Hermann von Salza verstand den schwer zu durchdringenden italienisierten Staufer in seiner Größe und wusste ihn anderen verständlich zu machen. Ihm hauptsächlich mag es zu verdanken gewesen sein, dass eine Versöhnung zwischen Papst und Kaiser stattfand und dass diese vorläufige Klammer eine Zeit lang hielt. Die Ordnung seines sizilianischen Staates und ein Aufenthalt in Deutschland beschäftigten den Kaiser; sowie er aber mit einem auserlesenen, hauptsächlich aus Süddeutschen bestehenden Heere zurückkehrte, um die Lombardei zu unterwerfen, brach Gregor aus der mühsam bewahrten Zurückhaltung vor. Die Argumente, deren er sich bediente, waren die eines Papstes, aber sein Hass war der eines Königs von Rom und Italien. Friedrich solle nicht die Lombarden bekämpfen, sagte er, sondern die Sarazenen, mit denen aber verkehre er in Freundschaft, einer schnöden, verwerflichen für einen christlichen Kaiser. Solle er Italien, sein Erbland, verlieren, rechtfertigte sich Friedrich, um das entfernte Land der Sarazenen zu erobern? Wäre er, ein einzelner Mensch, imstande, die mächtigen Sarazenen zu besiegen? Gerade darum wolle er Italien unterwerfen, das reich an Waffen, Pferden und allen erdenklichen Schätzen sei, weil er diese Schätze zum Kampfe gegen die Ungläubigen verwenden wolle. Als dann Friedrich seine natürliche Tochter Selvaggia dem Ezzelino von Romano zur Frau gab und damit einen treuergebenen Anhänger in der Lombardei gewann, seinen Sohn Enzio mit der Erbin von Sardinien verheiratete, über das der Papst Lehensrechte zu haben behauptete, als er endlich den entscheidenden Sieg bei Cortenuova über die Mailänder erfocht, schleuderte der Alte in wütender Verzweiflung alle Waffen gegen den triumphierenden Feind, die ihm zur Hand waren. In der Bulle Aszendit de mare, Aus dem Meer steigt ein Tier, goss er über ihn aus, was der Hass ihm eingab und was sich ihm an Verleumdung und Klatsch darbot. Friedrich spiegele der Welt vor, er habe das Heilige Land befreit; in Wirklichkeit habe der Sultan nichts als die Mauern Jerusalems ihm abgetreten. Er verfolge die Christen, nicht die Sarazenen. Er habe gesagt, die Welt habe sich durch drei Betrüger täuschen lassen: Jesus, Moses und Mohammed, zwei von ihnen seien auf der Höhe ihres Ruhmes gestorben, der dritte, Jesus, sei am Galgen aufgehängt worden. Er leugne, dass Gott von einer Jungfrau geboren sei, er behaupte, dass die Menschen nichts zu glauben brauchten, was nicht durch die natürliche Vernunft bewiesen werden könne. Er sei ein Ketzer, das Tier der Apokalypse, der Vorläufer des Antichrist; er sei es und höre es gern, wenn man ihn so nenne.
