NachtTaxi

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AM STEUER I



Wer den Beruf nach der Häufigkeit der möglichen amourösen Abenteuer aussuchen sollte, muss einfach Taxifahrer werden: Im Taxi ist es sehr leicht, jemanden kennen zu lernen. Das liegt hauptsächlich daran, dass die Schwellenangst wegfällt, jemanden anzusprechen. Die intime Atmosphäre tut ihr Übriges. Kein Fremder kann etwas mitbekommen. Bei durchschnittlich zehn bis zwanzig Kunden pro Schicht bietet sich im Laufe der Zeit zwangsläufig die eine oder andere Gelegenheit. Der Taxifahrer kann außerdem anonym bleiben und sich ziemlich sicher sein, dass die Dame nicht das Geringste über seine Lebensverhältnisse herausbekommt.



»Ich suche einen Club, wo man Männer kaufen kann.«



»Tut mir leid. So einen Club gibt es in Hannover nicht – höchstens für Schwule.«



»Ja dann … Oder könnten Sie da nicht vielleicht … Sie stehen da nicht eventuell zur Verfügung?«



Manche Damen lassen sich vom Taxifahrer eine Flasche Wein zu nächtlicher Stunde besorgen und denken, zur Lieferung gehört der Fahrer dazu. Meist sind diese Damen mittleren Alters, ab vierzig aufwärts, trinken sich Mut an und fallen dem Chauffeur einfach um den Hals. So direkt kommen allerdings nur die wenigsten zur Sache.



Ist der Chauffeur in festen Händen, hat er gelegentlich harte Kämpfe mit seinem Gewissen auszufechten. Bei all den unmoralischen Angeboten der Damenwelt ist es nicht leicht, standhaft zu bleiben und der Versuchung zu widerstehen, zumal die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, minimal ist

.




Kein Weihnachtstyp



»Sind Sie ein Weihnachtstyp?«, fragt mich meine Beifahrerin. Es ist die Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag.



»Wie meinen Sie das?«, frage ich irritiert zurück.



»Na, finden Sie die ›besinnliche‹ – man hört die Anführungszeichen deutlich in ihrer Stimme – Weihnachtszeit schön?«



»Ach so. Wenn Sie mich so fragen, kann ich mit einem klaren Nein antworten. Ich hasse Weihnachten zwar nicht, aber es ist mir doch ziemlich egal.«



»Ja?«, sie wirkt gleich viel wacher, »endlich mal jemand, der das so sieht wie ich.«



Ich nehme aus dem Augenwinkel wahr, wie die Frau anfängt mich zu mustern.



»Ich habe auch nichts weihnachtlich geschmückt«, sage ich, um keinen Zweifel an meiner Einstellung aufkommen zu lassen, »es gibt nichts Schlimmeres als diese bunten blinkenden Lichterketten in den Fenstern.«



»Hast du einen Weihnachtsbaum?«, fragt meine Passagierin weiter und geht dabei unvermittelt zum Du über.



»Nein. Dieses Jahr habe ich auch keinen Baum in meiner Wohnung stehen.«



»Wirklich?«, fragt sie immer noch etwas ungläubig, »ich habe mich nämlich mit meiner Mutter gestritten, weil ich keinen Weihnachtsbaum aufstellen wollte.«



Wohl in der Meinung, einen Seelenverwandten getroffen zu haben, fixiert sie mich immer intensiver.



»Wie gesagt, für mich ist Weihnachten nichts Besonderes, es interessiert mich einfach nicht weiter. Ich tue so, als sei ein ganz normales Wochenende«, bekräftige ich noch einmal meine Meinung.



»Die Leute nehmen das einem aber einfach nicht ab; sie glauben nicht, dass man wirklich so denkt.«



»Ja, das habe ich auch schon festgestellt.«



»Das Einzige, was mir an Weihnachten gefällt, sind die freien Tage. Wie lange arbeitest du heute denn noch?«



»Noch ungefähr drei Stunden, um 6 Uhr werde ich wahrscheinlich Schluss machen.«



»Und wie viel würdest du in der Zeit noch verdienen?«



Der Konjunktiv macht mich stutzig. Ich überlege etwas länger – gleichzeitig über den Betrag und darüber, wie es wohl weitergehen wird.



»Aber übertreib’ es nicht!«, fügt sie noch an.



Nun bin ich mir sicher, worauf sie hinaus will. Ich kann ein leichtes Schmunzeln nicht unterdrücken und sage:



»Ich hoffe, dass ich noch so hundert Euro Umsatz mache.«



»Und wenn ich dir zweihundert gebe und du machst sofort Feierabend?«



Wieder zögere ich mit der Antwort: Wie komme ich aus der Nummer noch heraus, ohne meine Beifahrerin vor den Kopf zu stoßen?



