Freiheit und ihre Dialektik

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»Index für den Vorrang des Objekts ist die Ohnmacht des Geistes in all seinen Urteilen wie bis heute in der Einrichtung der Realität. Das Negative, daß dem Geist mit der Identifizierung die Versöhnung mißlang, daß sein Vorrang mißriet, wird zum Motor seiner eigenen Entzauberung.«

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 Indem in immanenter Kritik am Idealismus der Übergang zum Vorrang des Objekts begründet wird, wendet sich Dialektik materialistisch: Die Entzauberung des Geistes führt nicht zu seiner ›Ableitung‹ aus der Materie, sondern zur Reflexion des inwendig dialektischen Verhältnisses von Geist und Materie.



Der Erfahrungsgehalt, welchen Philosophie ausdrückt, ist der der gesellschaftlichen Objektivität. Daher ist es unverzichtbar, das Wesen der bürgerlichen Gesellschaft zu bestimmen.






II.3 Das Subjekt des kapitalistischen Produktionsprozesses



II.3.1 Das widersprüchliche Wesen der bürgerlichen Gesellschaft





Mit der Marx’schen Kritik der politischen Ökonomie wurde das Wesen der bürgerlichen Gesellschaft

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 als ein durch einen Widerspruch sich setzendes und reproduzierendes Verhältnis erklärt. Kapital ist sich verwertender Wert und ist nur im beständigen Prozess seiner Selbstverwertung Kapital. Um sich zu verwerten, greift das Kapital auf dasjenige zu, was nicht Kapital ist: die lebendige Arbeit, um sich durch deren Anwendung Mehrwert einzuverleiben. Kapital ist somit bestimmt als Einheit von Kapital und Nicht-Kapital, und zwar als eine solche, die nur in der Einheit von Produktions- und Zirkulationsprozess sich erhält. Das Kapitalverhältnis, die Verwertung des Werts, ist zum Motor der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft geworden. Die Marx’sche Analyse zeigt, dass die Kernstruktur der Gesellschaft in den Bewegungen der gesellschaftlichen Oberfläche erscheint, Wert nicht ohne seine Erscheinung im Tauschwert ist, jedoch »alle Wissenschaft überflüssig , wenn die Erscheinungsform und das Wesen der Dinge unmittelbar zusammenfielen.«

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 Der Idealismus in der Gesellschaft besteht darin, dass eine Abstraktion zum Realsten wird. Der Idealismus ist daher nicht kurzerhand nominalistisch als Fehler der Philosophie zu kritisieren, sondern als eine mit der universellen Durchsetzung des Kapitalverhältnisses installierte Grundlage gesellschaftlicher Produktion zu dechiffrieren. Die Abstraktion ›Wert‹, also geronnene ›abstrakt-menschliche Arbeit‹, ist zum die Menschheitsgeschichte beherrschenden Subjekt geworden. Totalität ist daher keine verzichtbare Kategorie in einer Gesellschaftstheorie. Das Kapitalverhältnis hat eine solche gesellschaftliche Totalität hergestellt, worauf Adorno insbesondere im Kontext seiner Kritik am Positivismus aufmerksam macht: »Insofern ist sie das Allerwirklichste. Weil sie aber der Inbegriff des gesellschaftlichen Verhältnisses der Individuen untereinander ist, das gegen die Einzelnen sich abblendet, ist sie zugleich auch Schein.«

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Die Begründung Adornos dafür, dass Gesellschaft nicht zu erkennen ist, ohne Begriffe der philosophischen Tradition zu verwenden, dass zwischen den Erscheinungen von gesellschaftlichen Einzelfakten und dem Wesen der Gesellschaft zu unterscheiden ist, und dass weder Einzelfakten noch Wesen begriffen werden können, werden sie nicht aufeinander bezogen,

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 verweist auf Marx’sche Bestimmungen des Kapitals.