An einem Tage des Jahres 1239, während Friedrich in Padova, wo er mit einem Elefanten, fünf Leoparden und 24 Kamelen im Kloster Santa Giustina abgestiegen war, auf der Stadtwiese den Spielen zusah, die dort jährlich abgehalten wurden, exkommunizierte ihn der Papst von Neuem. Das traf ihn tief; wie wenig er auch sein Seelenheil dadurch gefährdet glauben mochte, so wenig unterschätzte er doch die Folgen des Bannes durch das Vorurteil der Menschen. Nicht nur, dass seine Feinde sich seiner bedienen konnten, auch unter seinen Anhängern erregte er Unsicherheit. Im Banne war er nicht mehr der Unantastbare, der heilige Kaiser; er war gebrandmarkt, ob zu Recht oder Unrecht. Zunächst allerdings wurde die Stellung des Kaisers nicht erschüttert. Frankreich, das Gregor mit der Kaiserkrone lockte, die er dem französischen König zuzuwenden versprach, lehnte vorsichtig ab. Wie komme der Papst dazu, wurde ihm geantwortet, einen so großen Fürsten vom Throne zu stoßen, ohne dass er der ihm vorgeworfenen Verbrechen überführt sei? Das könne nur ein Konzil tun. Würde der Papst mit französischer Hilfe den Kaiser entthronen, würde er alle Fürsten der Welt mit Füßen treten, stolz geworden, weil er den großen Friedrich zerschmettert habe. Ebensowenig ließen sich die deutschen Fürsten zum Abfall bewegen, sie drangen viel mehr in den Papst, der Zwietracht ein Ende zu machen, die das Reich mit Aufruhr und Mord erfülle. Die Volksstimmung in Deutschland war vollends ganz und gar kaiserlich. »Römische Sendlinge und ihr Gebot – Ist jetzt Pfaffen- und Laienspott«, sang der Dichter Freidank. In Schwäbisch-Hall traten Ketzer auf, die behaupteten, der Papst, die Bischöfe und Prälaten wären Ketzer, Kaiser Friedrich und sein Sohn Konrad wären vollkommen und gerecht. Auch kriegerisch hatte Friedrich Erfolge. Er drang siegreich im Kirchenstaate vor, und Gregor geriet in Gefahr, sein Gefangener zu werden. Er erbot sich zum Frieden unter der Bedingung, dass die lombardischen Städte einbezogen würden, was Friedrich ablehnte.
Ungefähr zur selben Zeit, als Gregor den Bann über den Kaiser verhängte, starb Hermann von Salza, der als sein guter Genius begütigend und vermittelnd neben ihm hergegangen war. Ein grausamer Zug tritt seitdem mehr und mehr in Friedrichs Wesen hervor. Wer sich ihm widersetzte oder ihm zu widerstreben schien, wurde ohne Nachsicht, hohnvoll, dem Untergang geweiht. Die Dominikaner und Franziskaner, die dem Papst anhingen, wurden aus dem Königreich Sizilien vertrieben. Als die Belagerung von Faenza, einer päpstlichen Stadt, sich lange hinzog, ließ der Kaiser siebzig Bürger, die aufgegriffen waren, aufhängen. Ebenso einen Sohn des Dogen von Venedig, weil er mit den Venetianern im Streit war und sie ihn geschädigt hatten. Die Gesandten, die zu Schiff nach Rom reisten, um einem Konzil beizuwohnen, das der Papst berufen hatte, nahm Friedrichs Sohn Enzio nach einer siegreichen Seeschlacht gefangen. Nicht nur, dass der Erzbischof von Besançon dabei ertrank, es starben noch mehrere während der langen Gefangenschaft, in der Friedrich sie hielt. Dies Verfahren gegen hohe Geistliche verschiedener Länder wirkte verstimmend. Der Kaiser aber drang unaufhaltsam gegen Rom vor, immer enger zog er die Schlinge um den geängsteten Gregor; da entriss der Tod den alten Mann seinem Feinde und bewahrte die Welt vor dem Zusammenstoß der rasenden Gestirne.
In Gregors Nachfolger, dem Genuesen Innocenz IV., hoffte Friedrich einem ihm wohlgesinnten Manne zu begegnen; aber der Papst führte die kaiserfeindliche Politik Gregors, womöglich schärfer, unerbittlicher fort. Verkleidet floh er nach Rom, versammelte dort ein Konzil und entthronte und verfluchte Friedrich in Gegenwart von dessen Kanzler Thaddaeus von Suessa, der vergeblich seinen Herrn zu verteidigen versuchte. In Deutschland erklärten sich die Erzbischöfe von Mainz und Köln für den Papst; sie setzten die Wahl des Landgrafen Heinrich von Thüringen durch und nach dessen Tode des Grafen Wilhelm von Holland. Beide bekämpften Konrad als König von Deutschland mit wechselndem Glück, keiner konnte es zu durchschlagendem Erfolge bringen. Friedrich überlebte die endgültige Spaltung um fünf Jahre, zwar nicht besiegt, aber tief erschüttert. Die Untreue seines