»Ganz ohne Hintergedanken, nur etwas trinken und unterhalten«, versucht sie mir die Entscheidung leichter zu machen.



»So viel Geld kann ich wirklich nicht annehmen«, sage ich – froh, diesen Rettungsanker gefunden zu haben.



»So viel Geld habe ich ja auch gar nicht, aber man kann ja mal testen.«



Sie hat also erkannt, dass ich nicht will und auch eine gute Möglichkeit gefunden ihr Gesicht zu wahren: Es ist natürlich nur ein nicht ernst gemeintes Spielchen ihrerseits gewesen.



Mit etwas angekratztem Selbstwertgefühl sagt sie beim Aussteigen mehr zu sich als zu mir: »Ich bin ja auch älter als du …«




Natascha – Die Versuchung



Zwei Frauen und ein Mann reden und lachen auf dem Weg von ihrer Haustür zu meinem Taxi ausgelassen und steigen bestgelaunt in meinen Wagen.



»Oh, ein schöner Mann!«, sagt eine der Damen mit osteuropäischem Akzent. Sie setzt sich direkt hinter mich, rückt näher heran und beäugt mich schräg von hinten. Wir fahren los. Sie kommt sofort zur Sache. »Willst du mit mir Sex haben?«, haucht sie mir mit sanfter erotischer Stimme ins Ohr. Ich grinse nur und versuche meine peinliche Berührtheit zu überspielen, indem ich konzentriert auf die Fahrbahn blicke. Sie ist ein dunkler Typ mit langen schwarzen Haaren. Ihr Alter schätze ich auf Ende dreißig. Sie hat ein bisschen Speck um die Hüften angesetzt und ein hübsches Gesicht. »Warum lachen die Männer immer, wenn ich das frage? Keiner nimmt mich ernst«, fährt sie fort.



Die anderen beiden Fahrgäste amüsieren sich köstlich, bleiben jedoch die ganze Fahrt über weitgehend unbeteiligte Zuhörer. Auf einmal spüre ich einen Finger, der zärtlich an meinem Nacken entlang streicht – ein angenehmes Gefühl. Kurz darauf fahre ich eine Links-Rechts-Kombination, die sie leise stöhnend kommentiert mit: »Jaaaa! Nach links und dann wieder nach rechts, so ist es gut. Jaaaa!« Mein Grinsen wird immer breiter, aber noch habe ich nichts zu ihren Annäherungsversuchen gesagt. Es ist wahrscheinlich ein Spaß, den sie mit jedem zweiten Taxifahrer macht. Nur das Leuchten in ihren Augen, das ich bei gelegentlichen Seitenblicken erhascht habe, scheint auf ein echtes Interesse ihrerseits hinzudeuten. Als sie meinen Ehering sieht, sagt sie enttäuscht: »Oh, er ist verheiratet.« Das hindert sie jedoch in keiner Weise, bis zum Zielort mit ihrem Späßchen fortzufahren. »Sag mal ehrlich: Würdest du mit mir schlafen?«, wiederholt sie ihre erste Frage. »Ja«, antworte ich zu meiner eigenen Überraschung – aber so leise, dass ich hoffe, niemand hat es mitbekommen.



»Oh, habt ihr das gehört? Er hat Ja gesagt!«, triumphiert sie. Kurz darauf sind wir am Ziel. Mein Beifahrer bezahlt und steigt mit der hinter ihm sitzenden Frau aus. Meine Verehrerin bleibt jedoch im Wagen sitzen und blickt mir tief in die Augen. »Komm doch mit in die Disko. Parke hier einfach und habe ein bisschen Spaß mit uns!«



»Ich muss leider noch arbeiten und im Moment ist sehr viel Geld zu verdienen. Es ist eben Samstagnacht, wo das Geschäft so richtig brummt«, versuche ich meine Standardausrede anzubringen.



»Wie lange fährst du denn heute noch?«, erkundigt sie sich umgehend.



»Bis 7 Uhr«, übertreibe ich extra.



