Loe raamatut: «Die Schweiz im Kalten Krieg 1945-1990», lehekülg 9

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Antikommunistische Bollwerke

Mit dem aufkommenden Antagonismus zwischen dem liberal-demokratischen Westen und dem kommunistischen Osten nach dem Zweiten Weltkrieg begann auch ein propagandistischer Krieg zwischen den beiden Blöcken. Die umfassende Indoktrination mit modernsten Methoden der Kommunikation in Deutschland durch die Nazis hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Dass inskünftig die Sowjetunion mit ähnlich raffinierten Methoden der psychologischen Kriegsführung versuchen würde, die moralische und geistige Standfestigkeit zu untergraben, galt als Axiom. «Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs hat sich eine andere Macht dieses Kampfmittels bemächtigt, die Sowjetunion. Diese führt einen weltweiten und dauernden Angriff auf die geistigen Grundlagen der übrigen Völker»,14 schrieb Hans A. Huber, der während des Kriegs für Heer und Haus tätig war und erster Präsident des 1948 gegründeten SAD wurde.

Zur Abwehr fremder, «unschweizerischer» Ideologien gab es bereits das Instrument der Geistigen Landesverteidigung, die die demokratisch gesinnten Kräfte mit Ausnahme der Kommunisten und Frontisten zusammenhielt und sich als Klammer bewährt hatte. Die Frontisten waren nach dem Krieg verstummt beziehungsweise meldeten sich später wieder als rabiate Antikommunisten, die Kommunisten waren nun die Staatsfeinde. Das Konstrukt der Geistigen Landesverteidigung musste nur um 180 Grad gedreht und die Terminologie leicht geändert werden. «Während des zweiten Weltkriegs hatten wir im Kampf gegen den Nationalsozialismus die Bezeichnung ‹geistige Landesverteidigung› geprägt. Wir wollen diesen bewährten Ausdruck auch heute in einer ganz ähnlichen Auseinandersetzung beibehalten», schrieb Huber programmatisch.15 Bis in die 1970er-Jahre hinein sollte denn die Geistige Landesverteidigung eine nie geahnte Wirkung entfalten. Die zweite Geistige Landesverteidigung war im Gegensatz zur ersten nicht mehr eine Bewegung, die erneuern wollte, sondern sie hatte einen rein defensiven Charakter und wollte Erreichtes verteidigen.16 Ihr ging die Offenheit der ersten ab.

Werner Kägi, der Zürcher Staats-, Völker- und Kirchenrechtler, der in den 1930er-Jahren mit den Fronten sympathisiert hatte und später zum fulminanten Rhetoriker wider den Kommunismus avancierte, beschrieb 1949 im Jahrbuch der Neuen Helvetischen Gesellschaft die kommende Auseinandersetzung so: «Die unmittelbarste und radikalste Gefahr für Westeuropa droht offensichtlich von jenem Regime, in dessen Expansion Nationalismus und Internationalismus – Imperialismus und Weltrevolution – sich in unheimlicher Weise verbinden: von der Sowjet-Union.» Von ihr drohe der «totale Angriff», was die «totale Landesverteidigung: militärisch, wirtschaftlich, politisch, polizeilich-strafrechtlich, geistigkulturell» erfordere.17

Wie sich die auf den neuen kommunistischen Gegner fokussierte Geistige Landesverteidigung individuell auswirkte, zeigt sich eindrücklich am Beispiel des Schauspielers Robert Trösch. Er war von Erika Mann fürs Kabarett Pfeffermühle entdeckt worden und im Schauspielhaus Zürich mit deutschen Emigranten des Widerstands aktiv. Trösch spielte als überzeugter Kommunist in Filmen wie Füsilier Wipf (1938) oder Landammann Stauffacher (1941) mit, die zu Ikonen der Geistigen Landesverteidigung wurden, was für ihn offenbar kein Hinderungsgrund war. Anders nach dem Krieg: Als Kommunist sah er keine Zukunft mehr in der Schweiz. Er wanderte 1946 als erster Schweizer Kommunist in die sowjetische Besatzungszone aus und wurde Leiter der Neuen Bühne im Haus der Kultur der Sowjetunion in der DDR. Später ging er zum Film, wo er sowohl vor als auch hinter der Kamera agierte. 1959 wurde er mit dem Kunstpreis der DDR ausgezeichnet. Trösch kehrte nie mehr in die Schweiz zurück.18

