Loe raamatut: «Ich zahl's euch reim»

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Ob es Menschen sind oder Dinge, Tiere oder Viren, Orte oder Zeiten – Thomas Gsellas neue Gedichte sind so ernst wie komisch, so wunderbar gereimt wie zeitlos und aktuell.

In einem Interview antwortet Thomas Gsella auf die Frage: Kann man mit Gedichten gegen die Ungerechtigkeit der Welt anschreiben? »Ja, man kann’s aber genauso gut auch lassen.« Gut, dass er es nicht gelassen hat und die Zumutungen der Welt in helle, schnelle, schöne Reime fasst. Er nimmt uns mit zu einem Besuch bei Andy Scheuer, in den Sommerurlaub, in die Flüchtlingslager und die allgegenwärtigen Talkshows. Er bedichtet Facebook, Instagram und das Dschungelcamp. Den Brexit und den Golfstromausfall, das Ausland, die Rente und den Antisemitismus. Und wie war doch gleich das Jahr 2020? Ja klar: »Mir kommt der Ausgangsstopp zupass: Ich esse mehr und werde dicker, / Ich trinke mehr, und werde schicker. /Allein der Wald kriegt kaum noch Nass.« Man liest und lacht und freut sich auf mehr.

Über den Autor

Thomas Gsella war viele Jahre Redakteur und Chefredakteur der Frankfurter Satirezeitschrift Titanic. Er schreibt komische und satirische Lyrik und Prosa und ist Reimkolumnist beim Stern, dem Schweizer Magazin, konkret u.a. Gsella lebt mit seiner Familie versehentlich in Aschaffenburg.

Thomas Gsella

ICH ZAHL’S EUCH REIM

Neue politische Gedichte

Verlag Antje Kunstmann

INHALT

Vorwort

Menschen und Dinge

Tiere und Viren

Orte und Zeiten

Nachwort

Dank

Hinweise

Register

DIE LEUTE

Die jungen Leute reizen mich:

Ich find sie unausstehlich.

Sie posen und sie spreizen sich,

Als wär ihr Leben ewich.

Die mittelalten sind wie ich

Auf Jagd nach Ambiente.

Sie knechten schlichtweg widerlich

Vor Lohn und Haus und Rente.

Die alten nur befreien sich

Und schwärmen von den Jahren,

Als sie noch schlichtweg widerlich

Und unausstehlich waren.

MENSCHEN UND DINGE
ALPHABETEN

Lesen sei was wahrhaft Gutes,

Lernte man, und eben drum

Lernte man’s und kann und tut es,

Denn die andern bleiben dumm.

Aber in verkehrten Zeiten

Stirbt die Rose, die man gießt;

Und das Gute tauscht die Seiten;

Und ein Leser, der nur liest

Das Getwitter und Getrümmer

Trumps und Höckes oder wo:

Dieser Alphabet ist dümmer

Als der dümmste An–. Chapeau!

WAHLEMPFEHLUNG

Die da alles laufen lassen,

Als wär alles gut, und die,

Die sich gerne kaufen lassen,

Sind vielleicht nicht gut für Sie.

Die mit offenbaren Meisen

Und die Lauten: eher nicht.

Besser sind die eher Leisen,

Die mit Falten im Gesicht.

Der Profit hat Interessen,

Süßer riecht der Blütenduft.

Soll die Menschheit morgen essen,

Braucht sie heute Atemluft.

Alter kann so viel wie Jugend.

Hass ist nicht, was Liebe meint.

Menschlichkeit ist eine Tugend,

Über die der Teufel weint.

EINSPRUCH!

Der König mag die Knechte dumm.

Er stillt sie mit Getöse

Und schickt Verdummungen herum.

Jetzt neu: »Der Hass« sei böse.

Mein Hass ist gut und quietschgesund.

Ich hasse die Faschisten,

Die Kriegsherrn und Rassisten und

Die Antifeministen,

Ich hasse die Bigotterie,

Ich hasse Menschenhasser,

Ich hasse braunes Pack und die

Flüchtendensterbenlasser,

Ich hasse Mord und Bosheit: Sie

Vernichten Herzensgüte.

Da soll ich nicht mehr hassen, wie?

Kommt gar nicht in die Tüte.

