Loe raamatut: «Dangerous Encounter»
Sarah Glicker
Dangerous Encounter
Welcome to New York
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Inhaltsverzeichnis
Titel
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Impressum neobooks
1
Sarah Glicker
Dangerous Encounter
Welcome to New York
Sarah Weber
Alter Postweg 31a
48477 Hörstel
Copyright by Sarah Weber
Alle Rechte vorbehalten!
Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der offiziellen schriftlichen Genehmigung der Autorin!
„Als du vor Jahren verkündet hast, dass du in Cleveland studieren wirst, habe ich es nur als eine Art Aufschub angesehen“, eröffnet meine Mutter Jennifer mir, als ich meinen letzten Karton zum Anhänger trage und ihn darin verstaue.
Schnell verschließt mein Vater die Klappe und dreht sich zu mir herum.
„Wieso?“, erkundige ich mich. Dabei bedenke ich sie mit einem Blick, der ihr zu verstehen gibt, dass ich keine Ahnung habe, wovon sie spricht.
„Ich dachte mir, dass du es dir vielleicht anders überlegst und nicht mehr nach New York gehen willst. Schließlich kannst du hier wunderbar dir eine Karriere aufbauen. Hier gibt es auch massenhaft gute Jobs.“ Ein wenig hört es sich so an, als würde meine Mutter schmollen. Doch ich kenne sie gut genug um zu wissen, dass das nicht der Fall ist.
In der nächsten Sekunden zuckt sie mit den Schultern und sieht mich unschuldig an, sodass ich lachen muss.
Ich bin zwar nur ihre Adoptivtochter, doch Jennifer und Todd haben mich immer wie ihre eigene Tochter behandelt. Auch dann, als sie noch ein Baby bekommen haben. Sie haben nie einen Unterschied zwischen uns gemacht und mir immer das Gefühl gegeben, dass ich zur Familie gehöre und dafür bin ich ihnen dankbar.
Sie haben mir ein Zuhause gegeben, als ich es dringend benötigt habe.
Dennoch ist immer dieser eine Wunsch in mir gewesen. Von dem Augenblick an, in dem ich erfahren habe, dass ich adoptiert wurde, konnte ich ihn nicht ignorieren. Am Anfang habe ich noch gedacht, dass er irgendwann verschwinden wird, wenn ich älter werde. Doch in den letzten Jahren ist er größer geworden und hat mich nicht mehr losgelassen.
Ich habe davon geträumt, meine leiblichen Eltern zu treffen. Mir ging es nie darum, eine zweite Familie zu haben. Genauso wollte ich mich auch nie von meinen Adoptiveltern abwenden.
Ich will nur erfahren, ob ich ihnen ähnlich sehe oder ob sie die gleichen Charakterzüge haben wie ich. Von diesem Tag an habe ich davon geträumt, mich ein einziges Mal mit ihnen zu unterhalten.
Und als ich erfahren habe, dass ich gebürtig aus New York stamme, stand für mich fest, dass ich dorthin gehen werde, sobald ich mit dem Studium fertig bin.
Zuerst hatte ich Angst davor, Jennifer und Todd von meinen Plänen zu berichten. Es kam mir vor, als würde ich ihnen in den Rücken fallen oder sie verraten, nach allem, was sie für mich getan hatten. Doch als ich endlich den Mut gefunden hatte und mit der Sprache herausgerückt bin, hatte sich herausgestellt, dass meine Befürchtungen unbegründet waren.
Die beiden konnten es verstehen und haben mich bei dem Wunsch unterstützt. Alle Informationen, die sie noch hatten, auch wenn es nicht viele waren, haben sie mir gegeben.
Sie sieht mich mit einem wehleidigen Blick an, bevor sie mich für eine feste Umarmung an sich zieht.
„Melde dich regelmäßig bei uns, damit wir uns keine Sorgen machen müssen. Ich will mir nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob dir vielleicht etwas geschehen ist. Und gebe uns auch Bescheid, wenn du sie gefunden hast. Ich würde gerne auch einmal mit ihr sprechen. Von Mutter zu Mutter.“ Sie zwinkert mir vielsagend zu.
