Loe raamatut: «Lass Dir nicht alles gefallen»
DR. ROLF MERKLE
Lass dir nicht alles gefallen
Keine Angst
• nein zu sagen
• deine Meinung zu äußern
• zu kritisieren
• vor Kritik
Lass dir nicht vorschreiben,
wie du zu leben hast.
Entscheide selbst, was dir
wichtig ist und guttut.
PAL Verlagsgesellschaft mbH
Seit 35 Jahren der Verlag für praktisch anwendbare Lebenshilfen erfahrener Psychotherapeuten
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, abrufbar im Internet über http://dnb.d-nb.de
© PAL Verlagsgesellschaft, München
ISBN 978-3-923614-35-6
eISBN 978-3-923614-88-2
26. Auflage 2019
Alle Rechte vorbehalten
Bild Umschlag: ©bluedesign - stock.adobe.com
Bilder Innenteil: ©S. 6 Pine Watt - unsplash.com, S. 160 Vincent van Zalinge - unsplash.com
Dr. Rolf Merkle arbeitet zusammen mit seiner Partnerin und Kollegin Dr. Doris Wolf seit über 35 Jahren als Psychotherapeut in eigener Praxis.
Die Internetseite des Autors: www.rolfmerkle.de
Die Ratschläge dieses Buches sind vom Autor und vom Verlag sorgfältig geprüft. Autor und Verlag können jedoch keine Garantie geben und schließen jede Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus. Dieser Ratgeber ersetzt keine therapeutische Behandlung.
Gesamtgestaltung: Grafik und Druck GmbH Peter Pöllinger, München
Druck: Grafik und Druck GmbH, Peter Pöllinger, München
Diese Themen erwarten dich
Wer, wenn nicht du, kann dein Leben besser machen?
1Woran erkennt man selbstsicheres Verhalten?
2Warum sind wir schüchtern und unsicher?
3Deine Rechte als Mensch
4Mögliche Hindernisse, wenn du selbstsicher auftrittst
5Wie andere dich manipulieren wollen
6Selbstwert stärken, sich annehmen lernen
7Selbstbewusst durch selbstbewusste Körpersprache
8Sag JA zum NEIN
9Kritik üben, sich beschweren
10Mit berechtigter und unsachlicher Kritik umgehen
11Wünsche äußern, berechtigte Forderungen stellen
12Komplimente annehmen und machen
Glückwunsch
Wer, wenn nicht du, kann dein Leben besser machen?
Wir kennen uns nicht und du hast mir das Du auch nicht angeboten. Trotzdem spreche ich dich selbstbewusst mit Du an. Nicht weil ich respektlos sein will, sondern weil du dich durch das Du persönlich mehr angesprochen fühlst. Dadurch nimmst du dir meine Worte mehr zu Herzen und ihre Wirkung ist größer – hoffe ich zumindest. Ich möchte dir zunächst ein wenig aus meinem Leben berichten. Da gab es eine Zeit, in der ich unsicher und schüchtern war. In Gegenwart anderer war ich angespannt. Ich beobachtete und kontrollierte mich, mein Verhalten und meine Worte. Ich lächelte häufig verlegen und lachte über die Witze anderer, auch wenn mir nicht zum Lachen zumute war.
Ich ließ mich bei berechtigten Kundenansprüchen, oder wenn es um die mangelhafte Qualität eines Produktes ging, schnell abspeisen und überfahren. Es war mir peinlich, zu einer Veranstaltung zu spät zu kommen. Ich hatte Angst vor missbilligenden Blicken der Anwesenden. Ich getraute mich nicht, Frauen in der Disco oder auf der Straße anzusprechen. Wenn ich jemanden nach dem Weg fragte, begann ich mit dem Wort „Entschuldigung“. Ich ließ mich von Verkäufern überreden, Kleider zu kaufen, die mir nicht gefielen oder die mir zu teuer waren.
In Restaurants habe ich so manchen Fraß runtergewürgt, weil ich Angst hatte, mich zu beschweren. Auf die Frage des Kellners „War's recht?“ antwortete ich brav mit „ja“. Natürlich ging ich nicht mehr in das Lokal und ärgerte mich, dass ich so feige war, nicht den Mund aufzumachen. Machte mir jemand ein Kompliment, wurde ich verlegen und sagte: „Das ist nichts Besonderes.“ Ich ärgerte mich über mich, dass ich schüchtern war, und ärgerte mich über meine Mitmenschen, dass diese in meinen Augen so rücksichtslos und egoistisch waren.
