Loe raamatut: «Kollegiale Fallberatung»
EHP - PRAXIS
Hg. von Andreas Kohlhage
Die Herausgeber
Hans-Werner Franz; Jg. 1947, Senior Researcher und Berater, Mitglied der Gemeinsamen Leitung am Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund als Geschäftsführer von soziale innovation research & consult GmbH. Wichtigste Fachgebiete: Entwicklung beruflicher Aus- und Weiterbildungssysteme, Humanressourcen-Entwicklung, Organisationsentwicklung, kooperative Arbeitssysteme, Qualitätsmanagement (franz@sfs-dortmund.de)
Ralf Kopp; Jg. 1961, leitet den Forschungsbereich »Organisationsentwicklung und Beratung in der Netzwerkökonomie« am Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund. Er hat zahlreiche Forschungs- und Beratungsprojekte in Unternehmen durchgeführt und dort in den verschiedensten Kontexten die Kollegiale Fallberatung eingesetzt (kopp@sfs-dortmund.de)
© 2003 EHP - Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
2. Auflage 2010
Umschlagentwurf: Uwe Giese
– unter Verwendung eines Bildes von Gerd Struwe: ›Der Automatische Zeichner‹ –
Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin
Gedruckt in der EU
Alle Rechte vorbehalten
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print-ISBN 978-3-89797-023-6
epub-ISBN 978-3-89797-542-2
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
Inhalt
Vorbemerkung der Herausgeber
Grußworte (Hans-Günter Rolff, Dirk Stölting, Klaus Stricker)
I. TEIL: GRUNDLAGEN
1. Kollegiale Fallberatung – Was ist das eigentlich? Grundlagen, Herkunft, Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens (Thomas Rimmasch)
2. Die Methodik der Kollegialen Fallberatung (Ralf Kopp/Lukas Vonesch)
3. Kollegiale Beratung und Supervision in der Professionalisierung von Beratern – Die Frage nachhaltiger Lernprozesse und der Entwicklung von Lernkultur oder: the medium is the message (Thorsten Veith)
II. TEIL: PRAKTISCHE EINSATZMÖGLICHKEITEN UND VARIANTEN
4. Kollegiale Fallberatung als Bestandteil überbetrieblicher Beratungs- und Qualifizierungsprozesse (Hans-Werner Franz)
5. Kollegiale Fallberatung zur Unterstützung der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen (Eva Heinold-Krug)
6. Kollegiale Fallberatung als didaktisches Verfahren in Seminaren für Führungskräfte und Manager – Unterstützung der Praxis- und Transferorientierung (Boris Billing)
7. Kollegiale Fallberatung als Instrument des organisationalen Lernens in einer Beraterorganisation (Klaus Galler)
8. Kollegiale Fallberatung oder Reflecting-Team (Claudia Weinmann)
9. KFB plus – Erweiterte Kollegiale Fallberatung im Beratungsprozess (Peter Höher)
TEIL 3: HILFEN UND HANDREICHUNGEN
10. Workshop zur Einführung in das Verfahren einer Kollegialen Fallberatung (Thomas Rimmasch)
11. »Crashkurs« Kollegiale Fallberatung (Ralf Kopp/Lukas Vonesch)
12. Rollenbeschreibungen und Regieanweisungen (Ralf Kopp/Lukas Vonesch)
13. 10 Goldene Regeln der Kollegialen Fallberatung (Ralf Kopp/Lukas Vonesch)
Zertifizierte Schulung
Autorenverzeichnis
Vorbemerkung
Erfahrung ist nicht etwas, was uns begegnet.
Sie ist, was wir aus dem, was uns begegnet, machen.
Aldous Huxley
Wir sind bei unserer Arbeit im Kontext von Organisations- und Personalentwicklung immer wieder dem Phänomen begegnet, dass entgegen allen modischen Schlagworten, die eine stärkere Berücksichtigung des Know-hows des Experten »Mitarbeiter« in Optimierungs-, Modernisierungs- und Innovationsprozessen implizieren, methodisch aufwändige beratergetriebene Problemlösungen den organisationellen Alltags dominieren. Wenn der Ruf der Praktiker nach stärkerer Berücksichtigung ihres Erfahrungswissens jedoch ungehört verhallt, bleibt die Ernüchterung über den geringen Erkenntniszuwachs bzw. über die mangelnde Brauchbarkeit dessen, was die teuren Berater als ihrer Weisheit letzten Schluss präsentieren, selten aus. Angesichts von Resultaten, die das Gefühl hinterlassen, das hätte man selbst besser gewusst, wächst verständlicherweise unter Führungskräften im mittleren und gehobenen Management das Unbehagen an fehlenden leicht einsetzbaren Methoden und Instrumenten, die eigenen Wissensressourcen bedarfsgerecht zu mobilisieren und zu bündeln.
