Loe raamatut: «Große Briefe der Freundschaft»
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Über den Autor
Über den Autor
M.A. phil. Katharina Maier, geboren 1980, hat Vergleichende Literaturwissenschaften studiert und arbeitet inzwischen als freie Schriftstellerin und Übersetzerin. Sie ist Herausgeberin weiterer erfolgreicher Titel aus dem marixverlag.
Zum Buch
Zum Buch
„Lebe wohl und bleibe mir unwandelbar gewogen, wie ich auch Dich über Stock und Stein im Herzen zu tragen hoffe.“
Gottfried Keller an seinen Studienfreund,
den Maler Salomon Hegi
Gute Freunde sind das vielleicht Wichtigste auf der Welt – und das war schon immer so. Die Höhen und Tiefen solcher großen Freundschaften haben in vergangenen Jahrhunderten Eingang in zahlreiche Briefe gefunden, die mal von tiefsten Gefühlen, mal von kleinen, rührenden oder auch witzigen Alltäglichkeiten berichten. Diese Freundschaftsbriefe geben uns Einblick in eine Welt, in der all die wunderbaren Seiten des Freunde-Seins inniger und dauerhafter Ausdruck fanden, als das in unserer flüchtigen, elektronischen Zeit oft üblich ist.
Goethe und Schiller, Friedrich der Große und Voltaire, Rilke und Rodin, Ludwig II. von Bayern und Wagner – immer wieder haben tiefe Freundschaften zwischen Künstlern, Politikern, Philosophen und anderen großen Männern unsere Geschichte und Kultur entscheidend mitgeprägt.
Meist stiller, aber nicht weniger bedeutend, waren die Freundschaften großer Frauen wie Bettina von Arnim, Catharina Elisabeth Goethe, Cosima Wagner und Rosa Luxemburg zueinander oder zu berühmten Männern, die sich von ihnen inspirieren ließen.
Haupttitel
Große Briefe der Freundschaft
Unsere Seelen sind ja auf dem Du-Fuß
Tausend Aller-Allerbestes Du!
Herausgegeben von Katharina Maier
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar. |
Alle Rechte vorbehalten |
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012 Alle Briefe wurden behutsam an die neue Rechtschreibung angepasst. Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH Bildnachweis: mauritius images GmbH, Mittenwald/die Kleinert Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz Gesetzt in der Palatino Ind Uni – untersteht der GPL v2 ISBN: 978-3-8438-0196-6 www.marixverlag.de |
Inhalt
Über den Autor
Zum Buch
Vorwort
Luther und Melanchthon während des Augsburger Reichstags 1530
Luther an Melanchthon
Melanchthon an Luther
Luther an Melanchthon
Jonathan Swift und Charles Ford
Swift an Ford
Ford an Swift
Swift an Ford
Ford an Swift
Swift an Ford
Ford an Swift
Friedrich der Große, der »Philosoph von Sanssouci«, an Voltaire
Das »Pflegkind« Maria Theresia an Gräfin Rosalie von Edling
Die Familie Klopstock und »Vater Gleim«
Klopstock an Gleim
Klopstock an Gleim und Ramler
Meta Moller an Gleim
Klopstock an Gleim
Meta Klopstock an Gleim
Gleim an Klopstock
Klopstock an Gleim
Gleim an Klopstock
Gleim an Karl Christian Klopstock
Klopstock an Gleim
Gleim an Klopstock
Gleim an Klopstock und dessen zweite Frau Johanna Elisabeth, genannt Windheme
Klopstock und Windheme an Gleim
Gleim an Windheme
Gleim an Klopstock
Windheme an Gleim
Lichtenberg an seine Freunde
An den Studienkollegen Jöns Matthias Ljungberg
An den »Gevatter«, Buchhändler und Verleger Johann Christian Dieterich
An Dieterich und dessen Frau Christiane
An Frau Dieterich
An Frau Dieterich (Christelchen)
An Frau Dieterich und Töchter
An Georg Heinrich Hollenberg
An G. H. Amelung
An Christoph Wilhelm Hufeland
Catharina Elisabeth Goethe an Herzogin Anna Amalia
Frau Aja, die Bettine und Goethe
Bettine an Frau Aja
Bettine an Frau Aja
Frau Aja an Bettine
Bettine an Frau Aja
Frau Aja an Bettine
Goethe an Bettine
Bettine an Frau Aja
Goethe an Bettine kurz nach dem Tod von Frau Aja
Bettine an Goethe über den Tod von Frau Aja