Semantisch segelten die Promotoren der zweiten Geistigen Landesverteidigung gefährlich nahe bei den Nazi-Ideologen, die die Juden als Schädlinge darstellten, deren Gift und Bazillen den gesunden «Volkskörper» zersetzen würden. Bei Huber tönt das so: «Die subversiven Elemente versuchen ihr Gift auszustreuen, sobald sie sich einmal eingenistet haben. Die Herzen und Hirne der übrigen Menschen reagieren mit der Zeit auch nicht mehr normal auf die dauernden geistigen Angriffe wie gesunde Organismen, sondern zeigen gewisse Krankheitssymptome. Wir können diesen Prozess mit einer schweren Infektionskrankheit vergleichen: Im Augenblick, wo die ersten Krankheitssymptome äusserlich sichtbar werden, ist die Krankheit selbst für den von ihr betroffenen Organismus bereits lebensgefährlich geworden, weil der ganze Körper mit unsichtbaren Krankheitskeimen durchsetzt ist. Ist die Zersetzung einmal weit genug gediehen, so ist die politische Willensbildung bereits gelähmt. Der zu Tode erkrankte Volkskörper ist nicht mehr fähig, auf den Angriff gegen seine lebenswichtigen Organe, die staatliche Ordnung, durch eine revolutionäre Minderheit im Landesinnern oder einen militärischen Angriff von aussen zu reagieren.»19 Ersetzt man «subversive Elemente» durch «Juden», wird die Nähe zur Nazi-Semantik offenkundig.

Die Terroristen-Fibel des Majors von Dach

Der Begriff des «revolutionären Kriegs», der nicht mehr mit militärischen, sondern mit psychologischen Mitteln geführt würde, tauchte kurz nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Die psychologische Kriegsführung, deren Einfluss als sehr stark eingeschätzt und massiv überschätzt wurde, dürfte zum einen auf die nazistische Propaganda zurückgehen, zum anderen auf die amerikanische Verhaltenspsychologie. Der Kampf gegen diese Form der Kriegsführung, den sich insbesondere Bundesrat Feldmann zum Ziel gesetzt hatte, sollte auf verschiedenen Ebenen stattfinden. An vorderster Front stand der SAD, der auf Heer und Haus und der «Aktion Nationaler Widerstand» aufbauen und teilweise auf die Kader dieser Organisationen zurückgreifen konnte. Diese Organisation widmete sich ab etwa 1960 diesem Thema. Daneben arbeiteten sich auch Privatpersonen am Thema ab. Einer von ihnen war der Berner Major Hans von Dach, der bereits 1957 ein wahrhaft revolutionäres Buch schrieb, das seine stärkste Wirkung als «Fibel für Terroristen» etliche Jahre später entfalten sollte.

Von Dachs Kampfschrift ist eine fiktive apokalyptische Schilderung einer Besetzung der Schweiz. «Nehmen wir an: Die Schweiz ist zum Kriegsschauplatz geworden!», heisst es am Anfang des 1957 veröffentlichten Buchs mit dem Titel Der totale Widerstand.20 Von Dach geht von einer kommunistischen Aggression gegen die Schweiz aus. Ziel der Kommunisten sei das «Verschwindenlassen der demokratischen Eiterbeule». Der Schweiz drohen nach von Dachs Szenario Erschiessungen, Konzentrationslager, Umerziehung, Knechtschaft und Ausrottung ganzer Bevölkerungsschichten. Selbstverständlich wendet der Feind dabei auch Folter an. In diesem Fall gibt von Dach folgende Empfehlung: «Rufe provozierend ‹lang lebe X…!› und nenne den Namen eines bekannten Staatsfeindes, den alle als Symbol des Widerstandes kennen. Damit kannst du vielleicht deine Peiniger zu besinnungsloser Wut aufstacheln, so dass sie dich gegen ihre Interessen rasch totschlagen.»21 Auch nach einer Niederlage der Armee sei der Kampf noch lange nicht beendet. Im Gegenteil: Der Kampf müsse bis zur Vernichtung der einen oder anderen Partei weitergeführt werden. «Eine andere Lösung gibt es nicht!» In einem zukünftigen Krieg, der ein ideologischer sein werde, komme es unweigerlich zum Kleinkrieg und zivilen Widerstandskampf. Diese letzte und «grausamste Schlacht wird von ‹Zivilisten› durchgekämpft». Diese stehe im Zeichen von «Deportationen, Galgen und Konzentrationslager». Dennoch – so von Dach – sei es «besser stehend zu sterben, als kniend zu leben».22

