Den Schauenburgern, einem reichen und tapferen Geschlecht, von deren Stammburg in der Gegend von Minden noch Ruinen vorhanden sind, verlieh Konrad II. die Grafenwürde. Lothar belehnte als Herzog von Sachsen den Grafen Adolf I. mit der Grafschaft Holstein, die von den Holsten, Stormarn und Dithmarschen bewohnt war und an das slawische Nordalbingien grenzte. Ihm folgte sein Sohn Adolf II., der ursprünglich zum Geistlichen bestimmt gewesen war und infolge seiner Erziehung nicht nur eine gründlichere Bildung, sondern auch eine tiefere Auffassung seiner Pflichten hatte, als bei den weltlichen Fürsten üblich war. Er sprach geläufig lateinisch und verstand auch das Slawische. Er bemühte sich, die unterworfenen Slawen für das Christentum zu gewinnen und kultivierte das neugewonnene Land in großartiger Weise durch Ansiedlung von Friesen, Holländern und Westfalen, denen er es unter vorteilhaften Bedingungen überließ. Auf einer Insel zwischen den Flüssen Wackenitz und Trave, wo die Slawen in einem heiligen Hain die Götter verehrt hatten, gründete er die Stadt Lübeck, die die günstige Lage an der Ostsee schnell erblühen ließ. Da Heinrich durch sie seine binnenländische Stadt Bardewiek benachteiligt fand, verlangte er, dass Adolf ihm Lübeck abtrete, als sich Adolf weigerte, vernichtete er Lübecks Handel; das Ende war, dass Adolf um der Stadt und um des Friedens willen nachgab und sie dem Herzog schenkte. Graf Adolf, den der Chronist sowohl wegen seiner Herzensgüte wie wegen seiner Klugheit rühmt, fiel im Jahre 1164 in der großen Slawenschlacht bei Demmin, die über seinem Leichnam in einem vollständigen Siege endete. Wenn Heinrich der Löwe ihm, seinem väterlichen Freunde, an verständiger und menschlicher Gesinnung nachstand, so überragte er ihn an Willensgewalt und Macht der Persönlichkeit. Da er sich als König geboren fühlte, behandelte er alle, die sich weigerten, ihm untertan zu sein, als Rebellen. Unterwarfen sie sich, sorgte er für sie als König. Bei seinen Städtegründungen, Lübeck und Schwerin, verfuhr er mit außerordentlicher Weitherzigkeit; denn er behielt sich nur die hohe Gerichtsbarkeit vor, übrigens gestand er den Bürgern volle Selbstverwaltung zu, in der Meinung, so am sichersten das Gemeinwesen zur Blüte zu bringen. Entsprechend dem germanischen Begriff der Eigenkirche erhielten die Bürger das Recht der Pfarrerwahl für die Pfarrkirche. Es ist nicht unmöglich, dass Heinrich in seiner Städtepolitik durch seinen Schwiegervater Konrad von Zähringen beeinflusst war, der schon vor Jahrzehnten mit großer Liberalität die Stadt Freiburg gegründet hatte; aber vor allem leitete ihn der sichere politische Blick, sein natürliches Erbe. Den kühnen Geist der sächsischen Kaufleute, die mit ihren Handelsreisen ein wirtschaftliches Netz über das Meer nach England und Skandinavien und im Osten bis Russland spannten, erkannte er als dem seinigen verwandt, er verband sich mit ihm und machte ihn sich zunutze. Auch in der Beziehung zu den Slawen zeigte er großen Sinn. Kam es ihm mehr auf ihre Abgaben an als auf ihr Seelenheil, so wollte er sie auch nicht als Heiden vernichten, und an dem Kreuzzuge, der gegen sie unternommen wurde, beteiligte er sich nur ungern. Nationale Abneigung lag ihm fern, er überließ dem Slawenfürsten Pribislaw, der ihm treu blieb, einen Teil Mecklenburgs als Fürstentum. Pribislaw ist der Ahnherr der Dynastie, die bis 1918 in Mecklenburg regiert hat. Zwar wenn man liest, dass Graf Gunzelin von Schwerin, des Herzogs treuer Diener, jeden Slawen, der anderswo als auf der richtigen Straße angetroffen wurde, ohne sich ausweisen zu können, aufhängen ließ, so sieht man, dass der unwillkürlich verdrängende Druck, den die arbeits- und ordnungsgewöhnteren Deutschen auf die Slawen ausübten, durch gewalttätige Maßregeln verstärkt wurde. »Allenthalben sind die Slawen aufgerieben und vertrieben worden; vom Ozean ist starkes und unzähliges Volk gekommen, das der Slawen Land gewann.