Loe raamatut: «Unter der Drachenwand von Arno Geiger»

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Lektüreschlüssel XL für Schülerinnen und Schüler

Von Sascha Feuchert

Reclam

Dieser Lektüreschlüssel bezieht sich auf folgende Textausgabe:

Arno Geiger: Unter der Drachenwand. Roman. München: dtv, 2019.

Lektüreschlüssel XL | Nr. 15524

2020 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2020

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961750-3

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-015524-0

www.reclam.de

1. Schnelleinstieg


Handlung: Der Roman hat zwei Parallelhandlungen Handlungsstränge. Die Haupterzählung entfaltet sich um den anfangs knapp 24-jährigen Soldaten Veit Kolbe, der 1944 im Krieg an der Ostfront verwundet wurde und das Lazarett schließlich verlassen darf, um sich zu Hause weiter zu erholen. In Wien bei seinen Eltern hält er es aber nicht allzu lange aus und begibt sich zu seinem Onkel Johann an den Mondsee im Salzkammergut. Der Bruder seines Vaters amtiert dort als Postenkommandant der Gendarmerie und kann Veit bei einer Quartierfrau in seiner Nähe unterbringen. Der junge Mann ist vom Krieg hoch traumatisiert und erleidet immer wieder Angstanfälle, die er schließlich auf Anraten eines örtlichen Arztes mit Pervitin, einem Metaamphetamin, zu bekämpfen sucht. In der vom Krieg noch weitgehend verschonten Gegend trifft Veit zwei junge Frauen, die ihn interessieren: Margarete, eine etwa gleichaltrige Lehrerin aus Wien, die in Schwarzindien, einem kleinen Ort am See, landverschickte Mädchen beaufsichtigt und unterrichtet, und Margot, eine junge Darmstädterin, die mit einem Soldaten aus der Gegend verheiratet und vorübergehend zusammen mit ihrem Baby in einem Zimmer neben Veit untergebracht ist. Während Margarete ihn kalt abblitzen lässt, beginnt Kolbe mit Margot bald eine Affäre, die ihm zunehmend Halt gibt. Als Nanni Schaller, eines der landverschickten Mädel, das mit ihrem drei Jahre älteren Cousin eine Liebesbeziehung hat, verschwindet und der Onkel nur zögerlich und mit wenig Empathie ermittelt, selbst als Nanni tot aufgefunden wird, erkennt Veit immer deutlicher, dass Johann Kolbe für all das steht, was er verachtet: am ›Dritten Reich‹, am eigenen Vater, an sich. Die Situation eskaliert, als der Onkel den Regimegegner Robert Raimund Perttes, einen verschrobenen Gärtner, der Veit mit seiner Haltung tief beeindruckt, festnehmen will: Der Neffe erschießt den Onkel und befreit den »Brasilianer«, der so genannt wird, weil er ein paar Jahre in Südamerika lebte. Der Mord an dem Gendarmen bleibt unaufgeklärt und Veit kehrt nach fast einem Jahr Auszeit vom Krieg an die Front zurück. Er wird – so informieren die »Nachbemerkungen« eines fiktiven Herausgebers – den Krieg überleben und Margot heiraten.

Als Parallelhandlung, die nur lose mit den anderen Figuren verknüpft ist, wird vom Schicksal des jüdischen Zahntechnikers Oskar Meyer und seiner Familie berichtet. Meyer hat einmal in derselben Gasse in Wien gewohnt wie Veit Kolbe, bevor die Judenverfolgung einsetzte. Die fortgesetzten Erniedrigungen und die enorme Gefahr, deportiert zu werden, bringen ihn 1942 dazu, mit seiner Frau Wally und seinem Sohn Georg nach Budapest zu fliehen (ein weiterer Sohn, Bernhard, konnte ins Exil nach England gehen). In Budapest geht es der Familie zunächst etwas besser. Doch 1944 marschieren die Deutschen ein und die Verfolgungen beginnen von Neuem mit großer Brutalität: Seine Frau und sein Sohn geraten in eine Razzia und werden – wie aus den »Nachbemerkungen« zu erfahren ist – nach Auschwitz deportiert und ermordet, Oskar selbst wird als Zwangsarbeiter ins Deutsche Reich verschleppt und muss am Bau des Südostwalls mitwirken. Auch er wird den Krieg und den Holocaust nicht überleben.

Werkaufbau: Die Handlung wird nicht aus einer übergeordneten Perspektive vermittelt, sondern es kommen vier Vier Ich-Erzähler zu Wort: Der wichtigste ist Veit Kolbe, der in einem (offenbar überarbeiteten) Tagebuch über seine Zeit in Mondsee berichtet. Ergänzend zu seinen Schilderungen treten Briefe von Margots Mutter Lore Neff, die über das Leben im vom Luftkrieg erschütterten Darmstadt und über Margots Familie berichtet, sowie von Kurt Ritler, der mit seiner 13 Jahre alten Cousine Nanni Schaller eine erste Liebe gefunden hat, die tragisch endet.

