Swanns Vergeltung

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Sari: BELOVED #46
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Dan drückte Graham auf einen der Sitze, öffnete die Beifahrertür und beugte sich zu ihm hinüber. »Schönes Leder«, bemerkte er, während er Grahams Gürtelschnalle löste und ihm die Jeans herunterzog. »Und ich bin begeistert von dem Doppelkupplungsgetriebe. Es macht die Gangschaltung überflüssig.«

Grahams Gelächter ging in einen Seufzer über, als Dan den Mund auf Grahams Unterhose senkte und mit den Lippen den Umriss seines Schwanzes nachfuhr.

»Shit«, entfuhr es ihm keuchend, als Dan seine Hoden umfasste und sie sanft massierte.

Dan sah zu ihm auf und biss sich auf die Unterlippe, während er Graham die Unterhose herunterzog. Dann nahm er Grahams Schwanz in den Mund.

»Oh ja.« Wieso war Graham bisher nur nie auf den Gedanken gekommen, sich nach einem Wettkampf auf diese Weise zu entspannen?

Ein leiser Klingelton brachte ihn zurück in die Wirklichkeit. Nicht seiner.

»Da soll die Mailbox rangehen.« Damit wandte Dan sich wieder Graham zu.

Der schloss die Augen, als Dan ihn tief in sich aufnahm, wobei er sanft mit den Zähnen über die empfindliche Haut fuhr. Saugend zog Dan sich an Grahams Schaft zurück, bis seine Lippen nur noch die Eichel umschlossen, dann nahm er ihn wieder ganz in den Mund.

Himmlisch. Graham spannte die schmerzenden Pobacken an und schob sich noch tiefer in Dans heißen Mund hinein. Morgen würde er ein paar Stunden in Terris Whirlpool verbringen, aber jetzt hatte das Vergnügen Vorrang vor den Beschwerden seiner übersäuerten Muskeln.

»Gott, dein Mund fühlt sich fantastisch an«, brachte Graham zwischen Keuchen und Stöhnen hervor. Er war kurz davor, so kurz, dass er sich kaum noch…

Da klingelte Dans Handy erneut und Dan setzte sich auf. »Tut mir wirklich leid, Graham. Aber wer auch immer das ist, es muss dringend sein.«

Graham biss die Zähne zusammen und widerstand dem Drang, den Kopf gegen die Autotür zu schlagen.

»Hallo?«, grüßte Dan den Anrufer. »Nein. Schon in Ordnung… Nein. Nein, das verstehe ich, Schatz. Ich komme, so schnell ich kann...« Beim nächsten Satz schwang Dans bis dahin mitfühlender Tonfall ins Sachliche um. »Stimmt. Tut mir leid. Ich hab gar nicht mitgekriegt, dass du es schon mal versucht hast. Im Restaurant war es ziemlich laut. Tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen.« Er beendete den Anruf und steckte das Handy weg. Mit zusammengepressten Lippen sah er Graham an. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie unglaublich leid es mir tut.«

Nicht so sehr wie mir. Graham erstickte einen Seufzer, richtete seine Unterhose und zog sich die Jeans hoch. So großartig der Abend auch angefangen hatte, er würde entweder mit einer kalten Dusche oder einem Handjob enden. Hätte nicht besser laufen können.

»Ich hab wirklich nicht damit gerechnet, dass…«

»Kein Stress.« Je schneller er das hinter sich brachte, desto besser. »So was kann passieren.« Wie zum Beispiel, dass deine Frau oder Freundin im Hotel auf dich wartet. Normalerweise wäre es Graham egal gewesen – solange er keinen Ring entdeckte, fragte er seine One-Night-Stands nicht nach ihrem Familienstand –, aber einen Anruf von der Liebsten anzunehmen, während man einem Mann einen blies? Das war absolut inakzeptabel. Graham konnte Fremdgänger nicht ausstehen.