Die Kollegiale Fallberatung ist keine Methode wie jede andere! Ihr hoher praktischer Nutzen, ihre vielseitige Anwendbarkeit, ihre leichte Verständlichkeit und ihre schnelle Verfügbarkeit sind uns immer wieder von Managern, Personalentwicklern, Organisationsentwicklern und Prozessbegleitern, aber auch von Trainern und Coaches bestätigt worden. Die überraschend hohe Resonanz auf einen Zeitschriftenaufsatz, in dem wir die Methode vorstellten, und das sehr gute Abschneiden in einem neutralen Ranking1 sowie die Begeisterung, die sie auslöst, hat uns zu einer systematischeren Darstellung bewogen, in der das Spektrum der verschiedenen Formen, Einsatzmöglichkeiten und Vorgehensweisen beschrieben wird.
Die Kollegiale Fallberatung ist eine Form gegenseitiger beruflicher Beratung in einem von Kollegen selbst geleiteten Beratungsprozess. Die Kollegiale Fallberatung eignet sich hervorragend zur problemorientierten Wissensintegration und mobilisiert Know-how in verschiedensten Praxisgemeinschaften (innerhalb und zwischen Teams, Funktionsgruppen, Abteilungen, Arbeitskreisen, Netzwerken, Erfahrungsrunden). Auch im Bereich der Problemlösung und zur Bearbeitung von Konflikt-, Spannungs- und Belastungssituationen ist diese Methode einsetzbar. Sie unterstützt das Nachdenken in schwierigen Leitungsund Entscheidungssituationen und trägt so zu erfolgreichen persönlichen Entwicklungsprozessen bei.
Im Kern handelt es sich bei der Kollegialen Fallberatung schlicht um eine strukturierte Form der Fallbesprechung im Rahmen einer Sitzung, eines Meetings, Seminars oder Erfahrungsaustauschs, bei denen die Anwesenden verschiedene Rollen (Fallgeber, Berater, Prozessbeobachter, Moderator) übernehmen. Anhand von einigen knappen Leitfragen und Beobachtungsvorgaben an die Rollenträger können Fälle in einem Zeitrahmen von ca. 30 bis 90 Minuten ertragreich bearbeitet werden. Im Sinne eines Prozesscoachings können »follow-ups« durchgeführt werden, in denen das Beraterteam ein Monitoring der vereinbarten Problemlösungsschritte durchführt und die Lösungsschritte modifiziert bzw. vorantreibt. In der Methode ist ein Reflexionsschritt zur Bewertung der Zufriedenheit mit der Problemlösung, mit dem persönlichen Beitrag dazu und mit der Zusammenarbeit des Teams vorgesehen, so dass sich die Qualität der Ergebnisse mit zunehmender Routinisierung des Einsatzes von kollegialen Fallberatungen noch deutlich erhöht.
Wir haben die Kollegiale Fallberatung für den interessierten Leser inhaltlich so aufbereitet und mit Materialien versehen, dass nach der Lektüre alle Voraussetzungen gegeben scheinen, beim nächsten Meeting den »Selbstversuch« zu wagen. Doch ist Vorsicht angebracht! Auch wenn der Charme der Methode in ihrer Einfachheit und Plausibilität liegt, auch wenn sie schnell in »Eigenregie« durchgeführt werden kann und soll: Der Teufel steckt im Detail. Für eine kurze Anfangsphase mag es ratsam sein, auf Einweisung und Unterstützung durch einen erfahrenen Trainer nicht zu verzichten. Er wird mit Ihnen sofort an geeigneten Fällen (!) aus Ihrer Praxis arbeiten und Sie zum vielfältigen und sicheren Einsatz der Methode befähigen, aber auch die Grenzen der Methode und die zur Selbstanwendung ungeeigneten Fälle aufzeigen. Für Fragen und Anregungen wenden Sie sich bitte an die Sozialforschungsstelle Dortmund unter tusk@sfs-dortmund.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil werden die Grundlagen der Kollegialen Fallberatung vermittelt. So geht der Beitrag von Rimmasch auf die Grundlagen, die Herkunft und Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens ein. Der Beitrag kann als Einführung gelesen werden, beantwortet häufi g gestellte grundsätzliche Fragen und gibt gleichzeitig einen guten Überblick über die aktuelle Literatur zum Thema. Daran anschließend erfolgt durch Kopp/Vonesch eine ausführliche Darstellung der Methode, die, ergänzt durch eine Vielzahl von Materialien, sehr nah an die Details der Durchführung der Kollegialen Fallberatung heranführt. Der Beitrag von Veith akzentuiert dagegen stärker theoretische Hintergrundüberlegungen zum Verhältnis von Lernkultur und Kollegialer Fallberatung in der Erwachsenen- und Weiterbildung.