Der zweite Erzählstrang wird durch die Briefe und Tagebuchaufzeichnungen Oskar Meyers vermittelt, der vom Schicksal seiner Familie in Wien und Budapest berichtet und dessen Stimme ein letztes Mal zu vernehmen ist, als er in Hainburg zur Zwangsarbeit angekommen ist. Noch einmal wird er danach in Veits Tagebuch erscheinen, der ihm zufällig begegnet, ohne ihn freilich zu (er-)kennen. Nur an dieser Stelle sind die beiden Erzählstränge direkt verbunden.

Abgeschlossen wird der Roman von den Nachbemerkungen eines fiktiven Herausgebers, der über den weiteren Lebensweg der wichtigsten Figuren informiert.

Arno Geigers Roman wurde nach seiner Publikation sofort stürmisch von der Kritik gefeiert: Geigers Entscheidung, die Ereignisse dominant von Erzählern vermitteln zu lassen, die noch nicht wissen, wie und wann der Krieg enden wird und ob sie selbst ihn überleben werden, überzeugte die Rezensenten offenbar vollends. Geiger sammelte über ein Lange Recherche Jahrzehnt hinweg Briefe und Tagebücher aus der Zeit und studierte sie genau, um diese Perspektive(n) überzeugend zu konstruieren. Dem Roman gelingt es damit, Fragen zu stellen, die auch für heutige Leser noch hoch relevant sind: Wo beginnt die Verantwortung des Einzelnen, was darf er tun, um sich einem Geschehen zu entziehen, das er für falsch und zutiefst inhuman hält? Wo beginnt die Mitwirkung an einem Verbrechen? Gibt es die Rolle des Zuschauers in einem solchen Geschehen überhaupt? Und: Welche Kraft hat die menschliche Liebe in Zeiten wie diesen wirklich?

Mithilfe einer genauen Rekonstruktion der Handlung und der sorgsamen Analyse der komplexen erzählerischen Vermittlung will dieser Lektüreschlüssel versuchen, auch diese weitereichenden Fragen freizulegen und im Kontext des Romangeschehens zu problematisieren. Immer wieder kann dabei auf Aussagen des Autors zurückgegriffen werden, der in einem Interview Aufschluss über seine Motivation und seine Arbeitsweise gegeben hat.1 Auch wenn der Leser letztendlich ›den Text macht‹, indem er mit seiner Phantasie und mit seinem Wissen die Leerstellen2 füllt, die jeder Text lässt bzw. lassen muss, kann (nicht muss!) die Stimme des Autors eine wichtige zusätzliche Ressource für das Verständnis und die eigene Interpretation sein.

2. Inhaltsangabe

Im Himmel, ganz oben: Der Roman beginnt Plötzlicher Beginn plötzlich (medias in res) und dramatisch: Rückblickend erzählt Veit Kolbe vom Moment seiner Verwundung im Russlandfeldzug, bei der er sich Wunden an der Wange, unter der Schulter, am Kiefer und vor allem am Oberschenkel zuzieht (S. 7). Die Nächte im saarländischen Lazarett, in das er transportiert wird, stehen in denkbar größtem Kontrast zu jenen an der Ostfront, sie erscheinen geradezu idyllisch. Und doch ist mit dieser scheinbaren Idylle einiges nicht in Ordnung: Ein »Bäckerjunge aus der Stadt« (S. 16) berichtet Kolbe, dass das Militärspital »früher ein Pflegeheim gewesen« sei, das »vor einigen Jahren geleert« wurde (S. 16).3

Im Laufe des ersten Kapitels wird auch deutlich, wie sehr der Krieg Veit körperlich, vor allem aber seelisch zerstört, das Soldatendasein schrumpft für ihn zusammen auf »fünf verlorene[ ] Jahre« (S. 17). Da Veit Kolbe »kein schwerer Fall« (S. 10) ist, wird er zur häuslichen Pflege heim nach Wien geschickt.

Seit meinem letzten Aufenthalt: 15 Monate war Veit nicht mehr zu Hause und die Kriegserfahrung hat ihn weit von seinen Konflikte mit Eltern Eltern entfernt. Vor allem das Gerede seines Vaters, eines überzeugten Nationalsozialisten und ›alten Kämpfers‹ der Partei, macht ihn wütend. Zum Symbol für seine eigene Veränderung werden ihm die vielen Fotos, die in der elterlichen Wohnung von ihm hängen: »Die Bilder hatten am Familienleben teilgenommen, ich am Krieg.« (S. 24) In seiner Heimat kommt er sich bald vor »wie ein lästiger Fremder« (S. 25), ihm scheint, dass er »den Irrsinn der Front mit dem Irrsinn der Familie vertauscht« (S. 29) habe. Veit Kolbe gerät über diese Konflikte in eine Krise, liegt »auf dem Bett ohne Antrieb, ein abgenagtes Stück Herz« (S. 23). Er beschließt, seinen Onkel Johann, der Kommandant eines Gendarmerie-Postens am Mondsee ist, darum zu bitten, ihm ein Zimmer zu besorgen, damit er den Rest seines Genesungsurlaubs in Ruhe verbringen kann. Dieser erledigt die Anfrage prompt – und gegen den Willen der Eltern macht sich Veit auf.