MEINE MEINUNG

Ich weiß nicht viel, jedoch genug,

So ist mein Wissensdurst gestillt.

Ich bin gefeit vor Lug und Trug:

Ich bin im Bild.

Und immer wieder hinzusehn,

Ist Unsinn und vertane Zeit.

Ich muss nicht in die Tiefe gehn:

Ich weiß Bescheid.

Und werde ich auch ausgelacht,

Und ist mein Argument auch schlecht

Und deines gut und klug bedacht: Ich habe recht.

DIE EINIGEN

A: »Ein Reicher, der das Essen teilt

Mit mir und andern Armen …«

B: »Ich teile nicht. Dein Reicher weilt

Bald selbst nicht mehr im Warmen.

Nur dickstes Fell hält Kälte fern!«

A: »Ein Haus macht alle wärmer.«

B: »Doch ohne euren Hunger wär’n

Bald auch wir Satten ärmer!«

A: »Es gibt genug.«

B: »Und bei dir piept’s

Zum Edelsteinerweichen.

Nur dank euch Superarmen gibt’s …«

B+A: » …die Superreichen!«

NICHTSTUER UND WASTUER

Schäden entstehen, sobald wer was tut.

Nichtstuer können nicht schaden.

Wastuer machen Planeten kaputt,

Nichtstuer schonen den Laden.

Nichtstuer gucken herum in der Welt,

Wastuer starren auf Ziele.

Nichtstuer sind viel zu schnell aufgezählt,

Wastuer gibt’s viel zu viele.

Nichtstuer machen nichts, nicht mal das Nichts.

(Nichts ist ja auch so was Großes.)

Nichtstuer sind wie der Schatten des Lichts:

Zwanglos. Nur da. Etwas Bloßes.

Liegen bloß da. Und da atmen sie ein …

Aus … wieder ein … schlichtes Leben.

Müssen es denn vier Zeilen sein? – Eben.

LETZTES ANGEBOT

Die Hohenzollern möchten gern

In unsern Schlössern wohnen.

Zwar könnten uns die feisten Herrn

Mit derlei Spuk verschonen;

Zwar sind sie immer viel zu laut

Und sollten immer schweigen:

Sie haben Hitler aufgebaut.

Doch soll man Nachsicht zeigen!

Ein jeder Mensch braucht einen Ort,

Und Seelen brauchen Frieden.

Frei wäre dieses Hüttchen dort.

Der Hund ist jüngst verschieden.

GENDERN

Warum muss sich alles immer

Immer alles ändern?

Alles macht das immer schlimmer.

Jüngstes Beispiel: Gendern.

Sportler* (Sternchen) _ (Unterstrich)

Innen: Sportler*_innen:

Meiner Treu! Das reimt sich nich’!

Nicht mal auf »gewinnen«.

Auch »Studenten«: aus der Traum!

Heute sind’s »Studierende«.

Doch studierend war ich kaum;

Ich hieß »der Pausierende«.

Mir als Kenner*_in, nein: Kenner

Könnt ihr also trauen:

Schreib ich Herren, Chefs und Männer,

Mein’ ich auch die Frauen.

APROPOS, STUDIERENDE!

WIR waren ja mal super drauf,

Links, radikal und hammertough

Mit Hair und Shit und Dutschke auf

Den Barrikaden! Sit-ins! RAF!

Und IHR so heute? Superzahm.

Ihr macht zehntausend Master und

Statt Umsturz Obst mit Biorahm

Und wollt rein nix als Zaster und –

Was sagt ihr da? Ich kenn euch nich’?

Ich oller Boomersack? Na denn:

Beweist es mir! Enteignet mich!

Nein, besser jemand anderen!

Postrevolutionäre Lyrik

FÜNF JAHRE NEUER WELTBIENENTAG

Außer Lüge war rein nichts dabei,

Weder Kopf noch Handundfuß noch Mitte.

In der falschen Welt lag er im Mai

Faul herum wie eine faule Quitte.

Der Agrarkapitalismus gab

Einen Scheiß aufs Bienenüberleben.

Eine nach der andern fiel und starb.

Gift versprach Profit. So war das eben.

Klöckner hieß seine Ministerin,

Tumbe Zugehfrau der Großmastschweine.