Im zweiten Teil erfolgt die Darstellung von Variationen der Methode im Kontext von praktischen Beispielen. So stellt Franz die Kollegiale Fallberatung als Bestandteil überbetrieblicher Beratungs- und Qualifi zierungsprozesse dar und zeigt nebenbei, wie hier auch die six thinking hats nach de Bono zum integrierten Einsatz kommen können. Heinold-Krug erläutert Verwendungsmöglichkeiten zur Unterstützung der Einführung von Qualitätsmanagementsystemen und zeichnet einen konkreten Fall nach. Billing zeigt, wie die Kollegiale Fallberatung als didaktisches Verfahren in Change-Management-Seminaren für Führungskräfte und Manager bspw. von BMW, Daimler/Chrysler oder Sony eingesetzt wird. Galler beschreibt faszinierende weitere Einsatzmöglichkeiten der Kollegialen Fallberatung bspw. als Instrument der Beraterweiterbildung im Rahmen eines Meetings von ca. 100 TeilnehmerInnen, als Instrument für Projekt-Reviews oder als Instrument zur Ausbildung junger Consultants. Diese Einsatzmöglichkeiten lassen sich hervorragend auch in die betriebliche Praxis anderer Organisationen übertragen. Einen an der von Galler beschriebenen Großgruppenintervention eher bescheidenen Rahmen bildet die Skizze von Weinmann, in der die Kollegiale Fallberatung im Rahmen eines Seminars als »nur« 30-minütige Sequenz eines Reflecting-Teams beschrieben wird. Höher schließlich beschreibt mit KFB plus eine erweiterte Form der Anwendung dieser Methode im Rahmen eines Beratungsprozesses.
Insgesamt sind den Variationen der Einsatzmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Auch wenn wir in der »Aneignungsphase« der Methode dafür plädieren, sich an den Standards zu orientieren, so kann zu einem späteren Zeitpunkt davon abgewichen werden. So haben wir erlebt, wie eine besonders schlanke Variante der Kollegialen Fallberatung im Rahmen eines knapp 30-minütigen Zwiegesprächs (Fallgeber und ein Berater), welches sich zwar an der Grundstruktur orientierte, ansonsten aber vieles außer Acht ließ, durchaus beeindruckende Ergebnisse zustande brachte.
Im dritten Teil haben wir Materialien zusammengetragen, die die Praxis bzw. Durchführung der Kollegialen Fallberatung erleichtern. Dazu gehören bspw. die Rollenbeschreibungen und Regieanweisungen, integrierte Übersichten, 10 goldene Regeln, Crashkurs etc.
Wir danken Hans-Günter Rolff (Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund), Dirk Stölting (Management Training Dresdner Bank Essen) und Klaus Stricker (Human Ressource Manager Bosch Sicherheitssysteme GmbH Düsseldorf; Arbeitskreis Human Ressources Management) für Ihre Grußworte zum vorliegenden Band. Sie stehen mit ihren fundierten Erfahrungen mit der Kollegialen Fallberatung für drei zentrale Bereiche erfolgreicher Anwendung der Methode: Schulentwicklung, Personalund Organisationsentwicklung und Kollegiale Netzwerke.
Wir wünschen allen, die neugierig geworden sind und sich einer Lektüre des Buches widmen, ertragreiche Lesestunden und viel Spaß beim Vermehren der Erkenntnisse.
Hans Werner Franz und Ralf Kopp
Grußworte
Kollegiale Fallberatung in der Schulentwicklung
Der Wandel wird in der postmodernen Gesellschaft zur Regel und erfordert auch vom Bildungssystem kontinuierliche Veränderungsbereitschaft.