»Ich an deiner Stelle wäre nicht so nachsichtig.« Dan seufzte. »Es tut mir wirklich leid.« Er kramte in einer Hosentasche herum und zog eine Visitenkarte hervor. »Ich ziehe nach Raleigh. Meld dich, wenn du mal in der Gegend bist.«

Obwohl Graham nicht die Absicht hegte, sich noch mal mit Dan zu treffen, nahm er die Karte entgegen. »Danke.«

Dan fuhr sich mit der Hand durch das zerzauste Haar und zögerte kurz, bevor er auf den Aufzug zusteuerte.

»Brauchst du eine Mitfahrgelegenheit?« Graham wusste, dass er nicht so entgegenkommend sein sollte. Schließlich hatte der Typ gerade schneller die Flucht ergriffen als Cinderella kurz vor Mitternacht. Aber er konnte einfach nicht anders.

»Ich wohne im Hilton. Aber trotzdem vielen Dank.« Dan zeigte auf das Hotel gegenüber. »Es tut mir wirklich leid«, wiederholte er.

Graham winkte, bis Dan in einem der Fahrstühle verschwunden war. Dann zog er die Visitenkarte aus der Hosentasche, knüllte sie in der Faust zusammen und warf sie weg.

Kapitel 3

Dan Parker verspätete sich nie. Aber ausgerechnet an seinem ersten Tag im neuen Job kam er fünfzig Minuten zu spät zu dem Termin mit der Personalabteilung. Das Hemd klebte ihm am Rücken und das in für ihn typischer Ich-hab-keine-Zeit-zum-Friseur-zu-gehen-Manier ein bisschen zu lang gewachsene Haar kringelte sich feucht in seinem Nacken, als er der Assistentin zum Konferenzraum folgte.

Hätte er nur das Angebot seiner Eltern angenommen, ein paar Tage in Raleigh zu bleiben, damit er und Lacey sich einrichten konnten. Aber er hatte sich nicht aufdrängen wollen. Schlimm genug, dass sie nach Wilmington fahren mussten, um auf Lacey aufzupassen, während er am Triathlon teilnahm. Sie kamen langsam in die Jahre, und er fühlte sich nicht wohl bei der Vorstellung, wie sie einer Vierjährigen nachjagten.

»Es tut mir so leid.« Carly, die Babysitterin, hatte um fünf Uhr morgens abgesagt und dabei geklungen wie der Tod auf Latschen. »Wenn es für Sie in Ordnung ist, können Sie Lacey heute zu meiner Schwägerin nach Durham bringen.«

Also war er mit einer noch halb schlafenden Lacey um sieben Uhr nach Durham aufgebrochen, aber auf dem Rückweg nach Raleigh hatte sich der Verkehr durch eine nicht enden wollende Baustelle gequält. Anfangs hatte Dan versucht, sich auf den Song im Radio zu konzentrieren, doch während die Minuten verrannen, fragte er sich, ob es nicht ein Fehler gewesen war, so schnell auf Terris Jobangebot anzuspringen. Vielleicht hätte er sich vor dem ersten Arbeitstag mehr Zeit zum Ankommen nehmen sollen. So, wie die Dinge standen, hatte er den Umzug in das neue Haus in weniger als einer Woche durchziehen und gleichzeitig eine Betreuung für Lacey organisieren müssen. An die vielen Kisten, die sich im Haus stapelten, wollte er gar nicht erst denken.

»Machen Sie sich deswegen keine Gedanken, Mr. Parker«, hatte Carol von der Personalabteilung ihn beruhigt, als er sie vom Auto aus angerufen hatte. »Wir können den Papierkram auch nach Ihrem Treffen mit den Partnern erledigen.«

Die Assistentin hielt ihm die Tür zum Konferenzraum auf und warf dem gut aussehenden, in einen makellosen Designeranzug gekleideten Mann darin einen nervösen Blick zu.