»Okay. Dann gib mir wenigstens deine Nummer. So in drei Stunden rufe ich dich an, dann kannst du mich wieder nach Hause fahren.« Als ich zögere, fügt sie noch an: »Dann können wir bei mir noch einen Kaffee trinken. Ich bezahle natürlich die Fahrt. Wie heißt du denn überhaupt? Ich bin Natascha.«



Mit meinem Namen und meiner Handynummer verlässt sie das Taxi. Werde ich in ein paar Stunden ohne jeglichen Aufwand wirklich die Gelegenheit zu einem One-Night-Stand bekommen? Und wenn, sollte ich sie wahrnehmen? Warum habe ich ihr sonst die richtige Nummer gegeben? Welcher Mann würde bei so einem Angebot von einer attraktiven Frau wohl Nein sagen? Sollte ich der einzige Dummkopf sein? In Anbetracht des sich anbahnenden sexuellen Abenteuers steigert sich meine Erregung immer weiter, je näher der erwartete Anruf kommt.



Gegen 4 Uhr klingelt tatsächlich mein Handy und Natascha bestellt mich zu der Disko, an der ich sie abgeliefert habe. Als ich ankomme, verabschiedet sie sich gerade von ihren beiden Freunden. Als sie mich bemerkt, beeilt sie sich einzusteigen. Wir sitzen nun allein im Taxi und ihre Lockerheit von der Hinfahrt ist verschwunden. Wir führen die Fahrt über einen belanglosen Smalltalk, unterbrochen von Phasen peinlicher Stille. Es kommt mir vor, als habe sie Angst vor ihrer eigenen Courage bekommen. »Es waren nur ganz junge Leute in der Disko«, greift sie das zum Erliegen gekommene Gespräch wieder auf, »die hätten alle meine Kinder sein können! Kennst du nicht eine gute Möglichkeit zum Tanzen für etwas reifere Leute?« Nach einigem Nachdenken nenne ich ihr zwei Locations. »Wie oft gehst du abends weg?«, erkundigt sie sich umgehend. Als ich nicht gleich antworte, mutmaßt sie sofort: »Wahrscheinlich nur einmal im Jahr«, womit sie gar nicht so falsch liegt und mir erneut ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Wir machen noch einen kurzen Zwischenstopp an einer Tankstelle, um Zigaretten zu holen. Schließlich stehen wir vor ihrer Wohnung, sie bezahlt und nun bin ich gespannt, ob alles nur ein Spielchen war oder ob sie es ernst gemeint hat.



»Jetzt kommst du aber noch mit rein, auf einen Kaffee.«



»Eigentlich muss ich noch mindestens zwei Stunden arbeiten.«



»Ach komm schon, dann fährst du danach eben noch ein bisschen.«



»Na gut«, gebe ich mir einen Ruck.



»Ich weiß, was du jetzt denkst«, sagt sie beim Betreten ihres Flures.



Wir gehen in die Küche.

 



»Oh, hier sieht es etwas unordentlich aus. Wir haben vorhin zu Abend gegessen.« Sie räumt den Tisch ab, ich lege meine Jacke ab und setze mich.



»Bist du nervös? Du brauchst keine Angst zu haben.«



»Nein, nein«, lüge ich schnell. Sie macht mir einen Kaffee und schaltet das Radio mit einiger Mühe ein, da es sich im obersten Fach ihres Küchenregals befindet. Sie setzt sich mir direkt gegenüber und zündet sich eine Zigarette an.



»Ich bin verheiratet und habe zwei Söhne. Der Große ist 18, der Kleine sechs«, legt sie gleich alle Karten auf den Tisch. »Mein Mann ist in Kanada«, schiebt sie leicht vorwurfsvoll nach.



»Was macht er denn beruflich?«, frage ich.



»Er ist selbstständig und muss sehr viel reisen.«



Dann gibt sie mir zu verstehen, dass sie eigentlich einen wunderbaren Mann hat und alles in Ordnung ist, bis auf die Tatsache, dass er meist nicht zu Hause ist.



»Da wir beide verheiratet sind«, sagt sie, »gibt es keine gemeinsame Zukunft für dich und mich. Es wäre also nur eine Affäre.« So versucht sie, eventuelle Ängste meinerseits, dass sie mehr als ein Liebesabenteuer will, abzubauen. Auch bei ihrem Alter schummelt sie nicht: »Ich bin vierzig«, sagt sie frei heraus, »und wie alt bist du?«



»37«



»Ich bin Ausländerin, in Russland war ich Lehrerin. Hier in Deutschland konnte ich meinen Beruf leider nicht weiter ausüben. Ich verstehe alles sehr gut, nur mein Sprechen ist nicht perfekt.«



»Ich finde, du sprichst sehr gut deutsch.«



»Aber anscheinend nicht gut genug für eine Anstellung als Lehrerin in Deutschland. Daher bin ich nun schon lange Hausfrau. Nun erzähl mal was von dir. Wie lange bist du schon Taxifahrer?«