Die Möglichkeiten, heutige wie zukünftige gesellschaftliche und technologische Wandlungen im System Schule konstruktiv zu integrieren, liegen im interdisziplinären Umgang mit Wissen im Rahmen eines schulischen Qualitätsmanagements. Unabdingbar für diese Entwicklungen zur selbstständigen, lernenden Organisation Schule sind die Bereitschaft und die Befähigung ihrer Mitarbeiter zu metakognitiven Reflexionsprozessen sowie zur Selbstveränderung. Die im Umgang mit Veränderungen stetig auftretenden Verunsicherungen und Widerstände bedürfen jedoch eines externen wie internen Unterstützungsnetzwerks. Zum produktiven Umgang mit diesen Differenzen hat sich neben der Schulentwicklung die kollegial organisierte selbstreflektorische Beratung als effektiv und effizient erwiesen.
Die Kollegiale Fallberatung ist ein Verfahren zur Reflexion und Klärung sowohl struktureller als auch personenbezogener Problemstellungen, die unumgängliche Bestandteile von Veränderungsprozessen sind. Im Rahmen der kollegialen Beratung wird der Synergieeffekt der Gruppe genutzt, um die individuelle Wahrnehmung einer Person durch die Sichtweisen anderer zu ergänzen. Dieses Vorgehen ermöglicht eine umfassende Diagnostik der Situation und verhilft, personen- und institutionsangemessene Lösungen einzuleiten.
In der Kollegialen Fallberatung wird kein zusätzliches fachliches Wissen vermittelt, sondern basierend auf dem vorhandenen Wissen werden Schwierigkeiten, die sich aus den Interaktionen und Dynamiken im Arbeitsfeld ergeben, diagnostiziert, reflektiert, geklärt und Lösungen zugeführt.
Das Verfahren ist bestens geeignet, sowohl Prozesse organisationaler Gestaltung als auch personaler Entwicklung im Schulleitungs- wie im Kollegiumsteam zu initiieren und zu unterstützen.
Prof. Dr. Hans-Günter Rolff
(Leiter des Instituts für Schulentwicklungsforschung der Universität Dortmund)
Kollegiale Fallberatung in Netzwerken
Gerade in Zeiten krisenhafter Entwicklungen bzw. knapper fi nanzieller und zeitlicher Ressourcen kann das Management zur Problemlösung weniger denn je auf teure Berater zurückgreifen und wird auf die Mobilisierungsfähigkeit eigener Ressourcen zurückgeworfen. Zudem erfordert die sprunghaft gestiegene Wissensintensität bei der Entwicklung von Innovationen die immer schnellere Mobilisierung des Erfahrungswissens von Mitarbeitern und Praktikern sogar über die eigenen Organisationsgrenzen hinaus. Effi ziente und schnörkellose Instrumente und tools, die einen Beitrag zur praxisbezogenen Wissensintegration leisten und deren Aufwand nicht zu groß ist, um in der Hektik des betrieblichen Alltags Verwendung zu finden, sind Mangelware. Die »Kollegiale Fallberatung« ist ein solch seltenes Instrument.
Im Rahmen des bundesweiten Arbeitskreises »Human Ressources Management« für PersonalentwicklerInnen aller Branchen, der durch die Herausgeber dieses Buches organisiert wird, wird die Kollegiale Fallberatung regelmäßig als Instrument des Wissenstransfers zwischen Organisationen mit großem Gewinn eingesetzt und trägt so zur individuellen und kollektiven Horizonterweiterung für Problemlösung und Konfl iktbewältigung bei. Besonders beeindruckend ist die schnelle Erlernbarkeit und Einsetzbarkeit der Methode und der breite Nutzen im betrieblichen Kontext. Aus diesem Grunde wünsche ich der Verbreitung der Methode viel Erfolg.
Klaus Stricker
(Human Ressource Manager Bosch Sicherheitssysteme GmbH Düsseldorf)
Kollegiale Fallberatung im Führungskräftetraining
»Die interessante und sehr praxisnahe Bearbeitung aller eingebrachten Fälle lieferte Lösungsansätze für die eigene Tätigkeit und für das eigene Verhalten. Ich habe wichtige Impulse zur Entwicklung meines Lernprogramms aufgenommen.«
Diese Rückmeldung eines Seminarteilnehmers spiegelt unsere Erfahrungen mit dem Einsatz dieses modernen Instruments. Die Methode der ›Kollegialen Fallberatung‹ setzen wir auf Grund der hohen Akzeptanz bei unseren Führungskräften und der vielseitigen Lösungsansätze in einigen Führungskräftetrainings aktiv ein. Bei der Erarbeitung der Lösungsansätze ist die hohe Identifikation mit den eingebrachten Fällen und das große Verantwortungsbewusstsein der Führungskräfte ständig spürbar.