„Werde ich machen.“
Einen Moment sieht sie mich nachdenklich an.
„Ich werde dich vermissen. Ohne dich, wird es hier sehr ruhig werden.“
„Du hast noch Anna. Ich bin mir sicher, dass sie dafür sorgen wird, dass euch nicht langweilig wird“, erkläre ich.
Mit meinen Worten spiele ich darauf an, dass meine jüngere Schwester dafür bekannt ist, Mist zu bauen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie plötzlich ruhiger wird. Sie ist einfach der Wirbelwind der Familie. Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben. Da gibt es nichts dran zu rütteln.
„Außerdem habe ich die letzten drei Jahre nicht zu Hause gewohnt“, füge ich noch hinzu.
„Aber wenigstens warst du in der Stadt und ich musste mir nicht so viele Sorgen machen. Die mache ich mir nun aber. New York kann sehr gefährlich sein.“
„Ich habe dich lieb“, entgegne ich und hoffe, dass das Thema damit durch ist. Ich glaube nicht daran, dass New York schlimmer ist, als jede andere Großstadt auch.
Ich umarme sie ein letztes Mal, bevor ich mich auch von Todd verabschiede. Ich spüre, dass mein Adoptivvater nicht so genau weiß, was er von sich geben soll, bin aber froh darüber, dass er es nicht so nach außen zeigt. Es würde mir den Abschied sonst wahrscheinlich noch schwerer machen.
„Können wir los?“, erkundigt sich Lucas und wirft den Schlüssel in die Luft, um ihn in der nächsten Sekunde wieder zu fangen.
Lucas ist einer meiner besten Freunde. Gemeinsam mit ihm und Avery werde ich nach New York fahren und mir dort eine Wohnung mit ihnen teilen. Als ich ihnen vor einigen Monaten von meinem Plan berichtet habe, waren sie sofort dabei. Ich habe noch versucht es ihnen auszureden und habe ihnen gesagt, dass sie das nicht machen müssen. Doch da waren sie bereits auf der Suche nach Jobs. Und ich kenne meine Freunde gut genug um zu wissen, dass man sie von nichts abhalten kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben.
Also habe ich angefangen mich darauf zu freuen, gemeinsam mit ihnen die Stadt unsicher zu machen und Jungs aufzureißen.
Lucas steht auf Männer, weswegen ich mir keine Sorgen machen muss, dass er nur mit uns Frauen zusammenzieht, um uns flach legen zu können. Während des Studiums hat er kein Geheimnis daraus gemacht, was leider einige Male für Ärger gesorgt hat.
Ein letztes Mal winke ich den beiden zu, bevor ich in den Wagen steige und wir uns auf den Weg machen.
„Na los, Aria. Jetzt steige schon ein. Damit wir endlich loskönnen“, ruft Avery und wirft dabei einen demonstrativen Blick auf ihre Armbanduhr.
„Ich komme schon“, lache ich leise.
Die Fahrt von Cleveland nach New York dauert knapp acht Stunden. Als wir endlich durch die belebten Straßen fahren, sind wir müde, da wir ohne Pause durchgefahren sind. Doch das ändert nichts daran, dass ich neugierig versuche so viele Details wie möglich in mir aufzunehmen. Allerdings ist soviel los, dass ich mir sicher bin, dass ich noch nicht einmal die Hälfte von dem mitbekomme, was um mich herum geschieht.
Die Leute drängen sich in den Geschäften und auf den Straßen dicht einander. Selbst durch die geschlossenen Fenster kann ich den Krach der Stadt hören. Doch es wirkt nicht abschreckend auf mich. Vorfreude durchströmt mich und der Tatendrang in mir wird wach.
Mir ist bewusst, dass eine ungewisse Zukunft vor mir liegt, doch das ändert nichts daran, dass ich mich bereits darauf freue. Man könnte es auch als ein leeres Buch bezeichnen, was nur darauf wartet, von mir und meinen Freunden gefüllt zu werden.