»Sieben Jahre.«



»So lange schon? Was hast du vorher gemacht?«



»Ich bin eigentlich Bauingenieur.«



»Oh, du bist nicht dumm«, ist sie überrascht, »ja es ist im Moment bestimmt schwierig, eine Arbeit zu finden.« Sie setzt wie selbstverständlich voraus, dass ich auch als Ingenieur arbeiten will und so breite ich ihr meine Lebensphilosophie aus. »Ich brauche nicht viel Geld, Luxus interessiert mich nicht, ich habe dafür lieber mehr Zeit, um über das Leben und die Welt nachzudenken. Taxi fahren ist für mich der ideale Job, weil ich sogar während der Arbeitszeit, nämlich in der Wartezeit zwischen zwei Fahrten, meinen Interessen nachgehen kann: Philosophie, Astronomie, Quantenmechanik, Schach. Ich bin mit meinem Leben, so wie es ist, sehr zufrieden.«



Dafür kann sie erwartungsgemäß, wie die meisten Menschen, kein Verständnis aufbringen und versucht mir sogar zu zeigen, dass ich mir etwas vormache. Ich merke immer deutlicher, dass wir so gar nicht auf der gleichen Wellenlänge liegen. Wir diskutieren noch einige Zeit weiter, bis sie wieder auf den eigentlichen Grund unseres Treffens hinarbeitet.



»Ich bin keine fünfundzwanzig mehr, aber ich fühle mich noch jung, nur mein Körper ist es nicht mehr. Das ist mein Problem. Im Herzen bin ich noch ein junges Mädchen. Wo ist die schöne Zeit geblieben?«, fragt sie wehmütig.



Anstatt ihr in irgendeiner Form Komplimente zu machen, was sie wohl erhofft hat, versuche ich sie zu trösten: »Ja, da müssen alle Menschen durch. So ist das Leben nun mal. Männer haben es da allerdings leichter mit dem Älterwerden. Bei Frauen achtet man leider nur aufs Äußere.« Sie unterbricht mich mit einer kreisenden Handbewegung: »Ja, immer weiter so, sprich dich nur aus.« Da merke ich erst, dass ich auf dem falschen Dampfer bin und kann meinen aufkommenden Lachreiz nur mit Mühe zu einem Lächeln abmildern: »Nein, nein, so habe ich das nicht gemeint.«



»Ich gefalle dir nicht«, stellt sie fest.



Sie schreibt mir unaufgefordert ihre Handy- und Festnetznummer auf. »Wir können uns ja mal zu viert treffen: Du und deine Frau und ich und mein Mann«, schlägt sie vor.



»Ja, das könnten wir mal machen«, erwidere ich zögernd. Sie bemerkt sofort mein Erstaunen und die Unschlüssigkeit in meiner Stimme. Ich kann mir auf ihren Vorschlag auch keinen Reim machen.



»Ja. Ja. Du sagst immer nur Ja! Sag doch mal was du denkst!«, fährt sie mich an. Ich bemerke immer wieder ihre unterschwellige Verachtung gegenüber den »typischen« Männern. Diese Grundeinstellung hat bei ihr vielleicht dazu geführt, Männer nur noch als reine Sexobjekte zu betrachten, da man sie wohl ihrer Meinung nach sowieso zu nichts anderem gebrauchen kann.



»Ich bin dir zu alt.« Dabei blickt sie mich durchdringend an, als wolle sie sagen, dass ich nichts vor ihr verheimlichen könne und sie längst den wahren Grund erkannt habe, warum wir immer noch nicht zusammen im Bett sind.



»Nein. Deine Augen sind noch ganz jung«, versuche ich ihr zu schmeicheln, aber ihr folgender Blick gen Himmel heißt so viel wie: »Spar dir deinen Schmäh und sei endlich ehrlich«.



Auf einmal fällt ihr das schreckliche Hintergrundgedudel auf. »Mein Gott, was ist denn das? Deutsche Schlagermusik!« Beim Versuch, eine CD in ihrem HiFi-Gerät zum Laufen zu bringen, muss sie auf ihren Stuhl steigen. Dabei stürzt sie fast herunter. Ich kann gerade noch aufspringen und sie stabilisieren – die erste gänzlich unerotische Berührung meinerseits. Sie ist nicht mehr nüchtern, aber noch klar bei Verstand. Ich bin mir nicht sicher, ob es Berechnung war oder ob sie wirklich Gleichgewichtsprobleme hatte.



»Willst du etwas Wein probieren?«, fragt sie.