Eine halbe Fahrstunde von Salzburg: Veit bezieht ein kaltes, karg eingerichtetes Unterkunft in Mondsee Zimmer in einem Bauernhaus, dessen Bett einem »hin- und herschaukelnden Gerüst« (S. 34) gleicht, »das obendrein unangenehm roch«. Da Veit »reichlich mit Geld versehen« (S. 44) ist, investiert er sogleich in eine erträglichere Ausstattung. Er beschreibt ausführlich seine neue Umgebung, die ihm durchaus gefällt, und auch seine Nachbarin, die neben ihm im Bauernhaus ein Zimmer bezogen hat: Es ist eine junge Frau aus Darmstadt, die mit einem Soldaten aus der Nähe verheiratet ist und ein kleines Kind dabeihat. Von seiner Vermieterin, der schroffen und tratschenden Quartierfrau, erfährt der junge Soldat ungewollt von den gesundheitlichen Problemen der Darmstädterin. Auch einen Antrittsbesuch beim Onkel absolviert der knapp 24 Jahre alte Rekonvaleszent. Zufällig begegnet er auf dem Rückweg einer großen Gruppe landverschickter Mädchen, die aus demselben Wiener Gemeindebezirk stammen wie er. Sie werden in einem Ortsteil mit dem exotischen Namen Schwarzindien untergebracht (S. 48).

In Mondsee beginnt sich Veits Verhältnis zum Krieg zu verändern: Zum einen ist er durch den Rückzug in die Provinz nur noch in einer Beobachterposition, doch zum anderen erleidet Veit, der schon daran gewöhnt war, dass sein »Körper von einer Sekunde auf die andere in einen akuten Alarmzustand wechselte« (S. 34), eine erste PanikattackePanikattacke als Ausdruck seines Kriegstraumas (S. 39).

Während der neue Ofen: Veit beginnt sich in seinem neuen Zuhause einzurichten, er legt an Gewicht zu, seine Muskeln entspannen sich. Mit dem Onkel kommt er sich offenbar näher (S. 51), sein Verwandter vertraut ihm auch an, warum er sich von seiner Ehefrau, die er »dumm« (S. 52) und »egoistisch« nennt, getrennt habe.

Veit trifft zusammen mit dem Onkel die Lehrerin der landverschickten Wiener Mädchen wieder und spricht sie mutig an. Margarete und Margot Margarete Bildstein, so ihr Name, lässt Veit aber abblitzen. Zu ihrer Distanz trägt sicher auch bei, dass Veit erstaunt wirkt und einen Moment zu lange zögert, als sie ihm erzählt, sie wohne in Wien im Heimhof (S. 54).4

Mit seiner Zimmernachbarin, der Darmstädterin, beginnt er indes zarte Bande zu knüpfen: Sie enthüllt ihm, dass er offenbar »Selbstgespräche führ[e], [s]ein Lieblingssatz sei ›Das werden wir noch sehen!‹« (S. 59). Er wiederum hört durch die dünnen Wände, dass sie in ihrem Zimmer immer wieder weint. Das allerdings sagt er ihr nicht – aber er versucht ihr zu helfen, aus dem Weinen herauszufinden, indem er »mit Gepolter einen Stiefel zu Boden fallen [ließ], damit sie erschrak« (S. 59).

Nach einem zweitägigen kurzen Antäuschen: Veit lernt seine Quartierfrau immer besser kennen – und fürchten. Die Vermieterin ist eine aufbrausende Parteianhängerin, die im ganzen Dorf verschrien zu sein scheint (S. 60).

Veit bricht erneut nach Schwarzindien auf, wo er der Lehrerin wiederbegegnet. Doch es gelingt ihm »[n]icht für eine Sekunde […], den Abstand zwischen der Lehrerin und [ihm] zu überbrücken« (S. 63). Veit empfindet daraufhin nur noch »Scham« (S. 64), wenn er an Grete Bildstein denkt.

In Schwarzindien trifft der Ich-Erzähler auch eines der landverschickten Mädchen, das Eindruck auf ihn macht: Nanni und der Brasilianer Annemarie »Nanni« (S. 64) Schaller offenbart Veit, dass sie an Ostern mit ihrem Cousin Kurt die Drachenwand besteigen wolle.

Erneut wird Kolbe in seinem Zimmer von einer Panikattacke überfallen (S. 65). Da ihn die grausamen Bilder in seinem Kopf nicht schlafen lassen, folgt er den Tönen einer für ihn rätselhaften Musik: Sie führen ihn in die gegenüberliegende Gärtnerei, wo er deren Betreiber antrifft, den »Brasilianer« (S. 68). Er ist der Bruder der Quartierfrau und doch ganz anders als seine Schwester: Wegen »einer unüberlegten Bemerkung über den F.« (S. 69) hat er »die Ehrenrechte eines Deutschen« verloren. Seinen Spitznamen verdankt der Gärtner dem Umstand, dass er eine Zeitlang in dem südamerikanischen Land gelebt hat, in das er sich noch immer zurücksehnt.