Dirk Stölting
(Leiter Managementtraining/Veränderungsprozesse Dresdner Bank AG Region Ruhr und Westfalen)
I. TEIL: GRUNDLAGEN
Kollegiale Fallberatung – Was ist das eigentlich? Grundlagen, Herkunft, Einsatzmöglichkeiten des Verfahrens
Thomas Rimmasch
Sagt nicht: »Ich habe die Wahrheit gefunden« sondern: »Ich habe eine Wahrheit gefunden.«1
1. Einführung in das Verfahren der Kollegialen Fallberatung
Die Kollegiale Fallberatung ist eine Form gegenseitiger berufl icher Beratung in einer von Kollegen selbst geleiteten Gruppe.
Die Fallberatung, auch Kollegiale Fallberatung oder Kollegiale Beratung genannt, stellt ein diagnostisches Instrument zur Reflexion und Klärung beruflicher Probleme – genannt »Fälle« – dar.
Die Ziele der Kollegialen Fallberatung liegen darin,
• kurzfristig zu aktuellen Problemen angemessene und umsetzbare Lösungen zu entwickeln,
• langfristig die Problemlösungskompetenz firmenintern durch eine partnerschaftlich anzuwendende, kooperative Problemlösungsstrategie zu erhöhen.
Grundlegend für die kollegiale Beratungsform sind:
• der berufliche Hintergrund, der als gemeinsames Wissens- und Erfahrungspotential genutzt wird,
• die Bereitschaft der Teilnehmer, Fälle aus dem eigenen Arbeitsfeld einzubringen und zu beraten,
• die Gleichrangigkeit der Teilnehmer in der Gruppe.
Da im Teilnehmerkreis untereinander keine weisungsgebundenen Beziehungen bestehen und die Rollen von Fallgeber, Fallberater und Sitzungsleitung reversibel gewechselt werden, erfährt jeder Teilnehmer funktionale Autorität und trägt kollegial Verantwortung für das Gelingen der Beratung.
Überblick zum Beratungsablauf
Zum Ablauf einer Beratungssitzung ist die Besetzung von grundsätzlich drei Rollen unabdingbar:
• Die Leitung oder Moderation; sie wechselt rollierend von Sitzung zu Sitzung. Die Moderation ist generell Bezugsperson während der Sitzung. Sie begrüßt die Teilnehmer in der Ankommensrunde, eröffnet den Arbeitsteil des Treffens, spricht den Zeitrahmen an, legt mit den anderen zusammen die Pausen fest, leitet die Auswahl der einzubringenden Fälle ein, achtet auf die Einhaltung der Beratungsregeln, führt in die Abschlussrefl exion.
• Der Fallgeber stellt seinen zu bearbeitenden Fall vor.
• Die Fallberater werden von den jeweils verbleibenden Teilnehmern gestellt.
Bei Bedarf können weitere Rollen z.B. zur Protokollführung, Prozessbeobachtung eingeführt werden.
Das Beratungsgeschehen in den einzelnen Sitzungen läuft nach folgender Struktur ab:
• Es wird festgelegt, wer die Sitzung leitet und wer beraten werden möchte.
• Der Beratungsnehmer erzählt als Fallgeber die für ihn problematische Situation.
• Die beratenden Kollegen reagieren als Fallberater auf die Erzählung, indem sie – je nach Verfahrensmodifikation – ihre Gedanken, Empfi ndungen, Hypothesen zu dem Fall direkt rückmelden oder sich im Beisein des Fallgebers über ihre Vermutungen und Phantasien austauschen oder indem sie Fragen an den Fallgeber richten.
Der Fallgeber entwickelt angeregt durch die Rückmeldungen der Fallberater »neue Lesarten« und mehrperspektivische Deutungen seines Falls.
Auf dieser Grundlage können gemeinsam in der Gruppe praktikable Schritte zur Lösung entwickelt werden. Nach strukturierten Abläufen, z.B. in Form einer Ideenbörse, werden mögliche Lösungsalternativen gesammelt, ausgewählt, Handlungsfolgen bewertet und festgelegt.
Das Verfahren kann – bei Beachtung grundlegender Prinzipien professioneller Beratung – entsprechend den spezifi sch organisationalen Verwendungszwecken und Zielen modifi ziert werden:
• in den Zeiten,
• der Schrittigkeit der Beratungsphasen,
• der Anwendung von Gesprächstechniken.