Wenn mich jemand um einen Gefallen bat, sagte ich meist sofort „ja“ und ärgerte mich hinterher, dass ich vorschnell zugesagt hatte. Ich hatte Angst, etwas Persönliches zu erzählen, da ich befürchtete, mein Gegenüber könnte mich auslachen, sich über mich lustig machen und mich ablehnen, wenn er erführe, was ich für ein Mensch bin.
Ich fühlte mich oft einsam und schlenderte mit einem Gefühl des Isoliertseins und Alleinseins wie ein sträunender Kater durch die Straßen in der Hoffnung, eine Märchenfee würde mich ansprechen und von meinem Leid erlösen. Ich tat vieles, um interessant zu sein. Ich rauchte Pfeife, kleidete mich extravagant, drückte mich gewählt aus und legte mir Accessoires wie ein Handtäschchen zu. Meine Freunde hielten mich – wie sie mir später gestanden – für sehr selbstsicher, manche auch für arrogant. Sie deuteten meine distanzierte Art (die ein Selbstschutz war) als Selbstsicherheit.
Im Alter von dreißig Jahren beschloss ich, so könne es nicht weitergehen. Ich fing an, mein Selbstbewusstsein zu trainieren.
Wie geht es mir heute?
Heute fühle ich mich in Gegenwart anderer entspannt und locker. Ich mache mir nur noch wenige Gedanken um mein Äußeres und wie ich auf andere wirke.
Ich kleide mich so, wie es mir gefällt, und verschwende keinen Gedanken daran, ob ich durch meine Kleidung bei anderen ankomme oder nicht. Ich kontrolliere mich, mein Verhalten und meine Worte nicht mehr.
Bei berechtigten Beanstandungen bestehe ich auf mein Recht als Kunde und bleibe hart. Ich kann zu einer Veranstaltung zu spät kommen und habe keine Angst mehr vor missbilligenden Blicken der Anwesenden. Ich getraue mich, Frauen anzulächeln und mit ihnen zwanglos ein Gespräch zu beginnen.
Wenn ich jemanden auf der Straße anspreche, beginne ich ohne entschuldigende Worte mit: „Guten Tag, ich suche/möchte …“
In Restaurants beschwere ich mich ohne Hemmungen, wenn das Essen nicht gut ist, und lasse es zurückgehen. Ich lasse mich nicht von so dummen Argumenten wie „Sie sind der Erste, dem es nicht schmeckt. Es hat sich noch niemand beschwert.“ einschüchtern. Ich bezahle das Essen nicht oder verlange einen gleichwertigen Ersatz. Je nachdem, wie der Kellner oder Chef reagiert, gebe ich dem Restaurant eine zweite Chance.
Ich kaufe, was mir gefällt. Wenn ein Verkäufer meint, er müsse mir sagen, ob mir etwas steht, und er mir etwas aufschwatzen will, dann gebe ich ihm höflich und bestimmt zu verstehen, dass er sich raushalten soll. Ich kann ohne Komplexe sagen, wenn mir etwas zu teuer ist. Ich kann mir zehn Paar Schuhe zeigen lassen, und, ohne etwas zu kaufen und ohne schlechtes Gewissen, wieder aus dem Geschäft gehen – nicht jedoch, ohne mich bei der Verkäuferin oder dem Verkäufer sehr freundlich für ihre/seine Geduld zu bedanken und ihr/ihm einen schönen Tag zu wünschen.
Wenn mir jemand ein Kompliment macht, freue ich mich darüber und sage mit einem guten Gefühl „Dankeschön“. Ich ärgere mich nicht mehr über mich, wenn ich in einer Situation Hemmungen habe – auch das kommt immer mal wieder noch vor. Wenn mich jemand um einen Gefallen bittet, überlege ich, ob ich seiner Bitte nachkommen möchte. Wenn nicht, sage ich ohne schlechtes Gewissen „nein“.
Ich habe keine Angst, etwas Persönliches von mir zu erzählen. Was sollen andere schon entdecken? Das Schlimmste, das sie bei mir entdecken können, ist, dass ich ein Mensch bin, der Fehler und Schwächen hat. Ich bin überzeugt, dass ich kein Monster bin und meine schlechten Angewohnheiten aus mir kein Mängelexemplar machen. Wenn ein anderer sich über mich lustig macht, dann stecke ich das weg – zumindest meistens. Manchmal juckt es mich, aber das ist in Ordnung. Auch ich habe noch meine Punkte, an denen ich verwundbar bin.
Warum erzähle ich dir das?
Anhand meiner Geschichte möchte ich dir zweierlei zeigen:
1.Du kannst dich ändern.
Hemmungen und Schüchternheit sind nicht angeboren, sondern angeeignet.