In der Früh ertrug ich: Für Veit entwickeln sich in Mondsee nach und nach neue Neue Routinen Routinen: Nachts sitzt er mit dem Brasilianer zusammen und hilft ihm beim Beheizen des Gewächshauses (S. 72 f., 76), die Darmstädterin kocht für ihn mit und bietet ihm sogar an, seine Wäsche zu übernehmen (S. 74 f.), Veit wiederum hilft auch dem Onkel (S. 73). Die Quartierfrau langweilt ihn mit Dorftratsch (S. 72) oder giftet ihn an (S. 80). Unangenehm bleibt auch die Beziehung zur Lehrerin Bildstein, die Kolbe allerdings versucht kühl zu analysieren (S. 80). Dennoch erfährt er von der Lehrerin Vertrauliches über deren Schülerinnen: Eine von ihnen, Nanni, habe mit ihrem Cousin einen »nicht sehr schönen Briefkontakt« und habe sich von ihm »ausgreifen lassen« (S. 79).

Am 26. Februar feiert Veit Kolbe seinen vierundzwanzigsten Geburtstag: Er verbringt ihn »still und ruhig« (S. 82).

Am Freitag wurden in Darmstadt: Der Roman wechselt erstmals seinen Erzähler, und dem Leser werden nun aneinandergereihte Briefe der Mutter der Erzählerwechsel: Die Mutter der Darmstädterin Darmstädterin präsentiert, deren Name Margot ist (S. 85) und die noch eine 16-jährige Schwester hat, Bettine, die als Schaffnerin nach Berlin dienstverpflichtet wurde (S. 86). Der Vater der beiden ist in Metz stationiert (S. 85) und wird von der Mutter als cholerisch (S. 86) charakterisiert, auch scheint er öfter zu jammern (S. 91). Die Briefeschreiberin berichtet ausführlich, wie es ist, in einer deutschen Stadt zu leben, die nahezu täglich Luftangriffen ausgesetzt ist. Ihre Nerven liegen deshalb blank (S. 93), auch wenn irgendwie der Alltag weitergeht (S. 87). Ihre größte Sorge aber gilt ihren Töchtern, die offenbar nicht immer auf das hören, was die Mutter ihnen sagt. Sie fürchtet vor allem um Bettine, bittet Margot um Hilfe, der Jüngeren zu vermitteln, sie solle »sich nicht mit Männern einlassen, weil sie sich ihr ganzes Leben versauen kann« (S. 89). Diese Warnung nutzt sie, um auch Margot mitzuteilen, dass es von ihr »keine gute Entscheidung [war], einen Fremden zu heiraten mitten im Krieg und dann gleich ein Kind oder umgekehrt« (S. 89 f.).

Susi hat mich bei der Straßenbahn: Erneut wechselt der Erzähler – jetzt sind es einige Briefe von Nannis Cousin Erzählerwechsel: Kurt Ritler Kurt, die dem Leser eine neue Sicht bieten. Kurt berichtet darin Nanni von seinem Leben in Wien, seiner Liebe zu ihr und den Problemen, die entstehen, als ihre Liebesbeziehung aufgedeckt wird. Dabei erweist sich der 16-jährige Kurt als eifersüchtig (S. 97 f.), aber auch als überaus einfühlsam. So berichtet er seiner 13-jährigen Cousine, dass ihre Mutter sehr traurig über die an sie gerichteten Briefe sei und fordert Nanni auf, »in Zukunft immer [zu] schreiben, dass es [ihr] gutgeht und dass alles in Ordnung ist« (S. 99). Ihm könne sie die Wahrheit sagen, ihre Mutter aber, die eine schwere Arbeit zu verrichten habe (sie nietet »Spatentaschen« für Soldaten, S. 99), solle sie schonen. Kurt plant, Nanni zusammen mit seinem Freund Ferdl an Ostern zu besuchen. Zunächst scheint das auch von seinen Eltern erlaubt zu werden, doch als herauskommt, wie sehr Kurt in seine Cousine verliebt ist, wollen die Erwachsenen diese Beziehung unbedingt unterbinden. Aufgeflogen sind die beiden, weil Nannis Lehrerin Kurts Briefe liest und dessen Eltern informiert hat. Besonders Kurts Vater reagiert deutlich. Als Kurt ihm freche Widerworte gibt, bekommt er Ohrfeigen, die »so hart [waren], dass er ein Jahr Gefängnis dafür erhalten sollte« (S. 110). Dennoch will Kurt sich nicht kleinkriegen lassen und plant, auch ohne Erlaubnis an den Mondsee zu fahren.