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 Für den Begriff des Kapitals und dessen Nähe zur Hegel’schen Philosophie wird der Marx’sche Begriff des ›automatischen Subjekts‹ häufig als zentral angesehen. Insgesamt ist festzustellen, dass Marx den Begriff des Subjekts im

Kapital

 und in seinen ökonomischen Schriften auf das Kapitalverhältnis bezieht und damit an den Geistbegriff Hegels kritisch anknüpft. Marx stellt im vierten Kapitel des ersten Bandes des

Kapital

 den Übergang von Geld in Kapital und damit den ersten Begriff des Kapitals als sich selbst verwertender Wert dar: »Er geht beständig aus der einen Form in die andre über, ohne sich in dieser Bewegung zu verlieren und verwandelt sich so in ein automatisches, in sich selbst prozessirendes Subjekt.«

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 Die Frage, die Marx beantworten will, ist, wie es zum Mehrwert kommt. Dieser ist bereits hier mit dem Begriff des Werts verknüpft: Aus dem Warentausch ergibt sich die Reihe G-W-G’, also der Tausch von Geld gegen Ware zum Zweck, mehr Geld zu bekommen. Doch woher dieses G’, also das Mehr an Wert kommt, kann aus der Analyse des Warentausches nicht erklärt werden. Damit ist für Marx auch der Begriff des Wertes nicht erklärt, sondern erst noch zu entwickeln. Wert, begriffen als abstrakt menschliche Arbeit

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, erklärt noch nicht die Realität dieses Wertes, der hier zunächst als Abstraktion bestimmt ist. Die Realität dieser Abstraktion aber setzt die Realität der Lohnarbeit voraus, setzt also voraus, dass das abstrakte Vermögen zu einer Ware wird, der Ware Arbeitskraft, die dann vom Arbeiter veräußert und vom Kapitalisten gekauft wird. Diese Ware muss in der Zirkulationssphäre verkauft und von einem Geldbesitzer gekauft werden, damit sie sich verwirklichen kann und zugleich damit aus dem Geld auf der anderen Seite Kapital wird. Das Kapital produziert das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital und macht dadurch diese Abstraktion wirklich. Die Wirklichkeit des abstrakten Arbeitsvermögens (die Befreiung des Arbeiters von allen Konsumtions- und Produktionsmitteln) wird durch diese Reproduktion des Kapitalverhältnisses hergestellt. »Der Arbeiter selbst produziert daher beständig den objektiven Reichtum als Kapital, ihm fremde, ihn beherrschende und ausbeutende Macht, und der Kapitalist produziert ebenso beständig die Arbeitskraft als subjektive, von ihren eignen Vergegenständlichungs- und Verwirklichungsmitteln getrennte, abstrakte, in der bloßen Leiblichkeit des Arbeiters existierende Reichtumsquelle, kurz den Arbeiter als Lohnarbeiter. Diese beständige Reproduktion oder Verewigung des Arbeiters ist das sine qua non der kapitalistischen Produktion.«

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 Im Abschnitt »Widersprüche der allgemeinen Formel« zeigt Marx, dass der Mehrwert weder aus der Zirkulation noch nicht aus der Zirkulation entspringen kann. Ohne den Markt ist Kapital nicht möglich, aber durch den Markt ist Kapital nicht zu erklären. »Kapital kann also nicht aus der Zirkulation entspringen, und es kann ebensowenig aus der Zirkulation nicht entspringen. Es muß zugleich in ihr und nicht in ihr entspringen.«

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 Das »automatische Subjekt« ist als Substanz des gesellschaftlichen Produktionsprozesses benannt, jedoch ist seine Erklärung an dieser Stelle noch offen.

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Der sich verwertende Wert wird als gesellschaftliches Subjekt beschrieben, das sich im Wechsel zwischen seinen Formen Geld und Ware als Wert erhält und selbst verwertet. Als »eine prozessierende, sich selbst bewegende Substanz, für welche Ware und Geld beide bloße Formen« darstellen, tritt der Wert weiter »sozusagen in ein Privatverhältnis zu sich selbst. Er unterscheidet sich als ursprünglicher Wert von sich selbst als Mehrwert, als Gott Vater von sich selbst als Gott Sohn«.

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 Die Bestimmung des Kapitals lehnt in der ersten, aus der Analyse der Zirkulationssphäre hervorgehenden Erklärung sich ausdrücklich an metaphysische Begriffe und an den Begriff des Subjekts bei Hegel an.