« So, mit wenigen Sätzen beschließt der Pfarrer Helmold zu Bösau am Plöner See, der Chronist dieser Kämpfe, die Geschichte vom Untergang der Slawen in Deutschland. »Die kläglichen Überreste der Slawen sahen sich infolge des Getreidemangels und der Verheerung ihrer Felder gezwungen, sippenweise zu den Pommern oder Dänen zu fliehen, die sie erbarmungslos an die Polen, Sorben und Böhmen verkauften.« Sie waren die Besiegten, die Schwächeren. Keineswegs fehlte es ihnen an Tapferkeit und kriegerischer Kraft; denn jahrhundertelang hielten sie sich nicht nur gegen die Deutschen, sondern warfen sie zurück und wüteten unter ihnen mit derselben Grausamkeit, die sie erlitten hatten. Weichen mussten sie schließlich der größeren Leistungsfähigkeit der arbeitsamen Deutschen und der höheren Entwicklung ihrer Landwirtschaft. Ihren krummen Pflug ohne Eisen würden sie wohl nicht so lange behalten haben, wenn sie weniger unruhig, weniger träge, mehr geneigt zu andauernder, regelmäßiger Arbeit gewesen wären. Die Deutschen empfanden, solange sie einigermaßen frei und des Ertrages ihrer Arbeit sicher waren, die Arbeit nicht als Fluch, sondern als wesentlichen Inhalt ihres Lebens und Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Wie die Tüchtigkeit der Deutschen anerkannt wurde, geht daraus hervor, dass auch slawische und andere fremde Fürsten sie zur Besiedlung ins Land riefen.
Neben Heinrich dem Löwen und Adolf von Holstein waren Erzbischof Wichmann von Magdeburg und Albrecht der Bär große Kolonisatoren. Beide stammten aus der Gegend des Harzes. Erzbischof Wichmann hat das Land Jüterbog besiedelt und die Stadt Jüterbog gegründet und mit dem Magdeburger Recht beschenkt. Der schöne, lebenslustige Mann, ein treuer Anhänger des Kaisers, gehörte zu den Gegnern Heinrichs des Löwen, suchte aber doch immer eine persönliche Verständigung zu ermöglichen. Er hielt seine Stadt Magdeburg in fester Hand; aber von ihm stammt eine Urkunde, in der er bei Begründung einer Schusterinnung festsetzt, dieselbe solle keine andere als selbstgewählte Behörden über sich haben, weil Ehre und Nutzen ohne Freiheit als gemeine Knechtschaft anzusehen sei. Mit derselben Liberalität verfuhr er bei Ansetzung der Siedler; sie brauchten weder Haus- noch Bodenzins zu zahlen, bis sie einen genügenden Ertrag ihres Anbaus erzielt hatten. Albrecht der Bär hat die Altmark und die Mark Brandenburg an das Reich gebracht und mit Deutschen besiedelt. Er hatte mit dem slawischen Fürsten von Brandenburg einen Erbvertrag geschlossen, und es ist überliefert, als derselbe gestorben sei, habe seine Frau seinen Tod verheimlicht, bis der von ihr benachrichtigte Albrecht unbemerkt angekommen sei, um die Regierung zu übernehmen. Auch die Lausitzen, die jahrhundertelang ein zwischen Polen, Böhmen und Deutschen schwankender Besitz waren, wurden um diese Zeit endgültig germanisiert. Schon der berühmte Wiprecht von Groitzsch, der zurzeit der letzten salischen Kaiser auf den Granitfelsen bei der späteren Stadt Bautzen als Markgraf mächtig waltete, hatte Franken, Holsten, Bayern und Türinger ins Land gerufen, die in den Namen noch blühender Familien eine Spur gelassen haben. Für die Christianisierung und Germanisierung der Gegend der südlichen Elbe und ihrer Nebenflüsse waren von jeher die Bischöfe von Meißen tätig.