Kanzlers Petrus von Vinea, den er viele Jahre hindurch als unentbehrliche Stütze betrachtet hatte, die Gefangennahme des fröhlichen Enzio, seines Sohnes, dessen kriegerische Schneidigkeit sich so oft bewährt hatte und den auszulösen ihm nicht gelang, mussten ihm als Vorzeichen des Zusammenbruchs erscheinen. Aber welchen Schmerz und welche Bitterkeit er auch empfand, der Welt zeigte er immer die Heiterkeit, die als Merkmal des Königtums galt, wie es die Art der Sonne ist, zu strahlen. In sein Testament versiegelte er die Rache, damit nicht sein Tod seinen Feinden zugute käme. »Wir wünschen und befehlen, dass keiner der Verräter am sizilischen Reich jemals in dasselbe zurückzukehren und niemand aus ihrem Geschlecht in deren Rechte und Besitzungen einzutreten wage, unsere Erben seien vielmehr gehalten, an ihnen Rache zu nehmen.« Der Kirche, bestimmte er, sollten alle ihre Rechte zurückerstattet werden, jedoch ohne Schädigung des Reiches und der Ehre des Kaisertums und seiner Erben, und wenn die Kirche ihrerseits die Rechte des Kaisertums zurückerstatte. Ebenso treu ihrem Hass waren die Päpste. Friedrichs Sohn Konrad versuchte vergeblich zu einer Verständigung mit ihnen zu kommen, nicht nur Innocenz, sondern auch seine Nachfolger erklärten, dass sie keinen Sprossen des verfluchten Geschlechts der Hohenstaufer auf dem Thron der Könige und Kaiser dulden würden. Innocenz tat sofort nach Friedrichs Tod Schritte, um sich in den Besitz Siziliens zu setzen, starb aber, ohne etwas erreicht zu haben. Im selben Jahre folgte ihm Konrad im Tode nach. Manfred, Friedrichs Liebling, der sternenäugige Sohn der Bianca Lancia, der alle die glänzenden Eigenschaften des Vaters geerbt zu haben schien, schön, mutig, dichterisch begabt, hochgebildet war, verteidigte das Königreich mit Glück. Trotz seines überwiegend italienischen Ursprungs schmückte ihn die Blondheit der Staufer. An seinem Hofe sammelte sich alles, was der Süden Italiens an hoher Bildung und fremdartigem Reiz hervorbrachte. Er trug, so glaubte man, einen Zauberring, mit dem er Dämonen beschwören konnte und der später in den Besitz der Päpste gelangt sein soll. Ohne Erfolg für die Päpste zog sich der Krieg um Sizilien hin, bis Clemens IV. den Bruder des Königs von Frankreich, Karl von Anjou, ihn zu führen bewog. Manfred fiel in der unglücklichen Schlacht bei Benevent; zwei Jahre später wurde Konradin, der sechzehnjährige Sohn König Konrads und der Elisabeth von Bayern, in der Schlacht bei Tagliacozza besiegt und in Neapel hingerichtet. Es war im Jahre 1268. Die Schande, mit der dies unerhörte Verfahren den Namen Karl von Anjou unvertilgbar befleckte, war die einzige Strafe, mit der das Schicksal den Henker des jungen Königs zeichnete. Das unkönigliche und unritterliche Wüten gegen den Hochgeborenen und seine Getreuen erregte Widerwillen nicht nur bei den Ghibellinen Italiens und Sympathie für den Jüngling, der mit Anmut und dem Anstand eines Königs zu sterben wusste. Es wird erzählt, dass Konradin, nachdem seine Witwe gewordene Mutter sich mit dem Grafen Meinhard von Tirol vermählt hatte, sich nicht mehr vor ihr erhob, wie er früher getan hatte, und das damit begründete, dass sie ihr erlauchtes Geschlecht durch die Heirat mit einem weit unter ihr Stehenden verleugnet habe; er als König und Sohn des Kaisers werde ihr nun nicht mehr die Ehre erweisen, die der römischen Kaiserin gebührt habe. Der Fluch der Kirche und der Abfall des Glückes beugten den Stolz des Hohenstaufenblutes nicht. Wie gering auch die Aussicht war, den Kampf zu gewinnen, in dem sein mächtiger Großvater, sein Vater und sein Oheim gescheitert waren, er wusste, dass seine Ehre forderte, ihn aufzunehmen und seinen Vorfahren, wenn nicht an Glück und Ruhm, so doch an hohem Sinn zu gleichen, und starb königlich. Jahrzehnte später zeichnete ein Mönch von Winterthur eine erstaunliche Nachricht auf, die ihm mitgeteilt worden war: als König Konradins Haupt gefallen sei, habe sich ein Adler mit raschem Fluge vom Himmel herabgestürzt, habe seinen rechten Flügel durch das Königsblut gezogen und sei so, mit blutiger Schwinge, aufgestiegen und in den Wolken verschwunden. So ließ der Volksglaube das Herrengeschlecht in die göttliche Heimat zurückkehren.