2.Du kannst nicht immer und überall selbstsicher sein.
Gelegentlich bin ich noch gehemmt und unsicher. Ich bin also nicht in allen Lebenslagen ein vollkommen selbstsicherer Mensch. Meine Hemmungen behindern mich jedoch nicht. Wenn sie auftreten, nehme ich sie zur Kenntnis. Ich verurteile mich nicht für sie, ärgere mich nicht darüber, dass ich unsicher bin. Nun frägst du dich vielleicht, wie ich mich von einem unsicheren und schüchternen Menschen in einen relativ selbstsicheren Menschen verwandelt habe, und ob du das auch lernen kannst. Ja, natürlich! Du kannst viele deiner Hemmungen und Unsicherheiten überwinden. Das „Wie“ zeige ich dir in diesem Buch. Bist du bereit für einen neuen Lebensabschnitt? Bist du neugierig? Habe ich dich gerade „ja“ sagen hören? Wunderbar.
Ehe du dich auf den Weg machst, hier ein paar Tipps, die dir die Reise zu einem gesunden Selbstbewusstsein erleichtern.
Wie du dieses Buch am besten nutzt
Dieses Buch ist keine Urlaubslektüre, die du zur Unterhaltung in einem Atemzug liest und dann für immer beiseite legst. Betrachte meinen Ratgeber als Coach, der dir hilft, dein Leben besser zu machen. Gewohnheiten ändern braucht Zeit und Übung. Du kannst dir Enttäuschungen, Umwege und Sackgassen ersparen, wenn du folgende Empfehlungen beherzigst:
1.Beginne mit den Kapiteln eins bis fünf. Wenn du sehr neugierig bist, kannst du zunächst das ganze Buch in einem Rutsch lesen.
2.Danach schau dir unbedingt als erstes das Kapitel sechs an. Ein unglaublich wichtiges Kapitel für die Stärkung deines Selbstbewusstseins.
Wenn du die Übungen dieses Kapitels gemacht hast, dann wähle aus den Kapiteln sieben bis zwölf eines aus, das dir besonders am Herzen liegt.
Beginne mit einem Thema, das für dich nicht super schwierig ist, eher ein mittelschweres oder leichtes.
So machst du rascher Fortschritte und das motiviert dich, dich mit Elan an schwierigere Aufgaben heranzutrauen.
Befasse dich mit einem Thema (Kapitel) für dreißig Tage!
Übe in dieser Zeit, deine Selbstbewusstseinsmuskeln in diesem Bereich zu stärken. Erst wenn du das Thema eines Kapitels beherrschst, gehst du zum nächsten Thema.
Warum dreißig Tage? Weil es in der Regel dreißig Tage dauert, bis man eine Gewohnheit erfolgreich durch eine andere ersetzt hat. Also: So lange üben, bis dir das Gelernte in Fleisch und Blut übergegangen und es normal für dich ist.
3.Hab beim Lesen einen Marker zur Hand, um wichtige Textstellen hervorzuheben. Auf diese Weise findest du etwas schneller, wenn du es nachlesen möchtest. Auch bleibt dir dadurch das Gelesene besser haften!
Ich gebe dir in diesem Buch mein Wissen und meine Erfahrungen als Therapeut und als Mensch, der selbst ein geringes Selbstbewusstsein hatte, weiter. Weißt du, was sehr viele Menschen am Ende ihres Lebens bereuen? Sie bedauern, nicht den Mut gehabt zu haben, ihr Leben so zu leben, wie sie es sich wünschten. Stattdessen haben sie immer das getan, was andere von ihnen erwarteten.
Deshalb wünsche ich dir ganz viel Mut, dein Leben mehr nach deinen Vorstellungen zu leben und zu gestalten. Dabei wird dir dein gestärktes Selbstbewusstsein helfen, das du mit Hilfe meines Buches in kleinen Schritten erlangen kannst. Greif zu und bedien dich. Hab Spaß dabei, dein Selbstbewusstsein zu trainieren.
Viel Erfolg wünscht dir
Rolf Merkle
1Woran erkennt man selbstsicheres Verhalten?
Wenn du nicht dein Leben führst, dann tut es ein anderer für dich.
Geht es dir wie vielen Menschen, dass du Vorurteile gegenüber dem selbstbewusstem Auftreten hast? Das wohl größte Vorurteil gegenüber selbstsicherem Verhalten ist, dass es ein Mittel sei, um sich auf Kosten anderer durchzusetzen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Selbstsicheres Verhalten ist ein partnerschaftliches Verhalten. Es ist die Voraussetzung, um mit anderen Menschen eine offene und ehrliche Beziehung eingehen zu können. Wenn ich selbstbewusst bin, brauche ich keine Täuschungsmanöver, Tricks und Manipulationen, um für meine Rechte einzutreten. Andererseits erlaube ich anderen nicht, mich in meinen Rechten zu beschneiden.