Was die Bauern von Westfalen, Holland, Friesland, Flandern veranlasste, ihre Heimat aufzugeben und auszuwandern bis in die Wälder eines ungarischen Grenzlandes, wo Wolf und Luchs und Elentier heimisch waren, darüber kann man nur Vermutungen anstellen. Aus zeitgenössischen Andeutungen muss man schließen, dass es zum Teil Küstenbewohner waren, denen Sturmfluten das noch nicht eingedeichte Land entrissen hatten, zum Teil diejenigen Bauernsöhne, die, während der Jüngste nach holländischem und flämischem Recht den Hof erbte, ihr Glück in der Fremde zu suchen pflegten. Aber abgesehen von den besonderen Umständen ist es natürlich, dass aus dem überreich besiedelten Westen stets ein Teil der Bevölkerung abzuströmen bereit war. Man sieht, wie groß die Zahl der freien Bauern im nordwestlichen Deutschland noch gewesen sein muss, denn die Hörigen würden ihre Herren nicht in so großer Zahl entlassen haben. Dass die benachbarten Grundherren sie bedrückten und abhängig zu machen suchten, wird sie mit bewogen haben, den weiten Weg nach dem Osten zu wagen.
Deutschland konnte noch verschwenden mit Land und mit Menschen. Zahllose wurden aufgerieben, zahllose waren sofort wieder da, ebenso kampflustig, arbeitstüchtig und todbereit, und unabsehbar harrten ihrer rauen Hände die lehmige Scholle, der Sumpf, die unendlichen Eichen- und Buchenwälder. Dass ein so weites, nur dünn bewohntes Gebiet zwischen Elbe und Oder und zwischen Oder und Weichsel dem wachsenden Volke als Kolonialland zur Verfügung stand, war ein unermessliches Glück. Es bedeutete nicht nur einen Machtzuwachs, sondern es gab dem ganzen Volke Gelegenheit zur Betätigung, den Armen Brot und verhinderte, dass Massenarmut entstand. Waren die Städte des Westens überfüllt, so konnte hier, auf dem Lande und in neugegründeten Städten, die Freiheit eine Zuflucht finden.
Was die Langobarden, was die Karolinger, was die starken Ottonen und die herrischen Salier vergebens erstrebten, das schien nun den Staufen zuzufallen: die Herrschaft in Italien. Das südliche Reich, das im Besitz Griechenlands geblieben war, das dann die Normannen erobert und zur Verfügung des Papstes gestellt hatten, das hatte Barbarossa an seinen Sohn gebracht. Eine neue märchenhafte Welt tat sich den Deutschen auf, wo das Grab des großen Zauberers Virgil und der Eingang zu den Höhlen des Hades waren, wo die heidnischen Sarazenen mit den Künsten des Orients die christliche Seele berückten. Vom Baltischen Meere bis zum Adriatischen und zum Mittelmeere breitete sich das Heilige Reich und schon wuchs es hinüber nach Afrika und nach Asien. Es verlor nicht im Norden, was es im Süden gewann, vielmehr dehnte es sich weiter und weiter nach dem Osten, und bald konnten seine Kaufleute, ohne fremdes Gebiet zu berühren, Bernstein von der samländischen Küste nach Palermo führen. Inmitten des mittäglichen Glanzes, der wie ein Mantel von Feuer das Stauferreich umstarrte, lief zuweilen ein Schauer über die Seele des deutschen Volkes. War es das ahnungsvolle Bewusstsein, dass es nicht gut ist, die Höhe erreicht zu haben, weil alle natürlichen Dinge sich auflösen müssen und von der Höhe zur Tiefe streben? An der Mosel sah man auf schwarzem Geisterroß Dietrich von Bern vorübergleiten. Trieb den Unbesiegbaren die Sorge um sein bedrohtes Volk? Ein anderer Schatten rührte sich im aufgewühlten Abgrund und stieg warnend ans Licht: der Antichrist. Immer von Zeit zu Zeit beunruhigte diese apokalyptische Gestalt die Gemüter; jetzt zog ihn das Gefühl des Endes herbei, den man auch den Endekrist nannte. In dem Spiel vom Antichrist, das wahrscheinlich am Ende des 12. Jahrhunderts in Deutschland aufgeführt wurde, mischte sich dies Endgefühl mit dem stolzen Bewusstsein der durch den König