Loe raamatut: «Am Trallafitti-Tresen»
Am Trallafitti-Tresen
Das Werk von Udo Lindenberg in seinen Texten
Herausgegeben und ausführlich besprochen
von Benjamin v. Stuckrad-Barre
und Moritz von Uslar
Europäische Verlagsanstalt
© e-book Ausgabe CEP Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2014
ISBN 978-3-86393-509-2
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Inhalt
Vorwort
Kindheit, Jugend, frühe Ausbrüche
Anfälle, Aufstände, Abschied aus der bürgerlichen Existenz
Karriere, Ruhm und warum’s auf der Bühne manchmal bisschen traurig wird
Panik, Vollgas, Rock ’n’ Roll-Lifestyle
Sehnsucht total, Beschwörung der pubertären Kräfte, diese irre Unruhe in mir drin
Frauen, Liebe, große Liebe und warum es mit den Frauen am Ende immer nicht klappt
Frauen, die sich plötzlich als Männer herausstellen und andersrum (ein ulkiges Seitenthema)
Freundschaft statt Liebe, die Gang im Jenseits
Whisky, andere Räusche und warum der Alkohol trotzdem ein Kumpel ist
Kaputte Welt, Zukunftsängste, die Politik
Deutschland
Absurdistan, Gespräche mit dem lieben Gott
Altern in Würde, falsches, richtiges Leben, der Tod
Gespräch: „Ein Karton Udo-CDs“
Register / Textnachweis
Vorwort
Warum die Texte Udo Lindenbergs das Zeug haben, den Popstar Udo Lindenberg zu befreien
Wir wollen hier gleich mit der Sprache rausrücken: Dies ist nicht noch ein duftes Udo-Buch.
Es gibt in diesem Band, einer Sammlung der besten Texte von Udo Lindenberg, keinen Udo-Hut, keine Udo-Sonnenbrille und keine Udo-Zigarre, kein Grußwort vom Bundespräsidenten, keinen Liebesbrief von Nena, keine Aufzählung von Udos Preisen und Verdienstorden, kein Foto vom Live-Udo vor 20.000 begeisterten Leipzigern und kein Foto vom Sonderzug nach Magdeburg, der 2003 eine symbolische Mauer durchbricht, auch keine ironisch-lockeren Bildunterschriften. Wir haben versucht, die Gags, die Sprüche, das „Duftetum“, sofern es nicht Teil von Udos Textwerk ist, aus diesem Buch herauszuhalten. Das Buchcover sollte, und daran hatten wir natürlich eine Riesenfreude, eher an die kommentierte Gesamtausgabe der Gedichte von Paul Celan erinnern als an einen Band mit Poptexten.
Warum nicht noch mal der Hut?
Die simple Antwort: Er ist überall, man hat ihn schon zu oft gesehen. Dieser Udo Lindenberg, der sich 1972 mit dem Hit „Hoch im Norden“ erfand und ein Jahr später mit „Alles klar auf der Andrea Doria“ eine allseits präsente, öffentliche Figur wurde, ist heute, nach gut fünfundreißig Berufsjahren als der Popstar, der den deutschen Liedtext populär gemacht hat, längst so etwas wie der Alterspräsident aller ewig Jugendlichen, der Freakvater, der Gute-Laune-Onkel unser deutschen Republik geworden: Ihn mögen sie alle (jeder kann doch irgendeinen Vierzeiler von Udo auswendig, fast jeder hat schon einmal Udos Nuschelgesang mit der berühmten hängenden Unterlippe nachgemacht). Und wer Udo nicht mag, dem ist es längst zu anstrengend geworden, ihn nicht zu mögen: Unser Udo… ja, gibt’s den immer noch?
Es gibt ihn immer noch. Wenn die Zeitungen ein bekanntes Gesicht für ihre leichten Seiten brauchen, dann drucken sie Amy Winehouse, Yvonne Catterfeld, Boris Becker – oder Udo Lindenberg.
Wenn sich die Nation auf der ZDF-Seebühne in Bregenz zum Endspiel Deutschland - Spanien versammelt, dann singt Udo und spricht ins Mikrophon der verdutzten Moderatorin: „Ich tippe auf ein Fünf zu Null für unsere Jungs.“ In deutschen Städten werden derzeit die Plakate für die Zusatzkonzerte der großen Herbsttournee geklebt. Das Popjahr 2008, wer hätte das gedacht, ist noch mal ein Udo-Jahr geworden: Mit „Stark wie Zwei“ trat der ewige Udo, der zuletzt lieber malte als sang, sein Spätwerk an, das Album hielt sich wochenlang auf Platz Eins der deutschen Charts. Ein wahrhaft furioses Comeback.
Dieses Buch möchte den einfachen, den ebenso naheliegenden wie überfälligen Schritt tun, zu dem kaum ein Gratulant, kein Boss einer Plattenfirma, kein Repräsentant der Bundesregierung, kein befreundeter Popstar, kein noch so feinfühlender und wohlmeinender Feuilletonist im Stande ist: den Popstar Udo Lindenberg vom Müll seiner Bedeutung, vom Schrott seiner Alltagspräsenz, vom Knast seines eigenen Klischees zu befreien.
Niemand kann das so gut wie Udo selber. In den Liedtexten von Udo Lindenberg steckt der ganze Udo drin. Sie sind, heute neu gelesen, immer noch eins: irrer, wirrer, frischer, freier, kunstvoller, riskanter, doppeldeutiger, rührender und vergnüglicher, als man sie in Erinnerung hatte: ein echtes Wunder-, Grinse-, Kopf-Schüttel- und Herzschmerz-Vergnügen. Das ist der Stoff, aus dem neue Kraft, neue Frische, neue Bedeutung und ein neuer Blick auf den Popstar Udo entstehen können.
Drücken wir es ruhig ein wenig pathetisch aus – der Pathos ist im Pop ja nicht nur ein erlaubtes, sondern ein manchmal notwendiges Mittel: Wer wie Udo Lindenberg ein echtes Lebenswerk geschaffen hat, der hat längst mehr als nur das eine Leben – mindestens so viele Leben, wie er Songs geschrieben und gesungen hat. Der steht über jedem miesen, kleinen, doofen Klischee, ist längst woanders unterwegs. Der ist frei.
Eine Sammlung der besten Texte von Udo Lindenberg also.
Und nun tritt der Fan, in diesem Fall die zwei Herausgeber dieses Buches, auf den Plan: Wir, die Herausgeber, bekennen uns zu unserem jahrelangen Udo-Fantum. Und wie jeder Fan sind wir der Meinung, dass wir unseren Udo natürlich besser kennen als jeder andere (was für eine Zumutung, schon klar, geschenkt).
Dieses Buch versammelt nicht alle Texte Lindenbergs, sondern lediglich die Texte, die wir, heute gelesen, für seine besten halten. Es ist keine klassisch subjektive, sondern eine geradezu asozial subjektive Auswahl geworden. So konnte es passieren, dass der „Sonderzug nach Pankow“ sowie einige andere schon sprichwörtliche Udo-Erzählungen („Rudi Ratlos“, „Sister King Kong“, „Club der Millionäre“), die nicht fehlen dürfen, in dieser Sammlung trotzdem fehlen. Das hat erstens einen Sinn, weil es Spaß macht, den alten Udo-Lindenberg-Fan ein wenig zu ärgern, und zweitens einen noch besseren Sinn: Das Werk des Großkünstlers Udo kann nur Subjektivität vom Turm der Bedeutung herunter holen. Wir trauen uns das zu. Ja, echt: Wir glauben, dass wir, Udo-Fans, noch mehr verstehen von Udos Texten als der Künstler Udo selbst. Wahnsinn. Der Fan ist dumm, weil er liebt. Der Fan sieht aber gleichzeitig auch mehr, eben, weil er liebt. Soweit die Hoffnung.
Dem Textwerk Udos folgt ein Gespräch, in dem wir das Werk von Udo Lindenberg in seinen Texten besprechen. Es ist ein ausführliches Gespräch geworden. Wir geraten gelegentlich ins Schwärmen. Man hätte sich hier und da sicherlich ein wenig kürzer fassen können. Aber, Entschuldigung, es ging nicht anders. Es musste sein.
So erfüllt dieses Buch, wenn es denn hinhaut, gleich einen dreifachen Zweck: Der alte Udo-Lindenberg-Fan soll seinen Udo neu entdecken. Der, der bisher nur den „Sonderzug nach Pankow“ kannte, soll 164 neue Songtexte und Udo Lindenberg, diesen nahezu klassischen deutschen Dichter, ewigen Aufrührer, Anführer und Verführer, den Alltagspoeten und Wortakrobaten, kennenlernen. Das hehrste Ziel: Udo Lindenberg himself sollte noch einmal unterhalten, geflasht und von sich selber überrascht werden: Was denn? Das bin alles ich? Das habe alles ich geschaffen? Ja, echt. So big ist er. Dieser Udo Lindenberg.
Jeder sei hiermit aufgefordert, sein eigenes Udo-LindenbergBuch herzustellen. Wir können’s empfehlen. Es hat echt Spaß gemacht.
Die Herausgeber,
Hans-Albers-Suite, Hotel Atlantic, Hamburg im September 2008
P.S. Der Buchtitel „Am Trallafitti-Tresen“ ist dem Song „Ich bin beim Bund“ entnommen.
„Also, ich werd’ später Löwenbändiger“
Kindheit
Jugend
frühe Ausbrüche
Good Life City
I say: Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Den Typ da im Radio
ich glaub’, den kenne ich
Dreh’ mal lauter, mal hör’n, was der da singt
machste das mal für mich?
Du, diese Stimme, die hab ich doch schon mal gehört
Das klingt ja ganz manierlich
wenn man den Gesang mal überhört
I say: Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Mein Onkel ist Zauberer in Bonn am Rhein
Kaninchen im Zylinder
und Tauben im Hosenbein
Hokuspokus-Mann hat ’ne Menge drauf
doch eins gibt’s, was er nicht kann:
Eine bessere Welt kann auch er nicht zaubern
da muss man sich schon selbst drum kümmern
Und ich fang’ jetzt damit an
I say: Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
(1972)
Hoch im Norden
Hoch im Norden, hinter den Deichen bin ich geboren
immer nur Wasser, ganz viele Fische
Möwengeschrei und Meeresrauschen in meinen Ohren
Und mein Vater war Schipper und fluchte, wenn Sturm war
denn dann konnt’ er nicht raus auf See
Und dann ging er zu Herrn Hansen, der der Chef vom Leuchtturm war
und der sagte: „Keine Panik auf der Titanic
jetzt trinken wir erst mal einen Rum mit Tee“
Und ich verbrachte meine Tage im Nordseedünensand
bin jahrelang tagtäglich am Deich entlang gerannt
und Mutter brachte jeden Tag, und freitags ganz besonders
Muschelzeug und Fisch auf den Tisch
Ja, es war ja auch ganz schön, und das Klima war gesund
und doch hab ich mir gedacht
hier wirst du auf die Dauer nur Schipper oder Bauer
hier kommst du ganz allmählich auf den Seehund
Und als ich so um sechzehn war, da hatte ich genug
da nahm ich den nächstbesten nach Süden fahrenden Zug
Und nun sitz’ ich hier im Süden und so toll ist es hier auch nicht
und eine viel zu heiße Sonne knallt mir ins Gesicht
Nein, das Gelbe ist es auch nicht
und ich muss so schrecklich schwitzen
Ach, wie gern würde ich mal wieder
auf einer Nordseedüne sitzen
(1972)
Er wollte nach London
Mit dreizehn ist er zum ersten Mal
von zu Hause weggerannt
er wollte nach London und später nach Paris
Das waren komische Gefühle
als er nachts an der Straße stand
den Schlafsack unterm Arm
und dreißig Mark in der Hand
Er rauchte viele Zigaretten
und dann wurd’ es wieder heller
und morgens um sieben hatten sie ihn
sein Alter war leider schneller
Als er so um fünfzehn war
hat er’s noch mal versucht
und dieses Mal hat’s hingehauen
da haben sie sehr geflucht
Als er drei Tage später den Eindruck hatte
dass er weit genug weg war
hat er zu Hause angerufen
und gesagt, es wär’ alles klar
Eigentlich war gar nichts klar
und das Geld war auch schon alle
und nun stand er da
in irgendeiner kalten Bahnhofshalle
Er war in London, er war in Paris
er war in vielen großen Städten
er schlief auf harten Parkbänken
und auf weichen Wasserbetten
Er spürte, dass er irgendwie auf der Suche war
doch was er eigentlich wollte
das war ihm damals noch nicht klar
Inzwischen ist er neunzehn
und er weiß immer noch nicht so genau
was er denn nun davon halten soll
von dieser ganzen Schau
Viele Sachen sieht er anders
und er glaubt auch nicht mehr so daran
dass es nur an der Umgebung liegt
Vielleicht kommt es doch mehr auf einen selber an
Und nun liest er ein Buch von Hermann Hesse
und nun macht er Meditation
Doch er findet Jerry Cotton auch sehr stark
und er lernt jetzt auch noch Saxophon
(1973)
Da war so viel los
Plötzlich bin ich wieder der kleine Junge
ganz spitz auf Lakritz
für den eine Expedition zum nächsten Block
weit wie ’ne Reise nach China ist
Der kleine Robinson Crusoe auf Entdeckungstour
Meiner Mutter Hermine
missfielen die Onkel-Doktor-Spiele
und meine Schwäche für Whisky pur
Ich seh’ July Müller, meine erste Liebe
mein Herz knallte los
Wir wollten heiraten, doch dann kam Jan von nebenan
und ich verliebte mich in Rennautos
Da war so viel los
das Leben bestand ausschließlich aus Sensationen
und jeder Tag brachte jede Menge phantastische Situationen
Einmal sind wir losgezogen
wir suchten das Ende vom Regenbogen
Da war schwer was los
Und dann in der Schule hatte
keiner Bock auf Mathe
Lieber ging man stolz mit ’ner Zigarette
zum Schwindeligwerden auf die Toilette
Gerne quälten wir auch manche Lehrer
die wurden sowieso immer unfairer
Einen haben wir so fertiggemacht
der hat sein ganzes Gehalt zum Psychiater gebracht
(Kinder:)
Also ich werd’ später Löwenbändiger
Ach nee, das ist viel zu gefährlich, da wird man ja gefressen, ich werd’ lieber Kaugummifabrikant
Ich find’ das besser: Taucher
Ich werd’ lieber Pop-Star
Das find’ ich doch alles ganz doof, ich mach’ einen Zirkus auf
Ich werd’ später Testpilot
Und ich Filmstar in Hollywood
Letzte Woche war ’n Klassentreffen
da sah ich sie wieder
die missglückten Helden, die jetzt Beamte sind
Die Bonnies and Clydes von früher
jetzt als Herr und Frau Bieder
Die Power von damals ist leider hin
und Fritz der Cowboy wurde nur
Manager bei der Müllabfuhr
(1975)
Rockin’ and Rollin’
Als Bill Haley sich in meine Ohren bohrte
war ich ’n Frischling, war gerade erst zehn
Ich hatte keine Ahnung
und kapierte auch den Text nicht
trotzdem konnte ich Bill gut versteh’n
Und zu Hause knallte dieser Sound ausm Radio
ich trommelte mit
uh, das gefiel mir so
Und dann hab ich’ den kleinen Mann
im Lautsprecher gefragt:
„Warum macht mich das so an?“
Und da hat er mir gesagt:
„Gestatten Sie, dass ich mich Ihnen vorstell’
mein Name ist Rock and Roll
Rockin’ and Rollin’
Rockin’ and Rollin’
Meine Väter waren die Jazzer
in den Kaschemmen von New Orleans
und meine Mütter malochten sich fast tot
in den Baumwollfeldern von Mississippi
Und meine Tanten hatten in Chicago
einen Honky-Honky-Honky-Tonky-Puff
und mein Onkel starb in Memphis
am Southern-Comfort-Suff
Und meine Söhne trugen Pomade
in den Haaren
sie machten Putz und machten Schluss
mit den lahmen Jahren
Rockin’ and Rollin’
Rockin’ and Rollin’
Nichts macht mich kaputt
weil ich zu lebendig bin“
(1978)
Die kleine Stadt
Die kleine Stadt, die liegt so weit zurück
sie war der Mittelpunkt der Welt
Unsere enge Straße war
breit wie der Hollywood Boulevard
Und in der Kirche wohnte der liebe Gott da
war er noch nicht tot
da hat er sich noch um alles gekümmert
Und Mutter hing die Wäsche auf
im schmutzigen Wind hinter der Fabrik
Und es gab auch ein Kino
und ich war sehr interessiert
was hinter der Leinwand passiert
ob es das alles wirklich gibt
und ich war in Brigitte Bardot verliebt
und stand stundenlang vor dem Schaukasten
und träumte
Eine Sache war für mich schon damals völlig klar:
Wenn ich später groß bin, fahr’ ich nach Amerika
Bestimmt warten die da schon auf meines Vaters attraktiven Sohn
und dann werd ich was Berühmtes und zu Hause hör’n sie alle davon
In der kleinen Stadt
Wenn ich da heute mal hinkomm’
dann stelle ich fest:
das gleiche miefige Nest
immer noch so kleinkariert
ist wirklich nicht viel passiert
Und du siehst ein paar andere Jungs an der Ecke steh’n
und die bleiben auch nicht lange
so wie die ausseh’n
Eine Sache ist für die ja schon völlig klar:
Wenn ich später groß bin, fahr’ ich nach Amerika
Bestimmt warten die da schon auf meines Vaters attraktiven Sohn
und dann werd’ ich was Berühmtes und zu Hause hör’n sie alle davon
Yeah
(1979)
Die Klavierlehrerin
Als ich ein kleiner Junge war
da fragte ich meine Mama:
„Wie wird man ein Musikgenie?“
Sie sagte: „Ohne Übung nie
Am besten wär’s, mein liebes Kind
du lernst das Tastenspiel geschwind“
Ein Päckchen Noten schenkt’ sie mir:
„Jetzt gehe hin und lern Klavier!“
Und schickte mich dann da so hin zu der Klavierlehrerin
Sie war so groß, war so barock
ganz breit der Arsch
ganz kurz der Rock
Dann nahm sie meine Finger
und führt’ sie hier und da so hin – meine Klavierlehrerin
Nach der Etüde
waren wir so müde
und dann beim hohen C
da tat es wirklich ’n bisschen weh
Am besten war’s beim tiefen H
da war’s ganz einfach wunderbar
Mit feuchter Hose kam ich dann
zu Haus bei meiner Mutter an
Sie sprach: „Da gehst mir nicht mehr
hin zu der Klavierlehrerin“
(1988)
„Mädchen, es gibt ein besseres Leben Für dich und mich“
Anfälle
Aufstände
Abschied aus der bürgerlichen Existenz
Der Malocher
Die Alte zu Haus war auch nicht mehr das, was sie früher einmal war
Schon morgens saß sie vor der Glotze, mit Lockenwicklern im Haar
Wenn er schlapp von der Maloche nach Hause kam, saß sie immer noch da
und sagte: „Hier hast ’n Korn, der bringt dich wieder nach vorn“
Und im Fernseh’n läuft der Kommissar
Er hatte die Schnauze von diesem Leben voll, er wär’ so gern ausgeflippt
Und mit solchen Gedanken hat er dann noch mal an seinem Glas genippt
Und dann schmiss er’s mit Karacho voll ins TV
und schrie: „Ihr glaubt wohl, ich bin nicht ganz dicht
jeden Abend Fusel schlucken und dann in die Röhre gucken
und dann pennen und dann wieder zur Schicht“
Der Malocher ausm Ruhrgebiet
tat nun etwas, was sonst nur selten geschieht
schmiss seiner Frau das Mobiliar vor die Füße
und sagte: „Nun ist aber Schluss, meine Süße
Und mit dem Lottogewinn, das haut ja doch nicht mehr hin
Komm, Weib, mach meinen Koffer klar
ich hau’ jetzt ab nach Paris, da ist das Leben so süß
da trink’ ich Sekt im Alkazar und tanze Chachacha“
Er fuhr mit der Bahn, erster Klasse
nach Paris Gare du Nord
Er bestellte sich Champagner, den trank er aus der Flasche
und kam sich ganz schön super vor
Und als er dann da war und schon nicht mehr ganz klar war
da traf er ein charmantes Mädel
Und am nächsten Morgen war er allein im Hotel
ohne Kies und mit ’nem schweren Schädel
Der Malocher ausm Ruhrgebiet
machte etwas, was sonst nur selten geschieht
schmiss seiner Frau das Mobiliar vor die Füße
und sagte: „Nun ist aber Schluss, meine Süße
Und mit dem Lottogewinn, das haut ja doch nicht mehr hin
Komm, Weib, mach meinen Koffer klar
ich hau’ jetzt ab nach Paris, da ist das Leben so süß
da trink’ ich Sekt im Alkazar und tanze Chachacha“
(1975)