Loe raamatut: «Globalgeschichte schreiben»

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Roland Wenzlhuemer ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Heidelberg (Foto: Oliver Fink)


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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urhberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017

Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Einbandmotiv: Edward Whymper. Escalades dans les alpes. 1873,

Seite 67 (Übersetzung aus dem Englischen)

Druck: CPI · Ebner & Spiegel, Ulm

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz

Tel.: 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98

www.uvk.de

UTB-Band Nr. 4765

ISBN 978-3-8252-4765-2 (Print)

ISBN 978-3-8463-4765-2 (EPUB)

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Globalgeschichte …

Was kann Globalgeschichte?

Globalgeschichte als Perspektive

Globalgeschichte als Verbindungsgeschichte

Globalgeschichte und Globalisierung

Zur Forschungspraxis der Globalgeschichte

Verbindungen: Der große Mondschwindel

Verbindungen in der Globalgeschichte

Der Mond …

… und die Sonne

Verbindungen und Nicht-Verbindungen

Redux: Verbindungen in der Globalgeschichte

Raum: Anbindung und Isolation

Raum in der Globalgeschichte

Der Telegraf und die angebliche Vernichtung des Raums

Fanning und Cocos: Zur Pluralität von Kommunikationsräumen

Redux: Raum in der Globalgeschichte

Zeit: Telegrafie und Zeitstrukturen

Zeit in der Globalgeschichte

Telegrafie und Zeit

Telegrafie, Raum und Zeit

Telegrafie und Zeitempfinden

Redux: Zeit in der Globalgeschichte

Akteure: Meuterei auf der Bounty

Akteure in der Globalgeschichte

Huzza for Otaheite

Die Brotfruchtmission

Südsee und Karibik

Globale Akteure

Redux: Akteure in der Globalgeschichte

Strukturen: Durchbruch am Mont Cenis

Strukturen in der Globalgeschichte

Der Mont Cenis

Tunnelbau am Mont Cenis

Die Mont Cenis Pass Railway

Akteure und Strukturen

Redux: Strukturen in der Globalgeschichte

Transit: Die Flucht von Dr. Crippen

Transit in der Globalgeschichte

Schiffspassagen

Der Crippen-Fall

Weltinteresse

Gefangen im Transit

Die Verhaftung

Redux: Transit in der Globalgeschichte

… schreiben

Globalgeschichten

Redux: Was kann Globalgeschichte?

Nachweise

Quellen

Forschungsliteratur

Abbildungen

Personenregister

Sachregister

Danksagung

In diesem Buch kommen Gedanken und Vorarbeiten aus ganz unterschiedlichen Forschungs- und Diskussionskontexten zusammen. Es ist über viele Jahre gewachsen, mal langsamer und mal schneller. Während dieser Zeit haben sich zu meinem großen Glück eine Menge kluger, kreativer und duldsamer Menschen in das Projekt mithineinziehen lassen. Martin Dusinberre musste sich viele meiner frühen Ideen anhören und hat mich vor so mancher bewahrt. Andreas Hilger, Christoph Streb und Benedikt Stuchtey haben das Manuskript aufmerksam kommentiert und mir wertvolle Blickwinkel eröffnet. Unser hervorragendes Team an der Professur für Neuere Geschichte der Universität Heidelberg hat weder sich noch mich geschont. Uta C. Preimesser vom UVK -Verlag hat Autor und Idee auch zu Zeiten vertraut, als dazu wenig Anlass bestand. Ihnen und vielen anderen gilt mein bester Dank.

Die Grundlage für meine Arbeit ist meine Familie. Ihr widme ich dieses Buch.


Roland Wenzlhuemer März 2017

Globalgeschichte …
Was kann Globalgeschichte?

