Thermochemische Behandlung von Eisenwerkstoffen im Gas

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1.1.1.1.7Die Kohlenstoffdiffusion

Nach Übergang des Kohlenstoffs in die Randschicht diffundiert dieser weiter ins Werkstoffinnere. Die Diffusionsgeschwindigkeit hängt vom Konzentrationsgefälle und den im Diffusionskoeffizienten zusammengefassten Größen Temperatur, lokaler Kohlenstoffgehalt sowie Werkstoffzusammensetzung, ab. In der Folge entsteht dabei ein Kohlenstoff-Konzentrationsprofil mit einem stetigen Abfall von außen nach innen, siehe Bild 1-8. /Wün68/, /Col70/, /Col75/, /Wys90/, /Hof95/.

Aus dem Kohlenstoffprofil, das auch Aufkohlungskurve genannt wird, lässt sich die Zielgröße des Aufkohlens, die Aufkohlungstiefe entnehmen. Dies ist üblicherweise der senkrechte Abstand von der Werkstückoberfläche bis zu dem Punkt, an dem noch eine Kohlenstoffkonzentration von 0,35 Masse-% vorliegt. Dieser Kohlenstoffgehalt ergibt - nach der Gesetzmäßigkeit der Aufhärtbarkeit /Ger48/ - nach dem Härten bei einem Martensitanteil von 100 % eine Härte von 550 HV. Diese Härte entspricht im Regelfall nach DIN EN ISO 2639 der Grenzhärte für die Bestimmung der Einsatzhärtungs-Härtetiefe aus dem Härteprofil. Der einsatzgehärtete Zustand hängt also maßgeblich vom aufgekohlten Zustand ab /Wys95/, /Wei95/.

Bild 1-8:Das Kohlenstoff-Konzentrationsprofil: die Aufkohlungskurve

Bei geringer Härtbarkeit bzw. großem Werkstückquerschnitt muss ein höherer Grenzkohlenstoffgehalt benutzt werden, um an dieser Stelle ein vollständig martensitisches Gefüge zu erhalten, vgl. Bild 1-9.

Bild 1-9:Zusammenhang zwischen dem Grenzkohlenstoffgehalt und dem Durch-Messer von Rundproben aus legierten und unlegierten Einsatzstählen /Kel01/, /Lie10/

Bild 1-10 zeigt das charakteristische Aussehen der Randschicht eines aufgekohlten und langsam abgekühlten Werkstücks im Lichtmikroskop. Ausgehend von der Werkstückoberfläche, links im Bild, nehmen mit zunehmendem Abstand von der Oberfläche der Anteil des Perlits im Gefüge ab und der Anteil des Ferrits zu.

Bild 1-10:Lichtmikroskopische Gefügeaufnahme der Randschicht eines aufgekohlten Werkstücks

Der Diffusionsvorgang wird mit den Fick’schen Gesetzen beschrieben. Der Kohlenstoffverlauf kann mit Hilfe numerischer Methoden berechnet werden /HoF95/, /Wün68/, /Wei95/, /Col70/. So ergibt sich das Kohlenstoff-Konzentrationsprofil aus der Beziehung /Sla43/:


z. B. mit dem Diffusionskoeffizienten nach Wünning /Wün68/:


Entsprechend darauf aufgebaute Rechenprogramme gestatten, den Aufkohlungsvorgang zu simulieren und die zeitliche Änderung des Kohlenstoffprofils zu visualisieren /AWT97/.

Eine Näherungslösung der Beziehung /Wün68/ liefert für die Aufkohlungstiefe:


K ist ein Term, der die Temperatur, den C-Pegel, das Aufkohlungsmittel und die Stahlzusammensetzung berücksichtigt.

Mit Hilfe des in Bild 1-11 wiedergegebenen Nomogramms lassen sich die Werte K und D/β für eine Atmosphäre mit aus Propan hergestelltem Trägergas und Propanzugabe ermitteln /Wys78/.