»Ich rauche nicht und trinke normalerweise weder Alkohol noch Kaffee.«



»Das ist nicht normal!«, ruft sie entsetzt aus, »was magst du denn?« Ich überlege für ihren Geschmack zu lange. »Ja ich weiß schon, Lesen und so. Aber was sonst noch?«



»Ich kann mich bei Süßigkeiten und Chips nicht zurückhalten. Aber Alkohol schmeckt mir erstens nicht und zweitens werde ich nur müde, egal wie viel ich trinke.«



»Koste doch mal meinen Rotwein«, ignoriert sie meine Erklärung. »Ich möchte mich nur noch einmal richtig …« Sie beendet den Satz nicht und guckt mir nur in die Augen. Während ich, wegen des – womöglich mit Vorsatz, vielleicht aber auch nur wegen ihrer inneren Hitze – geöffneten Fensters vor mich hinzittere, nimmt sie meine Hand und streichelt zärtlich über meine Finger: »Oh, dir ist kalt. Du hast so schöne lange Finger.«



In dem langen Gespräch hat sich meine Lust fast vollständig verflüchtigt. Neben der Ablenkung meiner Gedanken spielt meine zunehmende Müdigkeit wohl die Hauptrolle. Ich denke, ich kann mich beherrschen und versuche den Rückzug vorzubereiten:



»Du bist mir wirklich sympathisch«, sage ich mittlerweile nicht mehr ganz wahrheitsgemäß.



Sofort schießt sie dazwischen: »Sympathisch, sympathisch! Mein Nachbar oder meine Putzfrau oder sonst noch tausende von Leuten sind mir auch sympathisch!« Ich bin abermals erstaunt über ihre barsche Reaktion.



»Für mehr braucht es nun doch etwas länger«, entgegne ich. Ja was erwartet sie denn? Soll ich ihr nach einer Stunde meine große Liebe gestehen? Oder ganz im Gegenteil sagen, dass ich sie nur bumsen will? Sie will wahrscheinlich wirklich nur sexuell begehrt werden, sich jung und attraktiv fühlen.



»Oh diese deutschen Männer sind so kompliziert!«, ruft sie hilflos aus. »Willst du oder willst du nicht?«



»Ich will schon«, sage ich halbherzig, »aber ich bin mir unsicher, ob ich es wirklich machen soll. Ich weiß, dass ich dieses Abenteuer nie vergessen würde. Aber ist es das wert, dafür meine Ehe aufs Spiel zu setzen?«



»Liebst du deine Frau?«



»Ja. Sie hat mir auch mehrmals klar gemacht, dass es das Schlimmste für sie wäre, wenn ich fremdginge. Bekäme sie es heraus, könne sie mir unter keinen Umständen verzeihen.«



»Ich werde dich zu nichts zwingen, nicht ins Bett zerren und dich vergewaltigen. Ich sage dir nur: Ich will dich! Ich meine nicht Sex. Das kann, muss aber nicht sein. Ich will deinen Körper spüren.«



Nach weiteren, anscheinend nicht deutlich genug gewordenen Versuchen meinerseits, mich langsam zu verabschieden, startet sie ihre Schlussoffensive.



»Jetzt ist es gleich 6 Uhr und deine Schicht ist um.«



»Ja, aber gerade deshalb müsste ich noch etwas fahren, weil ich jetzt so viel Zeit, sprich Geld, verloren habe. Mein Chef wird sich über den schwachen Umsatz sicherlich nicht freuen.«



Ohne auf meinen Einwand zu reagieren, fährt sie fort: »Was möchtest du machen? Willst du dich erst mal duschen? Du kannst dich dann hier schlafen legen, mit mir oder ohne mich, wie du willst.«



»Aber meine Frau wartet auf mich. Es tut mir leid. Es liegt wirklich nicht an dir.« Ich ziehe mir langsam die Jacke an, stehe auf und gehe zur Eingangstür. Sie folgt mir wortlos. An der bereits von mir geöffneten Tür streichele ich ihr noch tröstend den Arm. Aber sie will kein Mitleid. Sie nimmt es natürlich sehr persönlich und denkt bestimmt: »Wäre ich zehn Jahre jünger, hätte er mich garantiert nicht abgewiesen«.



Falls der eine oder andere Leser an der Telefonnummer Interesse haben sollte, so muss ich ihn leider enttäuschen: Meine Frau hat mit einem gefährlichen Blitzen in ihren Augen die betreffende Seite aus meinem Notizbuch gerissen, sie mit wütendem Schwung in die Toilette geworfen und heruntergespült.




Meine Weggefährten



Zwei Damen, die z