Goethe und Schiller
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Goethe an Schiller
Schiller an Goethe
Byron über Shelley
An John Murray (1778–1843), bedeutender schottischer Verleger
An R. B. Hopper
An Thomas Moore (1779–1852), irischer Dichter
An John Murray
An Thomas Moore
An Mary Shelley
Eduard Mörike und Theodor Storm
Mörike an Storm
Storm an Mörike
»Herr Meisterin« George Sand und der »alte Troubadour« Gustave Flaubert
George Sand an Flaubert
Flaubert an George Sand
George Sand an Flaubert
Flaubert an George Sand
George Sand an Flaubert
Flaubert an George Sand
George Sand an Flaubert
Flaubert an George Sand
George Sand an Flaubert
Flaubert an George Sand
George Sand an Flaubert
Franz Liszt an seinen Schüler und zeitweiligen Schwiegersohn Hans von Bülow
Liszt an Wagner
Richard und Cosima Wagner an Friedrich Nietzsche
Cosima Wagner an Nietzsche
Richard Wagner an Nietzsche
Cosima Wagner an Nietzsche
Richard Wagner an Nietzsche
Cosima Wagner an Nietzsche
Richard Wagner und Ludwig II. von Bayern
Ludwig an Wagner
Wagner an Ludwig
Ludwig an Wagner
Wagner an Ludwig
Adolph Kolping an den Landschaftsmaler Ferdinand Müller
Gottfried Keller an Theodor Storm, Paul Heyse und andere Freunde
An Johann Salomon Hegi
An Theodor Storm
An Eduard Münch
An Paul Heyse
An Theodor Storm
An Maria Knopf
Johann Strauss an den Musikalienverleger Carl Haslinger
Die »uralte« Marie von Ebener-Eschenbach an Enrica von Handel-Mazzetti
Wilhelm Busch an Maria Anderson
Manet an Mallarmé
Paul Cézanne an Émile Bernard
Zola an Flaubert
August Strindberg und Paul Gauguin
Strindberg an Gauguin
Gauguin an Strindberg
Van Gogh an Gauguin
Rosa Luxemburg aus dem Gefängnis an Sophie Liebknecht
Rilke an »seinen Meister« Rodin
Paula Modersohn-Becker an Clara Westhoff (und an Rilke)
Verzeichnis der Briefeschreiber
Literaturverzeichnis
Fußnoten
Kontakt zum Verlag
Vorwort
»Ein Freund ist gleichsam ein anderes Ich«, schrieb der römische Schriftsteller und Rhetoriker Cicero im ersten Jahrhundert vor Christus. Ähnliches verkündete der große Philosoph Aristoteles schon über dreihundert Jahre früher: »Freundschaft, das ist eine Seele in zwei Körpern.«
Wie die Liebe ist auch die Freundschaft etwas Zeitloses. Sie geht sogar mit Ersterer Hand in Hand. Im Deutschen mögen wir unseren Freunden weit weniger bereitwillig sagen, dass wir sie lieben, wie z.B. im Englischen oder im Griechischen, aber das Gefühl besteht nichtsdestotrotz. Es gibt sogar genug Denker, Dichter und ›ganz normale‹ Menschen, die der Freundesliebe eine viel größere Dauerhaftigkeit zuschreiben als der romantischen – und sei es so humoristisch wie Wilhelm Busch:
»Es blüht die Wurst nur kurze Zeit
Die Freundschaft blüht in Ewigkeit.«
Sein ebenso scharfzüngiger Kollege Heinrich Heine stimmt ihm ernster zu: »Hat man die Liebe durchgeliebt, fängt man die Freundschaft an.«
Natürlich bleiben nicht alle Freundschaften bestehen. Auch so einige der ›großen‹, berühmten Freundschaften, von denen Zeugnisse in diesem Buch abgedruckt sind, endeten im Streit oder doch zumindest in der Entfremdung. Andere wiederum dauerten Jahrzehnte, wenn nicht gar ein ganzes Leben. Doch ob sie nun lange Zeit oder nur kurz währten, die Freundschaften zwischen so bedeutenden Geistern wie Friedrich dem Großen und Voltaire, Goethe und Schiller, George Sand und Gustave Flaubert und van Gogh und Gauguin waren immer intensiv und fruchtbar. Im freundschaftlichen Austausch, so scheint es, erreichte ihre schriftstellerische, philosophische, künstlerische und politisch-kämpferische Produktivität neue Höhen. Gemeinsam waren sie ›mehr‹, als sie alleine waren. Die Großen Briefe der Freundschaft lassen uns einen kurzen Blick in das ›Innenleben‹ dieser faszinierenden Beziehungen werfen.