Globalgeschichte wird gemeinhin überschätzt – und zwar in ihren Möglichkeiten. Mit dem schnell wachsenden Zuspruch, den die Globalgeschichte im breiteren Feld der historischen Forschung findet, haben sich auch die Erwartungen, die an sie herangetragen werden, vervielfacht. Wie unter anderem Sebastian Conrad in seiner jüngsten, bestens gelungenen Einführung in die Globalgeschichte festhält, ist das ursprüngliche Interesse an einem globalhistorischen Ansatz aus der Überzeugung vieler Historikerinnen und Historiker hervorgegangen, dass die bekannten Analyseinstrumente für eine adäquate Interpretation der Geschichte im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr ausreichen. Conrad sieht vor allem zwei Defizite, mit denen sich die Globalgeschichte nicht abfinden wollte: die Festlegung auf den Nationalstaat als primären (mitunter einzigen) Beobachtungsrahmen und den damit einhergehenden „methodologischen Nationalismus“1 sowie einen tief sitzenden Eurozentrismus, der für die Geschichtswissenschaft einen unverrückbaren Blickpunkt und festen Maßstab darstellte. Für Conrad war und ist die Globalgeschichte zuallererst ein Versuch, diese beiden „Geburtsfehler“ der modernen Geschichtswissenschaften zu adressieren.2

Das ist ein überaus ehrenvoller, aber schon einmal kein kleiner Anspruch für ein im Entstehen begriffenes Feld. Und mit der festen Etablierung der Globalgeschichte im historischen Feld sind kontinuierlich neue Aufgaben und Herausforderungen dazugekommen. So hat beispielsweise Patrick O’Brien in seinem Prolegomenon zur ersten Ausgabe des Journal of Global History angemerkt, dass Globalhistorikerinnen und -historiker sich dafür entscheiden würden, sich frei zu machen von „disciplinary boundaries, established chronologies and textual traditions for the construction of European, American, Indian, Japanese, Chinese or other national histories.“3 Martin Dusinberre hat kürzlich auf eindrucksvolle Weise davon gesprochen, dass die Globalgeschichte eine Pluralität von verschiedenen Stimmen zulassen müsse.4 Und nicht zuletzt wird auch darauf hingewiesen, dass all dies mit einer Internationalisierung der Forschungspraxis einhergehen müsse.5

Aus all diesen jeweils völlig berechtigten Forderungen, die allesamt schwerwiegende Lücken und Unwuchten der Geschichtswissenschaft ansprechen, ergibt sich in ihrer Gesamtheit ein dermaßen anspruchsvolles theoretisch-methodisches Programm, dass die Einlösung desselben zu einer schweren Last auf den Schultern der Globalgeschichte wird. Die Defizite, die es durch die Globalgeschichte zu überwinden gilt, verweisen im Kern auf die grundlegenden theoretisch-methodischen Probleme der Geschichte als Wissenschaft: auf Fragen der Standortgebundenheit, der Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Objektivität, auf den Zuschnitt von Beobachtungsrahmen und Fächergrenzen. Konsequent zu Ende gedacht ergibt sich aus diesem Programm das Verlangen nach einer grundlegenden Neuperspektivierung der Geschichtswissenschaft, die letztlich auch mit neuen Organisations- und Arbeitsformen einhergehen muss. Aus einem solchen Anspruch heraus kann es auch nicht genügen, wenn die Globalgeschichte alleine sich müht zu dezentrieren,6 den nationalen Rahmen aufzubrechen oder Disziplinengrenzen zu überwinden. Ihr Beispiel muss von der Geschichtswissenschaft insgesamt aufgenommen werden.

Es ist nicht verwunderlich, dass aus einem solchen Anspruch – oder tatsächlich eigentlich aus einem Bündel von Ansprüchen – schnell eine grundlegende Überforderung folgen kann. Stellt sich doch sofort die Frage, auf welchem Wege und mit welchen Werkzeugen man dies auch nur ansatzweise einlösen kann. Wie genau kann es die Globalgeschichte schaffen, die von ihr identifizierten Defizite und Problemlagen zu adressieren und darüber hinaus auch noch eine grundlegende Rekalibrierung der Geschichtswissenschaft insgesamt anzuschieben? Man könnte nochmals zuspitzen und fragen: Was will die Globalgeschichte eigentlich wissen? Was ist ihr eigenes Erkenntnisinteresse? Und wichtiger noch, wie will sie aus dem gewonnen Wissen, aus der neuen Erkenntnis heraus, zur Überwindung zum Beispiel des Eurozentrismus oder eines methodologischen Nationalismus beitragen? Insbesondere die Frage nach dem Erkenntnisinteresse der Globalgeschichte ist in Wort und Schrift bereits auf vielfältige Weise diskutiert worden, die Rückbindung an die größere Zielsetzung des Feldes ist dabei üblicherweise aber kaum vollzogen worden. Dominic Sachsenmaier hat auf die „notwendige Unmöglichkeit“, Globalgeschichte zu definieren, hingewiesen.7 Diese Unmöglichkeit verweist auf die Lücke, die sich in der globalhistorischen Forschung zwischen geschichtstheoretischer Zielsetzung und geschichtswissenschaftlichem Erkenntnisinteresse auftut. Es ist viel darüber nachgedacht und auch geschrieben worden, was die Globalgeschichte eigentlichist – und mitunter ist diese gemeinsame Frage sehr unterschiedlich beantwortet worden.8 Viel weniger explizit wurde bisher danach gefragt, was die Globalgeschichte eigentlich innerhalb des breiten Ensembles der Geschichtswissenschaft leisten kann, was in diesem Zusammenhang ihre Mittel sind und wie sie mit ihrem Blick, mit ihrem Instrumentarium letztlich dazu beitragen kann, ihre eigenen Ansprüche einzulösen.