Wie’s mir geht?: Mit Oskar Erzählerwechsel: Oskar Meyer Meyer, der in Wien in derselben Straße lebte wie Veit Kolbe (S. 53, 113), betritt der vierte Ich-Erzähler die ›Bühne‹ des Romans. Seine Perspektive unterscheidet sich noch einmal deutlich von denen der anderen: Er ist Jude. Zunächst erhält der Leser Einblick in Briefe Meyers an seine Cousine Jeannette, der es bereits gelungen ist, nach Südafrika (S. 114) auszuwandern und dem immer weiter zunehmenden Terror der Nazis zu entfliehen. Von diesem berichtet Oskar anschaulich: Neben offiziellen Verboten nehmen auch die persönlichen Demütigungen praktisch täglich zu (S. 116). Auch wirtschaftlich werden die Juden immer weiter in die Enge getrieben: Familie Meyer, die neben Oskar noch aus dessen Ehefrau Wally und dem gemeinsamen Sohn Georg(ili) besteht, muss die Wohnung in der Possingergasse räumen, den ganzen Hausrat zu Spottpreisen versetzen und landet schließlich verarmt mit »vier anderen Personen« (S. 119) in einem einzigen Zimmer. Die Lage erscheint immer aussichtsloser, Versuche, nach Amerika oder nach Südafrika auszuwandern, scheitern, auch weil die erwünschten Gastländer die Bedrängten nicht wollen und immer neue bürokratische Hürden aufbauen (S. 122 f.). Wally versinkt angesichts dieser Situation in Lethargie und Depression (S. 118 f.) und will zunächst nicht einfach fliehen, da sie »ein freier Mensch und eine geborene Bürgerin dieser Stadt [sei], es wäre albern, vor so irrwitzigen Bestimmungen davonzulaufen« (S. 119). Doch nachdem sich auch ein letzter möglicher Ausweg, legal nach Accra auszuwandern (S. 121), zerschlägt, entscheidet sich die Familie, der es gelungen war, den ältesten Sohn Bernili noch rechtzeitig nach England ins Exil zu schicken, zur Flucht nach Ungarn. Das auch, weil Wally plötzlich erkennt, wohin das alles führen wird: »Am Ende werden sie uns umbringen.« (S. 124) Von der Entscheidung zur Flucht und ihren ersten Etappen berichtet Oskar nicht mehr in Briefen an Jeannette, sondern offensichtlich in seinem eigenen Tagebuch. Der Übergang zwischen Briefen und Tagebuch bleibt dabei unmarkiert.

Den ganzen Tag Schneegestöber: Der Roman kehrt zur Haupterzählung nach Mondsee zurück. Veits Ruhe wird nur durch zweierlei gestört: Zum einen nehmen die Konflikte mit der Quartierfrau weiter zu (S. 130, 137) und zum anderen plagen ihn weiterhin seine Angstanfälle (vgl. S. 139 f.).

Seine Beziehung zur Darmstädterin wird derweil immer intimer (S. 130), und auch mit dem Brasilianer scheint sich eine Freundschaft anzubahnen (S. 132). Besonders gefällt ihm an Robert Raimund Perttes, wie der Brasilianer eigentlich heißt, dass dieser jemand ist, »an dem der Hebel zur Gleichschaltung nicht umgelegt worden war« (S. 133). Dennoch ist er besorgt, dass die laute Kritik des Brasilianers an der »Firma für Blut und Boden« (S. 136) zu weit gehen könnte. Der Brasilianer erzählt Veit auch, dass seine Schwester Trude, die Quartierfrau, sich erst durch die Heirat mit dem »Lackierermeister« Dohm, »der momentan im Generalgouvernement den neuen Menschen markiere« (S. 135), so negativ verändert habe.

Als Veit eine erneute Panikattacke erleidet, kommt ihm Veit und Nanni Nanni Schaller zu Hilfe, sie hält seine Hand und redet beruhigend auf ihn ein. Dann zeigt sie ihm einen Brief ihrer Mutter, in dem sie wegen ihrer Beziehung zu ihrem Cousin Kurt heftig beschimpft wird. Sie bittet Kolbe, ihrer Mutter zu schreiben, »als Soldat […] und [zu] sagen […], dass Verliebtsein etwas Schönes ist« (S. 142). Veit windet sich und lehnt Nannis Bitte schließlich ab.

Beschlossen wird das Kapitel mit dem erwähnten Brief der Mutter an Nanni – der fast nur aus Sätzen mit Ausrufungszeichen am Ende und aus Vorwürfen besteht.