Bild 1-11:Nomogramm zum Ermitteln des K-Wertes und der Relation D/β für Endoträgergas aus Propan oder Erdgas /Wys78/

Wird die Löslichkeit des Kohlenstoffs lokal überschritten, bildet sich bei unlegiertem Stahl Eisencarbid oder Zementit, vgl. Bild 1-4. Legierungselemente verändern die Ausscheidungsgrenze S‘-E‘. Dabei können weitere Elemente von dem sich ausscheidenden Eisencarbid aufgenommen werden, so dass Mischcarbide (Fe,M)3C mit M = Cr, Mn, Mo usw., entstehen. In /AWT97/, /Pac90/, sind hierzu weitere Einzelheiten zu finden. Dem Aufkohlen schließt sich das Härten an.

1.1.1.2.8Randoxidation

Aufkohlungsatmosphären enthalten über ihren Anteil an Kohlenstoffmonooxid und durch Reaktion mit Wasserstoff Sauerstoff enthaltende Reaktionsprodukte. Über die Anteile an CO und CO2 bzw. H2 und H2O haben diese Atmosphären nicht nur eine aufkohlende sondern auch eine oxidierende Wirkung. Da sich das Oxidations-potential der Atmosphäre aus dem Verhältnis von CO2/CO bzw. H2O/H2 ergibt, kann jedem C-Pegel ein Oxidationspotential zugeordnet werden. Dies führt dazu, dass während des Aufkohlens gleichzeitig eine Oxidation der Randschicht erfolgt. Dieser Vorgang wird als Randoxidation – im Englischen als „Internal Oxidation“, d. h. innere Oxidation - bezeichnet.

An der Oberfläche adsorbierter Sauerstoff diffundiert in den Werkstoff ein. Nach Überschreiten der Löslichkeit von Sauerstoff im Eisen von einigen ppm oxidieren zunächst Legierungselemente mit einer höheren Sauerstoffaffinität als Eisen. In besonderem Maße werden in der äußeren Randschicht die Elemente Silizium, Mangan, Chrom, Vanadium und Aluminium zu Oxiden abgebunden, vgl. Bild 1-12. Dies führt in der Randschicht zu einer Verarmung der für die Härtbarkeit wirksamen Legierungselemente, was den Gefügezustand und den Härte- und Eigenspannungs-Verlauf beeinträchtigt.

Bild 1-12:Gleichgewichtslage der Oxidationsreaktionen von Legierungselementen nach Richardson und Jeffes /Ric48/

Der Diffusionskoeffizient von Kohlenstoff in Eisen ist etwa um den Faktor 100 größer als der von Sauerstoff. Daraus ergibt sich, dass die Tiefe des oxidierten Randbereichs etwa ein Hundertstel der Aufkohlungstiefe beträgt. Auch die Verteilung der Oxid bildenden Legierungselemente wird verändert, wie als Beispiel in Bild 1-13 zu sehen ist.

Bild 1-13:Elementverteilung in der Randschicht nach Randoxidation

Man erkennt, dass Legierungselemente mit einer höheren Sauerstoffaffinität als Eisen in der Randschicht angereichert und als Oxide abgebunden werden. Dies senkt die Aktivität des betreffenden Elementes im Randbereich ab, was durch Nachdiffusion aus dem Werkstückinneren kompensiert wird. Dies ist am relativen Minimum des Element-Konzentrationsprofils unterhalb der Oberfläche erkennbar. Der wirksame Anteil an Legierungselementen wird dementsprechend nicht durch den Gesamtgehalt repräsentiert, sondern nur durch den in der Matrix noch gelösten Anteil.

Bild 1-14:Lichtmikroskopisches Aussehen der Randschicht eines einsatzgehärteten Werkstücks im ungeätzten Zustand

Die Oxide liegen in der Randschicht zum Teil mehr oder weniger gleichmäßig verteilt vor, teilweise sind Oxidanreicherungen an den Korngrenzen zu finden, wo die oxidbildenden Legierungselemente meist in höherer Konzentration vorliegen, siehe Bild 1-14. Solche netzartigen Ausbildungen können im Belastungsfall als metallurgische, also innere, Kerben wirken.