Daraus ergeben sich die Leitfragen dieses Buches: Was kann Globalgeschichte leisten und wie kann sie das? Die oben skizzierten Ansprüche einlösen zu wollen, überfordert das Forschungsund Lehrprogramm der Globalgeschichte insofern, als sich daraus kein klarer Zugang, keine Fragestellung ableiten lässt. Schon deshalb sollte man globalhistorische Forschung nicht als Lösungsweg verstehen, sondern als Problematisierung und kritische (Selbst)Reflexion, die im Idealfall zu einer Teillösung werden kann. Ein gutes Beispiel findet sich in Andrea Komlosys Einführung in die Globalgeschichte. Hinsichtlich etwa des Eurozentrismus sieht Komlosy die Aufgabe des Feldes zunächst einmal in der Freilegung eurozentrischer Bilder und Denkmuster. „Globalhistoriker bemühen sich, regional bedingte Weltsichten in ihrem jeweiligen Kontext zu verstehen.“9 Der Globalgeschichte fällt aus dieser Warte eine aufzeigende, nicht unbedingt eine überwindende Funktion zu. Es sollte darum gehen, mithilfe einer klaren und operationalisierbaren Fragestellung die persistenten Unwuchten historischen Denkens jenseits einfacher Generalisierungen deutlich aufzuzeigen, den Blick der Geschichtswissenschaften dahin zu lenken, wo etablierte Interpretationsmuster zu kurz greifen. Ein solcher Anspruch ist für die Globalgeschichte, die heute zumeist als spezifische Perspektive auf die Geschichte gesehen wird,10 auch einzulösen. Ein Perspektivenwechsel oder eine Perspektivenerweiterung können den Blick auf die oben skizzierten Probleme freigeben, können so Standort- und Maßstabsgebundenheit immer wieder kritisch in Erinnerung rufen. Das kann die Globalgeschichte als Perspektive leisten. Überwinden aber kann sie diese grundlegenden Bedingungen historischen Denkens nicht – nicht einmal durch die Multiplikation von Standorten und Maßstäben.

Globalgeschichte als Perspektive

Es bleibt die Frage, wie die Globalgeschichte das leisten kann. Welches Erkenntnisinteresse liegt ihr zugrunde? Was soll sie zeigen? Aber auch, welche Mittel stehen ihr dafür zur Verfügung und wie lassen sich ihre Fragen an die Geschichte operationalisieren? Dieses Buch wird versuchen, diese und andere Fragen zu adressieren. Es ist natürlich nicht das erste Werk, das sich damit auseinandersetzt. Historikerinnen und Historiker machen sich bereits seit einigen Jahren darüber Gedanken, was die Globalgeschichte eigentlich genau wissen will. Und auch über die Ansätze und Methoden der Globalgeschichte gibt es mittlerweile eine rege Diskussion. Selten aber werden diese beiden Teile – also die Frage nach dem globalhistorischen Erkenntnisinteresse und die Frage nach dem diesbezüglichen Vorgehen – direkt miteinander in Abstimmung gebracht. Oft stehen sie eigenartig separiert voneinander. Es mangelt an der Operationalisierung globalhistorischer Fragestellungen, an der Brücke zwischen theoretischem Anspruch und empirischer Umsetzung. In diesem Buch möchte ich Bausteine für genau diese Brücke zur Verfügung stellen, ohne dabei aber der Illusion zu verfallen, auf den wenigen Seiten und mit einer Handvoll Konzepten und Fallstudien diese bereits fertig bauen zu können.