Die Kleinkriegsanleitung für jedermann, wie von Dach sein 300-seitiges Buch nannte, erschien zuerst als Artikelserie in der Wehrzeitung Der Schweizer Soldat. Dem EMD war es zu heikel, diesen Leitfaden des Widerstands als Buch herauszugeben. Darauf sprang der SUOV als Herausgeber in die Bresche. Im Lauf der Jahre wurde das Buch mehrfach aufgelegt, zehntausendfach verkauft und erschien 1965 unter dem Titel Swiss Army Guide to Guerrilla Warfare and Underground Operations in englischer Übersetzung. Die Anleitung zum Guerillakrieg war in der Buchhandlung des Kommunisten Pinkus ein Renner und verkaufte sich gut nach Deutschland.23 Jahre nach diesem Grosserfolg verhinderte 1974 der Generalstabschef persönlich eine bereits geplante Publikation der bei Offizieren beliebten Guerillafibel als reguläres Reglement. Eine schon gedruckte Probeauflage liess er einstampfen.

Mit harmlos aussehenden, aber ernsthaft und anschaulich gestalteten Strichzeichnungen, insgesamt 180, gibt von Dach detaillierte Anweisungen und Tipps, wie Sabotageakte im Fall einer Besatzung verübt werden können, etwa an elektrischen Einrichtungen, Geleisanlagen, Lokomotiven, Rollmaterial, Transformatoren, Munitionslagern und Brennstoffdepots. Einen Wachposten erledigt man laut Skizze, indem man ihn mit einem Beil schräg zwischen Kreuz und Lenden oder zwischen die Schulterblätter trifft. Von Dach zeigt, wie man «tote Briefkästen» erstellt oder Widerstandszellen bildet. Als generelle Verhaltensweise gilt: «Gehe mit Vorsicht und List, ja Verschlagenheit ans Werk.»

Wie sich Brücken, Flugfelder oder Flugzeuge zerstören lassen, wie Molotowcocktails hergestellt oder wie Attentate auf Personen ausgeführt werden können, schildert von Dach ebenfalls im Detail. Ebenso wird erklärt, wie klandestine Waffenlager angelegt werden, wie man sich tarnt oder die Kommunikation aufrechterhält. Zum Inhalt gehört auch, wie man eine Kleinkriegsarmee organisiert oder wie der Kampf und das Leben im Untergrund geführt werden. Zum Überleben dient, was die Natur hergibt: Anhand von Kochtipps erfährt der Guerillakämpfer, wie sich aus wild wachsenden Pflanzen und Tieren ein Menü zubereiten lässt. Etwa: «Froschschenkel lösen. Waschen. Leicht salzen. Auf einem Blech über dem Feuer rösten.»

