Loe raamatut: «Buddhas achtsamer Weg aus der Krise»
Buddhas achtsamer Weg aus der Krise
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Technische Umsetzung E-Pub: Brocom, Kornwestheim
E-Pub-ISBN 978-3-906294-16-2
Alle Rechte vorbehalten
INHALT
Jeder erlebt Krisen
Die menschliche Grunderfahrung
Alle Arten von Krisen
Veränderung ist unvermeidlich
Warum ist die Welt so unvollkommen?
Eine tröstliche Erkenntnis
Als Buddha noch kein Buddha war
Wie in Grimms Märchen?
Die positive Seite von Krisen
Geborgen in einer Welt voller Probleme
Wie das Leiden in die Welt kommt
Wunsch und Wirklichkeit
Pläne kaputt, Gegenwart kaputt
Muss, sollte, darf nicht
Unachtsame Reaktionen, die nicht weiterhelfen
Die Hauptursachen auf den Punkt gebracht
Wo jede Krise ihren Anfang nimmt
Nur drei von vielen Illusionen
Ohne emotionale Probleme keine Krise
Menschen, denen Schwierigkeiten nichts anhaben können
Es gibt einen Ausweg
Was wir ändern können und was nicht
Die Probleme an der Wurzel packen
Die vollständige Befreiung vom Leiden
Radikale Akzeptanz
Den Klammergriff lockern
Davon hängt Ihr Glück nicht ab
Das Negative nicht ausklammern
Positives Denken ist einseitig
Der Umgang mit den Zeitperspektiven
Flexibilität ist eine Kunst, die man lernen kann
Und wo kommt die Achtsamkeit ins Spiel?
Buddhas achtsamer Weg aus der Krise
Der Beginn eines glücklichen, gelassenen Lebens
Prozesse statt Zustände
Verbesserung statt Perfektion
Stufen der Erleuchtung
Mal Regisseur, mal Schauspieler
Wege zur Weisheit
Was letztlich zählt
Wie Sie erkennen, ob Sie Fortschritte machen
Das Bewusstsein jenseits der Gedanken und Gefühle
Wie Sie üben, ist genauso wichtig wie, dass Sie üben
Es von Anfang an richtig machen
Wie es weitergeht
Buddhas Weg aus der Krise in Kurzform
Kleine Trainingsprogramme für jeden Tag
Fragen für zwischendurch
Falls Sie alles andere vergessen, tun Sie dies
Basisliteratur
Coaching, Seminare, Ausbildung
Über den Autor
JEDER ERLEBT KRISEN
Jeder erlebt Krisen. Egal ob man jung oder alt, reich oder arm, männlich oder weiblich ist: Keiner entgeht ihnen. In der Familie, in der Partnerschaft, im Beruf: Eine Krise löst die nächste ab. Manche betreffen nur einen selbst, andere erfassen die ganze Gesellschaft oder die gesamte Welt.
Wäre es nicht wunderbar, endlich einmal ein Leben ohne Schwierigkeiten, Probleme und Widrigkeiten führen zu können?
Aber wie könnte dieser Wunsch Wirklichkeit werden? Selbst wenn man alles versucht, lassen sich Krisen nicht immer voraussehen. Trotz aller Bemühungen sind sie nicht so beherrschbar, wie man sich das wünscht.
Sollte man es mit einem wirksameren Krisenmanagement versuchen? Resilienter werden? Noch mehr aufpassen? Alles unter Kontrolle bringen? Leider haben alle Fortschritte in Wissenschaft und Technik die Krisen nicht aus der Welt schaffen können. Im Gegenteil: Sie haben weitere mit sich gebracht.
Wie wäre es, stattdessen die Probleme an der Wurzel zu packen? Ist Buddha womöglich das geeignete Rollenmodell? War er nicht ein Mensch, dem Krisen nichts anhaben konnten und der behauptete, einen Weg zu kennen, mit dem alle Menschen ihr Leiden überwinden können? Wenn dies zutrifft, müsste es möglich sein, dasselbe wie er zu erreichen.
Aber was hat Buddha eigentlich gelehrt? Und wie können wir seine Erkenntnisse heute auf Krisen anwenden?