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 Die zentralen Begriffe der klassischen deutschen Philosophie werden von Marx aufgegriffen, um den Reproduktionsprozess des Kapitals zu beschreiben und zu erklären – und damit zeigt Marx ihre Aufhebung und Verwirklichung in der Wirklichkeit der bürgerlichen Gesellschaft auf. Das Subjekt ›Wert‹ wird von Marx aber nicht als zu sich kommender Zweck der Geschichte affirmiert

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. Vielmehr legt er offen, dass, wenn dieses Subjekt ›Wert‹ in seinen Grund zurückkehrt und der Theoretiker dies mit Hegel begreift als Rückgang in die Exposition des Begriffs, dieser Grund nicht – wie bei Hegel – Freiheit als ein geistiges Prinzip ist, sondern die gewaltsame Unterordnung der lebendigen Arbeit unter das Kapital voraussetzt und reproduziert, was gerade der Freiheit widerspricht. Der Wert als »Gott Vater« ist von dem Mehrwert als »Gott Sohn« der Form nach nicht unterschieden – der Mehrwert scheint Schöpfung des vorgeschossenen Wertes und dessen Ebenbild zu sein –, doch handelt es sich bei der Schöpfung von Mehrwert nicht um einen göttlichen, ideellen Akt, sondern um einen die Physis der menschlichen Subjekte betreffenden Prozess der Herrschaft über die Arbeit. Die Identität von Wert und Mehrwert als Kapital stellt sich nur vermittelt über die Nichtidentität – die lebendige Arbeit – her. Es ist nicht der Tausch von gegebenen Waren, der das Geheimnis des Werts dar- und den gesellschaftlichen Zusammenhang als »Geltungsverhältnis« herstellte, wie u. a. Michael Heinrich meint

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, sondern die Herrschaft des Kapitals über die lebendige Arbeit und des Prinzips der Verwertung des Werts über den gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozess. Kapital ist »vergegenständlichte Arbeit als Herrschaft, Kommando über lebendige.«

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 Damit ist das sich zum Subjekt des gesellschaftlichen Produktionsprozesses setzende Prinzip als ein herrschaftliches entschlüsselt, und zwar als ein solches, das diese Herrschaft der toten Arbeit (des Werts) über die lebendige mit der fortschreitenden Akkumulation des Kapitals reproduziert und verstetigt. »Vergangene Aneignung fremder Arbeit erscheint jetzt als die einfache Bedingung für neue Aneignung fremder Arbeit«.

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Arbeit als schöpferische Tätigkeit sich Zwecke setzender und vernunftbegabter Wesen ist eine Äußerung der Freiheit der Menschen. Und als solche wird sie auch in der klassischen deutschen Philosophie aufgefasst. Die Arbeit unter dem Kapital als Einheit von Arbeits- und Verwertungsprozess ist aber die Unterordnung der Arbeiter unter einen nicht von ihnen, sondern vom Kapital gesetzten Zweck. Die Arbeit vollzieht sich unter der Kontrolle des Kapitalisten, und das Produkt der Arbeit gehört nicht dem Arbeiter, sondern fällt dem Kapital zu. So steckt im Begriff des Subjekts, wenn dieses der sich selbst verwertende Wert geworden ist, auch die Freiheit, wie sie sich gesellschaftlich verwirklicht. Hier schließt Marx an Hegel insofern an, als dass Subjektivität und damit die Freiheit der Einzelnen nicht ohne den Begriff der gesellschaftlichen Totalität zu formulieren ist. Dies hat Konsequenzen für die philosophischen Begriffe selbst, die, wie Marx im Anschluss an Hegel zeigte, auf ihre Verwirklichung in der bürgerlichen Gesellschaft bezogen werden müssen. Der Begriff des Subjekts ist zu beziehen auf die gesellschaftliche Struktur von Subjektivität (den ›Geist‹ der Gesellschaft), womit für Hegel der Übergang von der Sphäre der subjektiven Moral zur Sittlichkeit

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 zu bezeichnen wäre. Kritische Theorie bezieht daher die philosophischen Begriffe auf die Gestalt ihrer Verwirklichung in der Gesellschaft und knüpft insofern an Hegel an, als Philosophie nicht mehr in einer jenseitigen Sphäre anzusiedeln ist.

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 »Die Einheit des Daseins und des Begriffs, des Körpers und der Seele ist die Idee. Sie ist nicht nur Harmonie, sondern vollkommene Durchdringung. Nichts lebt, was nicht auf irgendeine Weise Idee ist.«

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II.3.2 Erscheinungen des Subjekts ›Wert‹ im unmittelbaren Produktionsprozess





Im

Kapital

 zeigt Marx, dass sich der Wert in seinen verschiedenen ökonomischen Formbestimmungen zum Subjekt in der bürgerlichen Gesellschaft macht, woran Adorno anknüpft, wenn er den »Vorrang der Totale über die Erscheinungen« hervorhebt, ein Vorrang, welcher »in der Erscheinung zu greifen« ist.