Es erstaunt nicht, dass von Dachs detailliertes Rezeptbuch in den 1960er-Jahren zur Terroristenfibel wurde. Ermittlungsbehörden informierten in jenen Jahren, dass bei Unruhen in Paris, Anschlägen im Südtirol oder Bombenterror in New York und Frankfurt am Main von Dachs Taktiken angewandt worden seien. In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Schrift in den 1970er-Jahren regelmässig bei Razzien beschlagnahmt; sie zirkulierte nachweislich in Kreisen der Terrororganisation Rote Armee Fraktion (RAF). Zeitungen in Argentinien, Schweden oder Israel, wie die Schweizer Botschaften nach Bern vermeldeten, verwendeten Begriffe wie «Vademecum für Baader-Meinhof-Lehrlinge», «Untergrundbestseller des internationalen Terrorismus» oder «Bastelbuch für Bomben-Eigenbau». In einem internen Bericht bezeichnete die Schweizer Bundespolizei von Dachs Buch als Inspirationsquelle für Sprengstoffdelikte in Zürich und warnte, dass vermehrt mit Terrorakten gerechnet werden müsse, weil das Werk in der linksextremen Szene stark verbreitet sei. Das Handbuch hat bis heute in subversiven Kreisen Kultstatus und soll in Raubkopien in über 50 Sprachen vorhanden sein.24 In Deutschland stand Der totale Widerstand seit 1988 bis vor wenigen Jahren als erstes und bisher einziges Buch aus der Schweiz auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Es sei «geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch zu verwirren und ihre Neigung zur Gewaltanwendung zu fördern», heisst es.25

Von Dach war sich bewusst, wie brisant sein Buch sein würde. Er schrieb einleitend: «Man wird uns vielleicht entgegenhalten, dass es falsch und unklug sei, in aller Öffentlichkeit über diese Dinge zu sprechen und zu schreiben und den möglichen Feind über das zu informieren, was wir zu tun gedenken, falls er uns überfallen will. Wir teilen diese Auffassung nicht und halten im Gegenteil dafür, dass der öffentlich bekundete Wille zum Widerstand bis zum äussersten mit zu jenen Abwehrmitteln gehört, die ein Angreifer beim Für und Wider einer geplanten ‹Aktion Schweiz› einkalkulieren und abwägen muss.»26 Von Dachs Weltbild scheint stark von «Ungarn 1956» geprägt worden zu sein, aber auch von den Ereignissen in den kommunistisch beherrschten Staaten nach 1945 sowie der Besetzung Polens durch Nazi-Deutschland.

Das Leben unter einer Besatzungsmacht, so wie es von Dach schildert, ist eine krude Mischung aus sowjetischer Zwangskollektivierung, maoistischem «Sprung nach vorn» und nordkoreanischer Hungerwirtschaft. Auf jedem Einzelnen, Männern, Frauen und Kindern, laste ein fürchterlicher politischer Druck. Jeder stecke in einem «dichten Netz von Verpflichtungen, aus dem es kein Entrinnen gibt». Ein Privatleben existiere nicht mehr. Auch müsse man ständig Schulungskurse absolvieren und Vorträge anhören, «wobei die Frauen wohl oder übel mitmachen müssen». Im Kino oder Theater müssten «Propagandastücke» angeschaut und anschliessend diskutiert und gelobt werden. Wie auch andere Warner weist von Dach darauf hin, dass es die Kommunisten vorab auf die Kernzelle der Gemeinschaft abgesehen hätten. «Die Zerstörung der Familie ist Mittel zum Zweck: Durch Frauenarbeit, obligatorische Jugendverbände, Schulungskurse ausserhalb der Arbeitszeit usw. werden die Menschen aus ihrem angestammten Lebenskreis herausgerissen. Sie sollen einem Gefühl der Vereinsamung erliegen und aus diesem heraus Anlehnung beim Staat und seinen Organisationen suchen.» Während das Leben immer unerträglicher werde, ist die politische Polizei unentwegt tätig. Nacht für Nacht würden zuerst Dutzende von Schweizer Bürgern verschwinden, später Hunderte, ja Tausende. Diese Verhaftungen würden von der politischen Polizei vorgenommen, die keine eigentliche Polizeitruppe, sondern eine Terrororganisation sei.27

Ein weiteres Ziel des «totalitären Gegners», der nie einen konkreten Namen hat, ist die Jugend. «Sein Anspruch auf die Seele ist total.» Die «freien» Jugendbewegungen würden neben der «Staatsjugend» nicht mehr geduldet, ebenso wenig die Ausübung von Sport. Weil die Jugendlichen leicht beeinflussbar seien, werde das skrupellos ausgenützt, sie würden für die «goldenen Verheissungen» der Zukunft «willfährig» gemacht. Das geschehe in zwei Phasen: Die erste besteht in «Anlockung, Begeisterung, Blendung», indem sie für jugendgerechte Themen wie «Motorenkunde, Fahrschule, Segelflugunterricht» gewonnen würden. In der zweiten Phase wird politischer Unterricht erteilt, wobei Folgendes geschehe: «Vorerst werden geschickt nur einige wenige Lektionen eingeschoben, die im gerissenen Betrieb fast unbemerkt untergehen. Nach und nach folgen immer mehr ‹Polit-Stunden›, bis dieser Unterricht zum Hauptfach geworden ist. Parallel dazu erfolgt ein langsames, fast unmerkliches Umschalten des sportlichen Teils auf eine zielbewusste vormilitärische Ausbildung.»28