Das Ausmaß der Randoxidation wird sowohl von der Werkstoffzusammensetzung als auch von den Prozessparametern beeinflusst. Da die innere Oxidation Folge der Eindiffusion von Sauerstoff ist, muss mit zunehmender Aufkohlungsdauer, entsprechend dem Quadratwurzel-Zeit-Gesetz, auch mit einer größeren Oxidationstiefe gerechnet werden. Ein höherer C-Pegel bewirkt andererseits durch einen geringeren CO2-Gehalt der Aufkohlungsatmosphäre eine geringere Oxidation. Zunehmende Gehalte an Chrom, Mangan und insbesondere Silizium verstärken die Oxidation.

 

Durch das Abbinden der Legierungselemente zu Oxiden wird die Härtbarkeit der Randschicht verringert. Das kann dazu führen, dass dort kein vollständig martensitisches Härtungsgefüge entsteht, sondern wie der im Bild 1-15 sichtbare Troostitsaum, ein Randschichtbereich, in dem das Gefüge aus sehr feinstreifigem Perlit besteht. Dies verringert gegenüber dem Martensit die Härte und anstatt der erwünschten Druckeigenspannungen, liegen in dieser „Weichhaut“ Zugeigenspannungen vor.

Bild 1-15:Lichtmikroskopisches Aussehen einer Einsatzhärtungsschicht mit Troostitsaum infolge einer Randoxidation

Im Zusammenhang mit der Qualitätsbeurteilung einsatzgehärteter Teile wird erforderlichenfalls die Randoxidationstiefe am ungeätzten Schliff gemessen bzw. die Intensität der Oxidation anhand von Richtreihenfotos beurteilt, vgl. Bild 1-16. Eine Norm hierzu ist in Vorbereitung. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, an Hand des mittels GDOES-Analyse ermittelten Konzentrationsprofils des Siliziums die Tiefe der Randoxidation zu bestimmen, vgl. Bild 1-13.

Bild 1-16:Schematische Darstellung von Randoxidationserscheinungsformen

1.1.1.2Niederdruckaufkohlen

Das Niederdruckaufkohlen ist ein Gasaufkohlen, das in Vakuumöfen bei einem Druck unterhalb des Normaldrucks durchgeführt wird. Als Kohlenstoffspender kommen gasförmige Kohlenwasserstoffe wie Methan, Propan oder Ethin, gegebenenfalls mit Stickstoffzusatz, in Frage. Die zum Aufkohlen benutzten Öfen unterscheiden sich in ihrem Aufbau von den sonst zum Gasaufkohlen benutzten Öfen und ermöglichen ein Aufkohlen bei Temperaturen bis 1100 °C. Vorteilhaft erweist sich außerdem, dass die Ofenatmosphäre frei von Sauerstoff gehalten wird, so dass die innere Oxidation oder Randoxidation vermieden wird /Eys79/, /Lui79/, /Lim80/, /Cha82/, /Pou85/, /HoF94/, /Alt94/, /Alt02/, /Lös03/.

Die maßgebenden Prozessparameter sind:

• die Art des Kohlenstoffspenders

• der Druck im Behandlungsraum

• die Art der Gaseinspeisung → konstante oder intermittierende Zuführung

• die Verteilung des Gases innerhalb des Behandlungsgutes

Im Unterschied zum Gasaufkohlen ist ein Kohlenstoffpegel nicht definierbar, so dass die Aufkohlungswirkung bei gegebenem Aufkohlungsmittel über den Druck und die Art der Gaszuführung geregelt werden muss.

In der industriellen Praxis hat sich zum Niederdruckaufkohlen ein Druck von 5 mbar bis 10 mbar bewährt. Höhere Drucke können insbesondere bei Verwendung von Propan zu einem vermehrten Anfall von Ruß beim Propanzerfall führen. Die Gaszufuhr erfolgt zweckmäßigerweise intermittierend, wobei das Verhältnis der Dauer der Gaszugabe zur Pausendauer, in der die Zugabe unterbrochen wird, ein wesentliches Element zum Steuern des Aufkohlungsvorgangs ist. Dabei ist es zweckmäßig, das Verhältnis tGas/tPause so einzustellen, dass die Gaszufuhr dann unterbrochen wird, wenn in der Randschicht des aufzukohlenden Werkstücks die temperaturabhängige Sättigungsgrenze des Austenits erreicht ist. Die Pause dient anschließend dazu, eine Diffusion des Kohlenstoffs ohne Kohlenstoffzufuhr herbeizuführen und die Kohlenstoffkonzentration zu erniedrigen. Die Anzahl der durchgeführten Wechsel richtet sich nach der vorgegebenen Aufkohlungstiefe.