Nur hier habe ich die Chance, mehr über meine Familie zu erfahren und vielleicht sogar meine Eltern ausfindig zu machen.
Und das ist es, was ich will.
Unsere Wohnung, die wir für unser erstes Jahr angemietet haben, befindet sich mitten in Brooklyn. Da die Straßen voll sind, dauert es ein wenig, bis wir dort angelangt sind.
„Wir hätten vielleicht eine Pause mehr machen sollen“, stelle ich fest, nachdem ich ausgestiegen bin.
Ich lasse meine Schultern kreisen, um meine verspannten Muskeln zu lösen. Doch viel bringt es nicht.
„Der Meinung bin ich auch“, gibt Avery mir recht und streicht sich über den Nacken.
„Dann hätten wir noch eine und noch eine gemacht. Und dann wären wir erst in ein paar Stunden hier, wenn es bereits mitten in der Nacht ist. Ich wollte nicht bei Dunkelheit die Kartons nach oben schleppen“, erklärt Lucas, nachdem er sich neben uns gestellt hat.
Dabei verzieht er das Gesicht, sodass ich leise lachen muss. Ich kenne nämlich die Wahrheit über seine Worte und die sieht so aus, dass er sich eigentlich vorgenommen hat, heute Abend ein wenig um die Häuser zu ziehen und die Bars zu erkunden, die sich in unserer Nähe befinden.
„Jetzt hör lieber auf, es so spannend zu machen“, weise ich ihn an und werfe einen strengen Blick in seine Richtung.
„Okay, Ladys. Wie ihr ja bereits wisst, war ich bereits letztes Wochenende in der Stadt um die Schlüssel zu holen. Dabei habe ich mir die Wohnung natürlich auch angesehen. Daher kann ich euch mit Gewissheit verraten, dass sie euch gefallen wird. Und hier habe ich die Schlüssel für euch“, verkündet er gut gelaunt und überreicht sie uns.
„Wieso hast du sie uns nicht schon eher gegeben?“ Avery verzieht schmollend ein wenig das Gesicht.
„Ich habe mir einfach einen kleinen Spaß daraus gemacht.“
Ich gebe keinen Ton von mir, sondern gehe auf die Eingangstür zu. Dabei spüre ich den Blick der beiden in meinem Rücken, bevor sie mir folgen. Lucas geht die Treppen voraus und bleibt vor einer der zahlreichen Türen stehen, die sich in diesem Flur befinden.
„Du solltest dir vielleicht einen Job als Türsteher oder Bodyguard suchen“, stelle ich fest.
„Vielleicht werde ich das auch machen“, gibt er nur zurück, schiebt den Schlüssel in das Loch und öffnet endlich die Tür.
„Wow“, entfährt es mir, nachdem wir eingetreten sind.
Bereits auf den ersten Blick erkennt man, dass die Wohnung hell und geräumig ist. Die Fenster im Wohn- und Küchenbereich reichen fast bis unter die Decke und lassen die Sonne hinein, sodass alles im hellen Licht erscheint.
Neugierig gehen wir durch die anderen Räume, die alle ungefähr gleich groß sind, sodass es keinen Ärger geben wird, wer welches Zimmer bekommt. Auch hier gibt es große Fenster, die aber getönt sind, dass man von außen nicht hineinsehen kann.
„Das wird großartig werden“, verkündet Avery und klatscht begeistert in die Hände. Eigentlich fehlt es nur noch, dass sie wie ein kleines Kind auf und ab springt. Und ehrlich gesagt würde ich ihr das sogar zutrauen.
„Wir sollten alles ausladen, damit wir später noch um die Häuser ziehen können“, erklärt Lucas voller Tatendrang, wobei er auch seinen eigentlich Plan verlauten lässt.
„Ihr müsst ohne mich ausgehen“, gebe ich von mir und schüttle entschieden den Kopf.