Vielmehr will ich aufzeigen, wie die Globalgeschichte einzelne ihr bereits zur Verfügung stehende Begriffe und Konzepte so anwenden kann, dass die Wirkmächtigkeit eines globalen Handlungs- und Bezugsrahmens für das Denken und Handeln historischer Akteure nicht nur deutlich wird, sondern dieser in seiner Bedeutung auch in einen breiteren historischen Kontext eingebettet werden kann. Dieses Buch bringt dabei verschiedene Konzepte zur Anwendung, auf die im Folgenden noch näher einzugehen sein wird. Allesamt verweisen sie im Kern aber auf den Begriff der Verbindung – im Zusammenhang der Globalgeschichte im Sinne einer globalen oder transregionalen Verbindung –, der den konzeptuellen Dreh- und Angelpunkt der vorliegenden Überlegungen bildet. Nun ist der Begriff der Verbindung in der Globalgeschichte alles andere als neu oder ungewöhnlich. Im Gegenteil, er gehört zum meistverwendeten Vokabular des Feldes und ist nicht zuletzt deshalb zu einer Art terminologischem Passepartout geworden. Will man den Begriff aber nicht nur als gefälliges Label nutzen, sondern wissenschaftlich produktiv machen, so steht seine analytische Zuspitzung an. Was ist eine globale Verbindung und wie können wir sie theoretisch-methodisch fassen? Was unterscheidet globale Verbindungen von anderen Verbindungsarten? Wie können solche Verbindungen geschichtsmächtig werden? Letztlich, welche Rolle spielen sie hinsichtlich des Erkenntnisinteresses der Globalgeschichte? Verschiedene Verständnisse globalhistorischer Forschung warten mit jeweils unterschiedlichen Antworten auf diese Fragen auf. Eine Auseinandersetzung mit diesen Antworten lohnt, um das dieser Arbeit zugrundeliegende Verständnis von Verbindung nachvollziehbar herzuleiten.

Sebastian Conrads in den letzten Jahren vorgelegte Einführungen in die Globalgeschichte stellen die im Moment wohl gelehrtesten und umsichtigsten Arbeiten in diesem Zusammenhang dar. Daher bilden seine Systematisierungsversuche und Zusammenführungen einen wesentlichen Referenzpunkt für viele der im Folgenden skizzierten Überlegungen. Entsprechend oft werde ich auf den nächsten Seiten auf sein Verständnis von Globalgeschichte Bezug nehmen und versuchen, darauf aufzusetzen.

Conrad identifiziert in der deutschsprachigen,11 noch ausführlicher aber in der englischsprachigen12 Einführung drei Hauptvarianten globalhistorischer Forschung, in denen globale Verbindungen jeweils unterschiedliche Rollen und Gewichtungen haben. Der ersten von ihm vorgestellten Variante liegt ein Verständnis globalhistorischer Forschung als Syntheseleistung zugrunde. Die Globalgeschichte, so Conrad, würde aus diesem Blickwinkel heraus als Weltgeschichte im wörtlichen Sinn verstanden. Sie umfasse alles, was jemals weltweit passiert sei. Die Versuche, diesen größtmöglichen Rahmen auszufüllen, können aber unterschiedlich ausfallen. So gibt es Großsynthesen, die tatsächlich versuchen, die wesentlichen historischen Entwicklungen einer bestimmten Zeit oder Epoche weltweit zu erfassen und integrativ darzustellen. Solche Darstellungen müssen notwendigerweise stark auswählen, welche Phänomene sie für relevant halten. Sie bleiben an der Oberfläche, sind sehr selektiv. Auf ein ähnliches Verständnis der Globalgeschichte bauen auch jene unzähligen Studien auf, die einem bestimmten Gegenstand durch Zeit und Raum der Weltgeschichte folgen. Für Pamela Crossley stellt diese Form der Globalgeschichte in ihrer Gesamtheit sogar den ultimativen Zugang dar. In ihrer Einführung in das Feld verwendet sie die Metapher eines context spinners, also eines natürlich nur hypothetischen Instruments, das die globale Geschichte jeweils aus der Warte eines bestimmten Materials, Produkts, Konzepts oder Naturphänomens sequenzieren könnte. Entstehen würden dabei jeweils integrierte globale Darstellungen zum Beispiel der Geschichte der Seide oder der Auswirkungen von Erdbeben, um nur zwei der von Crossley genannten Beispiele wiederzugeben.13 Die Kontextspinnmaschine würde uns anhand einzelner Themen durch die Geschichte der Welt führen und so eine Globalgeschichte ermöglichen. Dass ein solcher Ansatz überaus interessante Arbeiten hervorbringen kann, ist unbestritten. Aus globalhistorischer Warte handelt es sich aber auch hier um eine Syntheseleistung. Conrad weist schließlich auch darauf hin, dass Studien zu einzelnen, klar umrissenen Themen – er nennt die Geschichte der Arbeiterklasse in Buenos Aires, Dakar oder Livorno als Beispiel – aus dem skizzierten Verständnis heraus ebenfalls zu einer Globalgeschichte – in diesem Fall jener der Arbeit – beitragen können, ohne selbst den globalen Horizont ihres Gegenstandes zu untersuchen.14 Auch das ist eine Form der Synthese, und zwar einer arbeitsteiligen. All diesen Einzelansätze innerhalb dieses synthetischen Verständnisses von Globalgeschichte ist gemein, dass ihre Geschichten von gemeinsamen großen Rahmen zusammengehalten werden, nicht aber von einer inneren Kohärenz. Globale Verbindungen kommen in dieser Variante von Globalgeschichte natürlich vor, allerdings üblicherweise nicht als erkenntnisleitende Elemente.