Der März war ungewöhnlich: Für Veit verändern zwei Dinge sein Leben nachhaltig: Zum einen verschreibt ihm der Gemeindearzt das Pervtin Medikament »Pervitin«, das er »aber nur nehmen [soll], wenn es gar nicht anders gehe« (S. 147). Zum anderen wird Veit – wie die ganze Gemeinde – vom plötzlichen Verschwinden der jungen Nanni verschwindet Nanni Schaller erschüttert. Zunächst vermutet man, sie sei mit ihrem Cousin durchgebrannt, doch der junge Mann ist völlig ahnungslos und macht sich selbst »große Sorgen« (S. 151). Veits Onkel Johann übernimmt die Ermittlungen, bleibt aber auch dabei weiterhin stark mit sich selbst beschäftigt (S. 154). Kolbes Sicht auf seinen Verwandten verschlechtert sich zusehends: Als Nannis Mutter unangekündigt in Mondsee auftaucht und vom Gendarmen vernommen wird, unterstellt Veit ihm, ohne echte Empathie zu sein (S. 158–160). In dem Verhör schildert die Mutter Nanni als kluges, leicht erziehbares Kind, das allerdings frühreif sei und sich mit Freundinnen umgeben habe, »die für Aufklärung über das andere Geschlecht sorgten« (S. 157).

Bei Margot bemerkt Veit den breiten hessischen Akzent, der besonders beim Wort ›Krieg‹ »der Sache eine realistische Seite« abzugewinnen vermag: »[E]s klang nach kriechen, sich in Erdlöchern verkriechen, es klang nach den finsteren, feuchten Schächten, in die ich fiel, wenn ich meine Anfälle hatte.« (S. 162)

Der Elternbesuchstag: Zwar ist die Freude bei den landverschickten Mädchen und ihren Eltern groß, als es endlich zum lang ersehnten Besuchstag kommt, doch steht dieser »unter einem nervösen Stern« (S. 163), wie Veit bemerkt. Zum einen finden die Eltern ihre Kinder durchaus »selbstbewusster« (S. 164) wieder als noch einige Monate zuvor, zum anderen sind alle durch das Verschwinden von Nanni Schaller beunruhigt. Neues gibt es zu der 13-Jährigen nicht, Veits eher untätiger Onkel glaubt, »dass alles Wesentliche bald von selbst aus dem Fall herauseitern werde« (S. 170). Seine einzige Der Onkel ermittelt (nicht)Ermittlungstätigkeit scheint darin zu bestehen, dass er die Briefe von Nannis Cousin Kurt, die weiterhin in Mondsee eintreffen, liest. Und auch Veit darf die Briefe lesen – in seiner Funktion als Schreiber, die er öfter für den Onkel ausübt. Die Lehrerin Bildstein scheint dagegen wegen Nanni unter »Nachstellungen der Behörde« (S. 166) zu leiden, wie sie Veit bei einem zufälligen Treffen anvertraut – ansonsten aber bleibt sie ihm gegenüber so kühl wie zuvor. Sie erstaunt ihn allerdings mit einer Bemerkung über sein schlechtes Aussehen (S. 167).

Eher zufällig gerät Veit mit der jungen polnischen Zwangsarbeiterin Joanna, die ihm seine Stiefel putzt, auch eine Opfergruppe in den Blick, die in der NS-Gesellschaft zwar massiv ausgebeutet, aber sonst wenig beachtet wird (S. 168). Joanna hat einen »plötzlichen Gefühlsausbruch« (ebd.) und gibt dabei einen Einblick in ihre traurige Existenz.

Dem Der unvorsichtige Brasilianer Brasilianer wird eine abfällige Aussage über den »Minister für Öffentlichkeitsarbeit« (S. 174, gemeint ist Propagandaminister Joseph Goebbels), die er in der Gastwirtschaft »Zum Schwarzen Adler« macht, schließlich zum Verhängnis.

Der Brasilianer wurde nicht über Nacht: Veit überrascht es zunächst, dass die Verhaftung Verhaftung des Brasilianers nicht so vor sich geht, »wie die Leute es sich von derlei Vorgängen erzählten« (S. 175). Doch die Beamten erfüllen dann rasch das Klischee: der eine »so feist, dass er im Nacken Harmonikafalten bekam, wenn er den Kopf nur ein wenig hob« (S. 176), der andere »schlug die Hündin sofort zweimal mit einem Stock«. Die Übergriffe beschränken sich freilich nicht auf das Tier des Brasilianers: Auch er erhält »einen Schlag ins Gesicht« (S. 177), wird getreten und gestoßen. Veit verfolgt das Ganze mit »arge[m] Herzklopfen« (S. 178), tut aber nichts. Beim Einsteigen in den Polizeiwagen bittet der Brasilianer Veit, sich um die Gärtnerei zu kümmern. Veits erste Reaktion ist, dass er »in die Sache nicht hineingezogen werden« (S. 180) will, nicht zuletzt, weil er Gefahr laufe, »dass [s]ein Dienstgeber früher als vorgesehen nach [ihm greift]«. Doch Veit wird deutlich, dass der Brasilianer sein Freund ist und er in einer Verpflichtung steht. Nachdem auch noch die Scheiben des Gewächshauses – vermutlich von Jugendlichen – nachts eingeworfen werden, gelingt es Veit nur mit »allerlei Mühen« (S. 184) und auch Bestechung, neues Glas zu besorgen, um schließlich die Veit übernimmt Gärtnerei Arbeit in der Gärtnerei zu übernehmen. Das Verhältnis zu seinem Onkel verschlechtert sich weiter, vor allem auch, weil dieser wenig Ermittlungseifer an den Tag legt, als es darum geht, die nächtlichen Vandalen zu ermitteln (S. 183). Zum Bild, das Veit zunehmend von seinem Onkel gewinnt, passt, dass er sich vor allem für die Zigarren des Brasilianers interessiert, die dieser angeblich »für die besonders schlechten Zeiten« (S. 185) gehortet habe. Es ist auch der Onkel, der Veit die unangenehme Nachricht überbringt, dass »im Ort schon Beschwerden geäußert [würden], [er] wäre an der Front besser aufgehoben als hier« (S. 184).