„Das ist unser erster Abend in New York. Den kannst du nicht zu Hause verbringen.“
Lucas sieht beinahe geschockt aus über meine Entscheidung, als er mich mit großen Augen und einem geöffnetem Mund ansieht. In gewisser Weise kann man sagen, dass er mich ansieht, als wäre ich ein Gespenst.
Aber so kenne ich ihn. Er war schon immer gerne unterwegs und bei jeder Party dabei. Deswegen würde es mich nicht wundern, wenn er auch hier mehr unterwegs, als zu Hause ist.
„Ich weiß, und das holen wir auch nach. Die Firma hat mich gestern nur angerufen und mich gefragt, ob ich schon morgen anfangen könnte. Sie haben anscheinend einen Engpass im Büro. Ich konnte ja schlecht sagen, dass es leider nicht geht, weil meine besten Freunde lieber Party machen wollen. Außerdem möchte ich weder zu spät kommen, weil ich die ganze Nacht unterwegs war, noch müde sein, weil ich die ganze Nacht unterwegs war“, erkläre ich meinen Freunden.
„Na gut, Arbeit geht vor. Der Punkt geht an dich. Aber beim nächsten Mal bist du wieder dabei. Du wirst uns schließlich nicht ewig aus dem Weg gehen können“, bestimmt Lucas.
Er lässt keinen Zweifel daran, dass er ein Nein nicht akzeptieren will und das auch nicht wird. Doch das habe ich auch nicht vor. Denn wie sie schon festgestellt haben: Wir wohnen von jetzt an in New York!
„Am Wochenende. Diesen Abend überlasse ich die süßen Kerle euch.“
„Super, dann wollen wir mal anfangen.“
Da die Wohnung bereits möbliert ist und wir nur die wichtigsten Sachen mitgenommen haben, dauert es nicht lange, bis wir alles hochgetragen haben. Bereits eine Stunde später verabschieden beide sich und lassen mich alleine in der Wohnung zurück, nachdem sie sich umgezogen haben.
Seufzend stehe ich in der offenen Küche und sehe mich in alle Richtungen um. Ich bin von Kartons umgeben. Da wir beschlossen haben, dass wir diesen Raum gemeinsam einrichten werden, schließlich müssen wir uns alle hier wohlfühlen, gehe ich in mein Schlafzimmer und beginne dort mit der Arbeit.
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich mir diesen Abend nicht anders vorgestellt habe. Die Kartons laufen mir ja schließlich nicht weg. Allerdings habe ich auch gedacht, dass ich noch ein paar Tage Zeit habe, bevor ich mit meinem Job beginne. Da wurde mir jedoch ein Strich durch die Rechnung gemacht.
Doch mein Job geht vor, wie Avery es so schön gesagt hat. Er finanziert mir schließlich mein Leben hier.
Als ich am nächsten Morgen das Haus verlasse, scheint die Sonne. Es verspricht ein wunderschöner Tag zu werden. Doch das ändert nichts an meiner Nervosität.
Ich war noch nie gerne die Neue. Dabei ist es egal, ob ich auf eine neue Schule gekommen bin oder auf dem College neue Leute kennengelernt habe. Ich weiß, dass mir dieses Verhalten die Suche nach meinen leiblichen Eltern nicht einfacher macht. Doch gerade steht auch mein erster Arbeitstag im Vordergrund. Und den muss ich dringend ohne irgendwelche Katastrophen hinter mich bringen, um einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen.
Das Büro befindet in einem mehrstöckigen Haus. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gebäuden, die sich in dieser Stadt befinden, ist es eher klein, falls man es so bezeichnen kann. Ich finde, dass keines hier wirklich klein ist.
Lange habe ich mit mir gehadert, ob ich diesen Job annehmen soll. Die Verantwortung, die damit zusammenhängt, ist enorm. Doch ich weiß, dass es eine der besten Agenturen der Stadt ist. Es war großes Glück, dass ich dort als Berufseinsteigerin, einen Job bekommen habe.