Von Dach war einst Schiessplatzkommandant im Tessin, wurde später Beamter in der Sektion Ausbildung des EMD. In dieser Funktion verfasste er unzählige Armee-Reglements und Artikel für Militärzeitschriften, die er oft selbst illustrierte. Er beschäftigte sich wie besessen mit Fragen der Taktik, Strategie und Gefechtstechnik, schrieb dazu ein achtbändiges Werk. Kein Werk aus der Feder eines Schweizer Offiziers wurde vermutlich im Ausland so beachtet, dennoch wurde Hans von Dach, der in seiner Freizeit bei der Heilsarmee Gottesdienste hielt und Randständige betreute, von der eigenen Armeeführung nicht ernst genommen. Die Meinung innerhalb der Armee war geteilt, ob die von von Dach beschriebenen Widerstandsformen eher nützlich oder schädlich gewesen wären. Einzelne Überlegungen flossen in Truppenübungen ein, doch auf die operative Doktrin der Armee hatte sein Werk keinen Einfluss. Eine wichtige Begründung für die Ablehnung solcher Taktiken lag darin, dass der postulierte Widerstandskampf gegen eine Besatzungsarmee gegen das Völkerrecht verstossen hätte.29

Die Anleitung zum Guerillakampf fand anfänglich wenig Beachtung. Einer, der die Brisanz erkannt hatte, war Oberrichter Fritz Baumann. Er schrieb 1959, dass vor diesem Werk «ausdrücklich gewarnt» werden müsse. «Sie ist wohl das gefährlichste Druckerzeugnis, das seit langem in der Schweiz herausgekommen ist.» Die Anweisung zum totalen Widerstand würde «unserem Land nicht nur propagandistisch, sondern auch materiell schwersten Schaden beifügen».30 Das Werk werde sicher auch in Moskau gelesen, und tatsächlich wurde es dort zur Kenntnis genommen, wenn auch mit einiger Verspätung. 1984 schrieb ein russischer Journalist in einer Glosse: «Man fasst sich an den Kopf und fragt sich, was ein neutrales Land, das von niemandem bedroht wird, mit diesem hanebüchenen Unsinn anfangen soll.»31 Die NZZ brachte keine Besprechung, sondern lediglich 1963 eine kurze Empfehlung, als der SUOV das Buch publizierte. «Die Schrift ist für die freiwillige ausserdienstliche Weiterbildung der Unteroffiziere bestimmt, bietet aber auch Offizieren aller Grade und Waffengattungen instruktive Anregungen.»32

Der totale Widerstand mag in der detailreichen Schilderung ein extremes Beispiel dafür sein, wie ein – nie genanntes – kommunistisches Besatzungsregime die Schweizer Bevölkerung drangsalieren und terrorisieren würde. Aus der Reihe fällt das Buch neben den unzähligen antikommunistischen Publikationen vor allem wegen der konkreten Anweisungen zum Gegenterror und Widerstand. Doch die Denkweise hinter von Dachs Werk, die Entmenschlichung eines solchen Regimes, das Absprechen jeglicher Humanität, dem man nur mit gleichen oder schärferen Mitteln begegnen könne, koste es, was es wolle, war nicht untypisch. Vieles, was sich bei von Dach findet, ist auch in Schriften über den revolutionären Krieg zu lesen oder wurde über zehn Jahre später im Zivilverteidigungsbuch (ZVB) verbreitet.