verwirklichten Weltherrschaft. Seinen Triumph, dem sich alle Mächte unterordnen, den auch Frankreich anerkennt, das auf die Nachfolge Karls des Großen und die Weltherrschaft Anspruch erhob, unterbricht der Antichrist mit den Schicksalsworten: Meines Reiches Stunde ist gekommen. Nicht die Reichsfeinde führen seinen Sturz herbei, von der gottähnlichen Macht des Bösen umgarnt, steigt er selbst vom Throne und legt seine Krone dem Antichrist zu Füßen. Wie im germanischen Mythos von der Götterdämmerung der Bruch des Rechtes durch die Götter das Ende herbeiführt und rechtfertigt, so hier der Abfall des Kaisers von Gott, da er das verlarvte Böse nicht mehr vom echten unterscheidet.
Die Nachricht vom fernen Tode Barbarossas ging wohl wie eine Wolke über die Mittagsglut des Reiches; aber sie brannte fort, obwohl der Umstand, dass die Söhne der Heroen entartet zu sein pflegen, den Übergang der Herrschaft auf die Erben eines Großen gefährlich macht. Alle Kinder Friedrichs I., seine fünf Söhne, wie seine Töchter, starben jung; zwei von den Söhnen allerdings, Konrad, Herzog von Sachsen, und Philipp, der jüngste, durch Mord. Heinrich, schon zu Lebzeiten des Vaters Mitregent, entsprach äußerlich nicht dem Bilde der Deutschen von ihrem Kaiser; wohl war er schön von Gesicht, aber dunkel und schmächtig. In der Kunst des Herrschens glich er dem Vater, nur dass alle seine Äußerungen um eine Schwingung härter und schärfer waren. Ein Liebesgedicht, das von ihm vorhanden ist, zeigt, dass er sich ritterliche Bildung angeeignet hatte, und deutet vielleicht auf Stunden des Spiels und der Schwärmerei, die ihm beschieden waren; es begleitet mit wehmütigem Flug seinen blutigen Gang durch die Geschichte.
Zwei Ziele verfolgte Heinrich VI.: das Königtum in Deutschland erblich zu machen und sich Süditalien zu unterwerfen, auf das er durch seine Heirat mit Constanze Anspruch hatte, beides fast aussichtslose Unternehmungen. Bedenkt man, dass alle Könige die Erblichkeit der Krone, wenn auch meist nur im einzelnen Falle, angestrebt hatten, und dass immer mehr von Fürsten und Papst gemeinsam der Grundsatz der Erblichkeit heftig bekämpft wurde, erscheint es wie ein Wunder, dass auf einem Hoftage zu Würzburg im Jahre 1196 der junge Kaiser die Annahme desselben durchsetzte. Wahrscheinlich verzichtete er schon bald danach auf den erlangten Erfolg, um die Stimmen widerstrebender Fürsten für die Wahl seines Sohnes zu gewinnen; eine Erbmonarchie in Deutschland hätte auf die Dauer wohl weder die Eifersucht der Stämme noch die geografische Beschaffenheit Deutschlands gelitten. Auch in Unteritalien erreichte er, was er wollte: nach grausamer Unterdrückung des Widerstandes musste sich Sizilien unterwerfen. Mit den ungeheuren Reichtümern, die ihm aus dem Schatz der normannischen Könige zufielen, sicherte er sich die Anhängerschaft der deutschen Fürsten und Ritter. Eine zweite außerordentliche Einnahme verschaffte ihm die Gefangenschaft von Richard Löwenherz, der sich nur durch ein großes Lösegeld die Freiheit erkaufen konnte. Den Papst gewann er dadurch, dass er das Kreuz nahm, vermutlich ohne die Absicht, selbst den Kreuzzug anzutreten. Die nüchterne Art, wie er, einzig den politischen Nutzen im Auge, die Gebote der Ritterlichkeit und zuweilen auch die der Ehre und Menschlichkeit beiseite ließ, missbilligte mancher Zeitgenosse; etwas Unheimliches lag in seiner Verbindung mit der Fremden, die Mutter seines Sohnes war und als Vertreterin ihres Volkes ihn hasste und, wie es hieß, ihn vergiftete. Wenn die trotzigen deutschen Fürsten keinen Widerspruch gegen ihren schneidigen Herrn wagten, wenn die Sizilianer sich unterwarfen und selbst das Glück an ihn gefesselt schien, der Tod blies gleichgültig das stolze Licht aus.