Umringt von einer Schar junger Anzugträger stand er an eine Anrichte gelehnt da und sah mit seinem dunklen lockigen Haar, dem perfekt konturierten Kiefer und den durchdringenden grünen Augen aus, als wäre er soeben einer Werbeanzeige für einen italienischen Spitzendesigner entstiegen. Seine Miene erinnerte Dan an eine Marmorstatue: wunderschön und unergründlich. Und vertraut.

Verdammt. Es war Graham, der Typ, mit dem er vor zwei Tagen beinahe was gehabt hätte! Das läuft ja gar nicht gut. Er hatte sich wie ein totaler Arsch gefühlt, als er Graham in seinem erregten Zustand hatte verlassen müssen. Aber Lacey hatte sich übergeben und er hatte sie durch die Leitung schluchzen gehört… Wenn er nicht so ein netter Kerl wäre, hätte er gern erwähnt, dass die riesige Wolke Zuckerwatte, die seine Eltern ihr gekauft hatten, vielleicht die Ursache dafür war. Von den frittierten Hähnchenteilen und dem Milchshake zum Mittagessen gar nicht zu reden.

Die Assistentin murmelte etwas, dem Dan nicht ganz folgen konnte, wartete, bis er hineingegangen war, und schloss die Tür hinter ihm. Graham kam ihm nicht entgegen, obwohl Dan meinte, einen Schimmer des Wiedererkennens in dessen atemberaubend grünen Augen aufblitzen zu sehen.

Dann mache ich wohl am besten den Anfang. Leichter wird es auf keinen Fall… Dan wollte sich gerade vorstellen und sich für die Verspätung entschuldigen, als neben ihm jemand sagte: »Wie schön, dass du hier bist, Dan.«

»Terri.« Dan schüttelte ihr die Hand und sah erleichtert in Terri James' vertrautes Gesicht. »Schön, dich wiederzusehen. Bitte entschuldige die Verspätung.«

»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Das passiert den Besten unter uns. Ich bin einfach froh darüber, dass du unser Angebot angenommen hast und für uns arbeiten möchtest.« Ihr Lächeln war immer noch so warm und herzlich wie damals während des Jurastudiums. Er entspannte sich etwas. »Erlaube mir, dir meinen Partner und besten Freund vorzustellen.« Sie deutete zu Graham hinüber.

»Das ist Dan Parker, Graham. Dan, ich darf dich meinem Partner vorstellen, Graham Swann.«

»Schön, Sie kennenzulernen, Graham.« Dan reichte ihm die Hand. In Situationen wie dieser war es immer besser, sich diskret zu zeigen. Falls Graham den verpatzten Abend zur Sprache bringen wollte, hatte er dafür noch reichlich Gelegenheit.

Wie hoch stand die Wahrscheinlichkeit, dass der sexy Graham mit den perfekten Hinterbacken sich als Graham Swann entpuppen würde? Der Mann war ziemlich bekannt in North Carolina: Er hatte sein Studium an der Vanderbilt University Law School als Klassenbester abgeschlossen, einen Vergleich über 4,3 Millionen Dollar für seinen ersten Fall von Diskriminierung bei der Einstellung erzielt und mit seinem Anteil eine der erfolgreichsten Kanzleien für Arbeitsrecht im Südosten gegründet. Und das alles, obwohl er erst 32 war, genau so alt wie Dan. Dass er auch Triathlet ist, stand aber nicht in seinem Lebenslauf.

Graham verzog keine Miene, als sie sich die Hand schüttelten, aber Dan merkte trotzdem, dass Swann mehr als nur verärgert war. Er war angepisst. Das konnte Dan ihm nicht verübeln, aber…

»Ich muss zu einem Meeting«, erklärte Graham an Terri gewandt. »Den Rest der Vorstellungsrunde schaffst du auch ohne mich.«

 

»War nett, Sie kennengelernt zu…«, setzte Dan an, doch Graham hatte sich schon weggedreht und steuerte auf die Tür zu. Dan seufzte. »Ich fürchte, ich habe keinen sehr guten ersten Eindruck hinterlassen.« Und es bestand wenig Hoffnung, dass er das mit den üblichen Nettigkeiten wettmachen konnte.