Die Antworten auf diese Fragen erhalten Sie in diesem Buch. Sie lernen, wie Sie
→ mit sämtlichen Veränderungen, die das Leben mit sich bringt, fertigwerden,
→ in einer unvollkommenen Welt radikale Akzeptanz entwickeln und nichts persönlich nehmen,
→ Wunsch und Wirklichkeit miteinander versöhnen, Illusionen aufgeben,
→ Probleme lieben lernen und keine Angst mehr vor »negativen« Gedanken, Gefühlen und Geschehnissen haben.
Der Weg zur Bewältigung von Krisen ist im Grunde genommen einfach. Wenn Sie ihn gehen, erreichen Sie mehr als »nur« einen besseren Umgang mit den Grundtatsachen des Lebens. »Buddhas achtsamer Weg aus der Krise« ist zugleich eine Anleitung für ein erfülltes, glückliches Leben; denn was hätte man von einem tollen Krisenmanagement, wenn es darüber hinaus nichts gäbe?
Die hier vorgestellten Strategien stellen die Essenz der Buddha-Lehre dar. Sie waren bereits vor 2500 Jahren hilfreich und sind auch heute noch unentbehrlich.
Die menschliche Grunderfahrung
Wir möchten einfach nur glücklich sein und sind doch so oft unglücklich.
Fast scheint es, als folge einem das Unglück wie ein Schatten. Man wird es nicht los, sosehr man sich auch darum bemüht. Das ist die Erfahrung, die jeder in seinem Leben macht, und manche bleiben ein Leben lang ängstlich, depressiv und wütend, ohne dass sie einen Ausweg finden.
Sie wünschen sich so sehr, dass es anders wäre, aber Wünschen allein hilft in diesem Fall nicht.
Obwohl die Kindheit gemeinhin als die glücklichste Zeit des Lebens gilt, beginnt für viele das Leiden schon in frühen Jahren. Ich möchte gar nicht alles aufzählen, was Kindern angetan wird oder was ihnen passieren kann, ohne dass jemand schuld daran ist. Nur wenige Beispiele: Manchmal stirbt ein Elternteil kurz nach der Geburt des Kindes. So war es beim Buddha. Seine Mutter starb, nur sieben Tage nachdem sie ihn zur Welt gebracht hatte. Unter solchen Umständen wirft der Tod schon bald einen Schatten auf die eigene Existenz. Noch dramatischer ist es, wenn beide Eltern die Welt verlassen, nachdem man sie selbst gerade erst betreten hat.
Gewalt und Missbrauch sind in einigen Familien immer noch präsent. Generell werden Kinder, jedenfalls bei uns, heute besser behandelt als in früheren Jahrhunderten. Die Jüngsten waren lange Zeit vollkommen rechtlos. Nicht einmal wenn sie getötet wurden, nahmen viele Anstoß daran.
Nicht wenigen Menschen verleidet die Schule ihre Kindheit. Wer da nicht richtig hineinpasst und nicht mitkommt, hat es schwer. Auch Kinder sind nicht immer nett zueinander. Mobbing heißt das in diesen Tagen. Doch es geschah zu allen Zeiten, dass Kinder andere Kinder auslachten, beleidigten, drangsalierten, verprügelten, erpressten, bloßstellten oder isolierten.
So viel zur glücklichen Kindheit.
Wer diese tatsächlich so erlebt hat, macht spätestens als Erwachsener Bekanntschaft mit dem Leiden. Dann, wenn der »Ernst des Lebens« beginnt. Ist die Kindheit oft noch eine Schonzeit, so endet diese mit dem Eintritt ins sogenannte Erwachsenenleben. Wer volljährig ist, kann nicht mehr mit allzu großer Rücksichtnahme rechnen.
Es gilt, einen Beruf zu ergreifen und eine eigene Familie zu gründen. Sowohl das eine als auch das andere kann sich schnell zu einer unerschöpflichen Stressquelle entwickeln. »Wenn ich einmal groß bin, werde ich alle meine Träume verwirklichen«, so dachte mancher noch als Kind. Doch in der Realität zerschellen etliche dieser Wunschvorstellungen schneller, als einem lieb ist.