Die als Kohlenstoffspender benutzten Kohlenwasserstoffe zerfallen thermisch (→ Pyrolyse) und setzen Kohlenstoff frei. Die Reaktionen, die z. B. beim Verwenden von Propan ablaufen, lassen sich nach /Des93/ wie folgt beschreiben:


In den letzten Jahren wird zunehmend Ethin als Kohlenstofflieferant benutzt /Sug98/. Dies hängt damit zusammen, dass Ethin oder Acetylen mit der Formel C2H2, aufgrund seiner spezifischen Zerfallscharakteristik, das Aufkohlen bei höheren Temperaturen und Werkstücken mit komplizierter Geometrie erleichtert.

1.1.1.2.1Die Reaktionen beim Niederdruckaufkohlen

Die Kohlenstoffübertragung

Die Kohlenstoffübertragung lässt sich vereinfacht am Beispiel des Acetylens wie in Bild 1-17 dargestellt, beschreiben:

Bild 1-17:Ablauf des Niederdruckaufkohlens (schematisch)


1. Schritt: Antransport von Acetylen-Molekülen an die Werkstückoberfläche:
2. Schritt: Dissoziation von Acetylen an der Werkstückoberfläche und Chemisorption von Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen:
Rekombination von chemisorbiertem Wasserstoff zu H2(gas):
3. Schritt: Übergang von chemisorbiertem Kohlenstoff in den gelösten Zustand:
4. Schritt: Diffusion von Kohlenstoff in das Werkstoffinnere

Die Reaktionen

Unter dem Einfluss des niedrigen Drucks und der Temperatur findet eine thermochemische Spaltung – Pyrolyse genannt – oder auch eine Polymerisation der als Kohlenstoffspender benutzten Kohlenwasserstoffe statt:


Methan CH4: Pyrolyse bei 4 mbar und oberhalb 1000 °C
Ethan C2H6: Pyrolyse oberhalb 600 °C, hauptsächlich in CH4 und H
Pyrolyse oberhalb ca. 700 °C und unterhalb 10 mbar in C2H4 und H2 und weiter in C2H4 + C + 2·H2 bzw. überwiegend in C2H4 + CH4
Ethen C2H4: Pyrolyse unter 10 mbar und über 850 °C in 2·C + 2·H2 bzw. C2H2 + H2 bzw. bis 950 °C hauptsächlich in CH4 + C
Acetylen C2H2: oberhalb 850 °C Dissoziation, unterhalb 800 °C Polymerisation in C4H4 (Butenin/Vinylacetylen) bzw. an der Stahloberfläche in 4·C+2·H mit steigender Temperatur nimmt die Stabilität zu, mit sinkender Temperatur steigt die C-Verfügbarkeit.

Der Zerfall der Kohlenwasserstoffe ist temperaturabhängig. Ethan und Ethen zerfallen immer unter Bildung von Methan, das bei 4 mbar und Temperaturen unterhalb 1000 °C stabil ist.

Unterhalb von 800 °C bildet Acetylen lange Kohlenwasserstoffketten und aromatische Verbindungen. Oberhalb 800 °C dissoziiert es in einer komplexen Reaktion; für den letzten Schritt benötigt es die Stahloberfläche als Katalysator.

Auch die Dissoziation von Propan verläuft komplex, da sich während des Zerfallsprozesses eine Reihe unterschiedlicher Verbindungen bilden. Es liegt ein Netzwerk unterschiedlicher Zerfalls- und Rekombinationsreaktionen von Kohlenwasserstoffen und deren Radikale vor, siehe Bild 1-18, nach Graf et al. /Gra03/.