Weithin leuchtend wie die Mittagshöhe des Reichs und der Staufer war ihr Untergang. Heinrich, Friedrichs Erstgeborener, wurde von seinem Vater zum römischen König und Regenten von Deutschland bestimmt, eine Belastung, für die er nicht nur zu jung, sondern auch, wie es scheint, zu leichtherzig, zu wenig klug und zu wenig charaktervoll war. Er erzürnte seinen Vater dadurch, dass er sich von der ungeliebten Margarete von Österreich scheiden wollte, um Agnes von Böhmen zu heiraten, und er verdarb es mit den Fürsten, weil er die Städte begünstigte. Friedrich verfuhr gegen ihn mit mehr als Härte, mit einer Grausamkeit, die den Sohn zum Äußersten trieb; er knebelte ihn so mit Vorschriften und Bedingungen, dass er den Königsnamen fast zum Hohne trug. Als der Ratlose sich mit den lombardischen Städten verbündete, bat Friedrich selbst den Papst, seinen Sohn zu exkommunizieren. Er lag erst in Heidelberg gefangen und wurde dann nach Apulien gebracht. Die Gelegenheit wahrnehmend, als er aus einem Kerker in einen anderen geführt werden sollte, riss er sich unterwegs von seinen Begleitern los und stürzte sich mit seinem Pferd in den Abgrund. Er war noch nicht dreißig Jahre alt. Friedrich ließ ihn in ein mit Gold und Silber gesticktes Gewand kleiden, worin Adlerfittiche eingewebt waren, und in einem marmornen Sarkophage in der Kirche von Cosenza beisetzen.
Enzio, der Sohn einer adligen Deutschen, der, wie man sagte, dem Vater am meisten ähnlich sah, soll versucht haben, in einem Fasse verborgen der bolognesischen Gefangenschaft zu entfliehen, aber durch eine seiner goldenen Locken verraten worden sein. Lange erheiterten ihm Liebe und Freundschaft und die eigene Liebenswürdigkeit die Öde der Gefangenschaft; aber im Lauf der Jahre verstummten sein Gesang und seine Gedichte. Er starb im Jahre 1272, überlebte also Konradins Tod um vier Jahre. Friedrichs Tochter Margarete, die den Wettiner Albrecht von Meißen geheiratet hatte, musste einer Geliebten ihres Mannes weichen und starb bald darauf in einem Kloster in Frankfurt am Main. Die Sage erzählt, sie habe, als sie bei Nacht flüchtend ihre Kinder habe verlassen müssen, ihren kleinen Sohn Friedrich vor Schmerz in die Wange gebissen. Er trug später den Beinamen »mit der gebissenen Wange« oder der Freidige. Er betrachtete sich als den Erben Siziliens, ohne den Anspruch jemals verfechten zu können. In der Art, wie er inmitten der größten Widerwärtigkeiten immer heiter blieb, sogar zu scherzen liebte, zeigte er die Eigenart der staufischen Ahnen. Sein Sohn, Friedrich der Lahme, ein lieblicher Jüngling, wurde in der Nähe von Leipzig ermordet. Beatrix, die junge Tochter des ermordeten Königs Philipp, starb, war es Zufall oder dunkler Zusammenhang, kurz nachdem sie die Frau Ottos, des Nachfolgers ihres Vaters geworden war. Mit Geierblicken spähte das Geschick nach jedem gezeichneten blonden Haupte, wo immer es sich verbarg.