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 Dieser Vorrang ist folglich nicht bloß ein Schein und auch kein flatus vocis, weshalb es eine Antinomie in der Metaphysikkritik

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 gibt, sondern die real die Einzelnen in der bürgerlichen Gesellschaft beherrschende Macht. Deshalb ist die Metaphysik zu kritisieren, aber zugleich nicht einfach zu verwerfen. Dieser von Adorno als »Vorrang der Totale« bezeichnete Herrschaftszusammenhang offenbart sich in verschiedenen Erscheinungen vom Produktionsprozess bis in die Fetisch-Erscheinungen der Zirkulationssphäre. Das Subjekt der Geschichte ist im Kapitalismus eine über den Menschen stehende Macht, die durch die Unterordnung von Mensch und Natur fortschreitet und sie seiner Herrschaft unterwirft.



Im kapitalistischen Produktionsprozess erscheint das Subjekt des sich selbst verwertenden Werts in der Herrschaft der Arbeitsbedingungen und -mittel über die lebendige Arbeit. In der »automatischen Fabrik«, so Marx, erscheint die Maschine als Subjekt des Produktionsprozesses und die Arbeiter dagegen als der Maschinerie einverleibte Organe.

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 »In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus unabhängig von ihnen , und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt.«

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 Und weiter: »Durch seine Verwandlung in einen Automaten

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 tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem Arbeiter als Kapital gegenüber, als tote Arbeit, welche die lebendige Arbeit beherrscht und aussaugt.«

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 Dadurch dass sich das Kapital zu einem »automatische Subjekt« entwickelt hat und der Arbeitsprozess insgesamt dem Verwertungsprozess unterworfen ist, erscheint die Herrschaft des Werts als eine der Maschinen über die Arbeiter. Folglich ist es keineswegs »der Zweck der kapitalistisch verwandten Maschinerie«, die Arbeit für die Arbeiter zu erleichtern. »Gleich jeder andern Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit soll sie Waren verwohlfeilern und den Teil des Arbeitstags, den der Arbeiter für sich selbst braucht, verkürzen, um den andern Teil seines Arbeitstags, den er dem Kapitalisten umsonst gibt, zu verlängern. Sie ist Mittel zur Produktion von Mehrwert.«

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 Dieser Zweck ist gesetzt mit der Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise und er wird stets aufs Neue und auf erweiterter Stufenleiter gesetzt. Der Wert bemächtigt sich des Produktionsprozesses und der in diesem agierenden Individuen. Diese Herrschaft des Werts als sich verwertender und Mehrwert erzielender Wert stellt sich auch hier als eine Herrschaft von Dingen dar, die Menschen werden zu »Anhängseln der Maschine«

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. Daher bekämpften seit der Einführung der Maschinerie in den kapitalistischen Produktionsprozess die Arbeiter die Maschinen, die ihnen als Konkurrenz erschienen, da ihr Zweck eben nicht die Verkürzung und Erleichterung ihrer Arbeit war, sondern die Verkürzung der notwendigen Arbeit zur Ausdehnung der Mehrarbeit: »Es bedarf der Zeit und der Erfahrung, bevor der Arbeiter die Maschinerie von ihrer kapitalistischen Anwendung unterscheiden und daher seine Angriffe vom materiellen Produktionsmittel selbst auf dessen gesellschaftliche Exploitationsform übertragen lernt.«

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Das von Marx zunächst in der abstrakten und unzureichenden Form

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 des sich verwertenden Werts oder des G-G’ beschriebene Subjekt des kapitalistischen Produktionsprozesses erscheint im unmittelbaren Produktionsprozess als Kommando über die Arbeit, als Herrschaft der Maschinen oder der Vorgesetzten über die lebendige wertsetzende Arbeit. Hier wird auch der Begriff der »abstrakt menschliche Arbeit«

121

 als Substanz des Werts bestimmt. Die Grundlage des Werts ist die dem Kapital einverleibte und ihm subsumierte Arbeit, welche sich nur durch diese Subsumtion verwirklichen kann. Die Grundlage des Werts setzt also die kapitalistische Produktion von Mehrwert, den Kauf und die Anwendung der Ware Arbeitskraft durch das Kapital voraus.