In Deutschland überwog noch die Anhänglichkeit an die staufische Dynastie; aber in Italien war das Aufschnellen des Widerstandes umso heftiger, je straffer die Zügel gespannt gewesen waren. Nachdem die Staufer nahe daran waren, eine Erbmonarchie in Deutschland zu errichten, und Sizilien erobert hatten, waren die Päpste entschlossen, sie zu vernichten. Zu diesem Zweck verbanden sie sich mit den lombardischen Städten. Wären die deutschen Könige Herren im Süden, Herren in der Lombardei und dazu noch Herren in der Toskana durch den Besitz der Mathildischen Güter, so konnte Rom, von allen Seiten eingeschlossen, ihnen nicht entgehen; sie waren dann in Wahrheit Könige von Italien. Das Gefühl, Rom zu sein, Italien zu sein, erfüllte die Päpste mit der Energie nationaler Leidenschaft. So wenig wie einst die Langobarden wollten sie jetzt die Deutschen in Rom und Italien dulden, wie einst der Frankenkönig musste jetzt ein Fürst gewonnen werden, um Italien zu befreien. Der tragische Widerspruch, dass der Papst schicksalsmäßig Nachfolger der Cäsaren geworden war und doch kein Schwert führte, vielmehr durch sein Amt zum Friedensfürsten bestimmt war, macht das Dämonische seines Wütens gegen die Kaiser, die er selbst gerufen und gesalbt hatte, verständlich. Ohnmächtig im weltlichen Sinn konnte er nur durch Fluch und Bann, durch das Gift der Verleumdung wirken.
Lothar von Segni, der als Innocenz III., erst 37 Jahre alt, Papst wurde, erklärte seinen Standpunkt, indem er sagte, dem Fürsten werde die Macht auf Erden, dem Priester aber auch die Gewalt im Himmel verliehen, jenem nur über den Leib, diesem auch über die Seele. So viel die Würde der Seele die des Leibes überrage, ebenso überrage die Würde des Priestertums die des Königtums. Einen Einfluss auf die Königswahl habe der Papst zu beanspruchen, weil das Reich ihm seinen Ursprung und seine Vollendung verdanke, den Ursprung, weil er das Reich von Griechenland nach Rom verpflanzt habe, die Vollendung, weil er dem König die Kaiserkrone verleihe. Die Staufer nannte er ein Geschlecht von Verfolgern der Kirche; er würde, wenn er einen Staufer kröne, einem Räuber Waffen gegen sich selbst in die Hand drücken. Die Fürsten indessen, geistliche wie weltliche, bestritten dem Papst in bestimmten Ausdrücken das Recht zur Einmischung in die Wahl, und Heinrichs Bruder Philipp, ein liebenswürdiger und beliebter Mann, hatte sich allgemeine Anerkennung erkämpft, als er von Otto von Wittelsbach, der sich von ihm beleidigt glaubte, ermordet wurde. Otto, Heinrichs des Löwen Sohn, den Innocenz als Angehörigen einer der Kirche ergebenen Familie unterstützt hatte, trat als unbestrittener Kaiser sofort in den unentrinnbaren Gegensatz ein, indem er mit Nachdruck die Reichsrechte auf Italien geltend machte und sich zur Eroberung Siziliens anschickte. »Es reut mich, den Menschen gemacht zu haben«, sagte Innocenz mit den Worten Gottes. Ungefährlicher als der rücksichtslose Welfe kam ihm der jugendliche