Aufklärungsdienst: enge Verbindung zum Staatsschutz

Heer und Haus hatte sich als Instrument der Information und staatspolitischen Erziehung während des Kriegs bewährt. Deshalb schien es naheliegend, dieser Organisation einen zivilen Mantel umzuhängen und sie nach dem Krieg weiterhin zur Schulung in Sachen Demokratie einzusetzen. Dazu hatten allerdings die wenigsten Referenten Lust. Auch August R. Lindt, späterer Topdiplomat und UNO-Hochkommissar für Flüchtlinge, unter dessen Leitung die zivile Abteilung von Heer und Haus im Krieg zum wichtigsten Instrument der Geistigen Landesverteidigung wurde, meinte, die Organisation sei kriegsbedingt gewesen und habe nun abzutreten.33 Ebenso zeigte sich die Pro Helvetia, eine der Schöpfungen der ersten Geistigen Landesverteidigung, ablehnend.34 Einem Projekt zur «nationalen Erziehung» erteilte die Neue Helvetische Gesellschaft (NHG) zwar eine Absage, doch forcierte sie die Bemühungen zur staatspolitischen Aufklärung. Diese resultierten in der am 4. Dezember 1947 erfolgten Gründung des SAD, der sich als überparteilich verstand und sogar Wert auf Frauen als Mitglieder legte. Im SAD fanden bürgerliche Politiker und rechte Wirtschaftsführer, halblinke Gewerkschafter und linke Politiker zusammen. Stritten sich Linke und Bürgerliche auf dem Feld der Wirtschafts- und Sozialpolitik, oft auch in der Sicherheitspolitik, so plättete der Abwehrkampf gegen den Kommunismus alle Gegensätze.

Zu den Zielen des SAD gehörte, den «Willen zum Widerstand gegen die Bedrohung unserer Demokratie im Volke zu wecken und zu stärken».35 Schon an der Gründungsversammlung wurde die Aufklärung über den Kommunismus und die Schulung in psychologischer Kriegsführung ins Programm aufgenommen. Bundesrat Etter gratulierte zur Gründung des SAD; weitere Gratulanten fanden sich von rechts bis links, von Walther Bringolf und Emil Oprecht (SPS) bis Generalstabschef Louis de Montmollin oder Friedrich Traugott Wahlen, dem späteren Bundesrat.

Das Startkapital von 5000 Franken stiftete die NHG; später wurden Subventionen des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) und des EMD von jährlich rund 50 000 Franken sowie Spenden aus der Wirtschaft zur wichtigsten Einnahmequelle. Staatsrechtlich war die Unterstützung der Geistigen Landesverteidigung, die sich gegen eine bestimmte Ideologie richtete, mit öffentlichen Geldern heikel. Doch die Mittel wurden vom Parlament abgesegnet, zu einem grossen Teil auch mit den Stimmen der gemässigten Linken.

Das personelle Startkapital des SAD war eine Kartei mit den Namen von 7000 Heer-und-Haus-Korrespondenten, die Etter dem SAD aushändigte.36

Schirmherr Etter zeigte ein Jahr nach der Gründung an einer SAD-Konferenz, wo es thematisch langgehen sollte, und forderte, der SAD müsse sich «der Gefahr der kommunistischen Infiltration widmen». Er wurde nicht müde, bei jeder passenden Gelegenheit den Warnfinger zu heben. So etwa Anfang 1952 vor dem Schweizerischen Studentenverein: «Inzwischen erhob aber der Dämon des Kommunismus sein Haupt. Er ist die neue Gefahr und die neue Bedrohung, weil er den Widerstand der Völker von innen aufrollen möchte. Deshalb wird geistige Landesverteidigung wieder so aktuell und notwendig wie zuvor.»37