Bild 1-18:Netzwerk der homogenen Propanpyrolyse /Gra03/

In Bild 1-19 wird am Beispiel der Kohlenstoff-Konzentrationsprofile beim Niederdruckaufkohlen des Stahls 16MnCr5 die Aufkohlungswirkung von Propan und Methan verglichen. Daraus ist zu entnehmen, dass mit Propan ein deutlich höherer Kohlenstoff-Massenstrom erreicht wird als mit Methan /Hof94/.

Das beim thermischen Zerfall gebildete Methan trägt wegen seiner thermischen Stabilität unterhalb von 1000 °C nicht zur Aufkohlungsreaktion bei. Von den anderen genannten Gasen ist nur das Acetylen von Bedeutung. Die zum Aufkohlen benötigte Propanmenge ist daher abhängig davon, dass beim Zerfall hinreichend viel Acetylen gebildet wird. Beim Aufkohlen mit Propan werden daher größere Volumenströme benötigt als beim Aufkohlen mit Acetylen.

Bild 1-19:Thermischer Gaszerfall bei 1050 °C, Vergleich: Methan-Propan /Hof94/

Der Kohlenstoff-Massenstrom

Der Kohlenstoff-Massenstrom bestimmt die Aufkohlungsgeschwindigkeit. Er ist definiert als die Masse Kohlenstoff, die pro Stunde und m2 Werkstückoberfläche eindiffundiert. Er kann aus der Gewichtsdifferenz kleiner Proben vor und nach einem Aufkohlungsschritt oder durch Integration des Kohlenstoffverlaufs ermittelt werden /Hay97/, /Hep65/. Tabelle 1-4 zeigt einen Vergleich der Massenströme für Endogasund unterschiedliche Niederdruck-Aufkohlungsatmosphären bei verschiedenen Temperaturen.

 

Tabelle 1-4:Werte für unterschiedliche Kohlenstoff-Massenströme in g/m2·h in den ersten 15 min des Aufkohlens /Ede01/. In Klammern die Werte bis zur Sättigung der Oberfläche mit Kohlenstoff /Cla07/.


Hohe Kohlenstoff-Massenströme sind nicht notwendigerweise von Vorteil. Die Randschicht des aufzukohlenden Werkstücks kann nur bis zu einer bestimmten Grenze Kohlenstoff in Lösung nehmen. Nach Überschreiten der Löslichkeitsgrenze werden Carbide ausgeschieden, was meist unerwünscht ist und daher vermieden werden sollte. Bei hohen Massenströmen erfolgt die Sättigung sehr schnell. Die einzige Möglichkeit Ausscheidung von Carbiden zu vermeiden, sind kurze Aufkohlungsabschnitte. Bei hinreichend langen Diffusionsabschnitten können sich zuvor entstandene Zementitausscheidungen wieder auflösen; Ausscheidungen von Sondercarbiden bleiben jedoch erhalten.

Die maßgeblichen Prozessgrößen

Dies sind die Gasart, der auf die Chargenoberfläche bezogene Gasmassenstrom und die Temperatur.

Der durchschnittliche Kohlenstoff-Massenstrom hängt vom Gasdurchfluss ab, vgl. Bild 1-20. Dieser kann allerdings nicht direkt zur Prozesskontrolle, d. h. zum Einstellen des Randkohlenstoffgehaltes oder der Aufkohlungstiefe, herangezogen werden. Ein zu geringer Gasdurchfluss bedeutet eine zu geringe Versorgung der Aufkohlungscharge, was zu unterschiedlicher Aufkohlung innerhalb der Charge führt. Werkstücke, deren Oberfläche ausreichend mit dem Gas versorgt ist, werden korrekt aufgekohlt, für die restlichen Werkstücke steht dann nicht mehr ausreichend Kohlenstoff zur Verfügung. Hierdurch kommt es zu deutlichen Streuungen im Randkohlenstoffgehalt innerhalb der Charge. Andererseits muss die Gaszufuhr begrenzt werden, so dass keine Überversorgung vorliegt, die zur Rußbildung im Ofen führen kann. D. h. der Gasdurchfluss muss an die Oberfläche der Charge angepasst werden.