Friedrich vor, Heinrichs VI. Sohn, der als sein Mündel in Sizilien aufgewachsen war und mit dem er in gutem Einvernehmen stand. Als der Achtzehnjährige ins Reich aufbrach und durch Rom kam, begegneten sich der mächtige Papst und der stolze Staufer zum ersten und einzigen Male. Innocenz starb vier Jahre später; vorher hatte er die Genugtuung, auf einem Konzil im Lateran den aufsässigen Welfen abzusetzen. In der Kirche hat er das monarchische Prinzip, das er im Reich so schneidend bekämpfte, gestärkt und in allen Ländern außer Frankreich die Bischöfe von sich abhängig gemacht.
Im 7. und 8. Jahrhundert wiesen es die Päpste streng zurück, wenn sie als allgemeine Bischöfe angeredet wurden, weil sie dadurch den übrigen Bischöfen, ihren Brüdern, zu nahe träten. Sie wollten nicht mehr sein als die anderen, nur wenn einer sich vergangen hätte, wollten sie sie zurechtweisen und in Fällen des Streites oder der Ungewissheit entscheiden dürfen. Innocenz III. beschränkte ihre Rechte, bis sie nicht viel mehr als Beamte des Papstes waren. Der Geist Roms richtete sich gebieterisch auf. Wozu einzelne Päpste den Grund gelegt hatten, das stand nun hüllenlos massiv da: die römische Weltherrschaft in der Hand der Päpste. Wiedergekommen war die Vergötterung der Cäsaren, die einst die christliche Kirche als Blasphemie der Heiden verdammt hatte. Innocenz III. sagte, er sei weniger als Gott und mehr als die Menschen und legte den Ton mehr auf das Erhobensein des Sterblichen in die Nähe der Allmacht als auf den Zwischenraum, der ihn noch von Gott trennte. Dasselbe Ziel verfolgte Gregor IX. in anderer Art. Innocenz war ein großer Organisator, umsichtig, immer seiner Zwecke bewusst und seine Mittel beherrschend mit der ruhigen Sicherheit des reifen Mannes. Gregor war alt, als er zur Regierung kam, und das Alter milderte seine Leidenschaft nicht, sondern steigerte sie zu äußerstem Ungestüm. Er musste große Taten in eine kurze Spanne zwingen, musste mit dem Feuer des Geistes die Gebrechlichkeit des Körpers ersetzen. Der Stil der päpstlichen Kurie, der von jeher eine Mischung spätrömischen Pompes und frommer Rührung gewesen war, schwoll grell an. Gregor entzündete einen roten apokalyptischen Himmel über Italien und Deutschland. Aber auch in das Kaisertum drang römischer Atem ein. Friedrich I. zwar hatte die römischen Ideen nur benützt, sich nicht davon beherrschen lassen; aber schon Heinrich VI., vor dem, als er in Palermo einzog, das Volk sich wie vor einem Gott in den Staub warf, begann in Sizilien eine Herrschaft aufzurichten, deren zentralistischer Charakter der deutschen Auffassung widersprach. Friedrich II. vollendete den Beamtenstaat, den er unumschränkt wie ein Despot regierte, wie der Papst über die sterblichen Menschen in die Nähe der Gottheit entrückt. Auch in Friedrichs Kanzlei wurde ein gebauschtes Pathos üblich; zwei Mächte stießen aufeinander, die sich bewusst waren, auf einer Ebene zu Häupten der Menschheit zu kämpfen.