Selbstsicher zu sein bedeutet, für sich, seine Rechte,
seine Bedürfnisse und Wünsche zu kämpfen
und die Rechte anderer zu respektieren.
Selbstsicheres Auftreten hat nichts damit zu tun, andere auszunutzen oder so zu manipulieren, dass diese nach unserer Pfeife tanzen. Es geht darum, sich ohne Hemmungen entfalten und die einem zustehenden Rechte in Anspruch nehmen zu können, ohne anderen dasselbe Recht zu verwehren! Wenn ich selbstsicher bin, habe ich die Wahl, ob ich mich durchsetzen oder nachgeben will. Selbstsicher zu sein bedeutet also, entscheiden zu können, wie ich mich verhalte.
Wenn ich mich dafür entscheide, nachzugeben, dann nicht, weil ich Hemmungen oder Ängste habe, sondern weil ich es will. Wenn ich mich dafür entscheide, selbstsicher aufzutreten, dann tue ich das ohne schlechtes Gewissen. Selbstsicher zu sein bedeutet in Kontrolle zu sein, selbstbestimmt zu leben.
Eigenschaften selbstsicherer Menschen
Selbstsichere Menschen
•wissen, dass sie für ihre Gefühle und ihr Verhalten verantwortlich sind,
•kennen ihre Wünsche und Bedürfnisse und können diese äußern,
•können nein sagen ohne Schuldgefühle,
•können Komplimente annehmen und machen,
•können Kritik äußern und mit Kritik umgehen (ohne eingeschnappt, verärgert oder verletzt zu sein),
•können sich (und anderen) Fehler und Schwächen zugestehen,
•können ungezwungen auf andere zugehen und Gespräche führen,
•können anderer Meinung sein und ihre Meinung sagen,
•können mit anderen über sich, ihre Gefühle, ihre Gedanken, und Erfahrungen sprechen, Gefühle (positive und negative) ausdrücken und kommunizieren; tragen also keine Maske und sind authentisch.
Deine Vorteile, wenn du selbstbewusst bist
Du hast weniger Streitereien mit deinem Partner.
Wenn ein Partner nicht selbstbewusst genug ist, dem anderen seine Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen, dann führt das zu Groll- und Ärgergefühlen gegenüber dem Partner. Auf Dauer belasten diese Gefühle die Partnerschaft. Es kommt zu Streitereien und Konflikten.
Du verspürst weniger Groll und Ärger.
Da du nein sagen kannst und dich von Forderungen anderer nicht mehr überrumpeln lässt, verspürst du weniger Ärger über dich (dass du nachgegeben hast) und weniger Ärger über andere (dass diese deine Gutmütigkeit oder Unsicherheit ausgenutzt haben).
Du wirst von anderen respektiert.
Wenn du selbstbewusst auftrittst, verschaffst du dir Respekt. Fußabtreter sind nicht besonders beliebt – außer vor der Wohnungstür.
Du hast weniger Angst und bist weniger gestresst.
Wenn du selbstbewusst bist, dann kannst du dich wehren, unberechtigte Forderungen ablehnen, Wünsche und Bedürfnisse äußern. Du machst dir weniger Stress und Sorgen, was andere von dir denken könnten. Du kannst besser mit Konflikten umgehen.
Du fühlst dich freier und lebst selbstbestimmt.
Du fühlst dich weniger hilflos und anderen ausgeliefert. Du lässt dich nicht mehr ausnutzen. Du hast das Gefühl, dein Leben im Griff zu haben. Das schenkt dir das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit. Du kannst gelassener durchs Leben gehen. Du kannst freier entscheiden, was du willst und was nicht.
Deine Selbstachtung wird gestärkt.
Wenn du selbstbewusst handelst, dann bist du auf dich stolz, bist mit dir und deinem Leben zufriedener – das wirkt sich positiv auf dein Selbstwertgefühl aus.
Sind es dir diese Vorteile wert, selbstsicherer zu werden?
Lohnt es sich für diese Vorteile, ein wenig Zeit und Energie zu investieren?
Hast du gerade genickt und ja gesagt? Prima. Los geht’s.
Im nächsten Kapitel schauen wir uns an, warum wir Hemmungen haben und uns schwertun, selbstbewusst aufzutreten.