In den Dschungeln Schwarzindiens: Nach der Verhaftung des Brasilianers beginnt sich das Leben für Veit massiv zu verändern, weil er nun die Verantwortung für die Gärtnerei zusammen mit der Darmstädterin übernommen hat. Die körperliche Arbeit erschöpft Veit – was ihm allerdings teilweise gefällt (S. 190). Sein Verhältnis zur Margot und Veit Darmstädterin wird immer enger, beide gestehen sich schließlich ihre Zuneigung und küssen sich zum ersten Mal (S. 197 f.). Vorausgegangen war das Geständnis Margots, »nicht den richtigen Mann geheiratet zu haben« (S. 195). Vielmehr habe sie mit der recht überstürzten Hochzeit ihrem Elternhaus entkommen wollen, vor allem ihrem Vater, der sie offenbar regelmäßig geschlagen hat (S. 194). Sie interessiert sich sehr für Veit, will auch über dessen Kriegserlebnisse viel wissen. Und er erzählt ihr, »dass [er] alles gesehen hatte, was niemand sehen will« (S. 199).

Da ich keine Beziehungserfahrung: Schon nach kurzer Zeit erscheint Veit die Beziehung zu Margot, die er nun nicht mehr »die Darmstädterin« nennt, als gefestigt (S. 205). Auch sexuell klappt es zwischen beiden, was den unerfahrenen Veit ganz offenbar freut und ihn von einem »Neuanfang« (S. 203) träumen lässt. Doch das Glück der beiden ist natürlich bedroht: Zum einen ist Margot verheiratet, zum anderen muss Veit schon bald zurück an die Front. Die bevorstehende Nachmusterung löst bei ihm neue Angstzustände aus, bei denen er erneut scheußliche Kriegserlebnisse vor Augen hat. Die Beziehung zwischen den beiden bleibt auch in Mondsee nicht unbemerkt – und vor allem nicht unkommentiert: Veit weiß, dass es im Dorf »jetzt hieß, Margot sei eine, die mit jedem ins Bett geht« (S. 213).

Veit und Margot treffen beim Reichssportwettkampf der landverschickten Wiener Mädchen erstmals auch den Ehemann der Quartierfrau, der als Der SS-Mann Dohm SS-Mann eine Rede vor den Sportlerinnen hält. Nur kurz darauf lernt Kolbe ihn dann richtig kennen: Ohne jede Vorwarnung nämlich erschießt er den nach den Schlägen des Polizisten gelähmten Hund seines Schwagers, des Brasilianers. Veit ist darüber völlig empört und droht dem SS-Mann, ihn anzuzeigen. Doch der weist ihn kühl in die Schranken und Veit knickt ein (S. 215).

In der Früh packte ich: Veit muss den schweren Weg nach Wien zur Nachuntersuchung antreten und realisiert, »wie glücklich [er] während der letzten Wochen gewesen war« (S. 216). Vor der Musterung trifft er aber auf seine Eltern und erneut kommt es zum Konflikt mit dem Vater. Allerdings hat sich nun etwas deutlich geändert, Mitte 1944 scheint sein Vater, ein überzeugter Nationalsozialist, nicht mehr ganz so siegessicher zu sein (S. 218). Die Rückkehr in sein Elternhaus bedeutet für Veit immer auch eine Erinnerung an seine verstorbene Schwester Hilde. Veit denkt an den Tag zurück, bevor Hilde starb, und hat noch immer ein schlechtes Gewissen. Seine Schwester hatte ihn zu sich gerufen und Veit zärtlich berührt. Dieser war unfähig, die Geste zu erwidern.

Kolbes Vorstellung vor dem Militärarzt verläuft zunächst alles andere als erfolgreich für ihn: Er wird als »[f]eldtauglich« (S. 220) eingestuft und müsste damit zurück an die Front. Mit einiger Mühe gelingt es ihm aber, eine erneute Untersuchung durch einen Facharzt zu erreichen. Dieser lässt sich erweichen und stellt Veit Veits erneute Zurückstellung erneut zurück. Veit ist zwar »schrecklich passiv, müde, ausgelaugt« (S. 227) nach diesem Arztbesuch, doch er fährt auch überaus glücklich nach Mondsee zurück.

