Loe raamatut: «Die Kraft der Präsenz», lehekülg 4

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Wie das Ego Sie zu etwas „Besonderem“ macht

Wenn das Ego „am Drücker“ ist, besteht sein vorrangiger, selbst gewählter „Auftrag“ darin, ständig seine eigene Existenz zu bestätigen, und zwar immer wieder von Neuem. Es tut dies, indem es Sie davon überzeugt, dass Sie etwas Besonderes seien.

Für ein Kind ist es ganz normal, sich als etwas Besonderes zu fühlen. Kinder werden geliebt, umsorgt und man spielt mit ihnen – sie genießen nahezu permanente Aufmerksamkeit. Kinder fühlen sich unweigerlich als etwas Besonderes: entweder in einem positiven Sinne, aufgrund all der Liebe und Aufmerksamkeit, die sie bekommen, oder (traurigerweise) im negativen Sinne, weil sie nicht ausreichend versorgt werden und zu wenig positive Aufmerksamkeit erhalten.2

Wir übernehmen die Art, in der wir als Kind unser Gefühl der Besonderheit entwickelt haben, in unser Erwachsenenleben. Zwar ist das Gefühl, etwas Besonderes zu sein – speziell in Bezug darauf, wie wir uns von unseren Eltern gesehen und geliebt fühlen –, für die ersten Lebensjahre äußerst wichtig; es wird aber im späteren Leben eher zu einem Problem. In diesem Abschnitt verwende ich die Worte besonders und Besonderheit in einem spezifischen Sinne, nämlich um deutlich zu machen, wie das Ego ständig eine falsche Identität erzeugt, die in ein Gefühl offener oder verschleierter Selbstgefälligkeit mündet. Natürlich trifft es zu, dass wir alle einzigartig und in diesem Sinne auch besonders sind, doch ist dies nicht der Aspekt, den wir hier untersuchen möchten.

Wenn Sie mit einer Krankheit oder einem emotionalen Problem konfrontiert sind, gibt es viele Arten, wie Sie sich selbst unbewusst zu etwas Besonderem machen. So kann Ihr Leiden beispielsweise besonders „furchtbar“ sein, viel schwerer zu ertragen als das von anderen, oder es ist vielleicht zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt aufgetreten. Vielleicht sind Sie auch insofern etwas Besonderes, als Sie Ihr Leiden scheinbar mühelos bewältigen, ohne Angst oder Schwäche zu zeigen, und sich nie Ihren depressiven Gefühlen beugen … Sie selbst in der eigenen Wahrnehmung zu etwas Besonderem zu machen oder in der Art und Weise, wie Sie von anderen gesehen zu werden glauben, das ist der Hauptzweck und die Haupttätigkeit des Ego. Wenn Sie sich das klar machen, haben Sie bereits einen entscheidenden Schritt getan, um sich von seinem begrenzenden Einfluss zu befreien.

Die Herausbildung des Ego ist ein wichtiger Schritt in unserer Entwicklung. Bevor wir als bewusste Wesen erwachen können, müssen wir zunächst einen Standort schaffen, von dem aus wir bewusst werden können. Das ist das Ego, das Ich-Erleben. Diese Art von Bewusstsein ist allerdings sehr begrenzt und verursacht übermäßiges Leiden, weil sein Blickwinkel uns die Erfahrung der Trennung vermittelt.

Das Ego glaubt, das Ich sei etwas ganz anderes als alles andere. Es glaubt an das „mein“: mein (getrennter) Körper, meine Gefühle, meine Ansichten, mein Gebiet, mein Besitz. Es fühlt sich von allem bedroht, was seinem eigenen idealisierten Selbstbild widerspricht, ebenso wie von allen Gefühlen, die es sich nicht erklären kann. Und es empfindet Krankheit und den Verlust von Wohlstand als Bedrohung. Kurzum: Wenn das Ego sich mit etwas identifiziert und daran anhaftet, fühlt es sich bedroht, sobald dieses Etwas infrage gestellt ist.

Zu einem späteren Zeitpunkt der bewussten Entwicklung können Sie die Illusion der Getrenntheit überwinden und wach werden für eine tiefere Verbindung zum Leben. Es ist eine Erweiterung der Erfahrung, die Sie schon oft im Leben hatten, wenn Sie ganz präsent bei dem waren, was Sie taten, und es keinen Handelnden gab, nur ein Gefühl des Seins.

Weil es keine Möglichkeit gibt zu charakterisieren, wer Sie als bewusstes Wesen sind, muss Ihr Ego einen Weg finden, Sie an Ihre eigene Getrenntheit glauben zu lassen. Das Ego kann nicht neutral sein; es kann weder Sie noch den gegenwärtigen Moment so sehen, wie sie tatsächlich sind – denn das wäre reines Gewahrsein. Also muss das Ego Sie auf die eine oder andere Weise aus der Masse herausragen und zu etwas Besonderem werden lassen. Dies tut es auf zweierlei Art: Es erzählt Ihnen Geschichten über Sie selbst, die Sie entweder zu mehr oder zu weniger machen, als Sie wirklich sind.

Wenn die Geschichten des Ego Sie „kleinmachen“, dann bezeichne ich dies als „depressive Besonderheit“ oder Depressivität [engl.: depressive specialness], im Unterschied zur „großartigen Besonderheit“ oder Grandiosität [engl.: grandiose specialness], die entsteht, wenn das Ego Ihnen ein Gefühl der Überlegenheit vermittelt.

Vielleicht neigen Sie jetzt zu der Annahme, dass ein Überlegenheitsgefühl die bessere oder wünschenswertere Form der Besonderheit sei. In Wahrheit jedoch unterbindet das Gefühl der Überlegenheit wirkliche Nähe zu anderen, fördert Verdrängung und führt in vielerlei Hinsicht zu mangelndem Urteilsvermögen. Der Glaube, Sie seien weniger wert als andere, bewirkt im Grunde genommen das Gleiche, nur auf andere Weise. In keinem Fall hilft aber das Vorhaben des Ego, Sie zu etwas Besonderem zu machen, Ihnen dabei, gesund und heil zu werden.

Worum es dem Ego geht

Sie von Ihrer Besonderheit zu überzeugen – darin besteht das geheime Spiel des Ego und es kann von diesem Spiel gar nicht genug bekommen. In dem einen Moment sind Sie die oder der Beste, im nächsten Moment sind Sie nichts wert. In der einen Situation glauben Sie, Sie wüssten es am besten, in der nächsten unterwerfen Sie sich wehrlos den Vorstellungen anderer. Ob Sie in depressive oder großartige Besonderheit verfallen, hängt vom Kontext ab. Vielleicht neigen Sie in Ihrer Ehe zur Grandiosität und dominieren oder tyrannisieren Ihren Partner. Doch kaum sind Sie bei der Arbeit, schlägt dies in depressive Besonderheit um: Sie buckeln vor Ihrem Vorgesetzten und fühlen sich als Opfer.

Das Ego ist nicht etwa eine schlechte Sache – genau genommen ist es gar keine Sache. Es ist einfach ein sich ständig neu bildendes Verstandeskonstrukt, das auf der unbewussten Identifikation mit den Geschichten basiert, die Sie sich selbst (in lediglich leicht abgewandelter Form) seit Ihrer Kindheit erzählt haben. Natürlich ist jeder von uns einzigartig und insofern auch etwas Besonderes. In diesem Kontext beziehe ich mich allerdings auf die Besonderheit, die das Ego Ihnen aufdrückt. Es geht um die emotionale Ausprägung Ihres Gefühls der Getrenntheit, egal, ob Sie sich besser oder schlechter als andere fühlen. Beide Pole haben einen starken Einfluss darauf, wie Sie sich sehen und wie Sie auf Menschen und Situationen reagieren. Wenn Sie sich überlegen fühlen, neigen Sie zu Wut und Ungeduld, im umgekehrten Fall zu Konformität und Verschlossenheit.

Das Problem ist, dass wir dieses Bedürfnis, etwas Besonderes zu sein, nur selten durchschauen und ihm kaum entgehen können. Stattdessen verbringen wir unser gesamtes Leben damit, uns wichtig oder unwichtig, glücklich oder unglücklich (und in jedem Fall irgendwie besonders) zu fühlen – verleitet von nahezu jedem unserer Gedanken. Wir identifizieren uns unbewusst mit unseren Gedanken darüber, wer wir sind (oder nicht sind), und wir werden zu dem, was sie uns einflüstern.

Wenn es um Heilung geht, hat Ihr Ego – gelinde gesagt – nicht immer Ihr Bestes im Sinn. Es ist ihm ziemlich gleichgültig, ob Sie gesund werden oder inneren Frieden verspüren. Wichtig ist ihm allein, dass Sie sich auf irgendeine Weise besonders fühlen. So erzählt es Ihnen vielleicht, dass Sie es alleine schafften und niemand anderen bräuchten oder dass Sie besondere Aufmerksamkeit und die besten Ärzte verdient hätten oder dass Sie eine Kämpfernatur seien und allen Widrigkeiten zum Trotz siegen würden. Es wird Ihnen alles erzählen, was nötig ist, um Ihr Gefühl der Überlegenheit und Selbstgefälligkeit zu stärken. Wenn Ihr Ego es nicht schafft, Ihnen Geschichten über Ihre Überlegenheit zu verkaufen, dann sucht es eben nach solchen, die Ihnen ein Minderwertigkeitsgefühl vermitteln. Es lenkt Ihre Gedanken auf Geschichten, in denen Sie sich schwach und wertlos fühlen – eine Last und Bürde für andere, ein Versager, unattraktiv, unfähig, dumm …

Dem Ego ist es ziemlich egal, dass diese Eigenbewertungen zur Folge haben, dass Sie tatsächlich entweder selbstgefällig werden oder unglücklich. Es ist ihm egal, dass die meisten seiner Geschichten harte und extreme Urteile beinhalten. Das Einzige, was ihm wirklich etwas bedeutet, ist sein eigenes Weiterbestehen, und dazu müssen Sie glauben, dass Sie eine überlegene oder minderwertige Person seien.

Es geht dem Ego um Identität – nicht um Gewahrsein oder darum, wer Sie wirklich sind. Und ob Sie nun unglücklich und beschämt oder stolz und selbstgefällig sind: Jede Identität ist auf ihre Art etwas Besonderes. Das Ego kann nicht zulassen, dass Sie vollkommen präsent werden, weil es in dem Moment, in dem dies eintritt, in den Hintergrund gerät und es nur noch reines Sein oder Gewahrsein gibt. Und das versetzt Ihr Ego sozusagen in Todesangst, weil es sein Verhältnis zum Gewahrsein noch nicht verstanden hat.

Unsere „Standardeinstellungen“

Wir alle haben in Bezug auf unsere Besonderheit eine Art „Standardeinstellung“, das heißt, eine Tendenz, die meiste Zeit über entweder in der Vorstellung einer depressiven oder in der Vorstellung einer großartigen Besonderheit zu verharren:

1. Derjenige Teil der Menschen, dessen „Sollwert“ eher in Richtung Überlegenheit geht und dessen Mitglieder manchmal als „Persönlichkeitstyp A“ bezeichnet werden, verfügt scheinbar über Stärke und Macht. Aber die Körper dieser Menschen sind offensichtlich nicht sehr glücklich, denn bei Mitgliedern dieser Gruppe treten statistisch gesehen häufiger Herzkrankheiten auf. Diese Menschen reiben sich auf, um ihre Überlegenheit immer wieder neu unter Beweis zu stellen. Sie können ihr Tempo nicht drosseln und wissen nicht, wie man zur Ruhe kommt. Sie sind stets in Aktion und brauchen das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Das Ziel, auf das sie vermeintlich zusteuern, entspricht in der Regel dem Idealbild des Erfolgs in Form von Macht und Reichtum. Dennoch ist dieses Ziel unwichtiger für sie als das, wovor sie unbewusst flüchten und was die andere Seite der Medaille darstellt: Minderwertigkeit. Der „Schatten“ des Menschen, der sich überlegen fühlt, ist sein verdecktes Minderwertigkeitsgefühl. Um dieses Gefühl zu vermeiden, treibt er sich gnadenlos voran; das führt häufig zu Burn-out oder anderen Erkrankungen.

2. Menschen, deren „Standardeinstellung“ eher in Richtung des depressiven Pols tendiert, wissen häufig nicht, wie man im Leben Stellung bezieht. Sie schwächen sich ständig selbst durch den Glauben an ihre eigenen Grenzen. Dahinter steckt der Versuch zu beweisen, dass sie in ihren Einschränkungen tatsächlich etwas Besonderes sind – stärker verletzt, bedürftiger, weniger wert. Aber auch hier gibt es einen Schatten, nämlich das Überlegenheitsgefühl, mit dem sie die Welt zu einem unsicheren oder unfairen Ort erklären. Menschen mit depressiver Besonderheit sind oft kritisch denjenigen gegenüber, die Aufmerksamkeit erhalten oder erfolgreich zu sein scheinen. Häufig glauben sie, das Leben schulde ihnen etwas. Ihr verborgenes Überle genheitsgefühl zeigt sich darin, dass sie meinen, man müsse sich um sie kümmern, oder in der Art und Weise, wie sie andere und sich selbst verurteilen und Schuldzuweisungen verteilen. Sie glauben, gefangen und hilflos zu sein, unfähig, ihr Leben zu ändern. Das Gefühl der Machtlosigkeit, das sich durch die Geschichten des Ego aufgebaut hat, ist eine der schlimmsten Formen von Belastung. (Es gibt allerdings auch ein Gefühl der Machtlosigkeit, das – im Gewahrsein empfunden – sehr wichtig für die geistige Gesundheit sein kann. Die Natur dieses komplexen Gefühls – und wie Sie damit umgehen können – wird in einem späteren Kapitel behandelt.)

Beide Arten von Besonderheit stellen eine Art von Ungleichgewicht dar, das Stress, Übermüdung und eingeschränkte Lebendigkeit zur Folge hat. Wenn Sie wirklich um Heilung bemüht sind, sollten Sie darauf achten, wann Ihr Ego Sie in Richtung der depressiven oder großartigen Besonderheit schiebt. So haben Sie die Möglichkeit, zum gegenwärtigen Moment zurückzukehren und aus Ihrem natürlichen Wesen heraus wieder von vorn zu beginnen – was sofort zu einem stärkeren Gleichgewicht führt.

Sie haben die Wahl – zwischen Ego und Gewahrsein

Das Ziel dieses Buches besteht darin, Ihnen die Wahl zu geben, ob Sie sich von Ihrem Ego steuern lassen oder sein Spiel durchschauen wollen. Es ist eine Wahl zwischen verstärktem Stress und Leiden (die das Gefühl der Besonderheit unvermeidlich mit sich bringt) einerseits und der Ganzheit des Seins andererseits, die sich einstellt, wenn Sie präsent sind und sich nicht dem widersetzen, was gerade passiert. Sobald Sie einmal verstanden haben, dass der einzige Zweck Ihres Ego darin besteht, dass Sie sich besonders fühlen, können Sie beginnen, sich aus seinem Griff zu befreien. In Kapitel 4 werden Sie eine wirkungsvolle Methode kennenlernen, die es Ihnen nicht nur ermöglicht, jederzeit ins Jetzt zurückzukehren, sondern die Sie gleichzeitig die vielen Muster, Reaktionen, Angewohnheiten und Strategien erkennen lässt, die Ihr Ego einsetzt, um Ihre Besonderheit immer wieder zu bestätigen. Sobald Sie ein wenig Abstand von diesem grundlegenden Ego-Muster gewonnen haben, werden Sie erkennen, wie ermüdend es ist, und Ihre Lebenskraft schnell wieder zurückgewinnen.

Jetzt werden Sie vielleicht sagen beziehungsweise denken, Sie seien doch gar nichts Besonderes und Sie sähen sich selbst auch nie in dieser Weise. Aber wenn Sie wachsam sind, werden Sie erkennen, wie subtil das Spiel der Besonderheit sein kann. Jedes Mal, wenn Sie feststellen, dass Sie sich in irgendeinem Punkt von anderen unterscheiden (ob Sie sich dessen voll bewusst sind oder nicht), sehen Sie sich selbst zwangsläufig als über- oder unterlegen. Das ist nichts anderes als Besonderheit. Jedes Mal, wenn Sie besondere Aufmerksamkeit erwarten, sich an der Supermarktkasse vordrängeln oder grundlos ärgerlich oder ungeduldig werden, sind Sie in ein Gefühl der Überlegenheit gerutscht. Ein guter Test dafür, für wie besonders Sie sich unterbewusst halten, ist es, wie Sie auf jemanden reagieren, der berühmt ist oder sehr reich, beispielsweise ein Filmstar oder der Vorstandsvorsitzende eines großen Konzerns: Wenn sich in Gegenwart solcher Menschen auch nur das Geringste an Ihrer Haltung ändert, dann ist dies Ihr Gefühl der Besonderheit, das sich rührt.

Wann immer Sie sich schuldig, unwichtig oder unwürdig fühlen oder glauben, die Bedürfnisse anderer hätten Vorrang vor Ihren eigenen, haben Sie sich für die depressive Besonderheit entschieden. Überlegenheitsgefühle können sich übrigens auch in Form von Gedanken wie diesen äußern: Meine Frau hat es nicht verdient, Krebs zu bekommen, sie ist so ein guter Mensch. Dahinter steckt die Idee, dass Krankheit eine Strafe ist und Gesundheit eine Belohnung. In Wirklichkeit ist es ein verstecktes Überlegenheitsgefühl: Sie selbst und alle, die Ihnen am Herzen liegen, verdienten es, von Krankheit frei zu sein. Solche Meinungen und viele andere, die Sie nach und nach erkennen werden, sind nichts anderes als Konstrukte, mit denen Sie sich unbewusst bestätigen, dass Sie als exklusives, eigenständiges Individuum existierten; Sie seien nicht einfach irgendwer – Sie seien jemand Besonderes.

In dem Maße, wie Sie das Spiel des Ego durchschauen, hört es auf, Sie zu dominieren, und Sie ruhen stärker in Ihrem höheren Gewahrsein. Dieses größere Selbst sieht beide Seiten Ihrer Besonderheit, also sowohl die Neigung, sich mit Aggressivität, Rechthaberei, Selbstgefälligkeit oder Ungeduld aufzublasen, als auch die Tendenz, in Opferdasein, Abwehrhaltung, Scham oder Hilflosigkeit zu versinken. Sobald Sie sich beider Tendenzen bewusst sind, stellen Sie fest, dass Sie mehr sind als das, und müssen sich mit keiner der beiden Seiten mehr identifizieren. Beim Entwickeln dieser Bewusstheit erwacht eine ganz neue Dimension Ihrer selbst und Sie beginnen, eine dezente Präsenz auszustrahlen.

Wenn Sie sich nicht wohlfühlen, dann sind daran meist viele Dinge beteiligt, die Sie nicht steuern können. Beim Beobachten Ihrer Gedanken und Ihres emotionalen Zustands werden Sie jedoch schnell erkennen, dass das Abrutschen in eine der beiden Formen der Besonderheit keineswegs dazu beiträgt, dass Sie innerlich im Frieden sind. Jeder wird irgendwann einmal krank. Wir alle erleben frustrierende Rückschläge und am Ende sterben wir alle. Aber wie alle anderen zu sein, das ist für das Ego nicht akzeptabel. Es braucht das Drama: „Oh nein! Warum ausgerechnet ich?“ Sofort werden Sie zum Opfer und verspüren Angst.

In dem Moment, in dem Sie diese Reaktion bewusst wahrnehmen, kann Ihnen klar werden, dass es realistischer, weniger belastend und vor allem weniger „besonders“ wäre zu sagen: „Warum nicht ich?“ Das Ego lässt Sie natürlich nicht so denken. „Warum nicht ich?“, das bedeutet aus Sicht des Ego nämlich, dass Sie nicht besonders genug sind – Ihr Leiden ist nicht einzigartig und Sie ragen folglich nicht aus der Masse heraus. Für das Ego ist dies gleichbedeutend mit Tod oder Nichtexistenz – etwas, was es um nahezu jeden Preis zu vermeiden gilt.

Wir alle wurden von Kindheit an durch den Glauben an unsere eigene Besonderheit geprägt. Deshalb ist dieses Gefühl auch nur mit Arbeit und mit viel Geduld zu überwinden. Doch sobald Sie lernen, Ihre Gedanken zu beobachten, wird Ihnen nach und nach bewusst, wo das Spiel der Besonderheit überall in Ihrem Leben auftaucht. Dann können Sie darüber lächeln, anstatt in Überlegenheits- oder Minderwertigkeitsgefühle abzudriften.

Sie können sich selbst belohnen – für Ihr Gewahrsein

Ob Sie gerade gewahr sind (oder doch eher in den Krallen des Ego stecken), merken Sie daran, dass Sie sich im ersten Fall nicht verurteilen, wenn Sie in eine „Besonderheitsfalle“ tappen. Tun Sie dies doch, dann hat das Ego wieder die Regie übernommen und gibt Ihnen das Gefühl, noch kleiner zu sein – selbst wenn Sie gerade versuchen, sich aus diesem Spiel zu befreien. Widerstehen Sie also der gewohnheitsmäßigen Versuchung, sich selbst zu bestrafen, wenn Sie sich bei dem Gefühl ertappen, auf die eine oder andere Weise etwas Besonderes zu sein. Lernen Sie stattdessen, sanft über das zu lächeln, was Sie erkannt haben, und belohnen Sie sich für Ihr Gewahrsein.

Sich selbst für Gewahrsein zu belohnen ist für die meisten Menschen eine ganz neue Vorstellung. Ich schlage immer Folgendes vor: Wenn Ihnen bewusst wird, dass Ihr Ego etwas Besonderes aus Ihnen macht – und sei es etwas, was Sie in der Regel verurteilen oder für das Sie sich schämen –, dann sagen Sie einfach „ja“ zu sich selbst, gefolgt von einem „Danke“ und einem „Es tut mir leid“.

Mit dem Ja bekräftigen Sie, dass Sie wach geworden sind und das Besonderheitsspiel erkannt haben, während das Danke eine angedeutete Verbeugung vor Ihrem bewussten Selbst ist, das Sie aufmerksam gemacht hat. Das abschließende „Es tut mir leid“ erkennt an, dass die Geschichte, die Sie sich zu erzählen begonnen haben, Leiden und Unglück verursacht hat. Es ist eine an Sie selbst gerichtete Entschuldigung. Wenn Sie nun noch ein Lächeln hinzufügen, dann wird es nicht nur auf Ihrem Gesicht erscheinen, sondern im gesamten Körper spürbar sein. Versuchen Sie das einmal: Lassen Sie aus der Tiefe Ihres Inneren ein Lächeln aufsteigen. Erzwingen Sie es nicht, lassen Sie es einfach kommen. Spüren Sie, welches Gefühl dieses von innen kommende Lächeln in Ihnen verursacht – es ist eine spürbare Möglichkeit, sich selbst für Ihr Gewahrsein zu belohnen.

Die heilende Kraft des Gewahrseins

Wenn es darum geht, die günstigsten Voraussetzungen für Heilung zu schaffen, ist es sehr wichtig, Folgendes zu erkennen: Wenn Sie von den Gedanken und Emotionen gesteuert und kontrolliert werden, die aus Ihrem Gefühl der Besonderheit entspringen, können Sie mit der tieferen Weisheit des Lebens weniger in Resonanz gehen. Das ist so, als hätten Sie einen Radiosender gewählt, dessen aufhetzende Meinungen Angst, Wut, Schuldgefühle oder Verwirrung in Ihnen verbreiten, anstatt auf einen Kanal zu wechseln, dessen Meldungen Ihnen Einsichten, Klarheit und Weisheit vermitteln.

Wenn Sie emotional hin und her gerissen sind zwischen Angst und Hoffnung oder zwischen Schuld und Vorwürfen, dann ist das anstrengend. Auch das Verteidigen Ihrer Position als etwas Besonderes kostet Kraft. Wenn die Macht des Ego, Sie ständig in emotionale Wechselbäder zu tauchen, nachlässt, können Sie wieder ungehindert in Resonanz mit dem grenzen- und zeitlosen Feld der Präsenz gehen. Dieses Feld wartet auf Sie und ist stets verfügbar, denn solange Ihr Ego es nicht überblendet, sind Sie immer ein Teil von ihm. Plötzlich fühlen Sie sich auf eine Art und Weise unterstützt, die für Ihr Ego völlig unvorstellbar ist.

Aus diesem Grund ist es für einen Menschen, der das Gewahrsein des gegenwärtigen Moments übt und pflegt, wesentlich weniger schlimm, krank zu sein. Auch der Tod ist kein großes Drama mehr, denn Sterben ist letztendlich ein völlig natürliches Ereignis. Sie können sich nicht einerseits damit identifizieren, etwas Besonderes zu sein, und andererseits gleichzeitig präsent, entspannt und im Flow sein. Echtes Wohlbefinden und das Gefühl der Besonderheit schließen sich gegenseitig aus.

Ihr Ego weiß einfach nicht, dass es Teil eines größeren Feldes aus Intelligenz, Liebe und Unterstützung ist. Es glaubt, ein eigenes Wesen zu sein, eine eigenständige Welt. Um diese Welt zu erhalten, muss es sorgfältig darauf achten, dass Sie in seinem Drama weiter mitspielen und sich entweder überproportional wichtig oder aber missachtet fühlen. Es muss (ihm unerwünschte) Veränderungen beklagen und Ängste vor dem Verfehlen der von ihm entworfenen Zukunft schüren. Es muss Ihnen sagen, dass Krankheit unfair sei, denn es kann weder Krankheit noch Tod als etwas Natürliches betrachten. Also muss es heroisch danach streben, wieder gesund zu werden, denn es versteht nicht, dass jede Konzentration auf diese Art von Geschichte ein emotionales Umfeld schafft, das Liebe verhindert – selbst dann, wenn der Austausch von Liebe Ihnen am meisten am Herzen liegt. In jedem Fall kann das Ego nicht erkennen, dass seine eigene, dem Verstand entsprungene emotionale Welt Sie in Ihrem Heilungsprozess keineswegs unterstützt.

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