Der Thurgauer Verleger und Oberstleutnant Hans A. Huber, erster Präsident des SAD, warnte während Jahrzehnten in Hunderten von Vorträgen vor dem revolutionären Krieg gegen die westlichen Demokratien. Nach Auffassung des SAD bedrohte der revolutionäre Krieg alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens, weshalb die Geistige Landesverteidigung zu einer schlagkräftigen Waffe in diesem Abwehrkampf geschmiedet werden müsse. An einem Kurs im Auftrag von Heer und Haus präzisierte er die Ziele des Gegners so: «Der revolutionäre Krieg ist die Gesamtheit aller gegen ein nichtkommunistisches Staatswesen gerichteter nichtmilitärischer und militärischer, also ohne und mit Waffengewalt, planmässig durchgeführter Massnahmen und Handlungen der Führungszentrale des Weltkommunismus.»38 Dabei soll eine für die Welteroberung günstige Ausgangslage geschaffen werden, bei der sich das Volk freiwillig einem fremden politischen Willen unterwirft oder bei der ein «psychischer Lähmungszustand» erzeugt werde, der «das betreffende Volk daran hindern soll, sich wirksam gegen einen innenpolitischen Staatsstreich oder einen äusseren militärischen Angriff zur Wehr zu setzen».

Neben Huber als Präsident war Sekretär Erwin Oskar Stauffer die wichtigste Person in der Anfangsphase des SAD. Stauffer hatte sich schon bei Heer und Haus mit der kommunistischen Infiltration befasst, aber vor allem jugendliche Nazi-Sympathisanten «bekehrt». Einzelne von ihnen wurden in den letzten Kriegsjahren zur Aushorchung linker Jugendgruppen eingesetzt. Stauffer baute eine Spitzelorganisation auf, die ähnlich dem kommunistischen Zellensystem funktionierte. Der Auftrag an die Spitzel lautete: «Erfassen nicht absolut zuverlässiger Elemente (ähnlich den ‹Liquidationslisten›, die von unseren Feinden erstellt werden) in Kartothek, mit allen notwendigen Angaben. Beachte: Links- wie Rechtsextremisten! Mitteilung von Beobachtungen, Stimmung der Bevölkerung, Kritik usw.»39 In der Praxis sollten Stauffers Spitzel kommunistische Tarnorganisationen infiltrieren und Ost-West-Geschäfte beobachten. Solche Meldungen leitete der SAD jeweils an kantonale und eidgenössische Amtsstellen weiter. In den Jahresberichten des SAD wurde diese Spitzeltätigkeit nicht erwähnt.40 Obwohl die Informationen des Nachrichtendienstes über Stauffers Lebenswandel äusserst ungünstig waren, kam es dennoch zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit.41

Enge Kontakte pflegte der SAD zu Bundesanwaltschaft, Bundespolizei, kantonalen Polizei- und Nachrichtendiensten. So war Bundesanwalt Werner Lüthi (1949–1955), der sich stark für eine Verschärfung des Staatsschutzes einsetzte, Mitglied im SAD. Ebenfalls Mitglied war Friedrich Dick, Chef der Bundespolizei, sowie weitere Mitarbeiter von Bundesanwaltschaft und Bundespolizei. Auch zu den Bundesräten Feldmann und von Moos bestand ein enges Verhältnis. Die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei begann im Herbst 1948. Bei einem Treffen zwischen Huber und Lüthi 1950 verlangte der SAD, dass er von der Bundesanwaltschaft mit Informationsmaterial über die PdA versorgt werde. Zwar erhielt er keine Einsicht in die Monatsberichte, doch gelangten solche Berichte etwa über die Polizei Herisau dennoch zum SAD.42 Auch lud die Bundesanwaltschaft Vertreter des SAD regelmässig zur mündlichen Information ein.43 Der SAD bewegte sich oft in einem rechtsstaatlich bedenklichen dunkelgrauen Bereich. Die von Stauffer aufgebaute konspirative Spitzelorganisation flog 1957 auf.44

Ende der 1940er-Jahre forderte der SAD von der Pro Helvetia ein verstärktes Engagement. Als jedoch der SAD begann, vertrauliche Dossiers über Personen, die ihm suspekt waren, anzulegen, befürchtete die Pro Helvetia die «peinlichsten Folgen» und ging auf Distanz. Stiftungsrat Ernst Laur, der mächtige konservative Bauern-Lobbyist, umriss die Grenzen des legitimen Handlungsspielraums eines demokratischen Staates, den die Pro Helvetia auch während des Zweiten Weltkriegs nie ausgeweitet habe. Sie habe nicht die Aufgabe «einer Art geistigen Staatspolizei zu erfüllen und darf unter keinen Umständen zur Exponentin einer einseitig gefärbten Information und politischen Propaganda werden». Diese Abwendung der Pro Helvetia von der Geistigen Landesverteidigung wurde auch personell unterstrichen: Gonzague de Reynold, der rechtsbürgerlich-autoritäre Spiritus Rector der Geistigen Landesverteidigung und erster Präsident der Pro Helvetia, wurde 1952 durch den Historiker Jean Rudolf von Salis abgelöst, der für einen intellektuellen und kulturellen Austausch mit dem Ausland, insbesondere auch mit den Ländern Osteuropas, eintrat.45