Zugleich waren diese ›großen Freundschaften‹ auch Alltagsfreundschaften. Man erzählte einander von Krankheiten und Geldsorgen, Herzensangelegenheiten und anderen Ärgernissen, von Erfolg und Misserfolg, von Glück und Unglück. Und so bieten die Großen Briefe der Freundschaft auch Einblick in das Alltagsleben einiger der berühmten Männer und Frauen der Geschichte. Schließlich war in Zeiten vor E-Mail und Telefon der Brief die einzige Möglichkeit, mit weit entfernt lebenden Freunden in Kontakt und über deren Leben ›auf dem Laufenden‹ zu bleiben.
Diese Briefkultur, die uns abhandengekommen ist, geht nicht selten mit einer tiefen Emotionalität einher, einer Innigkeit, wie sie uns nicht ganz vertraut ist. Daran ändert nichts, dass viele der Freunde, die auf den Seiten dieses Buches zu Wort kommen, stets das in unseren Ohren so formal klingende ›Sie‹ gebrauchen. Gerade in der Zeit des 18. und frühen 19. Jahrhunderts (und auch später noch) spricht dies selten von fehlender Herzlichkeit, sondern ist eher ein Zeichen fortwährenden Respekts. In der Tat lehren uns diese Großen Briefe der Freundschaft aus vergangenen Jahrhunderten so einiges über Offenheit und Freundesliebe.
Jeder Brief in diesem Buch ist so eigen und individuell wie sein Schreiber, sein Empfänger und die Beziehung, die die beiden verbindet. Deswegen wurde der charakteristische Ausdruck eines jeden Briefeschreibers nach Möglichkeit bewahrt, wobei allerdings kleine Korrekturen zur besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit der Briefe vorgenommen wurden. Außerdem wurden alle Briefe behutsam in die neue Rechtschreibung übertragen.
Zuletzt möchte ich noch einen tiefen Dank an Eva Maier aussprechen, meiner ganz persönlichen ›Frau Aja‹. Sie weiß, wofür.
Katharina Maier, Januar 2011
Luther und Melanchthon während des Augsburger Reichstags 1530
Philipp Melanchthon (1497–1560) war in vieler Hinsicht die rechte Hand des großen Reformators Martin Luther (1483–1546). Die Freundschaft zwischen den beiden war so innig, dass Melanchthon einmal gesagt haben soll, dass er lieber tot wäre, als von Luther getrennt zu sein.
Der hochgelehrte Philosoph Melanchthon lernte den Reformator kennen, als er die Position eines Professors für griechische Sprache an Luthers Heimatuniversität in Wittenberg antrat. Er unterstützte den theologischen Rebellen oft mit gelehrtem Rat und entschlossener Tat in seinen zahlreichen Auseinandersetzungen mit Bischöfen, Kardinälen und anderen »Sophisten und Mönchen«.
Besonders bedeutend war Melanchthons Auftreten beim Augsburger Reichstag 1530; zu dieser Gelegenheit wollten die protestantischen Theologen und Landesfürsten die Sache der Reformation vor Kaiser Karl V. und gegen ihre katholischen Gegner verteidigen. Luther selbst konnte Kursachsen, wo er unter dem Schutz des dortigen Kurfürsten stand, nicht verlassen, ohne sein Leben zu verwirken. Deswegen fungierte Melanchthon beim Augsburger Reichstag als Stellvertreter seines Freundes.
Ganz reibungslos funktionierte die ganze Sache allerdings nicht, wie der Briefwechsel aus jener Zeit zeigt: Luther sorgt sich um die Freunde, die sich im fernen Augsburg in echter Gefahr befinden; noch mehr allerdings sorgt er sich um Melanchthons große Besorgtheit, der nichts so fürchtet wie das Scheitern der protestantischen Sache.
Nichtsdestotrotz trat Melanchthon in Augsburg mit großer Beredtheit und Entschlossenheit auf. Aus seiner Feder stammt die »Confessio Augustana«, das Augsburger Bekenntnis, das die Vertreter der Reformation Kaiser Karl V. überreichten und das heute noch die Grundlage der evangelischen Kirchen bildet. Nach Luthers Tod wurde Melanchthon zu einem seiner bedeutendsten Nachfolger.
Luther an Melanchthon
12. Mai 1530
Gnade und Friede im Herrn!