Doch an jenem Tage ging sie in

Den Berliner Wald. Sie war alleine

Und der achte Februar zu warm,

Viel zu warm: von maienschwerer Schwüle.

Eine Spitze stach in ihren Arm.

Und aus einer wurden viel zu viele.

Manchmal ist man wie ins Nichts gestellt.

Hundertschaften suchten sie mit Hunden,

Doch sie schien nicht länger auf der Welt:

Ihr Kadaver wurde nie gefunden.

Schwitzend sang die Bourgeoisie ihr Moll,

Während ein Prolet den Grund benannte:

»Hatten den Kanal wohl einfach voll«,

Sprach der Imker, der die Seinen kannte.

»Aggressiv sind meine Bienen nie,

Sondern gut und lieb und engelsmilde.

Doch die Klöckner führte gegen sie

Schlechtes Böses Grausamstes im Schilde.

Und aus diesen Klasseninteressen«,

Gab der Imker klug den Commissaire,

»Hamse die vermutlich aufgefressen.

Ganz als ob der Umsturz schmackhaft wär.«

Dies erwägend, gleich nach dem Finale,

Welches ausging, wie die Welt es mag,

Schlug die Neue Internationale

Diesen Tag zum Neuen Bienentag.

DIE BURKADEBATTE

Ich mag es nicht, wenn Frauen sich verschleiern,

Weil’s frommen Herrn und Meistern so beliebt.

Ich mag es nicht, wenn wegen Ostereiern

Es keine säkularen Eier gibt.

Ich mag es nicht, wenn dicke Leute schwitzen

In T-Shirts mit der Aufschrift »Burger King«.

Ich mag es nicht, wenn Nadeln Buntes ritzen

In Leute, die sich blass fühln. Nicht mein Ding,

Wenn kleine Gärten große Fahnen hissen:

Der König sieht das nicht. Der wohnt im Park.

Ich mag es nicht, dass Schwache glauben müssen,

Das Zeichen ihrer Knechtschaft mache stark.

Ich mag es nicht, dass Menschen sich dem fügen,

Das sie in Dummheit hält und Unfreiheit.

Ich hasse es, wenn falsche Zungen lügen,

Es gehe nicht um Fremdenfeindlichkeit.

AN EUCH DA OBEN

Wenn wir Menschen zu euch beten,

Sei es einzeln, sei’s im Chor,

Kommt ihr Götter und Propheten

Euch vermutlich göttlich vor.

Eurem Ego mag’s entsprechen.

Aber manche beten Hass.

Und sie köpfen und sie stechen.

Ihr da oben: Tut halt was!

Auch euch schaden solche Szenen!

Doch sie müssten gar nicht sein.

Steckt halt mal zumindest denen,

Dass es euch nicht gibt, ja? Fein.

ANDERERSEITS:

An euch, die ihr die Logik liebt:

Der zulässt, dass es ihn nicht gibt,

Was wär das für ein Gott?

So gibt es ihn. Da guckt ihr dumm.

Und wer’s nicht glaubt, den bringt er um.

Denn Gott ist ein Schafott.

Und ein Schafott, das schneidet gut.

Einst tränkte es mit Heidenblut

Kreuzfahrende Mordschristen.

Heut trennt es neues Fleisch entzwei,

Denn welches, ist ihm einerlei:

Gott tränkt auch Islamisten.

THOMAS KEMMERICH (AFDP THÜRINGEN)

Heut ist mein Kopf so dämmerig:

Er schnallt nix. Er erfasst nicht:

Was reimt sich bloß auf Kemmerich?

Integrität? Nö, passt nicht.

Auch Tugend reimt sich ja nicht recht

Auf Kemmerich. Stolz? Sitte?

Moral und Anstand? Alles schlecht.

Ein Reimwort, bittebitte!

Der Stürmer Lothar Emmerich?

Nein, auch nicht. Der war klasse.

Doch Kemmerich ist jemmerlich –

Da isses! Hoch die Tasse!

ANGESICHTS DER ALIENS FÜR DEMAGOGIE (AFD): LEICHT BLEIBEN!

Wiegst du Freude gegen Leiden, dann erfährste:

Das viel Leichtere der beiden ist das erste.