Als ich die große Glastür erreiche, die in das Innere führt, bleibe ich einen Moment davor stehen und atme tief durch. So versuche ich die Nervosität in den Griff zu bekommen. Doch das gelingt mir nicht so gut, wie ich es mir wünsche. Deswegen öffne ich die Tür und gehe hinein. Wahrscheinlich wird es nämlich auch nicht besser werden, wenn ich noch länger hier stehe.
Obwohl es erst acht Uhr ist, herrscht bereits geschäftliches Treiben. Die Leute rennen von einem Raum in einen anderen und kommen bereits nach wenigen Sekunden wieder heraus.
Es dauert nicht lange, bis ich eine Ahnung davon bekommen habe, wieso ich heute schon anfangen sollte. Sie scheinen wirklich überlastet zu sein.
„Ms. Smith“, werde ich von einer älteren Frau begrüßt.
Mit einem breiten Strahlen auf dem Gesicht kommt sie zu mir. Auf den ersten Blick erinnert sie mich mit ihrer herzlichen Art ein wenig an meine Großmutter.
„Hallo“, erwidere ich freundlich.
„Ich bin Susan“, stellt sie sich mir vor. „Lasse dich von dem Chaos nicht aus der Ruhe bringen. Bei den meisten bin ich mir sicher, dass sie nur so tun, als hätten sie eine Menge zu tun, damit sie nicht soviel machen müssen und pünktlich Feierabend haben.“
Sie beobachtet ein paar der anderen Frauen mit einem nicht ganz so zufriedenen Gesichtsausdruck, die an uns vorbeigehen.
Mein Mund öffnet sich. Doch da ich ehrlich gesagt überhaupt nicht weiß, was ich von mir geben soll, schließe ich ihn direkt wieder.
„Aber mir ist das egal“, erklärt sie als Nächstes und zuckt mit den Schultern. „Das ist deren Problem und nicht meines. Komm´ mit, ich werde dir deinen Arbeitsplatz zeigen.“
Mit diesen Worten setzt sie sich in Bewegung und geht voraus. Schnell folge ich ihr in einen riesigen Raum, der sich am Ende des Ganges befindet. Wie sich herausstellt wurde er als Großraumbüro eingerichtet, in dem sich unzählige Schreibtische befinden, von denen sich immer zwei gegenüber stehen.
„Ich sitze dort und du auf der anderen Seite“, verkündet sie und zeigt auf zwei Schreibtische, die sich in der Mitte befinden. „Wenn du Fragen hast, kannst du dich jederzeit an mich wenden. Denk dran, es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. Ich habe vor etlichen Jahren selber einmal angefangen und weiß daher, dass man am Anfang immer etwas wissen will.“
Sie zwinkert mir zu und nimmt mir so einen Teil meiner Angst.
„Danke“, murmle ich und lächle sie an.
„Die meisten hier sind irgendwann von anderen Agenturen dazu gekommen, da sie abgeworben wurden. Ich habe hier schon vor Jahren angefangen und weiß daher, wie der Hase läuft und auch, dass es nicht einfach ist am Anfang. Doch ich habe gesehen, dass du sechs Sprachen fließend sprichst. Das ist das doppelte als die meisten hier. Vor allem in deinem Alter. Viele haben erst später neue gelernt, was es aber nicht unbedingt einfacher macht. Deswegen bin ich mir sicher, dass du das wunderbar machen wirst. In diesem Fall mache ich mir überhaupt keine Sorgen.“
Ihre Worte muntern mich ein wenig auf. Auch, wenn es ihr vielleicht gar nicht bewusst ist, so nimmt sie mir ein wenig die Angst vor den nächsten Stunden.
„Unser Chef ist übrigens die ganze Woche nicht da. Das sollte auch noch ein wenig Druck rausnehmen.“
Ich kann nicht verhindern erleichtert aufzuatmen. Ja, es nimmt mir ein wenig den Leistungsdruck. Vor allem beschafft es mir aber auch Zeit, mich hier mit allem vertraut zu machen und dann nicht mehr wie eine totale Anfängerin zu erscheinen, sobald er wieder im Büro ist.