Zu Recht warnt u. a. Heinrich in seiner Einführung in die Kritik der politischen Ökonomie davor, »abstrakte Arbeit« mit einer bestimmten Form konkreter Arbeit, etwa Fließbandarbeit zu verwechseln.

122

 Daraus zieht er jedoch fälschlich den Schluss, dass abstrakte, wertbildende Arbeit eine bloße Abstraktion sei, die im Tausch entstehe. Deswegen fasst Heinrich abstrakte Arbeit als ein »

Geltungsverhältnis

« auf, welches sich in den Tauschrelationen bilde: »Abstrakte Arbeit ist ein im Tausch konstituiertes

Geltungsverhältnis

: Im Tausch

gilt

 die verausgabte konkrete Arbeit als ein bestimmtes Quantum Wert bildender abstrakter Arbeit und damit auch als Bestandteil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit.«

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 Zwar ist »individuell verausgabte Arbeitszeit« nicht zugleich »gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit« und damit nicht zwangsläufig wertbildende Arbeitszeit. Aber nur solche Arbeit, die unter dem Kommando des Kapitals verausgabt wird und damit schon im Prozess der Arbeit, der gesellschaftlicher Stoffwechsel mit der Natur ist, ist wertbildend und damit produktiv.

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 Als bloßes »

Geltungsverhältnis

« erscheint der Wert in der Zirkulationssphäre, wodurch aber seine objektive Grundlage, die die bürgerliche Gesellschaft bestimmende Verwertung des Werts, nicht erklärt werden kann. Heinrich argumentiert subjektiv-idealistisch, wenn er den Wert aus der sich im Tausch herstellenden Relation zu erklären versucht (auch wenn dabei betont wird, dass dieses Tun den Akteuren unbewusst bleibt), ohne eine objektive Grundlage dieser Relation zugrunde zu legen.

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Marx hält dagegen fest: »Die wirkliche Wissenschaft der modernen Ökonomie beginnt erst, wo vom Circulationsproceß zum Productionsproceß übergegangen wird.«

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 Heinrich u. a. versuchen in Abgrenzung zu arbeitswerttheoretischen Bestimmungen des Werts diesen durch seine Erscheinungsweise im Tausch zu bestimmen. Damit würde der Wert aber letztlich als ein Anerkennungsverhältnis gefasst. Marx weist dagegen nach, dass sich im Tausch die Waren als Werte aufeinander beziehen, und dass dem Tauschwert, der sich in der Relation des Tausches zeigt, eine Wertsubstanz zugrunde liegt. »Sie beziehn sich damit zugleich auf die abstrakte menschliche Arbeit als ihre

gemeinsame gesellschaftliche Substanz

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 Diese gemeinsame gesellschaftliche Substanz kann nicht aus dem Tausch entspringen, sondern muss vorausgesetzt werden, um Waren als äquivalente Wertdinge in Relation zueinander setzen zu können.

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Dieses die Individuen tatsächlich beherrschende Subjekt des kapitalistischen Reproduktionsprozesses erscheint darin, dass es sich in der Konkurrenz und damit vermittelt in den Handlungen der einzelnen Subjekte durchsetzt. Die Kapitalverwertung erscheint als Geld, das zu mehr Geld wird. Dies zeigt sich im Bewusstsein der Akteure als die Notwendigkeit der Steigerung der Profitrate, in welcher Form des Mehrwerts

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 wiederum ihr Ursprung erloschen zu sein scheint. »Die Art, wie mittelst des Uebergangs durch die Profitrate der Mehrwerth in die Form des Profits verwandelt wird, ist jedoch nur die Weiterentwicklung der schon während des Productionsprocesses vorgehenden Verkehrung von Subjekt und Objekt. Schon hier sahen wir wie sämmtliche gesellschaftliche Productivkräfte der Arbeit sich als Productivkräfte des Capitals darstellen.«

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Insofern ist der kapitalistische gesellschaftliche Produktions-und Reproduktionsprozess als Prozess eines Subjekts im Anschluss an Hegel zu fassen: »Die wahre Form der Wirklichkeit muß als Subjekt begriffen werden«.