Lieber Philipp, am 8. Mai habe ich eine Antwort auf Euren Brief aus Nürnberg begonnen; aber es kam etwas dazwischen, sodass ich’s bisher aufgeschoben habe. Inzwischen haben wir Euer Bündel Briefe aus Augsburg erhalten. Ich habe meine Streitschrift gegen die Geistlichen [von Augsburg] längst beendigt und nach Wittenberg geschickt. […] Als ich dies erledigt hatte, habe ich die Propheten zur Hand genommen und mit großem Eifer angefasst, ich überschlug, bis Pfingsten könne ich alle Propheten übersetzt haben. Dann Äsop und anderes.
Ich hätte es auch sicherlich geschafft, so ging die Arbeit vorwärts. Aber der alte äußere Mensch erlitt einen Zusammenbruch, sodass er das Ungestüm des inneren, neuen Menschen weder aushalten noch ihm folgen konnte. Sausen, ja Donner erfüllte das Haupt, und wenn ich nicht sogleich aufgehört hätte, wäre ich in eine Ohnmacht gefallen, der ich auch kaum in diesen beiden Tagen entgangen bin. Nun ist es schon der dritte Tag, dass ich nicht einmal einen Buchstaben ansehen wollte noch auch konnte. Es will nicht mehr tun, sehe ich wohl, die Jahre treten herzu. […] Allmählich aber geht der Aufruhr im Kopfe zurück, da er mit Medikamenten und anderen Mitteln beruhigt ist. Das ist also der Grund, warum ich so spät geantwortet habe.
An dem Tage, als Dein Brief von Nürnberg ankam, machte Satan seine Aufwartung bei mir. Ich war allein […], und so sehr übermannte er mich, dass er mich aus der Kammer trieb und ich die Gesellschaft der Menschen aufsuchen musste.
[…]
Jene faulen Esel [beim Reichstag] denken über die Sache der Kirche nach und sind davon angetan. Magister Joachim schickte mir Karyken oder Datteln und Weintrauben und schreibt mir zweimal griechisch. Wenn ich wieder gesund bin, will ich ihm türkisch schreiben, damit er auch liest, was er nicht versteht. Warum schreibt er mir denn griechisch? Ich will hier aufhören, ein ander Mal mehr, damit ich nicht von Neuem die Kopfschmerzen, die sich gelegt haben, reize, zumal sie schon sehr reizbar sind. Aber ich bete, betet Ihr auch!
[…] Der Herr sei mit Euch! Grüße Euren ganzen Kreis! Aber höre, was ich besonders wünsche: Sieh zu, dass Du nicht an Deinem Kopfe Schaden leidest wie ich! Darum befehle ich Dir und dem ganzen Freundeskreise: Unter Bedrohung des Bannes sollen sie Dir Verhaltensmaßregeln für Dein Körperchen geben, damit Du nicht Dein eigener Mörder wirst und nachher tust, als ob es aus Gehorsam gegen Gott geschehen sei. Man dient Gott auch durch Ruhe, ja vielleicht durch nichts mehr als Ruhe. Deshalb hat er vor allem den Sabbat so streng gehalten wissen wollen. Also verachte das nicht! Gottes Wort ist es, was ich schreibe.
Dein Martin Luther
Melanchthon an Luther
nach der Übergabe des Augsburger Bekenntnisses am 25. Juni, nach drei Wochen des Schweigens vonseiten der beim Reichstag versammelten Protestanten (deswegen Luthers Unmut)
Wir sind hier in den elendsten Sorgen und beständig in Tränen. Dazu bin ich heute noch besonders niedergeschlagen, da ich [las], dass Du so sehr zürnst, ja, unsere Briefe nicht einmal lesen willst. Ich will, mein Vater, meinen Schmerz nicht noch durch Worte vergrößern, aber ich bitte Dich, zu bedenken, an welchem Orte und in wie großer Gefahr wir sind, wie wir außer Deinem Troste nichts Tröstliches haben können. Täglich strömen die Sophisten und Mönche zusammen, um den Hass des Kaisers gegen uns zu entzünden. Die Bischöfe hassen uns ohnedies furchtbar. Sind vorher Freunde da gewesen, jetzt sind sie fort. Wir kämpfen hier allein und verlassen mit unermesslichen Gefahren. Ich bitte Dich, auf uns, die wir gewiss in den wichtigsten Dingen Deiner Autorität folgen, und auf die öffentliche Sache Rücksicht zu nehmen, und Dich nicht zu weigern, unsere Briefe zu lesen und zu beantworten, damit Du unsere Verhandlungen leitest und uns tröstest. […]
Luther an Melanchthon
Gnade und Friede in Christo, ich sage; in Christo, nicht in der Welt, Amen. Ich hasse gar sehr Deine elenden Sorgen, von denen Du, wie Du schreibst, verzehrt wirst. Dass sie Dein Herz so beherrschen, liegt nicht an der Größe der Not, sondern an der Größe unseres Unglaubens. […] Warum zermarterst Du Dich beständig, ohne einmal aufzuatmen? Ist die Sache falsch, so wollen wir widerrufen. Ist sie aber wahr, warum machen wir Ihn mit Seinen so großen Verheißungen zum Lügner, da Er uns gebietet, getrost und ruhigen Sinnes zu sein? Wirf, so sagt Er, Deine Sorge auf den Herrn! Der Herr ist nahe allen, die bekümmerten Herzens sind und Ihn anrufen. Oder ist das in den Wind geredet und vor die Hunde geworfen?