Ich bin noch immer ganz verwirrt: Erneut kommt Kurts Ängste Kurt Ritler in einigen seiner Briefe zu Wort, die er weiterhin »postlagernd« (S. 230) nach Mondsee schickt, um mit Nanni in einem imaginären Dialog zu bleiben. Dabei weiß er, dass seine Briefe von Fremden gelesen werden.

Kurt macht sich Vorwürfe, dass er nicht wie verabredet nach Schwarzindien kommen konnte (S. 241). Immer wieder beteuert er, dass das nicht seine eigene Entscheidung gewesen sei. Ein entscheidendes Hindernis sei gewesen, dass er als Mitglied der HJ (Hitlerjugend) zu militärischen Hilfsdiensten verpflichtet worden sei. Er muss einen Lehrgang absolvieren und wird dann als Horcher eingesetzt. Kurt erlebt dabei immer wieder heftige Luftangriffe mit, denen er nur mit Glück unverletzt entkommt (S. 234). Zwischen den Angriffen bleibt Kurt etwas Zeit, Nanni zu schildern, wie er sich entwickelt: »[W]enn man mich genau anschaut, sehe ich einem Mann schon ziemlich ähnlich.« (S. 237)

Von seinen Eltern wird Kurt wegen der Beziehung zu Nanni noch immer »sehr hart [angepackt]« (S. 230), wohingegen sich das Verhältnis zu Nannis Mutter entspannt, da sie offenbar versteht, dass auch Kurt unter ihrem Verschwinden leidet. Allerdings macht das die Mutter nicht hoffnungsvoller: »Deine Mutter sagt, sie glaube, du seist tot.« (S. 243)

Der Abschied von Wien: Der Roman gibt erneut Oskar Meyer das Wort und blendet zunächst in das Jahr 1942 zurück. Oskar berichtet, wie glücklich er und Wally sind, als sie endlich in Flucht nach Budapest Budapest ankommen und die Einschränkungen und Bedrohungen der letzten Jahre hinter sich lassen können. Zwar ist die Wohnung des Bruders István »klein und ärmlich« (S. 245), doch dafür können sich die drei endlich frei bewegen (S. 246). Allerdings sehen sich die Meyers damit konfrontiert, ihre Identität wechseln zu müssen, denn »[i]m Sommer vor [ihrer] Ankunft waren die meisten nicht ungarischen Juden von den Ungarn an die Deutschen ausgeliefert worden« (S. 247). Auch Wallys Stimmung bessert sich merklich (S. 246). Aus Freude über die gelungene Rettung kauft Oskar Wally »bei einer Straßenhändlerin ein Halstuch aus Baumwolle« (S. 146). Die Lage ändert sich aber schlagartig, als die Deutschen 1944 in Ungarn einmarschieren: »[J]etzt geht es hier von vorne los.« (S. 250) Willkür, Erniedrigungen und massive Einschränkungen für die Juden lassen nicht lange auf sich warten. Oskar und sein Bruder verlieren ihre Arbeit, sind schnell völlig mittellos. Ein aus Polen geflohener Jude, der sich selbst sarkastisch als »erfahrener Verfolgter, eine Fachkraft im Fliehen« (S. 253) bezeichnet, rät Oskar dringend zur Flucht. »Er erwähnte Konzentrationslager und den Bau von riesigen Fabriken, und wer nicht arbeiten könne, komme ins Gas.« (S. 254) Oskar schenkt diesen düsteren Aussagen keinen Glauben, doch muss er bald selbst erleben, wie sich die Situation immer weiter zuspitzt. »Am Sonntag den 16. Juli« (S. 259) kehren Wally und Georgili nicht mehr nach Hause zurück. Rasch ahnt Oskar, dass sie in eine Razzia der Deutschen geraten sind.

1.Arno Geiger sei ausdrücklich gedankt für die Geduld und Sorgfalt, mit der er Fragen für diesen Lektüreschlüssel beantwortet hat.
2.Der Schlüsselbegriff der Rezeptionsästhetik stammt von Wolfgang Iser (1926–2007) und bezeichnet jene ›Lücken‹ im Text, die zwangsläufig durch die Versprachlichung und erzählerische Vermittlung (auch intentional durch den Autor) bleiben und vom Leser / der Leserin in der Imagination aufgefüllt werden müssen.
3.Ab 1940 wurden über 200 000 Menschen mit körperlichen, seelischen oder geistigen Behinderungen bzw. Erkrankungen systematisch von den Nationalsozialisten ermordet. 1941 wurden die Morde vor allem nach kirchlichem Protest vorübergehend unterbrochen und ab 1942 nicht mehr zentral, sondern dezentral und damit weniger sichtbar weitergeführt. Das Wissen um die Ermordung von Menschen mit einer unheilbaren Erkrankung oder einer Behinderung war weit verbreitet.
4.Vgl. dazu die entsprechende Anmerkung in Kapitel 9 »Wort- und Sacherläuterungen«.
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
08 november 2024
Objętość:
174 lk 8 illustratsiooni
ISBN:
9783159617503
Kustija:
Õiguste omanik:
Bookwire
Allalaadimise formaat: