Live for Love

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Live for Love
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Live for Love
Eine All Cocks Geschichte

von TM Smith

Band 5

Aus dem Englischen von Bettina Spallek

Impressum

© dead soft verlag, Mettingen 2021

http://www.deadsoft.de

© the auhor

Titel der Originalausgabe „Live for Love“ – Stories from the Sound 5

Übersetzung: Bettina Spallek

Cover: Irene Repp

http://www.daylinart.webnode.com

Bildrechte:

© lenaer – shutterstock.com

© oneinchpunch – shutterstock.com

1. Auflage

ISBN 978-3-96089-454-4

ISBN 978-3-96089-455-1 (epub)

Inhalt

Reicht die Entschlossenheit und Kraft eines Mannes aus, um eine Mauer einzureißen, die jahrzehntelang Schmerz und Dunkelheit umschlossen hat?

Beauregard Boudreaux ist ein gebürtiger Louisianer aus New Orleans, der stets dachte, dass er nie von dort weggehen würde. Der verfrühte Tod seiner ersten Liebe hat Beau verloren, hilflos und auf der Suche nach einem weit entfernten Ort, fort von seinem Schmerz, zurückgelassen. Anfangs wollte er in New York nur einen Freund besuchen, aber die Stadt begann ihm zu gefallen und so entschied er zu bleiben. Sein Abschluss in Rechtswissenschaften ist nützlich für das LGBTQ-Center, das er betreibt, aber sein Baby ist seine Bar.

William Richards ist in Chicago aufgewachsen. Seine Familie ist dafür erstaunlich normal und akzeptiert seine Sexualität voll und ganz. Er hat keinen solchen Verlust und Schmerz wie Beau erlitten. Ihre Gemeinsamkeit besteht in der Einsamkeit. Beide Männer sind perfekt füreinander. Ihr Geschmack und ihre Leben passen gut zusammen, doch da gibt es ein ein Geheimnis, das Beau nur mit wenigen teilt. Ein Geheimnis, das sie nicht nur auseinanderbringen könnte, sondern tödlich ist.

Entschlossen, William auf Abstand zu halten, bekämpft Beau ihre Anziehung und stößt den Mann jedes Mal von sich, wenn er ihm zu nahekommt. Aber William ist ebenso fest entschlossen, Beaus Abwehr zu durchbrechen.

Glossar von Ausdrücken:

Couyon (Cajun-Dialekt): Ausdruck für jemanden, der nicht ganz bei Sinnen ist und der als Trottel angesehen wird.

Mon Chéri (Cajun-Dialekt): mein Liebling / mein Liebster / mein Schatz

Cher (Cajun-Dialekt): Baby, Darling, Schatz

Laissez les bon temps roulette (Aussprache: lay-zay lay bon ton rul-ay / Cajun-Dialekt): Lass die guten Zeiten ruhen!

Joie de vivre (Cajun-Dialekt): eine entspannte Lebenseinstellung haben.

Sombitch/Sumbitch (Südlicher-Dialekt): kurz für „Son of a bitch“ = Hundesohn, Mistkerl, Hurensohn

Widmung

Für Jeffrey und Jerry, die mir erlaubt haben ihre Leben und ihre Geschichte als Ursprung für diese Charaktere zu verwenden.

Prolog

Der Wind fuhr durch die Bäume und brachte leichten Regen mit sich. Kleine Wassertropfen fielen auf den Sarg, was in Beaus Ohren eher wie ein lautes Trommeln klang, als wie das sanfte Tröpfeln des Regens. Hier stand er also wie angewurzelt, während sein langes Haar an seinem Kopf klebte und Wind und Regen zunahmen. Er hörte die geflüsterten Worte von Kummer und Beileid der anwesenden Trauergäste, die sich hinter ihm in das große Zelt scharrten. Ein Arm schlang sich um seine Hüfte, der nur kurz seine Aufmerksamkeit von dem Sarg ablenkte, in dem sein toter Geliebter lag.

Er sah auf Alma, Izaiahs Mutter, herab und schaffte ein kleines Lächeln. Ihr großer schwarzer Hut mit breiter Krempe schützte ihr Gesicht vor dem mittlerweile anhaltenden Regen. Sie streckte sich, als Beau sich zu ihr herabbeugte, und ließ es geschehen, dass er ihr einen Kuss auf die Wange drückte.

„Er ruht jetzt in Frieden, Beauregard. Ich weiß, es ist schwer, ihn gehen zu lassen, aber das musst du, Cher. Und mein Sohn wäre sicher nicht erfreut, wenn du dir in diesem Wetter den Tod holst. Komm, zurück ins Zelt, hörst du?“

Beau musste daraufhin lachen. Er konnte es sich genau vorstellen: Izzie würde ihn mit strafendem Blick anschauen und ihn mit der Mischung aus Cajun, Französisch und Kreol verfluchen, von der sich Beau in jener Nacht vor vielen Jahren angezogen gefühlt hatte.

Beau und seine Freunde waren in Arnaud’s Bar im französischen Viertel etwas trinken gegangen, als einer der Gäste – offensichtlich betrunken – etwas aufdringlich einer Kellnerin gegenüber wurde. Der Kellner, ein großer, gelenkiger Mann mit einer Haut so schwarz, wie die Nacht, schnappte sich den Betrunkenen und warf ihn raus. Eine Litanei von einfallsreichen Wörtern in drei verschiedenen Sprachen kam zwischen den umwerfenden Lippen des Mannes hervor. Als er sich umdrehte, um sich bei den Gästen der Bar zu entschuldigen, blieb sein Blick für einige Sekunden lang an Beau hängen. Da war es um ihn geschehen. Nur ein Blick und Beau war ihm verfallen.

Sie hatten so viel überstanden. Die schwulenfeindlichen Tiraden und Drohung von Beaus Vater, der sie ausweiden und ihre blutigen Leichen im See von Pontchartrain den Alligatoren zum Fraß vorwerfen wollte. Seinen anstrengenden Stundenplan, während seines Rechtsstudiums. Izzies darauffolgenden Kampf mit Drogen und Alkohol, mit denen er versucht hatte, die Leere zu füllen, die Beau hinterlassen hatte, weil er aufgrund seines Studiums so oft weg war. Entziehungskuren, Rassismus und Engstirnigkeit von Menschen, die sie als ihre Freunde und Familie betrachtet hatten – manches aufgrund ihrer gemischtrassigen Beziehung, andere wegen des homosexuellen Aspektes und wieder andere, die wegen beidem auf sie herabgesehen hatten. Sie hatten das alles über ein Jahrzehnt hinweg überlebt.

Am Ende war es die Krankheit, die ihm seinen Liebsten genommen hatte, in dem sie seinen schönen Körper durch Infektionen zerstörte, bis Izzie kaum noch wiederzuerkennen gewesen war. Der Kampf mit seiner Sucht hatte eine bleibende Narbe in ihrem Leben hinterlassen. Während sich Izzie in der Abwärtsspirale seiner Heroinsucht befand, hatte er sich beim Teilen von Nadeln mit HIV infiziert. Beau steckte sich bei seinem Liebsten an und beide waren sich der Gefahr nicht bewusst, ehe es zu spät war. Während Beau mit der Krankheit zurechtkam, war Izzies Immunsystem zu schwach und sein zerbrechlicher Körper bekam AIDS, das letztendlich zum Tod führte.

„Hörst du nicht, Junge? Ich sagte, wir gehen!“, blaffte Alma und die Realität, wo sie waren, und was passierte, traf ihn, wie ein Güterzug. Er nickte und sein Blick fand den Weg zurück zu dem einfachen schwarzen Sarg.

Beau nahm die rote Rose aus der Brusttasche seiner Anzugjacke, kniete sich neben den Sarg und legte sie sanft darauf.

„Ich hoffe, du hast endlich deinen Frieden gefunden, Mon Chéri“, flüsterte er.

Als Beau sich erhob, wehrte sich sein Körper dagegen. Seine Beine zitterten, seine Seele verzehrte sich danach, bei seiner anderen Hälfte zu bleiben. Irgendwie schaffte es Beau, einen Fuß vor den anderen zu setzen und Alma den steilen Hügel hinabzufolgen, wo das Auto auf sie wartete. Seine Kleidung war durchweicht und der Regen tropfte noch immer von den Spitzen seines langen Haares, als sie losfuhren. Beau erschauderte, durchgefroren bis auf die Knochen – ein Schauer, da war er sich sicher, der ihn bis an sein Lebensende verfolgen würde.

Kapitel 1

Legal Ease

Als die Ampel grün wurde, überquerte Beau die Straße und erreichte den Bürgersteig vor einem gelben Taxi, das dicht an ihm vorbeifuhr. Vormittage in Manhattan waren verrückt und normalerweise vermied er sie unter allen Umständen. Heute hatte er jedoch eine Beweisaufnahme, also war das keine Option. Obwohl Beau eigentlich nicht mehr als Anwalt in Gerichtssälen praktizierte, vertrat er hin und wieder Leute, die im New Horizons vorbeikamen, dem LGBT-Center, das er betrieb.

„Mr. Boudreaux!“ Die Stimme weckte Beaus Aufmerksamkeit. Er hielt an, drehte sich um und sah Tommy, der zwei Stufen auf einmal nehmend, auf ihn zukam.

„Morgen, Tommy, bist du bereit?“ Beau klopfte dem jungen Mann auf die Schulter, lächelte und wartete, bis Tommy wieder zu Atem kam. Sie betraten das Gebäude unter Blitzlichtgewitter und Fragen, die von überallher auf sie einprasselten.

Die Familie Johnson war nicht nur reich, sie genoss auch einen Grad an Berühmtheit in den gesellschaftlichen Kreisen New Yorks. Tommys Eltern hatten das Gericht ersucht den Treuhandfonds, den seine Großmutter ihm hinterlassen hatte, einzufrieren und in das Vermögen der verstorbenen Frau zurückzuführen. Als Vorwand nannten sie die geistige Unzurechnungsfähigkeit von Mabel Johnson, Tommys Großmutter.

Die Beweise, die Beau und Tommy vorlegten, basierten auf einem Brief und einer Videoaufzeichnung, die vor dem Tod seiner Großmutter entstanden. Sie war die einzige Person in Tommys Familie gewesen, die ihn akzeptiert hatte – um genau zu sein, nahm sie ihn auf, als seine Eltern ihn im Alter von vierzehn Jahren rauswarfen, weil er schwul war. Es war lächerlich, dass ihr Sohn und seine Frau in diesem Gerichtssaal saßen und das Gericht zu überzeugen versuchten, dass die Großmutter sich im Grabe umdrehen würde, wenn sie wüsste, dass ihr Enkel, der Perversling, ihr Geld für seinen abartigen Lebensstil nutzen würde. Es war wohl eher so, dass sie ihrem Sohn sagen würde, er könne sie am Arsch lecken und er soll verdammt noch mal die Klappe halten.

Der Staatsanwalt brachte Argumente gegen die Aufnahme des Briefes und des Videos als Beweise vor, bis er blau anlief. Beau war mit seinen Gegenargumenten bereit, als der Schlipsträger endlich die Klappe hielt und sich setzte.

 

„Euer Ehren, die Familie Johnson möchte dieses Gericht glauben lassen, das Mabel Johnson – die Frau, die Tommy aufgenommen hat, als seine Eltern ihn hinauswarfen, die Frau, die Tommy die letzten fünf Jahre mit Freundlichkeit und Liebe aufgezogen hat – Sie möchten uns glauben machen, dass sie nicht wollte, dass Tommy das Geld aus dem Treuhänderfonds bekommt, dass sie extra für ihn angelegt hat. Und zwar, weil er schwul ist. Ich denke, wir sollten uns Ihre Gedanken diesbezüglich anhören, Sie die Wahrheit sprechen lassen und nicht auf die Worte derer hören, die offensichtlich schwulenfeindlich und engstirnig sind und einen hilflosen vierzehnjährigen Jungen auf die Straße setzen, nur aufgrund seiner sexuellen Orientierung.“

„Einspruch Euer Ehren! Der Kollege geht zu weit, indem er den Charakter meiner Klienten verleumdet …“ Der Staatsanwalt hielt mit offenem Mund inne, als der Richter seine Hand hob und ihn damit sofort zum Schweigen brachte.

„Abgelehnt. Bailiff, bitte holen Sie sich das Video von Mr. Boudreaux und bereiten es vor, während ich mir den Brief ansehe“, ordnete der Richter an.

Hinter ihm war leises Murmeln zu hören, was Beau ein bisschen nervös machte. Jedes weitere geflüsterte Wort war hasserfüllt oder voller Missbilligung und richtete sich gegen seinen Klienten und ihn. Tommys Vater durchbohrte sie von der gegenüberliegenden Bank mit bösem Blick und nichts als Verachtung in seinen Augen. Beau sah erneut zum Richter und räusperte sich.

„Das hier ist ein Brief von Mabel Johnson, zusammen mit ihrem Letzten Willen, dem Testament und zusätzlich das Schreiben eines zugelassenen Psychiaters, der bestätigt, dass Mrs. Johnsons bei der Verfassung ihres Letzten Willens vollkommen im Besitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte war.“ Der Richter sah auf und begegnete den Blicken der Johnsons und deren Staatsanwalts mit ausdruckslosem Gesicht.

„Bailiff, starten Sie das Video.“

Der Fernseher erwachte zum Leben und Mabel Johnson mit ihren weißen Haaren und ihrem strahlenden Lächeln sah sie an.

„Hallo Thomas. Ich wette, du hättest nicht gedacht, dass du meine hässliche Fratze noch mal ertragen musst, nachdem du mich begraben hast. Nun, obwohl ich es hasse dich zu enttäuschen, konnte ich es nicht lassen, da du gerade anscheinend versuchst, das zu tun, was ich erwartet habe, da du sonst das Video nicht anschauen würdest.“

Mabel Johnson war eine kleine rundliche Frau, die ihre Brille an einer Kette trug, ihr weißes Haar zu einem Dutt gebunden hatte und mit einem schweren Südstaatenakzent sprach. Beau biss sich auf die Lippe, um nicht laut loszulachen. Er warf heimlich einen Blick zum Richtertisch, wo er den Richter lächeln sah. Das war ein sehr gutes Zeichen. Aus den Augenwinkeln sah Beau, dass die Johnsons blass geworden waren und mit offenem Mund zusahen.

Fünf Minuten später endete das Video und es war offensichtlich, dass Tommy als Sieger aus diesem Fall hervorgehen würde. Dass der Richter ihm alles zugestand, war mehr eine Formalität, da Tommys Großmutter eindeutig bei Sinnen gewesen war, als sie ihren Willen verfasst hatte. Das war anfangs der Grund gewesen, wieso Beau Anwalt werden wollte: um Menschen zu helfen, die die Gesellschaft zu unterdrücken versuchte.

Tommy jubelte, als der Richter die zwei magischen Worte Fall abgeschlossen sagte, während das laute Geräusch des Hammers von den Wänden widerhallte. Beau erhob sich und verstaute sein Tablet, Tommys Fallunterlagen und das Video in seiner Aktentasche. Als er sich umwandte, kam Thomas Johnson auf ihn zu, um ihm seine Meinung zu sagen. Tommy stand hinter Beau und kicherte, als sein Vater sich mit knallrotem Gesicht vor ihm aufbaute und mit dem Finger auf Beau zeigend seinen Vortrag begann.

„Und Sie sollten sich schämen. Gott wird sich schon um Sie kümmern, Sie Schwuchtel.“ Je länger sein Vortrag dauerte, umso lauter wurde er. Beau stand ruhig da, zog eine Augenbraue hoch und verschränkte seine muskulösen Arme vor der ebenso muskulösen Brust. Er war dankbar, dass er einige Zentimeter größer als der hasserfüllte Mann war, da seine herumfliegende Spucke so sein Shirt traf und nicht sein Gesicht.

Thomas Johnsons Frau und der Staatsanwalt versuchten, ihn zu beruhigen, doch er schüttelte sie ab. Schließlich wurde er von zwei Polizisten, die glänzende Handschellen am Gürtel trugen, aus dem Gerichtssaal geleitet. Beau wünschte, sie würden sie für das kleine Arschloch in einer Art und Weise verwenden, die ihn nicht befriedigen würde.

„Er ist schon echt anstrengend, stimmt’s?“, fragte Tommy, der noch immer lachte, während sein Vater aus dem Saal geschleift wurde.

„Ein richtiges Arschloch, wenn du mich fragst.“ Beau schnaubte und zog seinen Mantel an, während sie hinaus in die warme Sonne traten.

Tommy lud Beau zum Mittagessen im Heartland Brewery ein, wohlwissend, dass er es liebte. Ihre Veggie-Burger waren gerade serviert worden, als Beau drei bekannte Gesichter auf sie zukommen sah. Er erhob sich und umarmte Tristan, als dieser den Tisch erreichte. Dann gab er Micah und Gabe die Hand. Beau stellte ihnen Tommy vor und die fünf unterhielten sich kurz.

„Also, wir lassen euch beide dann mal essen. Micah hat dich entdeckt und wollte kurz Hi sagen“, sagte Tristan bevor er, Micah und Gabe sich abwandten, um sich an einem Tisch auf der anderen Seite der Bar niederzulassen.

„Oh mein Gott.“ Tommy lehnte sich zu Beau, damit niemand in der Nähe sie hören konnte. „Weißt du, wer das ist? Das sind der großartige Gabe und Aiden Cox. Heilige Scheiße, ich habe gerade den wunderbaren Gabe und Aiden Cox getroffen. Wow, in Person sind sie noch heißer.“ Tommy grinste übers ganze Gesicht.

Beau legte den Burger auf seinem Teller ab und fixierte Tommy wütend.

„Was weißt du denn schon davon?“ Tommy verdrehte die Augen.

„Echt mal, Beau, ich bin zwanzig, beinah einundzwanzig und nicht zwölf. Abgesehen davon, jeder schwule Mann, der Gabe und Aiden nicht kennt, der sollte sich überlegen, ob er wirklich schwul ist. Sie sind so was wie die heißesten Kerle im Netz. Gut, abgesehen von Hayden Cox, aber ich glaube, der macht keine Pornos mehr. Zumindest habe ich ihn schon eine Weile in keinem mehr gesehen.“

Beau verpasste dem jungen Mann einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Autsch!“, winselte Tommy.

„Halt die Klappe und iss.“ Beau zeigte auf den Veggie-Burger. Es war schwierig zu kauen, während man versuchte, nicht zu lachen. Tommys Gesichtsausdruck als Tristan, Micah und Gabe auf sie zugekommen waren, war unbezahlbar gewesen.

„Also, wer gehört zu dem großen Kerl, diesem Tristan?“, fragte Tommy mit vollem Mund.

„Sprich nicht mit vollem Mund und sie gehören beide zu ihm.“ Tommys Augen weiteten sich und er musste husten, um nicht an einem Stück Burger zu ersticken. Beau gluckste, streckte sich und klopfte ihm etwas fester als nötig auf den Rücken.

Der arme Junge schaffte es schließlich, zu schlucken, und kippte ein Glas Wasser hinterher, bevor er sich mit ernster Miene zu Beau drehte.

„Alle drei? Zusammen? Wie zusammen, zusammen?“ Beau nickte, lächelte und schüttelte den Kopf, um sich dann wieder seinem Essen zu widmen.

„Ich hätte gerne überhaupt einen Kerl, der mich mag“, murmelte Tommy.

Beau ließ sich Zeit beim Kauen, bevor er sich wieder Tommy zuwandte.

„Hör zu, junger Mann. Du bist zwanzig Jahre alt und noch grün hinter den Ohren. Nicht mal alt genug, um trinken zu dürfen. Hör auf, zu schnell erwachsen werden zu wollen. Wenn es an der Zeit ist, wirst du es wissen.“

Tommy starrte auf seinen Teller, seine Wangen leuchtend rot. Der Blick aus seinen babyblauen Augen irrte umher und landete kurz auf Beau, bevor er wieder zurück auf seinen Burger fiel. Er lächelte jedoch und Beau musste lachen – der Junge war hinreißend. Eine angenehme Stille machte sich zwischen ihnen breit, für die Beau dankbar war. Tommy sagte nichts mehr, bis sie auf den Parkplatz kamen.

„Sag, kennst du noch andere heiße, schwule Pornostars, denen du mich vorstellen könntest?“, fragte er grinsend.

Beau nahm ihn spielerisch in den Schwitzkasten und verpasste ihm eine Kopfnuss, bevor er ihn zu seinem Truck schubste.

„Steig ein, du kleiner Scheißer!“

Kapitel 2

Freunde … erst mal

„Glückwunsch, dass du Tommys Fall gewonnen hast“, sagte Tristan über seine Schulter hinweg, als er zuerst ins Büro trat und hinter Beau die Tür schloss.

„Danke, Tris. Mit dem Video war es ganz einfach.“ Er nahm seinen üblichen Platz auf der Couch ein, während Tristan es sich ihm gegenüber in seinem Sessel bequem machte.

„Und wie geht es dir?“

„Kann mich nicht beklagen. Das Geschäft läuft gut und das Center schlägt sich wacker. Alles beim Alten“, antwortete Beau und zuckte mit den Schultern.

„Ja, aber wie geht es dir?“ Tristan starrte ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

„Hast du darüber nachgedacht, was wir in unserer letzten Sitzung besprochen haben?“ Beau suchte Tristan mittlerweile seit einigen Jahren auf und seit mindestens einem Jahr, wenn nicht sogar schon länger, drängte er ihn sich wieder zu verabreden.

Beau seufzte und nickte.

„Ich bin eine tickende Zeitbombe, Tris. Eines Tages wird die Krankheit ausbrechen und … bumm.“ Tristan beugte sich nach vorne und warf sein Tablet und seinen Stift auf den Beistelltisch.

„Du weißt, dass das nicht zwangsweise so kommen muss, Beau. Mit den Fortschritten der modernen Medizin und deinem gesunden Lebensstil kann es sein, dass du niemals AIDS bekommst.“

„Aber was, wenn ich es bekomme, Tris? Du weißt, wie hart es für mich war, als Izzie gestorben ist, wie mich das zerstört hat. Zum Teufel, wer weiß, wo ich jetzt wäre, wenn da nicht du, die Therapie und die Lebenshilfe gewesen wären? Ich will keinem antun, was Izaiah mir angetan hat. Gott, ich liebte ihn, das weißt du, ich tue es noch, aber ich ... ich kann nicht, Tris. Ich kann das Risiko nicht eingehen.“ Beau sah auf seine Füße. Er konnte Tristans Blick nicht erwidern.

„Sag, Beau, bereust du dein Leben mit Izaiah, bevor er die Diagnose bekam?“ Beaus Kopf fuhr hoch.

„Nein, natürlich nicht.“

„Bereust du deine Entscheidung, bei ihm geblieben zu sein, nachdem er sich infiziert hatte?“

Beau knurrte und schüttelte den Kopf.

„Weil es deine Entscheidung war. Habe ich nicht recht, Beau? Es war deine Entscheidung zu bleiben oder zu gehen. Es war deine Entscheidung, entschuldige das Klischee, ihn zu lieben oder zu verlassen.“ Tristan wartete geduldig, während sich jede von Beaus Emotionen in seinem Gesicht widerspiegelte.

„Fick dich, Tris“, knurrte er schließlich.

„Nein, danke, zwei sind wirklich genug. Ich weiß nicht, ob ich mit einem Dritten klarkäme“, witzelte Tristan.

Beau brach in schallendes Gelächter aus.

„Du und die Jungs seid füreinander geschaffen, Tris. Lass dir von niemand was anderes einreden.“

Tristan beugte sich erneut nach vorne, während sein Lächeln verschwand.

„Du verdienst es, glücklich zu sein, Beau. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden, auch nicht von dir selbst.“

Bevor Beau etwas Geistreiches erwidern konnte, klopfte es leise an der Tür.

„Herein“, rief Tristan. Seine Sekretärin öffnete die Tür und brachte ein Tablett mit einer Kanne Kaffee und zwei Tassen herein. Sie stellte alles auf dem Tisch neben Tristans vernachlässigtem Tablet und Stift ab, entschuldigte sich und verließ das Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich.

Mit einem Kaffee in der Hand führte Tristan das Gespräch in eine andere Richtung. Beau wusste, dass Tristan es nur gut meinte und vermutlich auch recht hatte. Das Problem war, das er erst mal jemanden finden musste, den er genug liebte, um sein Herz zu riskieren. Seine Gedanken drifteten zu der Nacht im Lagerraum seiner Bar mit William ab – das einzige Mal, wo er sich erlaubt hatte, seiner Begierde nach ihm nachzugeben. Verdammt noch mal, der Mann war ein feuchter Traum, mit seiner dichten Mähne pechschwarzen Haares, seinem Schlafzimmerblick und seinem Körper, der aussah, als wäre er aus Granit gemeißelt. Zu verdammt sexy und strahlend, um sich von Beaus Trübsinn und der Last, die er mit sich herumtrug, runterziehen zu lassen.

„Beau, alles in Ordnung?“, fragte Tristan. Er blinzelte und nickte. „Wo warst du gerade? Möchtest du heute noch über etwas anderes sprechen?“, drängte Tristan.

 

Der Mann war wie ein Hund mit seinem Knochen.

„Ach, ich geh‘ nur im Kopf durch, was ich heute noch alles erledigen muss“, log Beau und betete, dass Tristan es ihm abkaufen würde. Doch er hatte kein Glück. Sein Therapeut lehnte sich in seinem Sessel zurück, hob eine Augenbraue und trommelte mit seinen Fingern auf die Armlehne. Beau kicherte.

„Da is dieser Typ …“ Tristan grinste, lehnte sich erneut in seinem Stuhl vor und deutete Beau an fortzufahren. „Ich denk, du kennst ihn. William, er arbeitet mit deinen Jungs.“ Tristan nickte.

„Er ist eng mit Gabe befreundet, daher kenne ich ihn gut. Er ist ein toller Kerl, Beau. Ich denke, ihr beiden würdet perfekt zusammenpassen.“

„Er verdient was Besseres als das hier, Tris.“ Beau zeigte auf sich. „Er … vergiss es.“

„Nein, sag, was du sagen wolltest, Beau. Das hier ist ein sicherer Ort. Glaub nicht, weil Gabe und Micah mit ihm befreundet sind und ich ihn durch Zufall auch kenne, dass die Regeln nicht mehr gelten. Alles, was du mir erzählst, bleibt unter uns und nichts davon verlässt den Raum“, beruhigte ihn Tristan.

„Es ist nur, ich hab schon lang nicht mehr jemanden so gesehen. Und dann platzt er in mein Leben, wie ein Sommersturm und ich kann nicht aufhören, an ihn zu denken. Ich hab nach dem ersten und einzigen Kuss nein zu ihm gesagt, aber er ist so stur und erhebt bereits Anspruch auf mich.“ Beau lachte.

„Hey, warte, welcher Kuss? Wann ist denn das passiert?“

„In der Nacht nach der Abschlussfeier in der Bar. Ich war hinten, um Bier zu holen, und der hinterhältige Bastard hat mich überrascht.“ Beau fixierte einen Punkt an der Wand hinter Tristans Kopf, sah aber nicht wirklich etwas, außer Williams Gesicht, als er sich von ihm gelöst hatte. Sein Lächeln war wehmütig und verschwand langsam.

„Stopp!“, rief Tristan. „An was auch immer du gerade gedacht hast, war gut, aber, an was auch immer du jetzt denkst, musst du beiseiteschieben.“

Tristan erhob sich und ging hinüber zur Couch, um sich neben Beau niederzulassen.

„Ich weiß, du vermisst Izaiah. Glaub mir, bevor ich mit Gabe und Micah zusammen war, wusste ich nicht, wie sehr du das tust. Es ist in Ordnung ihn zu vermissen, Beau. Erinnere dich an ihn und sprich über ihn, um ihn in Erinnerung zu behalten. Es sind jetzt fünfzehn Jahre, Beau. Ich denke, du kannst langsam aufhören, um ihn zu trauern.“ Beau blickte Tristan einige Sekunden lang an, schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn.

„Ich … Ich weiß nicht, wie ich ihn gehen lassen soll, Tris.“ Tristan brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.

„Ich sage dir nicht, dass du ihn gehen lassen sollst. Was ich meine ist, erinnere dich an ihn, sprich über ihn, aber hör auf, um ihn zu trauern. Wenn du eine Frau wärst, Beau, würdest du noch immer Schwarz und einen Schleier tragen.“ Beau warf seinen Kopf in den Nacken und lachte. Tristan grinste und schüttelte den Kopf.

„Der war gut! Kannst du dich mir in nem Kleid vorstellen?“ Tristan legte lächelnd seine Hand auf Beaus Schulter.

„Denk bitte darüber nach.“ Beau nickte.

Nachdem die Sitzung vorüber war, unterhielten sie sich noch eine Weile. Das Gespräch drehte sich um Grillfeste im Garten und um das abstoßende Rot, in dem Gabe ihr Schlafzimmer streichen wollte.

Beau ging, nachdem er Tristan versprochen hatte, in zwei Wochen zu ihm, Micah und Gabe zum Abendessen zu kommen. Er glitt gemächlich mit seinem Motorrad durch die überfüllten Straßen der Stadt. Dann fuhr er auf seinen gemieteten Garagenplatz und schloss seine Maschine ab, bevor er auf dem ebenso überfüllten Fußweg zu seinem Appartement zwei Blocks weiterlief.

Kurz nachdem er in New York angekommen war, hatte er das zweistöckige Haus gemietet. Inzwischen nannte er es sein Zuhause und nachdem der Mietvertrag auslief, bot es ihm der Vermieter zum Kauf an und er schlug zu. BB´s Bar und Grill befand sich im Parterre und seine Wohnung im ersten Stock.

Beau schaut noch kurz in sein Postfach in der kleinen Postfiliale gegenüber der Bar und joggte dann über die Straße und die Stufen zu seinem Appartement hinauf. Er versuchte Alma zu erreichen, bevor er zur Bar runter ging, erreichte aber nur die Mailbox. Sie spielten nun schon einigen Wochen Fangen über das Telefon. Durch den Zeitunterschied und ihren absolut unterschiedlichen Tagesabläufen kamen sie kaum dazu, zu reden. Er musste sich mehr bemühen. Vielleicht sollte er einen kleinen Ausflug machen, schauen, wie es ihr ging und ein paar Tage ihre Fürsorge genießen. Sie liebte es, ihn zu umsorgen.

Er warf die Post und seine Schlüssel auf den Tisch bei der Tür, zog seine Stiefel aus und ging ins Schlafzimmer, um sich auszuziehen und zu duschen, bevor er wieder runter in die Bar gehen würde. Er hatte sich vorgenommen Inventur zu machen, damit diese nicht wieder in der letzten Minute durchgeführt werden musste, wie es meistens der Fall war.

Er genoss die Zeit allein in der Bar, wenn die Geräusche der nächtlichen Menge fehlten. Die Juke Box in der Ecke blieb stumm und keine Billardkugeln klackerten im Hintergrund. Die Stadt schlief niemals, aber hinten den dicken Backsteinmauern seiner Bar konnte Beau die Welt aussperren und ein paar Minuten Frieden finden.

Sofort als er in den kleinen Lagerraum trat, erschien Williams Bild vor ihm, wie er sich an der Wand räkelte, sein geschmeidiger Körper vollkommen in Beaus Gewalt. Er hatte William des Öfteren im Vorbeilaufen gesehen. Entweder in Tristans Büro oder in der Bar. Aber in der Nacht der Abschlussfeier hatte William auf sich aufmerksam machen wollen und hatte dafür gesorgt, einen verdammt guten Eindruck bei Beau zu hinterlassen. Es war so lange her, dass Beau einen anderen Mann gewollt hatte. Der Schmerz über Izzies Verlust hatte ihn mehr Jahre wund und verletzlich zurückgelassen, als er zählen wollte. Als William direkt vor ihm gestanden hatte, hatte er gewirkt, als würde der attraktive Mann Anspruch auf Beau erheben, was gleichzeitig erregend und angsteinflößend gewesen war. Ein Teil von ihm wollte William diesen Anspruch zugestehen, weil das bedeutete, dass auch Beau Anspruch auf William hätte.

Aber die Dunkelheit würde immer auf der Lauer liegen, wie eine Gewitterwolke über ihnen hängen, und mit ihr die Tatsache, dass er HIV positiv war. Er hatte mit angesehen, wie der Mann, den er geliebt hatte, dem Virus erlag. Wie die Kraft und Leidenschaft, die Beau dazu gebracht hatte sich in Izaiah zu verlieben, langsam verwelkte, als die Krankheit seinen Körper zerstörte.

In dem Wissen, dass so etwas wie eine einfache Erkältung oder eine Grippe sein Immunsystem so stark schwächen konnte, dass er über die Klippe ging, hatte Beau gelernt, jeden in seinem Leben auf Armlänge von sich fernzuhalten. Wenn es niemanden gab, der zu Lebzeiten für einen da war, dann gab es auch niemanden, der zerbrach, wenn er derjenige war, der überlebte.

***

Noch bevor der Abend hereinbrach, begann es zu regnen und so war Beau nicht überrascht, dass die Bar in dieser Nacht fast leer war. Unter der Woche waren die Nächte ohnehin nicht so stressig, aber ein Wolkenbruch hielt auch die Stammgäste fern.

Er machte seine Runde durch die Bar und ging sicher, dass die wenigen Gäste mit Essen und Trinken versorgt waren. Dann wischte er mit einem feuchten Tuch die Spiegel und Regale hinter den Flaschen ab, die die Bar säumten, eine langweilige, aber nötige Arbeit griff.

Das Geräusch von drei Münzen, die in den Geldschlitz der Juke Box geworfen wurden, klang lauter als gewöhnlich, da es nicht durch die sonst üblichen Gäste gedämpft wurde. Das Lied begann und Beau erkannte es sofort als „Hozier – Take Me to Church“, eines seiner Lieblingslieder.

Das eigenwillige Geräusch von Metall, das über Beton kratzt, ließ Beau reflexartig zusammenzucken.

„Bin sofort bei dir“, rief er, ohne sich umzudrehen. Auf einer Trittleiter zu stehen und sich zum obersten Regalbrett zu strecken, um den Staub wegzuwischen, war gerade wichtiger.

„Lass dir Zeit, ich warte.“

Mistkerl! Beau seufzte und ließ das Handtuch sinken, um sich langsam zu William umzudrehen.