»Mach dir nichts draus.« Terri wedelte wegwerfend mit der Hand. »Er ist von Natur aus kratzbürstig, und in letzter Zeit ist es sogar schlimmer geworden. Wir ertrinken in Arbeit und er trägt die Hauptlast. In den letzten beiden Wochen war er fast jeden Tag bis Mitternacht hier. Sobald du und die anderen Neuen eingearbeitet sind, wird er sicher wieder ganz der Alte sein.«

»Davon bin ich überzeugt«, log Dan.

»Schon eingelebt?«, erkundigte sich Terri.

»Normalerweise starte ich sofort durch. Aber ein Umzug mit einer Vierjährigen ist eine etwas größere Herausforderung.«

»Das mit Benn tut mir wirklich leid. Wie geht es dir und Lacey?«

»Als Benn und ich sie adoptiert haben, hätte ich nie gedacht, als Witwer und alleinerziehender Vater dazustehen, bevor sie zwei ist«, gab Dan zu. »Aber wir schlagen uns durch. Die letzten Jahre waren zwar stressig, aber auch ziemlich wunderbar.« Trotzdem brauchten er und Lacey ein anderes Leben, das nicht nur aus Arbeit und Pendeln bestand und ihnen keine Zeit füreinander ließ. Deshalb hatte er diesen Job sofort angenommen, obwohl er dafür seine Anteile als Partner der an der Wall Street ansässigen Firma aufgeben musste, für die er seit seinem Abschluss gearbeitet hatte.

»Das freut mich. Lass mich wissen, wenn ich dir irgendwie helfen kann, in Ordnung?«

Er lächelte sie an. »Danke. Der Makler und die Umzugsfirma, die du uns empfohlen hast, waren bereits eine große Unterstützung.«

»Deine Eltern leben in den Bergen, stimmt's?«

»In der Nähe von Asheville«, bestätigte er.

»Graham stammt von da oben. Er besitzt ein tolles Haus, ganz in der Nähe vom Blue Ridge Parkway, das langsam Staub ansetzt. Aber jetzt bist du ja hier und kannst ihm einen Teil der Arbeitslast abnehmen.«

»Du sagtest, er hätte ein paar große Fälle, deren Prozess bald ansteht. Ist da was Interessantes dabei?«, fragte Dan.

»Schon möglich. Das sind Grahams Babys, er wird dir mehr darüber sagen können«, erklärte Terri. »Er verhandelt die Fälle, bei denen es um Angestellte geht. Ich kümmere mich um Arbeiter, Schlichtungsverfahren und erledige die meiste direkte Zusammenarbeit mit den Klienten. Wir haben ein paar Überschneidungen und ein paar der Mitarbeiter arbeiten an beidem mit, aber meistens bleiben wir in unserem Zuständigkeitsbereich. Solltest du dich je entscheiden, auf die dunkle Seite überzuwechseln, sag mir Bescheid. Ich zeig dir gern, wie's geht.«

»Darauf komme ich vielleicht zurück, wenn ich ein bisschen Zeit zum Einleben hatte. Im Moment freue ich mich drauf, weniger Zeit mit der Durchsicht von Dokumenten und mehr Zeit im Gericht zu verbringen.«

»Den Wunsch kann ich dir erfüllen. Die Kinderschar da drüben« – sie nickte zu der Gruppe frischgebackener Anwälte hinüber, die sich an Kaffee und Donuts gütlich taten und den Ausblick über die Stadt bewunderten – »wird den Großteil der Recherche für Grahams Team übernehmen. Außerdem fängt nächste Woche eine neue Rechtsanwaltsgehilfin an.«

»Klingt himmlisch.«

Terris Handy piepste. »Mist. Ich habe in fünf Minuten eine Telefonkonferenz mit einem Vertreter der Gewerkschaft. Findest du allein zurück in die Personalabteilung? Sie haben noch ein paar Formulare für dich, die du ausfüllen musst.«

»Kein Problem. Ich finde schon hin.«

»Gehen wir nach Feierabend was trinken?«, fragte Terri.