Auch ich werde häufig gequält, aber nicht beständig. Deine Philosophie quält Dich, nicht Deine Theologie, wie auch Dein Joachim von gleicher Sorge verzehrt zu werden scheint. Als ob Ihr mit Euren nutzlosen Sorgen etwas ausrichten könnt! Was kann denn der Teufel mehr tun, denn dass er uns erwürge! Was denn? Ich beschwöre Dich, der Du sonst immer so kampfeslustig bist, bekämpfe Dich auch selbst, Deinen schlimmsten Feind […]. Ich bete gewisslich für Dich mit allem Fleiß, aber das ist mein Kummer, dass Du Dir mit Deinen Sorgen hartnäckig das Blut aussaugen lässt und meine Gebete so zuschanden machst. Ich meinerseits bin wegen unserer Sache – ist es Beschränktheit oder Willen des Geistes, Christus weiß es! – nicht sehr besorgt, vielmehr habe ich größere Hoffnungen, als ich gedacht hatte.
[…]
Aus unserer Wüste, 27. Juni 1530.
Dein Martin Luther
Gnade und Friede in Christo!
Ich weiß wirklich nicht, lieber Philipp, was ich noch an Dich schreiben soll; so sehr schreckt mich der Gedanke an Deine elenden und eitlen Sorgen zurück, und ich weiß, dass ich tauben Ohren predige. Das kommt davon, wenn Du allein Dir, nicht aber mir und den andern glaubst, Dir sehr zum Schaden. Ich gestehe Dir: Ich bin in viel größerer Drangsal gewesen, als Du es je sein wirst; ich möchte es keinem Menschen wünschen, auch meinen ärgsten Feinden nicht, mögen sie auch noch so frevelhaft und ruchlos sein, dass es ihnen wie mir ergehe. Und doch habe ich in solchen Übeln oft Linderung erfahren durch den Zuspruch eines Bruders, […] bald von Dir, bald von Jonas oder einem andern. Warum hörst Du nun auch nicht auf uns? […]
In persönlichen Kämpfen bin ich schwächer, Du aber tapferer; dagegen in öffentlichen Kämpfen stets umgekehrt: Du wie ich in persönlichen Kämpfen und ich wie Du, wenn ich »persönlich« das nennen darf, was zwischen mir und Satan vorgeht. Denn Du schätzt Dein Leben gering, fürchtest aber für die öffentliche Sache. Ich aber bin wegen der öffentlichen Sache getrosten Mutes und ruhigen Sinnes, denn ich weiß: Sie ist sicherlich gerecht und wahr, ja Christi und Gottes Sache, sie braucht darum ihrer Sünde halber nicht zu erblassen, wie ich kleiner Heiliger erblassen und zittern muss. Darum bin ich fast ein sorgloser Zuschauer, und jene wütenden und drohenden Papisten achte ich nicht so viel! Stürzen wir, so wird Christus mit stürzen, Er, der Herrscher der Welt! Und sei es denn, so will ich lieber mit Christus stürzen als mit dem Kaiser stehen!
[…]
Der Herr Jesus Christus bewahre Dich, dass Dein Glaube nicht aufhöre, sondern wachse und siege, Amen! Ich bete für Dich, ich habe gebetet und werde es tun, und zweifle nicht, ich bin erhört. Denn ich fühle das Amen in meinem Herzen. Geschieht nicht, was wir wollen, dennoch wird geschehen, was besser ist! Denn wir erwarten ein künftig Reich, wenn alles in der Welt betrogen hat.
Am letzten Juni 1530.
Dein Martin Luther.