2
Schon als kleines Kind habe ich Sprachen geliebt. Mich hat es immer fasziniert, in wie vielen Sprachen und auf wie vielen unterschiedlichen Wegen man sich ausdrücken kann. Außerdem war ich dort immer besser drin, als in Mathe. Zahlen haben nie wirklich einen Sinn für mich ergeben. Die unterschiedlichsten Rechenwege und Techniken fand ich immer furchtbar kompliziert. Wörter und Buchstaben hingegen haben mir nie Probleme bereitet.
Mir ist klar, dass das für einige wahrscheinlich keinen Sinn ergibt. Schließlich habe ich schon in der Schule erlebt, dass viele sich eher im sprachlichen Unterricht schwertun, als in Mathe. Doch das ist mir egal.
Dementsprechend leicht ist mir auch meine erste Arbeitswoche gefallen. Ich habe Dokumente und wichtige Schriftstücke in verschiedene Sprachen übersetzt. Dabei war ich so in meine Arbeit vertieft, dass ich nicht immer pünktlich das Büro verlassen habe. Auch heute musste Susan mich darauf hinweisen, dass ich nun Wochenende habe. Ich gebe zu, dass ich das sonst wahrscheinlich vergessen hätte.
Während ich nun durch die Straßen gehe, komme ich nur langsam voran. Zum einen liegt es daran, dass ich mich aufmerksam zu allen Seiten hin umsehe, sodass mir nichts entgeht. Doch sie sind auch so voll, dass es mir vorkommt, als würde es eine Ewigkeit dauern, bis ich die nächste Kreuzung erreicht habe.
Als ich um die Ecke biege, höre ich mein Handy leise in der Tasche klingeln. Schnell ziehe ich es heraus und werfe einen Blick auf das Display, sodass ich nicht mehr auf meine Umgebung achte. Dennoch gehe ich weiter und bleibe nicht stehen.
Erschrocken zucke ich einige Sekunden später jedoch zusammen, als ich merke, dass ich gegen jemanden oder etwas gelaufen bin. Schnell hebe ich meinen Kopf und sehe dunkle Augen direkt vor mir. Sie sind mir so nah, dass meinen Kopf ein Stück in den Nacken legen muss, um ihn besser ansehen zu können. Doch es dauert nicht lange, bis ich bereue, dass ich das getan habe. Noch in der gleichen Sekunde bleibt mein Herz stehen und mein Mund öffnet sich ein Stück, da ich keine Luft mehr bekomme. Zumindest kommt es mir gerade so vor.
Es dauert einen Moment, bis ich merke, dass sich ein schiefes Grinsen auf seine Gesichtszüge gelegt hat, was mir zeigt, dass ihm meine Reaktion nicht entgangen ist. Und es dauert nochmal so lange, bis ich langsam einen kleinen Schritt nach hinten mache und ihn dabei genauer betrachte.
Er ist groß und breit gebaut. Seine dunklen Haare hat er lässig nach hinten gestylt. Auf seinem Hals erkenne ich ein Stück eines Tattoos. Müsste ich raten würde ich sagen, dass es ein Drache ist, doch so genau kann ich das nicht sagen, da es in seinem Shirt verschwindet. Allerdings lässt es mich neugierig werden.
Bevor ich mich jedoch irgendwie verraten kann, konzentriere ich mich schnell auf etwas anderes. Dabei fällt mein Blick auf seine elegante Kleidung, die aussieht, als würde er gerade zu einem Geschäftstermin fahren. Vor allem erkenne ich aber auf den ersten Blick, dass sie mehr kostet, als ich in einem Jahr verdiene. Sein Anzug, der komplett schwarz ist, sitzt perfekt.
Doch all das ist nur nebensächlich.