»Ich wünschte, ich könnte. Aber ich muss Lacey vom Babysitter abholen.« Er lächelte. »Sobald ich eine Betreuung für sie gefunden habe, komm ich gern darauf zurück.«

»Abgemacht. Und wir können jederzeit die Mittagspause zusammen verbringen,« bot sie an.

»Mittagessen klingt perfekt.«

»Ich schreib dir.« Sie ging auf die Tür zu. »Und komm bitte zu mir, wenn du etwas brauchst.«

»Mach ich. Danke.«

Eine Stunde später, nachdem er einen Stapel Formulare für die Personalabteilung ausgefüllt hatte, schloss Dan die Tür zu seinem neuen Büro hinter sich und atmete tief durch. Nach drei Jahren, in denen er Lacey dabei hatte zusehen müssen, wie sie um sieben Uhr abends auf dem Heimweg vom Hort einschlief, statt von ihm ins Bett gebracht zu werden, hegte er keinen Zweifel daran, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Jetzt musste er nur noch Mr. Groß, Düster, Unglaublich Sexy und Mächtig Angepisst davon überzeugen, dass auch er mit Dans Einstellung die richtige Entscheidung getroffen hatte...

Kapitel 4

Graham saß an seinem Schreibtisch und rieb sich über den Mund. Unglaublich. Einer von den neuen Angestellten hatte sich als sein katastrophaler One-Night-Stand herausgestellt. Wenigstens hatte Dan die Diskretion besessen, ihr Treffen in Wilmington nicht zu erwähnen. Graham hatte keine Lust, sich mit Terris Fragen herumschlagen zu müssen.

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, war Dan auch noch zu spät zu der Einstiegsbesprechung gekommen. Sein plötzliches Verschwinden hätte Graham ihm vielleicht noch durchgehen lassen können, aber von seinen Kollegen erwartete er mehr. Er hatte sich nicht den Arsch aufgerissen, damit andere es schleifen lassen konnten. Genau wie von sich selbst erwartete er von seinen Mitarbeitern harte Arbeit und dass sie zur Stelle waren, wo und wann sie gebraucht wurden.

Dan musste sich anpassen oder damit rechnen, dass er rausgeworfen wurde. Graham legte die Bedingungen fest, und solange Dan sich daran hielt, würden sie bestens miteinander auskommen. Und wenn Dans kleine Lady ihn zum Firmenpicknick begleitete, würde Graham sich von seiner besten Seite zeigen. Diskretion funktionierte in beide Richtungen. Er und Terri brauchten einen fähigen Verhandlungsführer, der außerdem noch sympathisch war. Dank seiner Berufserfahrung eignete sich Dan perfekt für die Stelle – zumindest auf dem Papier.

Geschäft. Es geht nur ums Geschäft.

Jemand klopfte an die Tür seines Büros. »Herein.« Graham blickte von einem Stapel Unterlagen auf und entdeckte einen zaghaft lächelnden Dan. Mit seinem widerspenstigen kastanienbraunen Haar wirkte er gelassen und selbstbewusst, und in dem tadellos geschnittenen Anzug sah er mindestens genauso gut aus wie in Trishorts. Der Blick aus seinen blauen Augen verriet Intelligenz und einen scharfen Verstand.

Wahrscheinlich hat ihm sein Charme bisher den Weg geebnet.

»Tut mir wirklich leid wegen heute Morgen«, kam Dan sofort zur Sache.

Graham wartete auf eine Ausrede, aber Dan sagte nichts weiter. Eine erfreuliche Überraschung. »Möchtest du dich setzen?« Graham wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und versuchte, sich nicht darauf zu konzentrieren, wie Dans Oberschenkelmuskeln den Stoff seiner Hose spannten, als er sich setzte.