Der Beruf erweist sich als Fehlgriff. Man hatte ihn sich anders vorgestellt. Die Karriere bekommt früher einen Knick, als man hoffte. Es geht nicht mehr aufwärts, sondern abwärts. Erst glaubt man, es läge an der Firma, an den Vorgesetzten oder dem »Team«. Doch nach mehreren Jobwechseln erkennt man, dass die Probleme einem auch hier folgen. Der Traumberuf und die Traumfirma drohen zu einem Alptraum zu werden.
Ähnlich sieht es mit Partnerschaft und Familie aus. Zu Beginn ist man überzeugt, alles anders und besser zu machen als die eigenen Eltern. Statt endloser Streitereien beständige Harmonie. Statt Stress mit den Kindern die allerbeste Freundschaft mit dem Nachwuchs.
Während man die »wilden« Jahre und häufige Partner-Innenwechsel vielleicht noch genießt, merkt man eines Tages, dass die Jahre immer noch wild sind, aber anders wild, als man sich das erträumte. Man glaubte, irgendwann die TraumpartnerIn zu finden, mit der man bis ans Ende aller Tage glücklich sein würde. Doch nach der ersten Scheidung kommen einem Zweifel. Nach weiteren Trennungen stellt sich die verzweifelte Erkenntnis ein, dass auch dieser Traum sich nicht zu erfüllen scheint.
Die Kinder sind einem angesichts der beruflichen Verpflichtungen und der zeitlichen Inanspruchnahme für tausend andere Dinge seltsam fremd geblieben. Es gefällt einem nicht, wie sie sich entwickelt haben. Man streitet eher, als dass man sich verträgt. Schließlich ist man sogar froh, wenn die Kinder endlich das Weite suchen. Aber eine gewisse Trauer schwingt dabei mit.
Bleibt noch das Alter. Wer das Glück hatte, eine glückliche Kindheit zu erleben, wem der berufliche Erfolg vergönnt war mit allem, was dazugehört: Geld, Anerkennung, Aufstieg bis weit an die Spitze, wer es sogar hinbekommen hat, eine halbwegs glückliche Partnerschaft und ein unbelastetes, gutes Verhältnis zu den Kindern zu haben, erfährt nun, dass all dies enden wird, nicht nur theoretisch, sondern ganz praktisch. Der Abschied aus der Firma wird noch einmal groß gefeiert, dann ist das Berufsleben vorbei.
Die Kinder haben mit vielen Glückwünschen das Elternhaus verlassen und leben nun auf der anderen Seite des Planeten. Freunde sterben. Auch der eigene Körper will nicht mehr ganz so, wie er sollte. In schönen Erinnerungen schwelgen: Reicht das wirklich? War es wirklich gut? Hat man seine Möglichkeiten ausgeschöpft? Wie viel blieb unerledigt, unerfüllt?
Niemand kann den Wechselfällen des Lebens entgehen. Es gibt keinen Lebensweg ohne Krisen. Wer etwas anderes behauptet, lügt. Eine Nachfrage bei der Familie, bei Freundinnen, Kollegen oder Nachbarinnen offenbart ein realistischeres Bild, jedenfalls dann, wenn die Befragten ehrlich antworten. (Auto)Biografien werden oft geschönt, die Niederlagen verschwiegen. So wird aus einem Drama ein Märchen.
Doch Krisen sind ein unvermeidbarer Teil des Lebens.
Willkommen im Club!
Alle Arten von Krisen
Solange man glaubt, eine persönliche Krise sei nur ein vorübergehender Ausrutscher, eine kleine, zu vernachlässigende Abweichung von einem im Großen und Ganzen erfreulichen Leben auf dieser Welt, hat man das Ausmaß des Problems noch nicht erkannt. Man lebt in diesem Fall immer noch in der Erwartung, eines Tages werde alles gut.
Mit dieser Einstellung fehlt die Motivation, den einzig wirksamen Ausweg aus dieser und allen anderen Krisen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu finden. Man begibt sich auf eine Suche, die leider nie enden wird. Am Schluss des Lebens fragt man sich, warum die menschliche Existenz so schwierig ist, ohne eine Antwort auf diese Frage zu haben.
Deshalb ist es so wichtig, in aller Klarheit zu verstehen, dass Krisen nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind. Dass es kein Leben ohne sie gibt. Eine krisenfreie Welt existiert nur in der Fantasie.