131

 Subjektivität ist für Hegel ein Prinzip des Zugriffs auf die Wirklichkeit und ist mit Freiheit verknüpft. Marcuse weist darauf hin, dass ›Subjekt‹ bei Hegel als logische Kategorie »eine allgemeine Struktur , die am besten durch den Begriff ›Geist‹ charakterisiert werden könnte.«

132

 Für Hegel ist der Geist das Subjekt des fortschreitenden Prozesses der Geschichte. Dieser ist als sich selbst setzend und verwirklichend das Prinzip der Freiheit, welches sich historisch verwirklicht. Nur dem Geist kommt Hegel zufolge Freiheit zu.

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 Damit löst Hegel das aus der Subjektphilosophie der Aufklärung entstehende Problem, wie die Vernunft der Subjekte in einer unvernünftigen Welt verwirklicht sein soll, so auf, dass die Vernunft in die Welt gelegt wird.

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Das die bürgerliche Gesellschaft und die Subjekte in der bürgerlichen Gesellschaft beherrschende Prinzip ist die Verwertung von Wert. Wert, der auf Mehrwert zielt, bildet den widersprüchlichen Begriff des Kapitals als Einheit von Kapital und Lohnarbeit. Marx zeigte, dass dieses ›automatische Subjekt‹

135

 durch seinen repressiven Zugriff auf die lebendige Arbeit sich verwertet, und zwar durch die Einverleibung dessen, was nicht Kapital ist, ist das Kapital in seiner Bewegung überhaupt erst Kapital. Daher ist es, um den Begriff des Kapitals zu entwickeln, nötig, »nicht von der Arbeit, sondern vom Wert auszugehn, und zwar von dem schon in der Bewegung der Zirkulation entwickelten Tauschwert.«

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 Das entwickelte Kapital ist damit als Grund in der Darstellung des Tauschwerts vorausgesetzt; es ist als Resultat der Bewegung des Tauschwerts und zugleich als dessen Grund aufzufassen.

137

 »Die erste Bestimmung des Kapitals ist also die: daß der aus der Zirkulation herstammende und sie daher voraussetzende Tauschwert sich in ihr und durch sie erhält; sich nicht verliert, indem er in sie eingeht; sie nicht als die Bewegung seines Verschwindens, sondern vielmehr als Bewegung seines wirklichen Sichsetzens als Tauschwert, die Realisierung seiner als Tauschwert ist.«

138

 Der Wert realisiert sich dadurch, dass er sich als Tauschwert in eine unendliche Bewegung setzt.



Marx und in der Folge die kritische Theorie nehmen den Wert als idealistisches Subjekt nicht hin und affirmieren ihn nicht als geistiges Prinzip, sondern kritisieren gerade dieses Substanz-Subjekt ›Wert‹, welches sich mit sich identisch setzt, sich reproduziert und so zum die Menschheitsgeschichte bestimmenden Subjekt wird. Die Darstellung, dass das Kapital zum Hegel’schen Substanz-Subjekt wird, ist Kritik sowohl am gesellschaftlichen Produktionsverhältnis als auch am Idealismus der Hegel’schen Philosophie. Folglich lassen sich Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft und Kritik an der idealistischen Philosophie nicht voneinander trennen. Hegel löst die Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft nicht auf, sondern konstruiert eine Versöhnung in einem über der Gesellschaft stehenden sittlichen Staat

139

, welcher allerdings die Funktion hat, die Gesellschaft – mit ihren Momenten der Sittlichkeit – aufrechtzuerhalten. Der Vernunft-Staat bei Hegel wird laut Adorno zum Abbruch der Dialektik, worin sich der Idealismus manifestiert. Marx zeigt die notwendigen Widersprüche in der bürgerlichen Gesellschaft auf und erklärt, warum diese notwendig produziert werden. Das Kapital, »wie es unmittelbar in der Zirkulationssphäre erscheint«

140

, nämlich als Geld, das zugleich mehr Geld ist, wird von Marx als in sich widersprüchlich begriffen. Als Grund für den Widerspruch erkennt Marx, dass das Kapital immer erneut das Kapitalverhältnis und damit das es konstituierende Herrschaftsverhältnis reproduziert.