Von Sekunde zu Sekunde bin ich immer mehr damit beschäftigt zu verarbeiten, dass er sich nur wenige Zentimeter von mir entfernt befindet. Aus seinen dunklen und gefährlichen Augen sieht er mich an. Nicht einmal für den Bruchteil einer Sekunde wendet er sich von mir ab und gibt mir so die Chance, mich wieder zu beruhigen.
Ich nehme nur noch ihn wahr, auch wenn mein Verstand mir sagt, dass es nicht gut ist. Alles um uns herum verschwindet. Meine Sinne sind nur noch auf ihn konzentriert.
Schnell rufe ich mir in Erinnerung, dass dies nur so ist, weil er mir bereits jetzt schon mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat, als die meisten Männer in den letzten Monaten. Doch tief in meinem Inneren weiß ich, dass dem nicht so ist. Auch wenn ich nicht genau sagen kann, woher es kommt.
Es dauert eine Ewigkeit, bis ich auch nur ansatzweise wieder in der Lage bin, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Doch dann bringe ich automatisch noch mehr Abstand zwischen uns. Soweit das überhaupt geht, da um uns herum so viele Menschen sind, dass man sich kaum bewegen kann.
„Sorry“, murmle ich und schaue dabei an ihm vorbei.
Ich bin nicht schüchtern und auch sonst nichts in diese Richtung. Doch er hat etwas an sich, was dafür sorgt, dass meine große Klappe gerade sonst wohin verschwunden ist. Und das ist etwas, was mir eindeutig nicht gefällt.
„Ist schon in Ordnung“, erwidert er mit einer verführerischen Stimme und noch immer dem gleichen Grinsen auf den Lippen.
Beides zusammen lässt mein Herz schneller schlagen, als würde es sich aus meiner Brust befreien wollen.
Plötzlich habe ich es eilig von hier zu verschwinden. Dieser Mann schreit nach Gefahr. Und das ist etwas, was ich in dieser Stadt gerade überhaupt nicht gebrauchen kann. Es ist etwas, was ich allgemein in meinem Leben nicht gebrauchen kann.
Weder jetzt noch sonst irgendwann.
Ich will mir hier ein Leben aufbauen. Ich will meine Ziele verfolgen und auch erreichen. Da ist es wahrscheinlich besser, wenn ich mich nicht von ihm aus der Ruhe bringen lasse. Auch wenn ich innerlich zugeben muss, dass es mir gerade schwerfällt, die nötige Distanz zwischen uns zu bringen.
Ein letztes Mal lächle ich ihn kurz an, ehe ich mit großen und vor allem eiligen Schritten an ihm vorbeigehe. Dabei spüre ich seinen Blick in meinem Rücken. Ich drehe mich aber nicht noch einmal in seine Richtung, auch wenn ich das gerne würde.
So schnell wie möglich bahne ich mir einen Weg an den Menschen vorbei, bis ich unser Mietshaus erreicht habe. Mit noch immer zittrigen Fingern schließe ich die Tür auf und schlüpfe in das Treppenhaus. Dort lasse ich mich gegen die kühle Wand sinken und schließe die Augen für einige Sekunden.
Noch immer habe ich den Blick in meinem Gedächtnis, mit dem er mich betrachtet hat. Es kommt mir so vor, als würde er sich noch immer mir gegenüber befinden.
Ich weiß nicht, was das gerade war. In den letzten Jahren ist mir so etwas noch kein einziges Mal passiert. Ich hatte einzige Beziehungen in der Vergangenheit. Allerdings habe ich noch keinen Mann getroffen, der dafür gesorgt hat, dass es mir so geht. Doch wahrscheinlich ist es auch besser, wenn ich nicht so genau darüber nachdenke.
Immer eine Stufe überspringend, gehe ich nach oben und schließe die Wohnungstür hinter mir ab, nachdem ich die Wohnung betreten habe. Auch jetzt schlägt mein Herz noch immer wie verrückt. Doch ich versuche es wenigstens es so gut es geht zur Seite zu schieben und gehe stattdessen in mein Schlafzimmer, um mich fertig zu machen, da ich heute Abend mit meinen Freunden verabredet bin.