Manche vermuten die absolute Idylle in vergangenen, vorgeschichtlichen Zeiten nach dem Motto: Irgendwann muss es doch mal ideal gewesen sein. So wie es der Mythos vom Paradies beschreibt, aus dem wir wegen des Sündenfalls verbannt wurden. Dorthin möchten wir zurückkehren. Doch wo ist dieser Ort?
Falls es kein Ort ist, dann vielleicht eine Zeit? Könnte die Zukunft paradiesisch werden? Werden irgendwann alle Probleme gelöst, alle Streitigkeiten beigelegt und alle Krisen beendet sein? Dürfen wir uns darauf heute schon freuen? Der Haken bei der Sache ist nur, dass Generationen vor uns dasselbe hofften, ohne dass es eintraf.
Bevor Sie jetzt in Hoffnungslosigkeit versinken, möchte ich Ihnen sagen, dass es einen Weg aus der Krise gibt, nicht erst in der Zukunft, sondern im Hier und Jetzt. Das ist das Versprechen Buddhas und dieses Buches. Die Lösung lässt sich überall und jederzeit finden. Wir brauchen nicht auf Wunder zu hoffen. Kein Erlöser muss die Erde retten. Jeder normale Mensch ist in der Lage, sich selbst von seinem Leiden zu befreien.
Doch bevor man bereit ist, diesen Weg, den Buddha beschrieben hat, wirklich zu gehen, ist es unumgänglich, sich das ganze Ausmaß des Leidens und der Krisen vor Augen zu führen. Man muss alle Illusionen verlieren; denn wirklichkeitsfremde Wunschvorstellungen verzögern oder verhindern wirksame Lösungen.
Einen Teil der Probleme habe ich bereits beschrieben. In jedem Lebensalter erlebt man Krisen. Die Dramen können sich in der Schule, im Beruf, in der Partnerschaft, in der Familie, mit FreundInnen oder mit der sonstigen Umgebung abspielen. Häufig ereignen sie sich in allen genannten Lebensbereichen.
Es gibt nicht nur berufliche, familiäre und eheliche Krisen, sondern auch noch solche finanzieller und gesundheitlicher Art.
Allein wenn man die fünf Bereiche
→ Partnerschaft
→ Familie
→ Beruf
→ Geld und
→ Gesundheit
anschaut, findet man kaum einen Menschen, der in allen diesen Punkten voll zufrieden ist. Nicht selten sind sogar mehrere Bereiche notleidend.
Das Ganze ähnelt einer Jonglage. Sämtliche fünf Bälle frei in der Luft zu bewegen ist möglich, aber nur für begrenzte Zeit. Irgendwann vergreift man sich, drei Bälle kann man gerade noch auffangen, aber zwei liegen bereits am Boden.
Die einen haben eine eiserne Gesundheit, aber irgendwie klappt es im Beruf nicht. Andere feiern nach fünfzig Jahren glücklichen Zusammenseins die Goldene Hochzeit. Leider war es finanziell für die Familie immer knapp. Jemand schafft es bis zum Milliardär wenn da nicht der Herzfehler wäre oder der frühe Tod durch eine seltene Erbkrankheit.
Und als ob es damit nicht genug wäre, gesellen sich zu den persönlichen und familiären noch die gesellschaftlichen Krisen. Mal kränkeln die Staatsfinanzen, ein anderes Mal bleiben die Firmenerträge hinter den Erwartungen zurück. Schwere Wirtschaftskrisen ereignen sich alle paar Jahrzehnte. Einige Krisen bleiben regional begrenzt, andere weiten sich auf das gesamte Land oder die ganze Welt aus. Im 20. Jahrhundert waren zwei schreckliche Weltkriege mit Millionen Toten zu beklagen. Allein im Zweiten Weltkrieg starben mindestens 50 Millionen Menschen. Wie viele es genau waren, weiß niemand. Es kamen so viele um, dass man ihre Zahl nur schätzen kann. Der Dreißigjährige Krieg, der zwischen 1618 und 1638 tobte, kostete in Mitteleuropa 20–40 Prozent der Bevölkerung das Leben.