 



Arbeit ist Stoffwechsel mit der Natur, den der Mensch zweckgerichtet vollzieht. »Nicht daß er nur eine Formveränderung des Natürlichen bewirkt; er verwirklicht im Natürlichen zugleich seinen Zweck, den er weiß, der die Art und Weise seines Tuns als Gesetz bestimmt und dem er seinen Willen unterordnen muß.«

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 Im Arbeitsprozess verwirklicht sich der Mensch als Zwecke setzendes Subjekt. Der Wille muss sich äußern können und dazu die menschliche Willkür auf Gegenstände zugreifen können. Die klassische deutsche Philosophie leitete daraus als die für die Realisierung der bürgerlichen Freiheit vernünftig begründete Notwendigkeit das Privateigentum ab

142

, wogegen Marx zeigt, dass in dieser Bestimmung der Freiheit des Subjekts der Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise enthalten ist, denn die im Privateigentum an Produktionsmitteln sich verwirklichende bürgerliche Freiheit setzt die Unfreiheit der Produzenten.



Der Arbeitsprozess ist in seiner abstrakten Form (mit ›abstrakte Form‹ ist hier der Arbeitsprozess gemeint, abstrahierend von jeder bestimmten gesellschaftlichen Form) betrachtet zweckmäßige Tätigkeit, durch welche der Mensch die Natur verändert und sich aneignet. Konkret ist der Arbeitsprozess in der bürgerlichen Gesellschaft aber zugleich Verwertungsprozess des Kapitals, »Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten«

143

. Die Arbeit verwirklicht sich unter der Kontrolle und unter der Zwecksetzung des Kapitals und die arbeitenden Subjekte ordnen ihren Willen diesem Zweck unter.

Nun

 erscheint der Arbeitsprozess als »Prozeß zwischen Dingen, die der Kapitalist gekauft hat, zwischen ihm gehörigen Dingen. Das Produkt dieses Prozesses gehört ihm daher ganz ebensosehr als das Produkt des Gärungsprozesses in seinem Weinkeller.«

144

 Als wertbildend ist die Arbeit unter dem Kapital durch den Zweck des ›automatischen Subjekts‹ bestimmt. »Der Arbeitsproceß erscheint so als

Selbstverwerthungsproceß

 der vergegenständlichten Arbeit vermittelst der lebendigen Arbeit. Das

Capital

 wendet den

Arbeiter

 und nicht der

Arbeiter

 das

Capital

 an, und nur

Sachen, die den Arbeiter anwenden

, die daher im Capitalisten

Selbstigkeit

, eignes Bewußtsein und eignen Willen besitzen, sind

Capital

145



Es ist der spezifische Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft, Quelle von Wert zu sein – und zwar Quelle von mehr Wert, als zur Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist –, weshalb das Kapital den Tauschwert der Ware Arbeitskraft zahlt und gleichwohl ein Plus macht.



Es ist Teil der Freiheit des Menschen, dass er durch Arbeit Zwecke realisieren kann, was bedeutet, dass er in der Lage ist, Mehrprodukt zu schaffen und nicht nur die Subsistenz zu sichern. Diese naturgegebene Fähigkeit menschlicher Arbeit ist notwendige Bedingung, aber nicht zureichender Grund für die Produktion von Mehrwert unter dem Kapitalverhältnis. Die Existenz des doppelt freien Lohnarbeiters, der sein von den Verwirklichungsbedingungen abstrahiertes Arbeitsvermögen auf dem Markt verkaufen muss, auf der einen Seite und die Existenz eines Geld- und Produktionsmittelbesitzers, der dieses abstrakte Arbeitsvermögen

als Ware

 kauft und sie anwendet, auf der anderen Seite sind die notwendigen Voraussetzungen dafür, dass die Arbeit zur Quelle von Mehrwert wird. »Der Wert der Arbeitskraft und ihre Verwertung im Arbeitsprozeß sind zwei verschiedne Größen. Diese Wertdifferenz hatte der Kapitalist im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte. Ihre nützliche Eigenschaft, Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine conditio sine qua non, weil die Arbeit in nützlicher Form verausgabt werden muß, um Wert zu bilden. Was aber entschied, war der spezifische Gebrauchswert dieser Ware, Quelle von Wert zu sein und von mehr Wert, als sie selbst hat.«

146

 Die Verwirklichung der Arbeit als produktive Arbeit fällt so unter das Kapital und nützliche, Gebrauchswerte schaffende Arbeit betätigt sich nur unter der Bedingung, dass sie zugleich als abstrakte Arbeit Mehrwert bildet.

147



Durch diese Anwendung der Arbeitskraft durch