2Warum sind wir schüchtern und unsicher?
Unersättliche Sehnsucht nach Anerkennung macht dich von der Anerkennung anderer abhängig.
Ist dir schon einmal aufgefallen, mit welcher Selbstverständlichkeit, Natürlichkeit und Unbefangenheit viele kleine Kinder auf andere Menschen zugehen, diese anlächeln oder ein Gespräch beginnen? Ein kleines Kind fällt nicht in eine Depression, wenn ein anderes Kind nicht mit ihm spielen will. Es ärgert sich nicht tagelang über etwas. In Sekundenschnelle hat es den Vorfall vergessen und ist wieder mit etwas anderem beschäftigt. Es ist nicht nachtragend, wenn ihm ein Erwachsener etwas abschlägt.
Und wie geht es uns Erwachsenen? Was für ein Drama machen wir, wenn ein anderer uns ablehnt. Wie oft laufen wir tagelang mit einem langen Gesicht herum, wenn uns eine Laus über die Leber gelaufen ist. Wie schwer tun wir uns, auf andere zuzugehen, diese anzulächeln und anzusprechen. Wie viele Ängste und Skrupel haben wir bei dem Gedanken, jemandem eine Bitte abzuschlagen oder jemanden um etwas zu bitten? Wie lange zögern wir, bis wir endlich unsere Meinung äußern?
Warum sind wir so geworden? Wo sind die Unbefangenheit und die Natürlichkeit geblieben, mit denen wir uns früher so unbeschwert und selbstsicher bewegt haben? Welche Erfahrungen haben dein und mein einstmals natürliches Selbstbewusstsein zerstört und uns in unsichere und schüchterne Menschen verwandelt? Die Antwort lautet: Wir sind schüchtern, weil wir als Kinder öfter durch Androhung von Liebesentzug eingeschüchtert wurden. Dadurch haben wir eine Angst vor Ablehnung entwickelt.
Angst vor Ablehnung
Durch diese Angst lassen sich Menschen davon abhalten, selbstsicher aufzutreten. Würden wir der Angst, abgelehnt zu werden, nicht erlauben, uns einzuschränken, dann könnten wir uns frei entfalten und ein erfülltes Leben führen.
Beachte bitte: Ich sage nicht, dass diese Angst dafür verantwortlich ist, dass wir Hemmungen haben. Es ist vielmehr so, dass wir uns durch diese Angst lähmen lassen und ihr erlauben, über unser Verhalten zu bestimmen. „Was wird er/sie von mir denken?“ Diese Frage beschäftigt Tag für Tag Millionen Menschen. Diese Frage und die unausgesprochene Antwort darauf hält uns oftmals davon ab, selbstsicher aufzutreten und unsere Bedürfnisse und Wünsche anderen mitzuteilen. „Was wird sie von mir denken, wenn ich sie anspreche?“ „Was wird er von mir denken, wenn ich ihm sage, dass ich keine Lust habe, mit ihm auszugehen?“ Was wird die Verkäuferin von mir denken, wenn ich, ohne etwas zu kaufen, wieder gehe?“ „Was wird der Chef von mir denken, wenn ich ihm sage, dass ich keine Überstunden machen will?“ „Was wird der Kellner denken, wenn ich ihm sage, dass es nicht geschmeckt hat?“ „Was wird der Bekannte von mir denken, wenn ich nicht zu seinem Fest gehe?“ „Was wird mein Freund von mir denken, wenn ich ihm kein Geld leihe?“ Die Antwort auf diese Fragen ist immer: „Sie (die anderen) werden schreckliche Dinge über mich denken, und das wäre furchtbar. Das könnte ich nicht ertragen.“
Hinter diesen Fragen steckt also die Angst, von anderen abgelehnt zu werden bzw. die Angst, dass diese Ablehnung schlimme Folgen für uns haben könnte.
Wenn du vor jemandem Angst hast,
dann gibst du ihm Macht.
Gefühlsmäßig empfinden wir eine Ablehnung als ein Todesurteil. Wir fühlen uns so, als wäre eine Ablehnung gleichbedeutend mit einem vernichtenden Urteil über unser Leben, so, als wäre das unser Ende. Wir tun so, als könnten wir nicht mit einer Ablehnung und Zurückweisung leben. Dieses Gefühl, eine Ablehnung nicht überleben zu können, rührt von unserer Kindheit her, in der die Ablehnung durch unsere Eltern tatsächlich etwas sehr Bedrohliches war. Wir waren damals nicht in der Lage, ohne unsere Eltern leben zu können. Wir waren auf sie angewiesen und darauf, dass sie für uns sorgten.