Ein aktuelles Beispiel: Epidemien, die ein Land oder die Erde insgesamt erfassen. Jährlich wiederkehrende Grippeviren raffen zahlreiche Menschen dahin. Bisher ist es nicht gelungen, solche Erkrankungen zu stoppen, und man darf angesichts der Vergangenheit skeptisch sein, ob dies jemals gelingen wird. Eines lässt sich mit Sicherheit ausschließen: Wir werden weder alle schädlichen Bakterien noch sämtliche tödlichen Viren ausrotten können. Sie sind Teil des Lebens, ob es uns gefällt oder nicht.
Ein Leben ohne Krankheiten: Allein, es bleibt ein Traum!
Veränderung ist unvermeidlich
Mit 107.000 km/h düsen wir durchs Weltall. Das ist eine ziemliche Geschwindigkeit, wenn man bedenkt, dass Autos, die mit 200 km/h fahren, als superschnell gelten.
Die Tatsache, dass wir uns in so rasanter Fahrt jährlich um die Sonne bewegen, ist uns nicht bewusst. Für uns sieht es so aus, als stünde die Erde still. Nur an den Jahreszeiten merken wir die ständige Veränderung. Je nachdem, wie die Erdachse zur Sonne steht, haben wir Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter.
Dass uns unser Alltagsbewusstsein oft trügt, zeigt sich auch daran, dass wir unsere Erde nicht selten für »die Welt« halten, während sie in Wirklichkeit nur ein winziger Tropfen im All ist, nur ein winziger Partikel in einer Art riesigem Sternenwirbel.
Aber das ist nicht alles: Mit 1.670 Kilometern pro Stunde dreht sich die Erde um sich selbst. Bei dem Gedanken könnte einem glatt schwindelig werden. Doch die Schwerkraft sorgt dafür, dass alles hübsch an seinem Platz bleibt. Das Bewusstsein bemerkt auch diesen Drehkreisel nur durch den Wechsel von Tag und Nacht. Mal sind wir der Sonne zugewandt, mal von ihr abgewandt.
Sowohl die Umlaufbahn der Erde um die Sonne als auch ihre Drehung um sich selbst sind nur zwei Beispiele dafür, dass wir in einer durch und durch dynamischen Welt leben. Man könnte genauso den Körper oder die Natur heranziehen, um zu verdeutlichen, dass alles in Bewegung ist. Versuchen Sie einmal, unbeweglich an einer Stelle zu bleiben. Schon nach kurzer Zeit wird sich Ihr Bedürfnis regen, sich zu bewegen, ganz abgesehen davon, dass währenddessen Ihre Augenlider auf- und zuklappen, Ihr Herz schlägt, das Blut durch Ihre Adern fließt und vieles mehr.
Vor Ihrem Fenster fliegen Fliegen, kleine Lebewesen, die ihren Namen wegen ihrer wichtigsten Eigenschaft erhalten haben, nämlich, sich durch die Luft zu bewegen. Aber auch andere Tiere sind Tag und Nacht unaufhörlich unterwegs. Nur vorübergehend gönnen sie sich etwas Ruhe in Form von Schlaf.
Selbst viele Pflanzen, die doch ortsbeständig sind, bewegen sich im Wind hin und her. Sie wachsen, entwickeln Blüten und Blätter und werfen diese spätestens im Herbst wieder ab.
Überall ist Bewegung. Bewegung bedeutet Veränderung, und Veränderung bringt leider oft Krisen mit sich.
Plötzlich und unerwartet stirbt jemand. Sein Körper zerfällt, und damit ist er für unsere Augen verschwunden. Normalerweise ersparen wir uns den Anblick des Zerfalls und verbrennen oder begraben den Leichnam. An der Tatsache, dass der Tod eine einschneidenden Veränderung ist, ändert das jedoch nichts. Sowohl bei den Sterbenden als auch bei den Hinterbliebenen, kann der Tod Krisen mit sich bringen.
Doch Veränderungen führen nicht zwangsläufig zu Krisen. Manchmal ist uns Abwechslung durchaus willkommen. Aber die meisten Menschen fürchten böse Überraschungen. Wir wissen, dass der Wind sich jederzeit drehen kann. Wir können unerwartet arbeitslos werden oder verarmen. Krankheiten können uns überfallen, genauso wie Diebe und Räuber. Der Zahn der Zeit, wie es so schön heißt, nagt an uns. Über das Ergebnis freut sich kaum jemand. Spätestens mit dreißig möchten viele die Zeit anhalten.