Der rührige Hans A. Huber, einer der eifrigsten Referenten, verfasste zahllose Unterlagen für Referate in Rekrutenschulen und Wiederholungskursen. Er stellte die PdA als Partei dar, der grundsätzlich zu misstrauen sei, auch und vor allem, wenn sie sich mit Alltagsproblemen befasse. «Die Beeinflussung des Volkes geschieht in taktisch kluger Weise über ganz andere Probleme, wie z. B. den soz. Wohnungsbau, der AHV, der Invalidenversicherung usw. Die PdA befasst sich also aktiv mit im Grund genommen demokratischen Problemen, jedoch nur als Mittel zum Zweck, nämlich als Täuschungsmanöver, zur Gewinnung von Gesinnungsgenossen.» Etwas simpel fiel Hubers Schilderung von Werkspionage durch die Kommunisten aus. «Die Hauptaufgabe der 5. Kolonne ist heute die Schaffung von Betriebszellen. […] Aufgabe der Zelle ist: Die Zellenmitarbeiter melden dem Zellenobmann, was im betreffenden Betrieb fabriziert wird, Kapazität, an wen geliefert, wer ist Lieferant.» Diese Meldungen gingen an den verantwortlichen Leiter mit Sitz in Genf. «Von Genf wandern dann diese Meldungen auf irgendwelchen Wegen nach Moskau in die Zentrale.»46

Werkspionage beschäftigte auch die Schweizerische Arbeitgeber-Zeitung, die sich 1958 dem Problem der «kommunistischen Infiltration» in Betrieben widmete und Tipps für Verantwortliche gab, wie subversive Elemente zu entdecken seien. Auf keinen Fall, so das Organ der Arbeitgeber, dürfe man zur Ansicht neigen, «die PdA als einen ausgelöschten Krater und deren Aktivisten als ausgediente Kutschenpferde zu betrachten». Dem Betriebszellenchef werde im Gegenteil eingeschärft, sich durch besonderes fachliches Können auszuzeichnen. Zu achten habe ein Personalchef insbesondere, wenn sich Arbeitsplatzwünsche auf eine bestimmte Maschine oder Abteilung bezögen. Das könnte auf Wirtschaftsspionage hindeuten. Auch wenn jemand freiwillig Überstunden machen wolle, könnte das mit dem Ausspionieren des Betriebs verbunden sein. Auch sollte der Personalchef wissen, ob ein Arbeiter seine Informationen aus dem Vorwärts hole oder in einer kryptokommunistischen Organisation sei. Schliesslich sei ein Kommunist, über den man Bescheid wisse, nur halb so gefährlich wie ein verkapptes Parteimitglied, «das in aller Heimlichkeit seine Betriebszellenarbeit verrichtet und seine Umgebung infiltriert».47

Die Gefahr der Fünften Kolonne deklinierte Hans A. Huber in allen Varianten herunter. Wie alle anderen Kommunistenfresser musste er zwar eingestehen, dass die PdA über eine geringe Anhängerschaft verfügte, was sie aber nur umso gefährlicher machte. Denn die Zahl der Mitglieder der PdA sage «gar nichts aus über die Grösse der kommunistischen Gefahr in unserem Lande. Die kommunistische Gefahr wird oft mit einem Eisberg verglichen: Das Gefährliche an ihm ist nicht der über die Wasseroberfläche hinausragende sichtbare Teil, der nur einen Bruchteil (etwa ein Neuntel) des Ganzen ausmacht, sondern der viel umfangreichere unsichtbare Teil, der unter dem Meeresspiegel liegt und an dem die Schiffe zerschellen».48