Wenn das Gerücht umging, Konrad, der Sohn der Kaiserin Isabella, sei von seinem Halbbruder Manfred vergiftet, und wiederum, Konrad habe Heinrich, den Sohn der Konstanze von Aragon, Friedrichs erster Frau, umbringen lassen, so sieht man, dass seit Heinrich VI. ein düsterer, fast diabolischer Zug sich in das Antlitz der Dynastie eingegraben hatte. Im Gedächtnis der Deutschen erhielt sich davon nichts. Sie verehrten in ihnen die Imperatoren, die den hohen Gedanken des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation glorreich verkörperten. Ihr Dasein empfindet man zwischen den Trümmern des Palastes von Gelnhausen, wenn man unter den gebrochenen Bogen des festlichen Saales über die wuchernden Gebüsche der Weiden und Schwarzpappeln hinweg zur Marienkirche hinübersieht, wenn man auf den gestürzten Kapitellen die edlen Linien der staufischen Adler erkennt, wenn man in den Gassen der kleinen, ärmlichen Stadt den schneidenden Atem des Schicksals spürt. Oder man fühlt es beim Hohenstaufen, wo Graf Friedrich von Büren, nachdem er Schwiegersohn Heinrichs IV. geworden war, die Burg erbaute, nach der sich künftig seine Familie nannte. Von dieser Burg, wo die unglückliche Irene, des ermordeten Königs Philipp junge Witwe, nachdem sie ein Kind geboren hatte, mit diesem starb, ist nichts übriggeblieben; der Wind streicht über Gras und Steine. Aber diesen niedrigen Hügel, an dessen Fuße Schafe weiden, umzieht ein geisterhafter Saum, türmt die Erinnerung hoch zu einem heroischen Mal. Nichts hat sich verwirklicht, was die großen Träumer wollten, die von hier ausgingen; aber sie selbst wurden unsterblich an ihren vergeblichen Taten.
Als König Hettel von Hegelingen die Kunde von der schönen Hilde vernahm, deren Vater, der König von Irland, alle, die um sie warben, töten ließ, bemächtigte sich seiner der Wunsch, die verbotene Frucht zu besitzen; und er versammelte seine Vasallen und Freunde, um mit ihnen zu beraten, auf welche Weise er sie gewinnen könne. Da schlug Herr Frute von Dänemark vor, sie wollten Schiffe mit Waren beladen und als Kaufleute verkleidet nach Irland fahren, damit der wilde Hagen sie ohne Arg empfange und sie Gelegenheit hätten, die Königstochter zu sehen und vielleicht zu entführen. Der Plan wird ins Werk gesetzt, sie erreichen die Königsburg, werden freundlich aufgenommen, richten am Strande Buden auf, in denen sie kostbare Waren auslegen, schleichen sich in die Gunst der königlichen Familie ein, und nachdem der Däne Horand durch sein Singen das Herz der schönen Hilde bezaubert und die Einwilligung ihrer Mutter gewonnen hat, bitten sie um Urlaub und fahren mit dem Mädchen davon. In dem Volksmärchen vom treuen Johannes wird ein ähnlicher Vorgang erzählt: ein junger König verliebt sich in das Bild der Königstochter vom Goldenen Dache, und um sie zu erlangen, die augenscheinlich ebenso wie jene Hilde von einem gewalttätigen Vater behütet wird, verkleiden sich der König und sein alter Diener als Kaufleute und befrachten ein Schiff mit goldenen Gegenständen, die zu diesem Zweck kunstfertig hergestellt worden sind. Der Anblick der zierlichen Dinge verleitet die Königstochter, das Schiff zu besteigen, worauf die Anker gelichtet werden und der König die Entführte gewinnen kann.