Nur das Leichte macht uns luftig. Wie ein Fächer.

Schwere macht das Leben schuftig. Ein Verbrecher.

Leicht erhebt es zwar den Dichter, wenn sich fügen

Diese hässlichen Gesichter zu den Lügen,

Diese Tweeds aus braunen Zwirnen, die sie tragen,

Zu den stinkefaulen Birnen, die nicht fragen,

Die nicht leuchten und nicht denken, die nur hetzen

In semantisch ungelenken krummen Sätzen

Aus rassistischem Gepöbel und Getöse

Faul wie faule Kellermöbel, faul und böse –

Leicht erhebt es zwar den Dichter. Freilich kurz.

Denn schon drückt ihn das Gelichter. Wie ein Furz.

Doch dann heben ihn zwei Flügel in die Luft!

Über Täler, über Hügel, und er ruft:

»Wie wird das Leichte schwer gemacht,

Wenn Schwere es vermiest,

Weil rappeldümmste Niedertracht

Sich in Parteiform gießt!

Doch Güllefliegen scheucht man fort,

Und Fürze lässt man raus!«

Da ruft die Leichtigkeit: »Mein Wort!

Kommt, lachen wir sie aus!«

RECHTSPOPULISTEN

An Theken zu singen

Rechtspopulisten gibt es nicht

Ein Käfig ist kein Heim

Das Wort vernebelt Hirn und Sicht

Wer’s sagt, ging auf den Leim

Denn sie treten auf die Schwächsten

Denn sie kürzen Lohn und Brot

Denn sie hassen deine Nächsten

Und bald schlagen sie sie tot

Sie tun nichts Rechtes, sie sind schlecht

Getarnte Volksverhetzer

Volksfern und link und ganz in echt

Nur Menschenrechtsverletzer

Doch wir lassen uns nicht treten

Denn wir sind noch ganz bei Trost

Und so lasst uns trinkend beten:

Teufel, hol sie! – Danke, prost!

WEG MIT DIE DA OBEN!

Zwischen heißen Tagen und den kalten,

Viel zu kalten Tagen ohne Licht

Kann sich Frühling nicht mehr recht entfalten,

Seit der Herbst in diese Lücke sticht.

Zwischen armen Leuten und den reichen,

Viel zu reichen Leuten gibt es schlicht

Keine mehr, die nicht den armen gleichen.

Früher nannte man sie Mittelschicht.

Zwischen feiner Prosa und der groben,

Viel zu groben Prosa gibt es nicht

Eine namens »Weg mit die da oben!«.

Aber immerhin nun dies Gedicht.

DIE GRÜNEN

Sie sind seit Monden obenauf,

Denn grün sind Gras und Bäume.

Sie haben einen guten Lauf

Sowie zwei schlechte Träume:

Hartz IV ist auch ein grünes Wort.

Mit Tricks aus faulen Kisten

Begrünte Grün den NATO-Mord

An Belgrads Zivilisten.

War beides nicht so super, klar.

Grün heißt: der Wahrheit huldigen!

Und sich bei Opfern, hier wie da,

Vielleicht einmal – entschuldigen?

SYSTEM ERROR

Weil sie ganztags tun und taugen,

Legen sie sich nachts zur Ruh,

Und so fallen nebst zwei Augen

Nachts auch beide Ohren zu.

Das Gehirn kann lange denken,

Aber irgendwann ist Schluss,

Und dann mag es sich verrenken,

Wie es will: Heraus kommt Stuss.

Arme tragen Lebenslasten

Und die Beine Kopf und Bauch.

Füße müssen gleichfalls rasten,

Hände, Hals und Rücken auch.

Und so trifft Erschöpfung jeden

Körperteil? Nicht jeden, nein.

Ewig kann der Lügner reden

Und die Blödfrau und das Schwein.

Nach dem Joggen brennt die Lunge,

Und das Herz rennt wie besiegt.

Wirklich doof, dass grad die Zunge

Niemals Muskelkater kriegt.

€13,99

Žanrid ja sildid

Vanusepiirang:
0+
Objętość:
81 lk 2 illustratsiooni
ISBN:
9783956144745
Õiguste omanik:
Bookwire
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Tekst
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Audio
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Tekst
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