Es dauert ein wenig, bis ich Lucas und Avery vor dem überfüllten Laden entdeckt habe, in dem wir uns verabredet haben. In der Menschenmenge ist das aber auch nicht ganz so einfach.
„Sorry für die Verspätung. Es hat ein wenig länger gedauert. Ich muss noch immer in dieser Stadt ankommen“, entschuldige ich mich bei den beiden, nachdem ich sie umarmt habe.
„Die Hauptsache ist, dass du jetzt da bist. Außerdem habe ich bereits am Montag einen Tisch für uns reserviert. Das Restaurant soll zu den Besten gehören, die man hier finden kann. Da habe ich mir schon gedacht, dass es schwierig werden wird, einen Platz finden“, verkündet Lucas und strahlt uns fast schon ein wenig stolz an. „Allerdings hatten wir Glück. Dies war allerdings eher ein Zufall, da meine Arbeitskollegin mit einem der Köche zusammen ist.“
Avery und ich sagen nichts dazu, sondern lachen nur leise, bevor wir ihm hinein folgen. Das mache ich allerdings nicht, ohne noch einmal meinen Blick über die Menschenmenge gleiten zu lassen, die sich um mich herum befindet.
Ich kann mich irren und ehrlich gesagt hoffe ich auch, dass ich das tue, doch seitdem ich vorhin das Haus verlassen habe, kommt es mir vor, als würde man mich verfolgen. Nachdem ich aber auch jetzt niemanden sehen kann, schiebe ich es darauf, dass die Begegnung mit diesem Typen mir anscheinend doch mehr zugesetzt hat, als ich es wahrhaben wollte. Allerdings ist dies auch nicht verwunderlich. Schließlich habe ich keine Ahnung, wie sich jemand verhält, der eine andere Person verfolgt.
„Ist alles in Ordnung?“, erkundigt sich Avery, die meine suchenden Blicke anscheinend mitbekommen hat.
Aufmerksam betrachtet sie mich.
„Ja, alles bestens“, antworte ich nur und konzentriere mich dann auf den Innenbereich, nachdem wir durch die Tür gegangen sind.
Das Restaurant ist modern und hell eingerichtet. Von der Decke hängen alle paar Meter riesige Lampen, die den Raum in ein warmes Licht tauchen. An den Wänden hängen schwarze Tapeten, die mit bunten Bildern aufgehellt wurden. Überall stehen kleine und große Tische.
Ich bin so in den Anblick vertieft, dass ich nicht merke, wie Avery und Lucas sich bereits einige Schritte von mir entfernt haben. Erst als meine Freundin mich ruft, werde ich darauf aufmerksam.
„Ich habe heute Morgen übrigens den ersten Nachbarn kennengelernt“, verkündet Lucas, nachdem er sich gesetzt hat.
„Und?“, frage ich vorsichtig nach, da es mir so vorkommt, als würde da noch etwas kommen.
„Ich kann euch sagen, dass der Typ heiß ist.“ Lucas hat einen verträumten Gesichtsausdruck aufgesetzt, der mich zum Schmunzeln bringt. Und auch Avery kann sich gerade noch so ein lautes Lachen verkneifen.
Wir alle haben unterschiedliche Geschmäcker, was Männer angeht. Wenn Lucas ihn heiß findet, finde ich eher, dass er wie der beste Freund von nebenan aussieht. Dies ist aber auch der Grund dafür, dass wir uns in diesem Bereich noch nie in die Quere gekommen sind.
Ich liebe solche Abende mit meinen Freunden. Sie zeigen mir, dass es die richtige Entscheidung war, mit ihnen nach New York zu ziehen. Daran hatte ich aber auch nie Zweifel.
Doch die gelassene Stimmung ändert nichts daran, dass ich mich alle paar Minuten suchend umschaue.
Noch immer habe ich das Gefühl, als würde mich jemand beobachten. Und da bringt es auch nichts, dass ich es auf den durchdringenden Blick des Mannes schiebe, dem ich vorhin über den Weg gelaufen bin.