Bild 1-20:Kohlenstoffmassenstrom in Abhängigkeit vom Gasdurchfluss /Grä02/

Nach Gräfen /Grä02/ unterscheiden sich die verschiedenen Gase hinsichtlich ihres Einflusses auf den Kohlenstoff-Massenstrom nicht signifikant, abgesehen vom Methan, das unterhalb einer Temperatur von 1000 °C nicht dissoziiert. Steinbacher /Ste06-2/ stellte einen Unterschied zwischen Propan und Acetylen fest, siehe Bild 1-21.

Bild 1-21:Spezifische Massenzunahme einer Probe aus dem Stahl 20MnCr5 beim Aufkohlen in Propan bzw. Acetylen bei gleicher Temperatur, gleichem Druck und Prozessgas-Durchfluss /Ste06-2/

Während das Propan zusätzliche Zerfallsschritte benötigt, erfolgt das Aufkohlen mit Acetylen direkt, wodurch die Randschicht rascher mit Kohlenstoff gesättigt wird. Auch dies beeinflusst die lokale Kohlenstoffverfügbarkeit.

Ein weiterer Vorteil von Acetylen liegt darin, dass mit Acetylen das Aufkohlen komplexer Geometrien leichter möglich ist. Bild 1-22 gibt dies am Beispiel einer Sack-lochbohrung wieder.

Bild 1-22:Einsatzhärtungstiefe in einem Sackloch nach einem Niederdruckaufkohlen bei einem Druck von 5 mbar /Grä02/

Die Prozesstemperatur beeinflusst die Diffusionsgeschwindigkeit und die Kohlenstofflöslichkeit im Stahl. Durch höhere Temperaturen kann die Prozessdauer zum Erreichen einer vorgegebenen Aufkohlungstiefe verkürzt werden. Konsequenterweise muss dann aber der Kohlenstoff-Massenstrom erhöht werden. Dies lässt sich beim Niederdruckaufkohlen verhältnismäßig einfach realisieren, siehe Bild 1-23.

Bild 1-23:Abhängigkeit der spezifischen Massenzunahme von der Temperatur unter Voraussetzung hinreichender Gasdurchflussrate / Ste12/

Der Prozessdruck ist beim Aufkohlen komplexer Geometrien wie z. B. bei Nuten, Bohrungen oder bei Zahnrädern mit kleinem Modul besonders wichtig. Bei solchen Werkstücken muss der Prozessdruck niedrig und der Gasaustausch intensiv sein. Dies kann beispielsweise durch kurze Aufkohlungsabschnitte, gefolgt von Diffusionsabschnitten, bei denen eventuell der Druck weiter abgesenkt wird, erfolgen. Durch wiederholten Druckwechsel wird das Eindringen des Prozessgases in kleine Zwischenräume und das Abführen von Reaktionsprodukten, beispielsweise Wasserstoff, begünstigt. Einfache Geometrien lassen sich auch bei höherem Prozessdruck einwandfrei aufkohlen.

Mit abnehmendem Druck entstehen weniger Ruß und komplexe Kohlenwasserstoffketten. Legierungselemente beeinflussen die Diffusionsgeschwindigkeit des Kohlenstoffs im Stahl sowie die maximale Kohlenstofflöslichkeit, die Carbidgrenze, und damit die Carbidbildung, vgl. Bild 1-5.

Stähle mit einem höheren Gehalt an Carbidbildnern weisen eine geringere Löslichkeit für Kohlenstoff auf und neigen daher bereits bei kurzen Aufkohlungsschritten zur Bildung von unerwünschten Sondercarbiden. Diese lassen sich bei Aufkohlungstemperatur nicht wieder auflösen. Bei Stählen mit einem höheren Kohlenstoffgehalt werden ebenso schon nach kurzer Dauer Carbide gebildet, siehe Bild 1-24. Die Abweichung vom zunächst linearen Kurvenanstieg kennzeichnet den Beginn der Carbidbildung. Ab diesem Zeitpunkt sollte der Diffusionsschritt beginnen. Das bedeutet, dass die Aufkohlungsschritte entsprechend kurz gehalten werden sollten, um die Carbidbildung zu vermeiden.

Bild 1-24:Abhängigkeit der spezifischen Massenzunahme vom Chrom- und Kohlenstoffgehalt /Ste12/