Friedrich II. suchte sich im Beginn seiner Regierung mit Innocenz und dessen Nachfolger Honorius gut zu stellen, indem er förmlich versprach, erstens sein Königreich Sizilien nicht mit dem Reiche zu vereinigen, sondern es, sowie er Kaiser geworden wäre, seinem Sohne Heinrich zu übergeben, zweitens einen Kreuzzug zu unternehmen. Nachdem er im Jahre 1219 zum Kaiser gekrönt war, blieben beide Versprechungen unerfüllt. Die Vorwürfe des Papstes gab er zurück, indem er sagte, dass Honorius schlecht qualifizierte niedere Leute als Kreuzzugsprediger nach Deutschland schicke. Als Gregor Papst wurde, verfingen die Ausflüchte nicht mehr. Friedrich solle, sagte er, sich von den Lüsten der Welt abkehren, dem Himmlischen zu. Ihm sei eine dreifache Krone verliehen: von Deutschland, der Mutter, erhalte er die Gnadenkrone durch die freie Wahl der Fürsten, von der Lombardei, der Stiefmutter, die Krone der Gerechtigkeit, vom Papste, dem Vater, die Krone des Ruhmes, die ihm den Vorrang vor allen Gewalten der Welt gebe und das Reich mit Christus, der ebenfalls mit einem dreifachen Diadem gekrönt sei. Keinen geringen Rang gestand Gregor seinem Gegner mit diesem prachtvollen Bilde zu; er dachte groß genug, sich mit einem Ebenbürtigen messen zu wollen. Im Spätsommer desselben Jahres schiffte sich Friedrich, um den Kreuzzug anzutreten, in Brindisi ein; aber plötzlich wurde er krank, wie er sagte, und musste zurückbleiben. Das entfachte den Streit von Neuem. Ohne Untersuchung setzte Gregor voraus, dass die Krankheit des Kaisers vorgetäuscht sei, und exkommunizierte ihn, sich darauf stützend, dass der Kaiser selbst sich dem Bann verfallen erklärt hätte, wenn er sein Versprechen nicht erfüllen sollte. Friedrich beantwortete den Angriff damit, dass er allen Klerikern, Ordens- und Weltgeistlichen in Sizilien befahl, den Gottesdienst wie immer abzuhalten, widrigenfalls er ihre Güter einziehen würde, und dass er die angesehensten römischen Familien zu seinen Vasallen machte, indem er ihnen ihre Güter abkaufte und sie damit belehnte. Dann unternahm er die Kreuzfahrt und errang einen über alle Erwartung glänzenden Erfolg. Ohne Kampf, durch persönliches Verhandeln und kluges Eingehen auf die Eigenart der Sarazenen bewirkte Friedrich, dass der Sultan ihm Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, die hochheiligen Orte Palästinas, dazu Tyrus und Sidon überließ; einzig der Tempel des Herrn in Jerusalem sollte unter sarazenischer Bewachung bleiben, weil die Sarazenen dort zu beten pflegten, aber den Christen sollte freier Zutritt zur Verrichtung ihrer Andacht gewährt sein. Verschiedene andere Vergünstigungen kamen dazu. Es war ein Erfolg, der einem Wunder glich und wie ein Gottesurteil zugunsten des Kaisers erschien. Trotzdem beherrschte Friedrich sich so weit, dass er sich zwar die Krone in Jerusalem aufsetzte, aber einen Gottesdienst, weil er gebannt war, nicht abhalten ließ. Dass gleich darauf Gesandte des Papstes erschienen und in seinem Namen die heiligen Stätten mit dem Interdikt belegten, hob das Ansehen des Kaisers; denn während dieser den Christen des Heiligen Landes Frieden und Recht brachte, störte jener den Frieden und das Gebet. Die Tatsache, dass der Kaiser, der das Heilige Land gewann, vom Papst gebannt war, ließ nicht nur in Deutschland, sondern auch in einem Teil des Auslandes den Kaiser als einen Gläubigen, den Papst als einen Friedensbrecher erscheinen.
