahl statt und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn auszuliefern. 3 Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, 4 stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. 5 Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. 6 Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen? 7 Jesus sagte zu ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. 8 Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. 9 Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. 10 Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. 11 Er wusste nämlich, wer ihn ausliefern würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein. 12 Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? 13 Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. 14 Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. 15 Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.Joh 13,1–15

Jesus zieht sich mit seinen Freunden in die Hausgemeinschaft zurück. Noch heute feiern die jüdischen Familien Pessach zu Hause am Tisch. In diesem Jahr ging es am Gründonnerstag, an dem die hier herangezogenen Texte vorgesehen sind, vielen so. Zuhause bleiben. Da bekommt das Essen miteinander am Tisch Bedeutung. Den Tisch herrichten, für die Gaben danken, einander wahrnehmen und zuhören, Zeit haben. Das biblische Bild dieses Abends ist eine gewöhnliche Szene. Vor dem Essen Hände waschen, und in der jüdischen Kultur Füße waschen. Knechtsarbeit. Wer dient und wer bedient, das ist festgelegt, Statusfrage. Jesus verstört, denn er dreht die Verhältnisse um. Ein Beispiel, damit auch wir so handeln. Wer macht bei uns eigentlich die Drecksarbeit? Wer dient – und was verdient er und sie? Ganz neue Perspektiven tun sich in dieser Krisenzeit auf, wer und was die „systemrelevanten“ Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sind. Hoffentlich vergessen wir es nicht und verändern etwas im Bewerten von Dienst und Verdienst. Viele Menschen haben in den letzten Wochen die Gottesdienste zu Hause gefeiert: Hausgottesdienste im privaten Kreis oder Teilnahme an einem Gottesdienst dank der Technik. Über Wochen haben wir dieses Opfer gebracht. Wir verzichten auf einen Großteil unserer Freiheitsrechte, nicht zuletzt auf das Grundrecht einer freien Religionsausübung. Wir opfern zentrale Elemente einer freiheitlichen Gesellschaft – und nehmen die existentiellen, psychologischen, wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen in Kauf, nein mehr noch: Wir übernehmen die Folgen der sozialen Abschottung solidarisch und wissen, dass dies unsere Gesellschaft einschneidend verändern und über einen längeren Zeitraum belasten wird. Und wir tun das, um Leben zu retten und vor allem die Schwachen und Verwundbaren zu schützen. Ehrlich gesagt hätte ich mir noch vor wenigen Monaten nicht träumen lassen, dass so etwas möglich ist; und dass die übergroße Mehrzahl der Bevölkerung dem innerlich zustimmt. Bei aller berechtigten Kritik an den harten Maßnahmen macht mich dieses Ausmaß an gelebter Solidarität dankbar und zuversichtlich.

 

In dieser so besonderen Situation passt die Erzählung des jüdischen Pessachfestes, das auch die Wurzel unseres christlichen Osterfestes bildet. In gehörigem zeitlichem Abstand reflektiert dieser Abschnitt aus dem Buch Exodus den geschichtlichen Ursprung dieses Festes als Übergang eines Volkes aus der Sklaverei in die Freiheit. Und der Abschnitt legt die Regeln fest, wie dieser Wendepunkt in der Geschichte Israels mit einer jährlichen Festfeier markiert werden soll. Ganz genau ist der Ursprung nach so langer Zeit nicht mehr zu fassen, aber die tragenden Elemente bleiben greifbar: Es geht um Leben und Tod, um Freiheit oder Untergang, Zukunft oder Verderben. Eine Krise ungekannten Ausmaßes herrscht in Ägypten. Viel später wird man sie aus der Perspektive des Gottesvolkes als Heil für Israel und Gericht über Ägypten deuten. Und das vollzieht sich im Vorüberschreiten des Herrn, im Pessach Gottes. Was in dieser existentiellen Krise offenbar hilft, ist die soziale Abschottung, jede Familie für sich, höchstens noch die nächsten Nachbarn dazu. Die Türen sind geschlossen. Opfer sind nötig. Etwas davon sieht man den Häusern äußerlich an. Die Haltung drinnen ist aufgewühlt, angespannt, ernst, nicht heiter oder gar fröhlich.