Doch es hilft nichts: Änderungen sind unvermeidlich. Wir leben in einer unbeständigen Welt. Den wenigsten gelingt es, sich damit anzufreunden. Nicht zufällig sind so viele Menschen konservativ. Sie möchten, dass möglichst alles so bleibt, wie es ist. Keine Experimente, lautete eine erfolgreiche politische Werbung.
Der Erde ist das egal: Sie dreht sich weiter. Die Veränderungen nehmen keine Rücksicht darauf, ob wir sie mögen oder nicht.
Warum ist die Welt so unvollkommen?
Ganz einfach: weil sie sich verändert. Etwas, was erst noch im Entstehen ist, kann nicht perfekt sein. Ebenso wenig kann etwas, was im Vergehen ist, perfekt sein. Im Verhältnis zu seinem perfekten Zustand ist es ein Minus, und zwar eines, das so lange zunimmt, bis es bei null angekommen ist. Und wer will schon eine Null sein oder mit einer zusammenleben?
Sofern man überhaupt bereit ist, irgendetwas für perfekt zu halten, ist dieser Zustand vorübergehend. Gestern war es noch nicht vollkommen, und morgen wird es das nicht mehr sein. Es handelt sich also allenfalls um einen zeitlich begrenzten Moment der Perfektion.
Dieser mag Minuten, Stunden, Tage oder Jahre andauern, doch wir wissen, er wird vorübergehen. Allein schon dieser Gedanke löst in vielen Menschen eine Krise aus.
Unvollkommenheit und Krisenerleben gehen Hand in Hand. Angesichts von Fehlern, Mängeln, Problemen und Widrigkeiten verlieren wir leicht die Beherrschung.
Der Kaffee, der uns gerade noch erfreute, ergießt sich über unsere Lieblingsjeans. Und schon liegt unsere Welt, die gerade noch in Ordnung war, in Scherben.
Eine Tasse zerbricht. Damit ist das Geschirr nicht mehr vollzählig.
Irgendetwas klemmt, hakt, drückt, rutscht oder fällt immer. Die Fassade eines Hauses bekommt Risse. Sie sah einmal sehr schön aus. Doch jetzt blättert die Farbe ab. Eine vollkommene Außenansicht bliebe dagegen immer gleich.
Noch nicht vollendet, nicht mehr vollendet: Zwischen diesen beiden Polen bewegt sich unser Leben.
Auf der Karriereleiter fehlen noch ein paar Stufen, die Gesundheit ist zurzeit sehr gut, aber die Partnerschaft ist nicht mehr das, was sie mal war.
Auch wenn die Antwort auf die Frage, warum die Welt unvollkommen ist, einfach scheint, ist die Sache doch etwas komplizierter.
Nicht nur die Dinge und die anderen Menschen verändern sich, auch wir tun dies pausenlos. Unsere Vorlieben wechseln. Was uns gestern oder vor zehn Jahren noch sehr gefiel, befriedigt uns heute nicht mehr. Musik, die wir als Teenager liebten, finden wir auf einmal peinlich. Unser Geschmack hat sich geändert.
Unvollkommenheit ist auch eine Frage unserer Bewertung. Daher können sich Menschen selten darüber einigen, was großartig ist und so bleiben sollte.
Ein Meisterwerk der Kunst, sagen Sie? Ich finde es belanglos.
Ein Meilenstein der Musik, finde ich! Sie halten es einfach nur für Lärm.
Ein Beispiel vollkommener Architektur? Oh, nein, bitte lassen Sie es uns abreißen.
Während Veränderung etwas ist, das man nachweisen und dokumentieren kann, ist Unvollkommenheit anders. So kann ich von einem Blumenstrauß im Abstand einer Woche Fotos machen. Daraus geht die Veränderung klar hervor. Aber wenn ich mit einem anderen darüber diskutiere, ob die Blumen vor einer Woche, heute oder überhaupt perfekt waren oder sind, gibt es dafür keinen Beweis, mit dem wir einander überzeugen könnten.
Ob die Welt perfekt oder unvollkommen ist, darüber lässt sich streiten. Passen Sie auf, dass aus dem Streit keine Krise wird!