»Danke.« Dan schien verschiedene Möglichkeiten durchzugehen, bevor er hinzufügte: »Und wegen letztem Samstag tut es mir auch sehr leid. Ich habe das Gefühl, dass ich mir schon zwei Minuspunkte eingehandelt habe.«

Graham stellten sich die Nackenhaare auf. »Das hätte sicher besser laufen können.« Er setzte ein Pokerface auf. Ihm persönlich mochte es scheißegal sein, ob Dan ihn leiden konnte, aber Terri war ganz vernarrt in ihn. Um ihretwillen würde Graham mit ihm auskommen. Später würde er vielleicht einen Ersatz für Dan finden, damit der nicht mehr für ihn, sondern für Terri arbeiten konnte. »Bist du mit deinem Büro zufrieden?«

Dan zog offensichtlich überrascht eine Augenbraue hoch. Hatte er etwa erwartet, Graham würde ihm wegen der kalten Dusche den Kopf waschen? »Mehr als das. Und die Aussicht ist fantastisch.«

»Gut.« Graham schluckte seinen Stolz hinunter und tat, als müsste er sich etwas Wichtiges auf seinem Computerbildschirm ansehen. Die berufliche Notwendigkeit, neue Bekanntschaften zu schließen, war ihm extrem unangenehm. Komplimente waren ein noch trügerischeres Terrain. Und angesichts dessen, wie intim er und Dan fast geworden wären, hatte Graham um so mehr das Bedürfnis, für sich zu sein.

»Ich habe die Entscheidung des Vierten Berufungsgerichts im Fall Weldon gegen Denton gelesen.« Dan überschlug die Beine und wirkte völlig entspannt. Seine Augen strahlten Wärme und stilles Selbstvertrauen aus. »Großartige Arbeit.«

»Vielen Dank.« Weldon, ein Fall, der unter den Whistleblower Protection Act fiel, war ein hart erarbeiteter Erfolg. »Wir wählen unsere Fälle sorgsam aus.« Graham war stolz auf seinen Instinkt. Und auf die Fähigkeit seiner Kanzlei, eine faire Ausgleichszahlung für seine Klienten herauszuholen, selbst wenn deren Fall nicht besonders spektakulär war.

Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Graham ließ sich nicht dazu herab, es mit belanglosem Small Talk zu füllen. Außerdem brauchte er einen Moment, um die Schmetterlinge in seinem Bauch in den Griff zu bekommen. Er hatte über die Jahre schon mit vielen attraktiven Männern zusammengearbeitet. Warum zum Teufel ging dieser hier ihm so unter die Haut?

»Terri hat mir erzählt, dass wir aus der gleichen Ecke stammen.« Dan lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Graham sah ihm in die Augen. Das Bedürfnis, nervös das Gewicht zu verlagern, verging und er eroberte die Kontrolle über das Gespräch zurück. »Oh. Und von wo wäre das?« Er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, nie zu viel über sich selbst preiszugeben. Sogar Terri, die er beim Vorbereitungskurs für die Rechtsanwaltsprüfung kennengelernt hatte, wusste nur das Nötigste. Die Vergangenheit ließ man am besten ruhen.

»Carletonville. Meine Familie lebt immer noch da draußen.« Dan lachte leise. »Sie gehen immer noch zu allen Footballspielen der Merrill High.«

Graham ließ sich nicht anmerken, dass ihm bei dem Namen das Herz in die Hose gerutscht war. Sein Nacken fühlte sich kalt und klamm an. »Wie nett«, kommentierte er gleichmütig. »Hast du auch gespielt?«

»Ja. Aber das ist lange her.« Dan seufzte und schüttelte den Kopf. »In einem anderen Leben.«

»Verstehe.« Graham warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Er musste dieses Gespräch bald beenden, wenn er Haltung bewahren wollte.