Wie sehr ähnelt das unserer jetzigen Ausnahmesituation. Das Gottesvolk Israel hat aus dieser Lage später einen Gedenktag kreiert und feiert ihn bis heute als ein Fest für den Herrn. Denn er hat sich als Freund des Lebens gezeigt, der den Tod nicht will. Das wird die grundlegende Erfahrung Israels bleiben, auch in den vielen kommenden Zumutungen der Geschichte.

Ob wir wohl auch einmal einen Gedenktag feiern werden, wenn wir diese weltweite Pandemie einigermaßen überstanden haben? Und ob wir Gläubige dieser Welt daraus ein Fest für Gott machen, weil wir ihn als Freund des Lebens erfahren haben?

Bis dahin müssen wir aber wohl noch eine Weile aushalten, bis die Krise zu Ende ist. Das Nachdenken wird einsetzen über alles, was sich ereignet hat. Wir werden fragen, welche Lehren wir aus dieser Zeit ziehen und was wir in Zukunft ändern wollen. Das aber braucht Zeit und Tiefgründigkeit und Ehrlichkeit, die jetzt noch nicht wirklich gelingen kann, weil sie mit demütigen Einsichten verbunden ist. Jetzt, in der Phase des Kampfes gegen ein ungehemmtes Vordringen des Virus ist das noch gar nicht möglich. Im Gegenteil erleben wir doch, wie sich Wissen und Erkenntnis jeden Tag vergrößern und wie sich vor allem die Herausforderungen mit jedem Tag verändern. Es zeigt sich, wie begrenzt wir Menschen mit all unseren Plänen, Forschungen und unseren Vorsorgen wirklich sind – und wie ausgesetzt den unbändigen Kräften der Natur, die als gute Schöpfung unsere Heimat und zugleich in ihrer Zwiespältigkeit die größte Bedrohung jenes kostbaren Gutes ist, das wir Leben nennen.

Niemand von uns weiß, wie es für sie und ihn persönlich ausgeht, ob wir ein gutes oder ein tragisches Ende nehmen werden. Mit allen Menschen teilen wir diese Ungewissheit und die Zumutung, diese Spannung auszuhalten und in positive Lebensenergie umzumünzen. Als gläubige Menschen wissen wir uns gehalten, und das gibt uns Kraft. Darum feiern wir Gottesdienste und begehen wir die christlichen Feiertage und brauchen sie gerade in dieser Ausnahmesituation. Denn so vergewissern wir uns: Letztlich trägt uns einer, der uns liebt, der nicht Kosten und Nutzen kühl kalkuliert und schon gar nicht willkürlich Schicksal spielt, sondern mit Herzblut bis zur Hingabe seines Lebens dafür einsteht, dass wir leben werden.

Hat Jesus gewusst, was ihn sein Einsatz aus Liebe kosten würde? Wenn das Johannesevangelium davon spricht, dass Jesus „wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“ (Joh 13,1), dann bedeutet das: Ja, Jesus kannte den Preis seiner unbedingten Liebe zu uns. Er war bereit, das Opfer zu bringen, durch das bei diesem Übergang, bei diesem Pascha die Gotteserfahrung als eindeutig bestätigt würde: Gott ist ein Freund des Lebens, er will nicht den Tod. Aber dieses „Wissen“ bedeutete keineswegs, dass es Jesus auch nur einen Deut leichter gefallen wäre als irgendjemand sonst, sein Leben zu riskieren im Einsatz für andere. Diese Bereitschaft des Herrn ist es, die wir dankbar, doch auch mit innerer Erschütterung bestaunen. So weit reicht seine Liebe. Jesus hat uns ein Beispiel gegeben. Darum sollten wir dankbar an all diejenigen denken, die sich so beispielhaft einsetzen an der Seite der Kranken und Schwachen und dabei viel riskieren. Ich finde, auch das ist staunenswert, ein Beispiel, damit auch wir so handeln, sagt Jesus.

DR. GEORG BÄTZING

BISCHOF VON LIMBURG

VORSITZENDER DER DEUTSCHEN

BISCHOFSKONFERENZ