In beiden Fällen wird darauf gerechnet, dass der Kaufmann ein gern gesehener, ein ersehnter Gast ist. In der Königsburg auf Irland werden die vermeintlichen Kaufleute vom Stadtrichter und den Bürgern freudig empfangen, und das Geleit, um das sie bitten, wird bereitwillig vom König erteilt. Man hat den Eindruck, dass sie nicht nur wegen der Waren, die sie führen, sondern auch als Bringer von Neuigkeiten willkommen sind. Allerdings sagt der alte Wate, ein ganz und gar auf Kampf eingestellter Recke, stolz ablehnend, er sei kein Handelsmann, wenn er Gut gewinne, pflege er es mit seinen Helden zu teilen, und die Herren halten auch darauf, mehr zu verschenken als zu verkaufen; immerhin aber halten sie sich nicht zu gut, um bürgerliches Kaufmannskleid anzulegen und als Kaufleute aufzutreten, und als solche werden sie auch vom König Hagen freundlich aufgenommen und zu Gaste geladen. Ihr großartiges Auftreten, ihre ritterlichen Künste fallen zwar auf, aber an Betrug wird nicht gedacht; es erscheint als möglich, dass Kaufleute zugleich Landbesitzer sind, viele Knechte haben, mit den Waffen umgehen können und mit Adligen wie mit ihresgleichen verkehren. Der gute Gerhard von Köln, eine legendäre Figur des Hochmittelalters, ein Kaufherr, der mit seinem Schatz an Waren gefangene Christen eingelöst und deshalb den Beinamen des Guten bekommen hat, erscheint als des Erzbischofs Freund und wird vom englischen Adel, der ihm zu Dank verpflichtet ist, zum König von England gewählt; er lehnt großmütig ab. Zum Geistlichen, zum Dynasten, Ritter und Bauern, dem Personal des frühen Mittelalters, tritt der Kaufmann als ein neues, fremdartiges Element, das vereint mit dem Handwerker eine neue, die bürgerliche Kultur begründet.
Die ältesten Städte Deutschlands waren die Römerstädte am Rhein und an der Donau, Köln, Mainz, Basel, Straßburg, Regensburg und andere. In manchen von ihnen gab es noch bedeutende römische Bauten, wie zum Beispiel in Trier, das kaiserliche Residenz gewesen war; allmählich aber verfielen sie, besonders wenn Normannen oder Ungarn zerstörend einbrachen, dann auch, weil sie als Steinbrüche beim Herstellen neuer Gebäude benützt wurden. Dass in die Städte königliche Pfalzen und Bischofssitze gelegt wurden, gab ihnen eine neue Bedeutung und Blüte. Das eigentliche Wesen der Stadt jedoch, ihren eigentümlichen Charakter im Gegensatz zum Lande, was sie zu Stätten des Friedens, des Rechtes und der Freiheit, zu selbstständigen, hochwichtigen Gliedern des Reiches machte, das war der Markt, die Niederlassung von Kaufleuten und Gewerbetreibenden. Man sieht das bei den Gründungen neuer Städte, die seit dem 12. Jahrhundert von vielen Fürsten vorgenommen wurden, und die darin bestanden, dass der betreffende Fürst eine Anzahl von Kaufleuten zur Ansiedelung veranlasste, indem er ihnen Vorteile in Aussicht stellte.
Sicherlich gab es immer da, wo Pfalzen oder Bischofssitze waren, Händler; denn die zahlreichen Personen, die mit einer Hofhaltung verbunden waren, hatten Bedürfnisse an Lebensmitteln und anderen Dingen, die nicht nur durch bäuerliche und handwerkliche Hörige befriedigt werden konnten. Im Orient, der Wiege uralter Kulturen, dem Schoß märchenhafter Schätze, gab es edle Produkte und Erzeugnisse höchst verfeinerter Industrien, die aus China, Persien, Kleinasien, Indien erst in Byzanz, dann auch an den arabischen Handelsplätzen Bagdad, Damaskus, Basra, Trapezunt und Samarkand zusammenströmten. Aus China und Byzanz kamen Seide und andere kostbare Gewebe, namentlich Purpurstoffe, die im Westen zur Bekleidung und zu kirchlichen Gewändern und kirchlichem Schmuck dienten. Der Rubin von Ceylon, der Türkis und Lapislazuli von Persien, Smaragd und Saphir aus Ägypten, Beryll und Karneol und andere Halbedelsteine wurden im Westen von Männern und Frauen getragen und im Kunstgewerbe, namentlich an Reliquienbildern, verwendet. Edle Hölzer gebrauchte man beim Färben, zum Auftragen der Farben, um den Farben größere Leuchtkraft zu geben, wie auch zu feiner Schreinerarbeit, so das Aloeholz, das Brasil- und Sandelholz. Perlen kamen aus dem Indischen Ozean, Elfenbein aus Afrika und Indien. Die Kunst des Glasmachens, die von Juden betrieben wurde, brachten diese nach Venedig; aber das Glas aus dem Orient, namentlich das aus Damaskus, galt als das bessere. Moschus, Ambra und Weihrauch waren begehrte Wohlgerüche, den Balsam gebrauchte man zur Herstellung von Salböl und zum Erhalten der Leichen. Lange glaubte man, dass die Balsamsträucher, die nicht weit von Kairo am Rande der Wüste wuchsen, wo der Überlieferung nach Maria mit dem Kinde auf der Flucht nach Ägypten gerastet hatte, die einzigen auf der Welt wären. Pfeffer, Ingwer und Zimmet waren als Gewürze hochgeschätzt. Als Süßstoff verwendete man in Deutschland im Allgemeinen noch lange den Honig, während der Zucker, den die Kreuzfahrer in Kleinasien kennenlernten, weil er sehr teuer war, nur als Heilmittel bei Brustleiden in die Spitäler kam. Friedrich II. sorgte für Neubelebung der Kultur des Zuckerrohrs, das durch die Araber nach Sizilien verpflanzt war.