Glücklicherweise nahm Dan den Wink zur Kenntnis und erhob sich. »Ich halte dich wahrscheinlich von etwas Wichtigem ab. Wir können uns sicher später unterhalten.«

»Meine Assistentin blockt uns morgen früh ein paar Stunden, damit wir die Strategie besprechen können.« Graham lächelte und fügte hinzu: »Schön, dich an Bord zu haben.«

»Danke nochmals.«

Graham sah Dan nach und hatte große Mühe, sein Unbehagen zu verbergen. Als Dan die Tür hinter sich schloss, ließ Graham den angehaltenen Atem entweichen. Wie hatte ihm das bisher entgehen können?

Der unbesiegbare Danny Parker. North Carolina All-State Quarterback des Jahres. Ein Vollstipendium an der Carolina. NCAA All-America Quarterback. Sicherer Kandidat für die Profiliga, bis er sich im letzten Collegejahr das vordere Kreuzband gerissen hatte und Football aufgeben musste.

Graham dachte, er hätte vergessen, wie es sich anfühlte, im Schlamm zu sitzen, während das halbe Footballteam ihn auslachte, aber da hatte er sich geirrt. Die Erinnerungen kamen mit Macht zurück und brachten den fünfzehn Jahre alten Schmerz und die Erniedrigung mit sich.

Am Tag darauf hatte Graham das Orchester verlassen. Im Juni heiratete seine Mutter zum zweiten Mal, sie zogen nach Memphis und er nahm den Namen seines Stiefvaters an. Im letzten Collegejahr wuchs er fast zwanzig Zentimeter und ließ die Highschool und seine Vergangenheit als Pummelchen hinter sich. Am College stellte sich heraus, dass er gar kein Asthma hatte – er war nur allergisch gegen den Schimmel in ihrer Wohnung in Carletonville gewesen. Er begann mit Krafttraining, sein Zimmergenosse zeigte ihm, wie man Racquetball spielte, und er joggte regelmäßig. So brachte er sich in Form. Dann imitierte er den Kleidungsstil der beliebten Studenten, wurde an einer großartigen Jurafakultät angenommen und sah nie wieder zurück.

Jimmy Zebulon, der pummelige Junge mit dem pickelübersäten Gesicht, hatte Carletonville vor fünfzehn Jahren verlassen und war nie zurückgekehrt. Jimmy hatte sich ein neues Leben aufgebaut und die Erinnerungen und die Schande aus seinem Gedächtnis verbannt. Es war ihm prächtig ergangen.

Bis jetzt.

Dieses Kind bist du nicht mehr. Dieser Junge würde er nie wieder sein. Er würde es klaglos durchstehen und seinen Job machen. Wie er es von den Leuten erwartete, die er einstellte. Falls Dan Parker so gut war, wie Terri behauptete, würde er kein Problem damit haben, mit ihm zusammenzuarbeiten. Dan musste nie von dem erbärmlichen Jungen erfahren, der Danny für etwas Besonderes gehalten hatte. Denn Daniel Parker war nichts Besonderes. Er war nur ein weiterer Highschoolsuperstar, aus dem ein ganz normaler Kerl mit einem ganz normalen Job geworden war.

 

Genauso normal wie der Rest von uns.

Graham griff nach der Wasserflasche auf seinem Schreibtisch und trank sie mit ein paar Schlucken halb aus. Entspann dich. Denk nicht mehr dran. Trotzdem zitterten seine Hände.

Verdammt. Nicht nur waren er und Dan fast miteinander im Bett gelandet – er hatte gerade den Typen eingestellt, der im Mittelpunkt des schlimmsten Jahres seines Lebens gestanden hatte! Das war das Jahr gewesen, in dem er festgestellt hatte, dass er schwul war. In dem er sich zum ersten Mal verliebt hatte. Und das er gerade erst begonnen hatte, aus seinem Gedächtnis zu löschen.

Das Jahr, in dem James Graham Zebulon aufgehört hatte zu existieren und in dem J. Graham Swann geboren worden war.