In der zweiten von Conrad skizzierten Variante von Globalgeschichte spielen globale Verbindungen eine ganz zentrale Rolle. Dieses Verständnis des Feldes baut auf der Annahme auf, dass keine Kultur, keine Gesellschaft in völliger Isolation existiert, und Austauschprozesse eine wesentliche Bedeutung für ihre historische Entwicklung haben.15 In dieser Hinsicht gehört ein Fokus auf Verbindungen zu den wenigen wirklich konsensfähigen Eigenschaften der jüngeren Globalgeschichte. Die meisten Autorinnen und Autoren, die sich über die theoretisch-methodische Ausrichtung des Feldes Gedanken gemacht haben, verweisen an irgendeiner Stelle darauf, dass die Globalgeschichte sich mit der Rolle globaler oder transregionaler Verbindungen und den auf ihnen beruhenden, sich wechselseitig beeinflussenden Prozessen in der Geschichte beschäftigen soll.16 Allerdings wird dies nur selten in einer Form weiter ausgeführt, die es erlauben würde, daraus Rückschlüsse über die tatsächliche analytische Bedeutung von globalen Verbindungen zu ziehen. Was ein solcher Fokus auf Verbindungen konkret heißt, was die Globalgeschichte in dieser Hinsicht genau wissen will, welchen Erkenntnisgewinn sich das Feld davon erhoffen kann oder selbst die scheinbar simple Frage danach, was eigentlich als globale Verbindung zu werten ist – all das sind Fragen, auf die kaum einmal explizit eingegangen worden ist. Darum ist der Verweis auf die zentrale Bedeutung von Verbindungen, um abermals einen Gedanken von Sebastian Conrad zu borgen, unter Globalhistorikern als eine Art Schibboleth zu verstehen,17 das jenseits seiner Rolle als Zugehörigkeitszeichen relativ leer und vage bleibt, dadurch aber von jedem nach Gusto gefüllt und interpretiert werden kann. Für die globalgeschichtliche Forschung muss das ein nicht zufriedenstellender Zustand sein. Denn einerseits schiebt der stete Verweis auf die grundlegende Bedeutung von globalen Verbindungen diese ins Rampenlicht. Auf ihnen ruht der forschende Blick der Globalgeschichte. Gleichzeitig bleibt aber zumeist unklar, was damit konkret gemeint ist und wie man mit Verbindungen in der Forschungspraxis umgehen könnte. Damit werden Verbindungen zwar einerseits als zentraler Gegenstand der Globalgeschichte identifiziert, sie können zugleich aber keine erkenntnisleitende Funktion entfalten. Das ist bedauerlich, weil die analytische Konzentration auf globale Verbindungen und ihre Bedeutung in der Geschichte der globalgeschichtlichen Forschung gute Dienste leisten kann, wie im weiteren Verlauf dieses Buches ausführlich argumentiert wird.