Die Völkerwanderung hatte den Handel in Deutschland nicht ganz beendigt: immer wanderten kluge und kühne Männer, allen Gefahren trotzend, vom Westen nach dem Osten, nach Norden und Süden, wo sie Waren eintauschen und absetzen konnten. Juden und Friesen erscheinen zuerst als Kaufleute. Von Byzanz aus ging der Strom des Handels eher nach Norden und Osten als nach dem Westen, Wikinger, Araber und Slawen waren Vermittler. Schleswig und das sagenberühmte Jumne an der Mündung der Ostsee waren Handelsplätze, die auch die Frankenreiche versorgten, in der Nähe von Elbing soll sich ein Handelsmittelpunkt der slawischen Preußen befunden haben, in Russland waren Kiew und Nowgorod Märkte. Im zehnten Jahrhundert tauchen in Deutschland die Namen von Kaufleuten auf, die sich augenscheinlich Reichtum und Ansehen erworben hatten. Als Otto I. mit dem byzantinischen Kaiser Konstantin Porphyrogenetos freundschaftliche Beziehungen anknüpfen wollte, wählte er zum Überbringer von Geschenken einen reichen Kaufmann Luitfred, der in Mainz wohnte. Zum Führer einer Gesandtschaft nach Spanien an den Kalifen Abderrahman III. bestimmte er einen Kaufmann von Verdun, namens Ermanhard, weil der in Spanien gut bekannt war, und ließ ihm später noch einen anderen folgen. Es scheint aber, dass von Deutschland aus nur vereinzelt ein unmittelbarer Verkehr mit Byzanz gepflegt wurde; regelmäßig bezogen die deutschen Kaufleute, nachdem Jumne und Schleswig verfallen waren, die Erzeugnisse des Orients aus Italien. Erst waren es Amalfi, Salerno, Neapel und Gaeta, die mit Byzanz handelten, später trat Venedig mit diesen Städten in Wettbewerb und erlangte die Vorherrschaft. Die deutschen Kaiser trugen Sorge, günstige Verträge mit der betriebsamen Meerstadt abzuschließen. Sie blieben mit der selbstständigen in besseren Beziehungen, als sie mit der abhängigen vielleicht hätten erhalten können. Durch die Lage an der Straße nach dem Süden kam Augsburg empor, durch die Lage an der Donau Regensburg; seit dem elften Jahrhundert waren die Verhältnisse in Ungarn geordnet genug, dass dieser Wasserweg benützt werden konnte. Vielerlei verband König und Kaufleute. Die Wege, die sie benützten, waren hauptsächlich die Ströme und Meere, aber auch Landwege, zunächst die alten Römerstraßen, denen sich in merowingischen und karolingischen Zeiten neue anschlossen. Die Notwendigkeit, auf Strömen und Straßen mehr Schutz zu finden, als die eigene Kraft und Waffengewandtheit sicherte, auf den Märkten mit ihren Waren zugelassen zu werden, wies sie an die Geneigtheit des Königs, dem die Straßen im Reich, Märkte, Zoll und Münze gehörten. Dem König flossen die verschiedenen Abgaben zu, die der Handel abwarf, die er allerdings in den meisten Fällen seinen kirchlichen und weltlichen Lehensleuten abtrat; aber er hatte trotzdem Interesse an der Zunahme des Verkehrs, der das Ansehen und den Reichtum der Länder hebt und der zunächst eine Angelegenheit des Friedens ist. Als Beschirmer des Friedens im Reich und in der Welt war er der natürliche Beschützer des Kaufmanns, dessen Tätigkeit auf den friedlichen Beziehungen der Völker untereinander beruhte. Weil der König sie in seinen besonderen Schutz nahm, wurden die Kaufleute im Ausland homines imperatoris, Leute des Kaisers, genannt. Es war üblich, dass der König einen neugegründeten Markt durch einen