Dass Friedrich eine so maßvolle Haltung bewahrte, war Verdienst des Deutschordensmeisters Hermann von Salza, dem daran lag, die beiden Häupter der Christenheit in ein gutes Verhältnis zu bringen. Auf seinen Rat hörte der Kaiser wie sonst auf wenig Menschen, weil er ihn achtete und fühlte, dass er immer das jeweils Beste wollte. Von dem nicht größten, aber interessantesten aller Kaiser ist wie vom Zebra schwer zu sagen, welches die Grundfarbe seines Charakters war. Er war nicht, wie sein Großvater Friedrich Barbarossa, der allem und allen gegenüber unerschütterlich der gleiche war, aus Heiterkeit und Zorn immer wieder in das Gleichgewicht ruhigen Ernstes übergehend. Friedrich II. liebte es, mit den Dingen zu spielen, es gab nichts, was seine italienische Skepsis nicht benagte; aber er selbst wollte sehr ernst genommen sein, und das geheiligte Fundament, auf das er sich stellte, durfte nicht angetastet werden. Er erlaubte sich kecke Scherze über christliche Glaubenssätze, betonte aber zugleich seine Rechtgläubigkeit, verfolgte die Ketzer und führte die Sprache des bibelfesten Bekenners im witzigen Munde. Sein scharfer Verstand durchdrang Dinge und Menschen, durchschaute alle Falschheiten und sah hinter hochtrabenden Ankündigungen die niedrigen Absichten; das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit und ließ ihn die Menschen verachten. Vor nichts hatte er Ehrfurcht außer vor seiner kaiserlichen Würde. Er ermahnte seinen Sohn Konrad, eifrig zu studieren, damit er tüchtig und weise werde. Denn die Könige, schrieb er ihm, werden geboren wie die übrigen Menschen und sterben auch wie sie. Sie hörten auf, Könige zu sein, wenn sie die königliche Weisheit vergäßen und sich von Privatinteressen beherrschen ließen. Dann aber sprach er von dem edlen Blut der Fürsten, dem ein feiner und edler Geist eingegossen sei, und er pflegte vom Blut der Staufer als vom Reichsgeblüt oder dem Blut der Göttlichen zu sprechen. Solche Ausführungen waren zuweilen ein Redeprunk, den er für angemessen hielt und über den er in manchen Augenblicken vielleicht lachte, da er wirklich überzeugt war, dass Könige Menschen wären wie alle Menschen; zugleich aber fühlte er sich hoch über allen Menschen sowohl durch seine Abkunft wie durch seine Begabung und Persönlichkeit. Er hatte zu seinem kühlen Verstande und nüchternen Scharfblick die Vehemenz des Genies und das schmerzlich selige Selbstbewusstsein des Letzten einer bedeutenden Familie. Auch seine äußerliche Erscheinung war nicht einfach: man rühmte sein schönes Gesicht und sein königliches Auftreten, aber seine Kurzsichtigkeit und früh eintretende Kahlköpfigkeit veranlassten einen Araber zu der Bemerkung, als Sklave würde er nicht viel gegolten haben. Da er das Schillernde seines Wesens und das Vielfachgeschliffene seines Geistes empfand, liebte er die schlichten, festgegründeten, einfachen Menschen wie Hermann von Salza und Landgraf Ludwig den Heiligen von Thüringen; diesen hatte er durch Hermanns Vermittlung kennengelernt. Auch darin war er italienisch, dass ihm Freundschaft der Männer mehr galt als Liebe der Frauen. Er war viermal verheiratet und hatte Liebesverhältnisse mit mehreren Frauen, ohne dass eine jemals Einfluss auf ihn gehabt zu haben scheint. Die Söhne, die aus den flüchtigen Verbindungen hervorgingen, liebte er mehr als die rechtmäßigen. Auch die Nahestehenden sah er zuweilen mit den Schlangenaugen an, die seine Feinde ihm zuschrieben, voll böser Kälte, und doch konnte er rückhaltlos vertrauen und warmherzige edle Männer an sich fesseln.