Kauf eröffnete, war er abwesend, tat es ein Stellvertreter, indem er einen Handschuh des Königs verkaufte. Ein Marktkreuz, das Bild eines bewaffneten Arms, einer bewaffneten Hand deuteten auf den königlichen Rechts- und Friedensschutz und auf die Bestrafung des Gesetzübertreters oder Friedensstörers. Verlieh der König, wie er häufig tat, Markt, Zoll und Münze an Bischöfe oder weltliche Dynasten, so blieb er doch der eigentliche Herr, der Ursprung des Rechtes, und an ihn wandte man sich im Falle der Benachteiligung. Die Nachfolger Ottos des Großen gründeten Märkte an den Plätzen, wo häufiger Aufenthalt ihrer Familie, Klostergründungen und Bischofssitze mehr oder weniger dörfliche Ansiedelungen hervorgerufen hatten; so entstanden Quedlinburg, Nordhausen, Halberstadt und namentlich Magdeburg. Außerdem erhoben sie durch Urkunden Märkte, die schon früher bestanden hatten, zu gesetzlichen, rechtmäßigen. Ein dörfliches Ansehen behielten zwar die Städte, auch die großen, noch lange; dennoch wehte eine andere Luft in der Stadt als auf dem Lande, eine Luft, die frei machte.
Träger des neuen Geistes, der in das bäuerliche Deutschland eindrang, waren hauptsächlich die Kaufleute, und das Mittel, durch das sie wirkten, war das Geld. Sie waren auf eine andere Art reich als die Herren von Grund und Boden, die sich mit Fleisch und Eiern von ihren Bauern, mit Gewand und Mantel von ihren Lehensherren mussten versehen lassen. Ihr Geld konnte man in die Tasche stecken und damit kaufen, was einem gefiel, Menschen und Dinge, Ansehen und Freiheit. Die altgermanische Anschauung, dass Freiheit und Bürgerrecht an den Besitz von Grund und Boden gebunden sei, wurde durch sie gelockert. Auch der, welcher nichts besaß, auch der Hörige konnte in der Stadt persönlich frei und durch seine Arbeit vielleicht wohlhabend werden. Zwar fühlte sich der Kaufmann, da er frei war, dem Hörigen oder aus der Hörigkeit hervorgegangenen Handwerker ständisch übergeordnet; aber er dachte doch nicht daran, ihn in persönliche Abhängigkeit herabzudrücken, er förderte ihn sogar, indem er die Idee des Stadtbürgertums als einer gleichberechtigten Einheit schuf. Verglichen mit dem Bauer, dem Krieger, dem Geistlichen war der Kaufmann vorurteilsfrei. In den fremden Ländern erlebte er die menschlichen Eigenschaften fremder, auch heidnischer Völker; er nahm zwar seinen Gott und sein Gebet überall mit; aber er hielt sich doch, wenn das gefordert wurde, bescheiden damit zurück und fand sich mit den fremden Göttern ab. Vielleicht liebte er die Heimat inbrünstiger als der, der sie nie verließ; aber er lernte die Vorzüge der Fremden kennen und lernte sich mit ihnen zu verständigen. Obwohl er in den Waffen geübt war, bedurfte er doch noch eines anderen Mutes als der Krieger, der mit dem Schwerte zu entscheiden gewohnt war: in mancher Lage half ihm nur die dreifache Macht des Geldes, des Wortes und der Persönlichkeit. Auch dem Besitz gegenüber, obwohl Geldgewinn sein Geschäft war, war er freier als andere, weil er raschen Wechsel ohne Schuld erfuhr. Er dachte und fühlte in weiteren Grenzen als die meisten seiner Zeitgenossen. Solche Eigenschaften machten den Kaufmann fähig, aus der Stadt einen freien, geordneten Staat zu machen. In gewissem Sinne war er die Stadt: er stand am Steuer, er gab die Richtung, er trug die Verantwortung.